Eine Posse?

Strasbourg, 3. September 2014. Am Théâtre national de Strasbourg (TNS) spielt sich derzeit ein merkwürdiger Kampf um die Leitung ab. Wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet, will die amtierende Direktorin Julie Brochen trotz anders lautender Vereinbarungen nicht zurücktreten, obwohl ihr designierter Nachfolger Stanislas Nordey darauf wartet, den Posten zu übernehmen.

Der Hintergrund: Laut NZZ-Informationen sollte der Vertrag mit der seit 2008 das Haus leitenden Brochen bereits 2013 auslaufen – das Kulturministerium habe ihre Arbeit "als nicht zufriedenstellend eingeschätzt". In Verhandlungen habe sie einen einjährigen Aufschub erwirkt – weil derartige Verträge bei Erneuerung auf drei Jahre abgeschlossen würden, wurde Brochens Vertrag bis 2016 verlängert. "Mündlich gelobte sie, nach einem Jahr zu demissionieren, um die Ernennung eines Nachfolgers zu ermöglichen", so die NZZ. Ende Juni wurde Nordey erkoren, konnte jedoch nicht offiziell ernannt werden, da Brochen nicht wie geplant zum 1. Juli 2014 zurücktrat.

"Vertreter des Ministeriums behaupten, sie verlange eine exorbitante Entschädigung", so die NZZ. Laut Brochens Anwalt hingegen habe sie auf finanzielle Forderungen verzichtet, poche hingegen auf die Erfüllung zweier Versprechen des Ministeriums: eine Festlegung der Subventionshöhe für ihre freien Truppe, Les Compagnons de Jeu, und den Abschluss eines Kurzzeitvertrags, der es Brochen nach einem Rücktritt erlauben soll, als "artiste associée" ein 2011 lanciertes mehrteiliges Gemeinschaftsprojekt des TNS und des Théâtre national populaire in Villeurbanne über die Gralslegende bis zur Präsentation der fünften und einstweilen letzten Episode im Herbst zu begleiten.

Jüngst habe die Kulturministerin ein Amtsenthebungsverfahren gegen Brochen angestrengt, so die NZZ weiter, wurde aber im Zuge der jüngsten Kabinettsumbildung selbst entlassen. Eine Posse, findet die Zeitung. Die Welt widerspricht: "Das TNS gehört zu den fünf staatlichen Bühnen des Landes, zusammen mit der Comédie-Française, dem Odéon, der Pariser Opéra und dem Chaillot-Theater. Deren Direktoren werden in Frankreich direkt vom Staatspräsidenten ernannt, auf Vorschlag des Kulturministers."

Die Welt macht auch noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: "Nordey, derzeit freier Regisseur und ehemals Intendant des Théâtre Gérard Philippe in Saint-Denis bei Paris, ist Sohn der Schauspielerin Véronique Nordey und des Filmregisseurs Jean-Pierre Mocky und ehelichte die Schauspielerin Valérie Lang (1966–2013), Tochter des ehemaligen Kulturministers. Julie Brochen ist ihrerseits entfernt mit Martine Aubry verwandt, der sozialistischen Bürgermeisterin von Lille und ehemaligen Ministerin." So sei der Theaterkrieg am TNS "auch ein Rosenkrieg innerhalb der Sozialisten".

 

(NZZ / Welt / geka)

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