Geben Sie Rückenwind

von Nikolaus Merck

Berlin, 24. September 2014. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Herr Methling, wir freuen uns, dass Sie beim Neustart des Volkstheaters dabei waren. Und dass Sie trotz des Streites, den Sie derzeit mit dem neuen Intendanten Ihres Theaters öffentlich austragen, offenbar mit Beifall nicht gespart haben. Und wie Recht Sie damit haben. Denn im Moment schaut die am Theater interessierte Öffentlichkeit tatsächlich hoffnungsvoll nach Rostock.

roland-methling-4Roland Methling
© offizielle Website
Theatergeld stopft keine Haushaltslöcher

Wir möchten Sie aufrufen, das Momentum zu nützen. Stellen Sie sich, wie es früher so schön hieß, "unverbrüchlich" an die Seite des Volkstheaters. Bestehen Sie nicht länger auf einer Schrumpfung des Hauses auf zwei Sparten. Bieten Sie der Schweriner Landesregierung die Stirn. Die wenigen Millionen, die Sie für die Stadt einsparen können am Theater, stopfen im Budget der Hansestadt keine Löcher. Das sagen landauf landab alle erfahrenen Kommunalpolitiker, das wissen Sie selbst am besten. Verantwortung für die Zukunft der Stadt zu übernehmen, bedeutet ja nicht nur, den Haushalt zu sanieren, es bedeutet auch, gelegentlich ein gewisses Risiko einzugehen. Und erfolgreiche Kunst gibt es nicht auf Garantieschein. In drei Jahren tot oder berühmt, hieß es vor einem Vierteljahrhundert in Berlin, als dem Außenseiter Frank Castorf die Intendanz der Volksbühne übertragen wurde. Die verantwortlichen Politiker scheuten das Risiko damals nicht. Der Erfolg hat ihnen Recht gegeben.

Vertrauen Sie auf Ihr Haus

Dazu rufen wir Sie jetzt auf! Setzen Sie auf Ihr Theater, genauso, wie Sie es am Premierenabend gesagt haben. Vertrauen Sie darauf, dass das Volkstheater die Menschen in Ihrer Stadt auch über den Eröffnungsabend hinaus in Bewegung versetzen wird, vertrauen Sie, dass Ihr Vier-Sparten-Haus nach und nach Strahlkraft entfalten wird in ganz Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus.
Die Voraussetzungen sind gegeben. Vier Theaterstandorte garantiert das Land, Rostock ist einer davon. Gegen die Theaterfusionsträume der Landesregierung haben Sie sich bereits standhaft zur Wehr gesetzt. Die Leiter des Volkstheaters haben von den Künstlern ein Scherflein verlangt zum Erhalt ihrer Arbeitsplätze und sie haben es bekommen. Zudem hat sich die Theaterleitung befreit von den Fesselungen des Apparates, indem sie den Austritt aus dem Bühnenverein erklärt hat. Egal, was man von all diesen Entwicklungen halten mag: Alles ist bereit. Jetzt blickt die Stadt auf Sie.

Wischen Sie das Junktim vom Tisch

Am Ende haben Sie ja nur zwei Möglichkeiten: Sie können dem Theater, das gerade den Absprung versucht aus der ein gefühltes Vierteljahrhundert währenden Misere, das Sprungbrett wegziehen. Die Bauchlandung ist dann programmiert. Sie können aber auch die zwei kurzen Jahre Zeit geben, die sich ihr Theaterintendant wünscht, um das Haus flott zu bekommen; Sie können das Junktim aus Schwerin – entweder fügt sich Rostock und sein Theater den Verkleinerungsplänen der Regierung oder das Theater erhält weniger Geld vom Land – vom Tisch wischen und auf die Lust, die Kraft und das Erfindungsgeist Ihrer Theaterleute setzen.

stapellauf titanic 560 thomashaentzschel u"Der Untergang der Titanic": Umzug der Totengräber vor dem Volkstheater
© Thomas Häntzschel

Stellen Sie das Theater nicht in Frage, stellen Sie ihm Aufgaben! Die Jungen müssen zurück ins Publikum geholt werden, die Studenten, die Familien der Einwanderer. Das Theater muss die Leute erreichen und herausfordern. Die einzige große Stadt zwischen Hamburg und Berlin muss ein Theater bekommen, das auf seine Weise dem Hafen ebenbürtig ist. Wenn alles gut ginge, wäre Rostock bald eine Reise wert für Theaterliebhaber. Dann würde sich auch jeder Euro, den Sie in ihr Spielhaus stecken, mehrfach rentieren. Sie kennen die Rechnungen der Umwegfinanzierung, die jüngst erst wieder der Kulturstaatssekretär von Berlin, auch er ein nüchtern rechnender Hanseat wie Sie, in der taz (22.9.2014) aufgemacht hat.

Investition ins Ansehen

Sie wissen besser als wir Nicht-Rostocker, wie sehr der Ruf der Stadt unter den Pogromen von 1992 gelitten hat. Sie wissen, dass kein erfolgreiches Investment im Hafen, keine Hanse Sail, kein Stadtteilzentrum, keine Gewerbeansiedlung und auch kein geflicktes Straßennetz allein diesen ramponierten Ruf aufpolieren können. Sie brauchen eine Investition in das Gemeinwesen, eine Investition in den Ruf der Stadt. Paderborn ist ein Beispiel. Der Fußballverein schießt Tore aus 83 Metern und steht an der Spitze der Ersten Fußball-Bundesliga. Aber bevor Paderborn diesen Erfolg verzeichnen konnte, der den Namen der Stadt im Moment weithin glänzen lässt, hat das Gemeinwesen sich ein neues Theater geleistet und dafür keineswegs sein Ensemble halbiert. Vielleicht hängen diese "freiwilligen Leistungen" an den Sport und die Kunst ja doch innerlich zusammen?

Es gibt für Oberbürgermeister in Deutschland nicht sehr viele Möglichkeiten, in das Ansehen Ihrer Stadt zu investieren. Der Fußballverein und das Theater gehören dazu. Hansa Rostock braucht noch Zeit, um wieder nach oben zu langen. Das Volkstheater steht bereit. Der Anlauf ist genommen. Jetzt kommt es entscheidend auf Ihre Haltung an: Tun Sie ein Übriges, Sire, geben Sie Rückenwind.

Mit freundlichem Gruß
Nikolaus Merck

 

Nikolaus Merck ist Redakteur von nachtkritik.de. Roland Methling (59) ist seit 2005 Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock. Der in Tessin nahe Rostock geborene Politiker ist parteilos und wurde zweimal von der Bevölkerung Rostocks als OB direkt gewählt. Der studierte Diplomingenieur für Technische Kybernetik und Automatisierungstechnik ist Mitglied in 18 Vereinen, darunter dem Förderverein Tradition Ostseeschifffahrt e.V., Bunt statt Braun e.V., FC Hansa Rostock und Johanniter-Hilfsgemeinschaft.

www.roland-methling.de/privat
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