Absetzung soll erklagt werden

30. Januar 2015. Der Suhrkamp Verlag hat dem Residenztheater München mitgeteilt, dass er heute eine einstweilige Verfügung vor Gericht beantragen wird, um die Absetzung der zukünftigen Baal-Aufführungen (nachtkritik vom 15. Januar 2015) in der Inszenierung Frank Castorfs im Residenztheater zu erwirken. Das teilt das Theater in einer Pressemeldung mit. Intendant Martin Kušej sei von diesem Schritt des Verlags "außerordentlich irritiert und wir kämpfen dafür, dass die Inszenierung weiterhin im Residenztheater gezeigt werden kann".

In der Mitteilung des Residenztheaters heißt es weiter: "Da der Suhrkamp Verlag, dem die Arbeitsweise und Ästhetik des Regisseurs Frank Castorf vertraut ist, sich bewusst für eine Vergabe der Aufführungsrechte an das Residenztheater und den Regisseur Frank Castorf entschieden hat und das Residenztheater bereits weit vor Probenbeginn damit begonnen hat, den Rechteinhabern des Brecht-Textes die literarische und szenische Erarbeitung der Inszenierung kenntlich zu machen, ist dieser Schritt für uns völlig unverständlich." Die Inszenierung nicht mehr zeigen zu dürfen, würde für das Residenztheater die Preisgabe einer künstlerisch furiosen Arbeit bedeuten, die man als hochspannende, respektvolle und fruchtbare Auseinandersetzung mit Bertolt Brechts "Baal" ansehe und auf die das ganze Theater stolz ist."

Mit "Baal" habe Castorf erneut einen ästhetisch herausfordernden und inhaltlich bezwingenden Theaterabend geschaffen, der auch als Fortsetzung seiner Céline-Inszenierung Reise ans Ende der Nacht gesehen werden könne, schreibt das Theater weiter. Er habe, gemeinsam mit seinem Bühnenbildner Aleksandar Denić, Brechts Baal als Alter-Ego-Figur unseres gefräßigen Europas installiert, als Kolonialisten auf langsam verlorenem Vietnam-Posten. So wie Castorf interpretatorisch Baals Hunger (nach Frauen, Leibern, Entgrenzung) zu unserem "weißen" Hunger nach Land, Einflussgebieten, Reichtum erweitert, habe er Baals Sprache aufgeladen und angereichert.

Am Freitnachmittag hat der Suhrkamp-Verlag auf unsere Nachfrage dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

"Bei der am 15.1.2015 am Münchner Residenztheater unter dem Titel BAAL gezeigten Inszenierung handelt es sich um eine nicht-autorisierte Bearbeitung des Stückes von Bertolt Brecht. Innerhalb der Produktion werden umfänglich Fremdtexte verwendet, die Werkeinheit wird aufgelöst.

Absprachen zur Verwendung von Fremdtexten hat es im Vorfeld nicht gegeben. Dies verletzt das Urheberrecht und ist durch den mit der Bühne geschlossenen Aufführungsvertrag nicht gedeckt.

Das Theater hat uns trotz mehrfacher Aufforderung die endgültige Spielfassung bis heute nicht zur Verfügung gestellt.

Der Suhrkamp Verlag wird auch künftig keine Theaterschaffenden von einer Beschäftigung mit Verlagswerken prospektiv ausschließen, wie dies die Presseerklärung des Residenztheaters nahelegt."

(sik)

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