Presseschau vom 24. Oktober 2014 – Interview mit Dries Verhoeven in der taz über sein umstrittenes Projekt "Wanna play?", Grindr und Co.

Erst ins Bett, dann ins Kino

Erst ins Bett, dann ins Kino

24. Oktober 2014. Im Interview mit der taz (24.10.2014) erläutert der für sein Projekt "Wanna play" scharf kritisierte Künstler Dries Verhoeven noch einmal, was er mit der Aktion hatte erreichen wollen. Sein "größter Fehler" sei vielleicht gewesen, "schon vorab einen reflexiven Text über die Arbeit zu schreiben." Die ihn interessierende Frage sei gewesen: "Kann man Liebe und Intimität erlangen, wenn man sich nur in Datingportalen bewegt?" "Ist es eine Dystopie oder eine Utopie? Was heißt es, wenn man dem Gerät mehr vertraut als den Menschen auf den Straßen?" Er habe dabei Männer treffen wollen, "die mich in meinem nicht sexuellen Bedürfnis befriedigen."

Über seine eigenen Grindr-Erfahrungen (jenseits der Kunstaktion) sagt er, er habe in den drei Jahren "mehr Männer kennengelernt als vorher. Ich hatte aber weniger Beziehungen als vorher. Die App ist gut, um ein kurzes Bedürfnis zu befriedigen." Ihn interessiere, "was passiert, wenn man immer die Cruising Area dabei hat und eben nicht nur zweimal die Woche in den Darkroom geht." Das sei "erst mal wunderbar", werde aber in dem Moment problematisch, "in dem man herausfindet, dass es einen davon abhält, sich mit jemandem zu verbinden." Bei den Verabredungen würde "nur ein konstruiertes Bild von sich bestätigt", "Zärtlichkeit und Verletzlichkeit" hingegen seien in dieser Sphäre "verboten": "Wenn es üblicher ist, dreimal zu ficken und dann erst zu fragen, ob man gemeinsam ins Kino geht, dann ist man Teil einer Welt, wo andere Normen und Gesetze gelten, denen ich nicht leicht widersprechen kann." Für ihn sei es nicht einfach gewesen, "eine Beziehung zu führen und zu wissen, sobald es Probleme gab, dass es auf meinem Handy noch 200 Alternativen gibt und schon Nachrichten warten." Das sei, übertrieben gesagt, "als ob man eine Beziehung aufbaut und gleichzeitig noch im Bordell wohnt."

Der Hass, den er mit seiner Aktion auf sich gezogen hat, habe ihn überrascht. Er sei naiv gewesen, aber "Naivität ist auch ab und zu gut als Künstler. Ich will keine Angst haben, den Konsens infrage zu stellen. Wie sich Leute aber auf Facebook präsentieren, zeigt, dass wir eine extremere Version von uns selbst abbilden - ein bisschen pornografischer, ein bisschen gewalttätiger." Der öffentliche Raum werde "prüder und das Internet pornografischer - das sind einander verstärkende Bewegungen. In dem Moment, in dem wir das Digitale in den analogen öffentlichen Raum übertragen, kommt es zu Problemen."

(ape)

 

Das Projekt "Wanna play" wurde aufgrund von Protesten vorzeitig beendet. Mehr dazu hier.

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