Presseschau vom 15. September 2014 – Die Ostsee-Zeitung über die drohende Spartenschließung und möglichen Streik der Orchestermusiker in Rostock

Zwei-Sparten-Rumpftheater in Rostock?

Zwei-Sparten-Rumpftheater in Rostock?

15. September 2014. Das Volkstheater Rostock, das in einer Woche seine Spielzeiteröffnung feiert, ist akut von einer Schließung seiner Sparten Tanz und Oper bedroht. Möglicherweise werden die Orchestermusiker, die die Sicherheit ihrer 72 Arbeitsplätze einfordern, deshalb nun den Saisonauftakt bestreiken.

Zielvereinbarung im November?

Während der gerade frisch ins Amt gestartete Intendant Sewan Latchinian sich darauf beruft, dass Oberbürgermeister Roland Methling ihm zugesichert hat, dass er zwei Jahre Zeit bekomme, bevor über Spartenschließung entschieden würde, streitet dieser ab und drängt auf eine schnelle Zielvereinbarung schon in wenigen Wochen: im November 2014. "Wir waren uns einig, dass dauerhaft nur ein Zwei-Sparten-Theater mit dem Schwerpunkt Schauspiel überlebensfähig sein kann" zitiert die Ostsee-Zeitung den OB.

Es werde, so der kaufmännische Leiter des Volkstheaters Stefan Rosinski im Interview mit der Ostsee-Zeitung, eine Beschlussvorlage vorbereitet, die die Spartenschließung sowie den Abbau von 80 Vollstellen empfiehlt. Geplant ist demnach, Produktionen von anderswo (wahrscheinlich Schwerin) für Gastspiele anzumieten (14 Musiktheater- und 15 Tanztheatervorstellungen im Jahr gegenüber 96 wegfallenden Vorstellungen). "Da entscheidet dann der Absender, was und wann hier gespielt wird", so Rosinski. Außerdem soll die Förderung auf "maximal" 16,6 Millionen Euro festgeschrieben werden – was natürlich auch weniger bedeuten könnte.

Latchinian gegen Zwei-Sparten-"Rumpftheater"

Latchinian wendet sich in demselben Gespräch klar gegen ein solches Zwei-Sparten-"Rumpftheater": "Mit mir ist das nicht zu machen." In den Vorgesprächen zur Intendantenkür habe er mit Methling "hinter verschlossenen Türen" jene für ihn "fundamentale Verabredung" getroffen: "Ich kriege zwei Spielzeiten Gelegenheit zu beweisen, dass vier Sparten ein Reichtum für die Hansestadt sind und nicht in erster Linie Kostenfaktor. Und, dass wir frühestens 2016 entscheiden, ob wir uns einige Sparten nicht mehr leisten können." Bei gleichbleibenden Zuschüssen käme man "in den nächsten zwei Jahren über die Runden". Dass Stadt und Land nun offenbar "unter Ausschluss der Bürgerschaft, des Aufsichtsrats, des Volkstheaters" Gespräche geführt und anderes beschlossen hätten, sei "unfassbar und unfair".

Mit der anvisierten Spartenschließung mache man "mittelfristig das Volkstheater kaputt". Das Vierspartentheater begeistere viele und sei "für die Identität der Stadt wichtig". Es sei "der Tradition der Hansestadt überhaupt nicht angemessen, sich plötzlich so klein zu machen und das Volkstheater auszubluten, damit das Schweriner Theater aufblühen kann." Auch funktioniere die "proportionale Abschmelzung" ökonomisch nicht, wie Rosinski ausführt: "Der Fixkostenanteil der Hintergrundbereiche wird im Verhältnis teurer." Außerdem generiere das Musiktheater, Tanz- und Orchesterpublikum heute 70 Prozent der Umsätze.

Haustarifvertrag – sparsam oder ungerecht?

Das Orchester sei zwar vorerst nicht vom Abbau betroffen, aber Rosinski befürchtet, dass das Rostocker A-Orchester seine Legitimation verlieren könnte, wenn man bei gleichen Personalkosten nur noch die Hälfte der Dienste hätte. Mit der Orchestergewerkschaft wird zurzeit über einen Haustarifvertrag verhandelt, der einen Lohnverzicht von 11,7 Millionen Euro zwischen 2012 und 2020 bedeuten würde – was von Seiten der Politik allerdings als "Blockade" und "Strukturfestschreibung" gesehen würde. OB Methling ist gegen den Haustarifvertrag, weil er "ungerecht für die Betroffenen" sei. Am Mittwoch soll der Aufsichtsrat des Theaters über das Haustarif-Angebot, hinter dem die 72 Musiker stehen, entscheiden.

Endlich Farbe bekennen

Bildungsminister Mathias Brodkorb besteht auf der Einigung im November, sonst gibt es vom Land Mecklenburg-Vorpommern (vermutlich 500.000 Euro) weniger Geld. Laut Rosinski muss man befürchten, dass es "nicht nur keinen Zuschuss für einen Neubau geben wird, sondern auch keine Kreditgenehmigung." Für Latchinian ist das "politische Unkultur", ja, man müsse es sogar "Erpressung nennen, wenn das so weitergeht". Es sei "unverschämt" mit dem Abzug der Gelder zu drohen, "weil ihr nicht spurt".

"Wir wünschen uns", so Rosinski, "dass endlich öffentlich Farbe bekannt wird, ob ein Volkstheater gewollt ist, ein anderes oder gar keins." Es müsse unbedingt "Einvernehmen hergestellt werden", sonst drohe womöglich "eine blutige Schlachterei am Volkstheater".

(Ostsee-Zeitung 13./14. und 15. September 2014 / ape)

 

Mehr zur Lage in Rostock:

Presseschau vom 6. September 2014 – Über die Zielvereinbarung für das Volkstheater

Presseschau vom 25. August 2014 – Gespräch mit dem VT-Geschäftsführer Stefan Rosinski

Meldung vom 6. Mai 2014 – Kahlschlagpläne gefährden die Existenz des Volkstheaters

Meldung vom 11. April 2014 – Zwei neue Sparten am Volkstheater Rostock

Videoaufzeichnung des Podiumsgesprächs "Was darf die Kunst kosten?" vom 6. Februar 2014

Rostocker Signal – Statement anlässlich des Bühnenverein-Austritts des Volkstheaters

Meldung vom 22. Januar 2014: Stellungnahme des Bühnenvereins zum Austritt Latchinians

Meldung vom 20. Januar 2014: Intendant Sewan Latchinian legt Bühnenvereins-Ämter nieder

Meldung vom 5. Dezember 2013: Volkstheater Rostock verlässt den Deutschen Bühnenverein

mehr medienschauen