Alles in ... Margarine

von Martin Thomas Pesl

Wien, 18. Dezember 2014. Groß ist die Versuchung, weit auszuholen und ordentlich Bullshit-Butter-Bingo reinzubuttern: dass dieser Text sich nicht unterbuttern lässt, sonder runtergeht wie Butter, weil der Autor seine Buttersprache souverän beherrscht, et cetera. Und Ferdinand Schmalz hätte es verdient: Wer so ausgiebig die Wortwelt rund um besagtes Molkereiprodukt melkt, obwohl dieses ja, wie der Titel schon sagt, nur als Beispiel für, sagen wir, die Verhältnisse herhält, der darf schon mal sein Fett abkriegen. So, Schluss jetzt. Aber selber schuld! Die Butter wurde hier sogar ins Programmheft geschmiert, wo sie ein paar Technikernamen unkenntlich macht, und der Autor ist ein – freilich selbst ernannter – Schmalz.

Shootingstar Schmalz?

Dieser Schmalz könnte zum Dramatiker-Shootingstar werden. Der gebürtige Grazer hat den Retzhofer Dramapreis 2013 abgesahnt, war in den Augen von "Theater heute" Nachwuchsautor der letzten Saison und wird auch sein zweites Stück "dosenfleisch" 2015 als Burg-Produktion herausbringen. Vielleicht ja in einem größeren Rahmen als diese Wien-Premiere von "am beispiel der butter", denn die findet vorerst an der kleinsten Spielstätte der Burg, dem Vestibül statt. Mit Alexander Wiegold wurde dafür ein Regisseur gewählt, der dem engen Ort 2011 mit seiner Bearbeitung von Stanisław Lems Sci-Fi-Klassiker "Solaris" schier unendliche Weiten verlieh.

Weit ist der Raum diesmal nicht, dafür weiß: Bei Claudia Vallants Bühne hat das steril verflieste Molkereisetting, das einen Teil der Handlung beherbergt, sich auch den anderen Schauplatz, die "Bahnhofsreste" einverleibt. Zu Beginn gießt hier die amüsant sensationslüsterne Catrin Striebeck als Stielaugen-Jenny dem Polizisten Hans den Klaren ein. Hans erzählt von seinem Hobbykeller, wo er die Gewalt, die ihm im Dienst untersagt ist, kanalisiert – rechtschaffene Gewalt natürlich, und nur, nachdem er das Bildnis des Bundespräsidenten mit einem schwarzen Tuch verhüllt hat. Marcus Kiepes Stimme, sein ganzer Körper bebt vor unterdrückter Ekstase, wenn er sein Kellerrecht heraufbeschwört. Ohne Details, aber wer im Land der Ulrich-Seidl-Filme lebt, braucht nicht viel Erklärung. Für den Monolog erntet Kiepe bei der Premiere Szenenapplaus.

beispielderbutter1 560 reinhardwerner uKarina (Jasna Fritzi Bauer) wird von Adi (Peter Knaack) angemacht... © Reinhard Werner

Kapitalismuskritische Butterskulptur

Hans, Jenny und vor allem dem Molkereimanager Huber ist dessen Untergebener Adi ein Dorn im Auge. Adi ist nicht autoritätshörig genug, verfüttert sein Gratis-Mitarbeiter-Joghurt an potenziell zahlende Kunden und zapft illegal Butter ab, um eine mannshohe kapitalismuskritische Butterfaustskulptur daraus zu bauen. Die neue Kollegin Karina hat er schon bald indoktriniert. Dabei ist auch Liebe im Spiel, die hier freilich über weite Strecken nur durch ein paar zärtliche Blicke Jasna Fritzi Bauers an Peter Knaack angedeutet wird. Knaacks Adi bleibt eher unterspannt und dreht nur in einer Traumsequenz über einen sich den Rahm zur Butter strampelnden Frosch so richtig auf. Er interessiert sich mehr für die rebellische Sache als für die Frau, die denn auch als der symbolische zweite Frosch im Rahm ertrinkt.

Wie famos fies diese Geschichte ist, geht aus Alexander Wiegolds verhaltener Inszenierung jedoch kaum hervor; dazu interessiert er sich zu wenig für die Handlung. Wiegold klebt lieber am Wort, er pflegt die kurzweilige Strampelei fürs Hirn, die kluge Sprachkomposition und den richtigen Einsatz der im Text vorgegebenen Leerstellen. Und die Buttervergleiche ("wie schwarze butter dringt die nacht durch meine poren"). Er fügt wenig hinzu, arrangiert, was da ist, und widmet sich tapfer der Aufgabe, mit seinem Ensemble diesen eher literarischen als dramatischen Text sprechbar zu machen. Bei Sätzen wie "bin eine leere Tafel innen" oder "das ist mir selber auch das liebere" klappt es halt nicht so leicht.

Clean wie weiße Fliesen

Michael Masula hat es in diesem Zusammenhang am besten getroffen. Als schmieriger Butterboss wurde er von Kostümbildnerin Moana Stemberger in eine raffinierte Kombi aus Laborkittel und Mafiosoanzug gesteckt. Seine Zeilen liegen ihm gerade so unnatürlich auf den Lippen wie nötig, um einen Mann zu zeigen, der zwar ein Arsch ist, in seiner Eitelkeit aber immer noch zumindest glaubt, es gut zu meinen.

Indem die Regie immer nur die nötigsten Handgriffe zu tun scheint, bleibt auch der brutalste Mord clean wie die weißen Fliesen im Bühnenbild und wird der ironisch ferne Blick auf die Gestalten niemals gebrochen. Die Folge: "das erzeugnis, produkt, kennt keine berührung mehr". Auch der philosophische Unterbau, das, wofür die Butter beispielhaft einsteht, kann sich in diesen nur 70 Minuten nicht entfalten. Freilich darf dem Abend zugute gehalten werden, dass sich hier, Herrn Schmalz eingeschlossen, niemand so ganz ernst nimmt. Insofern ist wieder alles in ... Ach, lassen wir das.

 

Am Beispiel der Butter
von Ferdinand Schmalz
Regie: Alexander Wiegold, Bühne: Claudia Vallant, Kostüme: Moana Stemberger, Video: Markus Lubej, Alexander Richter, Licht: Norbert Gottwald, Dramaturgie: Klaus Missbach.
Mit: Jasna Fritzi Bauer, Marcus Kiepe, Peter Knaack, Michael Masula, Catrin Striebeck.
Dauer: 1 Stunde 10 Minuten, keine Pause

www.burgtheater.at

 

Kritikenrundschau

Alexander Wiegolds Inszenierung bestätige es: "Schmalz ist eine Hoffnung fürs Theater", schreibt Norbert Mayer in Die Presse (20.12.2014). Der Text erinnere an barocke Volksstücke Werner Schwabs, an die Wortkaskaden Elfriede Jelineks, "er ist aber nicht so exzessiv wie der verstorbene Grazer Dichter und nicht so treffsicher wie die Nobelpreisträgerin." Doch die hohe Qualität von fünf Burgschauspielern und "das Vermögen des Regisseurs, ohne unmäßigen Aufwand eine Atmosphäre des Absurden zu kreieren", machten diese 70 Minuten zum Vergnügen. "Von diesen Künstlern will man mehr sehen."

"Die Western-Reminiszenz in dieser sonst so staubfreien, aseptischen Umgebung macht Sinn", schreibt Andrea Heinz im Standard (23.12.2014). "Am Beispiel der Butter", im Vestibül des Burgtheaters inszeniert, erzähle wie ein rechtsfreier Raum entsteht, weil nicht mehr der Staat Recht (durch)setzt - sondern der Einzelne. Das Ensemble spiele ohne Ausnahme fulminant, "Jasna Fritzi Bauers Karina ist ein zartes, in sich gekehrtes, gleichwohl starkes Wesen. Catrin Striebeck lässt bei der durch Desillusionierung hart gewordenen Jenny trotz aller Gemeinheit durchblicken, dass hier ein Mensch mit Gefühlen steht. Wiegolds klare, so gar nicht aufgesetzte Inszenierung hat die richtige Tonlage, die richtigen Bilder gefunden für den Kater nach dem Goldrausch. Ein böses, weil wahres Stück."

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