Dem Stadttheater ist noch zu helfen

von Matthias von Hartz

Juni 2011. Deutschland hat eine der reichsten Theaterlandschaften der Welt. Gleichzeitig betreiben wir eine interessante Monokultur. Theater ist in Deutschland weitgehend synonym mit Stadt- und Staatstheater, auch wenn diese sich untereinander stark unterscheiden. Wir können sagen: Eine Institution hat das Medium fast monopolisiert. Das gilt vor allem für die Ressourcen und damit für die öffentliche Wahrnehmung. Im Vergleich zu den öffentlichen Geldern, die in die Stadt- und Staatstheater fließen, ist vernachlässigbar, was in Tanz, internationales Theater, freie Produktionsstätten, Gruppen oder andere Formen von Bühnenkunst fließt. Das macht die Kritik der Institution zu einem Thema mit größerer Tragweite. In letzter Konsequenz geht es nicht allein um die Institution, sondern um Entwicklung und Überleben des gesamten Mediums.

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Matthias von Hartz
© Antonia Zennaro

Die Strategie meiner Analyse beruht auf polemischer Zuspitzung, simpler Pauschalisierung ("das Stadttheater") und unzulässiger Verallgemeinerung von persönlichen Erfahrungen im Betrieb.

Mein Ausgangspunkt ist die These, dass in den letzten Jahren die wichtigen ästhetischen Impulse im Theater fast alle von außerhalb des Stadttheaters gekommen sind. Außerhalb heißt: von Künstlern oder Arbeitsweisen außerhalb des Systems oder aus dem Ausland.

Das Stadttheater selbst interessiert sich letztlich nicht für die Zukunft des Theaters, sondern für die Zukunft des Stadttheaters, also sein Überleben als Institution. Die Institution fragt nur selten: Was braucht der Künstler, was braucht das Theater? Stattdessen fragt sie indirekt eigentlich immerzu: Was braucht das Stadttheater? Das ist zwar völlig absurd, aber nicht einmal Vorsatz oder böse Absicht, sondern einerseits Gefangensein in der Institution und andererseits auch Fürsorge für eine etablierte Institution und die vielen dort arbeitenden Menschen.

Das Geld und seine Verteilung

Wir investieren gut 90 Prozent der öffentlichen Gelder für die Darstellenden Künste in das Stadt- und Staatstheatersystem (ich sage im weiteren "Stadttheater"). Die Innovationen im Theater kommen aber nicht zu 90 Prozent, sondern eher zu 10 Prozent aus dem Stadttheater. Internationale Arbeiten und freiere Formen stellen ein größeres Potenzial für Innovationen dar. Diese bekannte Schieflage, dass nur ein Bruchteil der vielen für Theaterarbeit vorgesehenen Gelder in Deutschland in internationale oder unabhängige Arbeiten investiert wird, diese aber die wichtigsten Impulse geben, ist im Effekt für das Theater als Ganzes autodestruktiv, weil zukunftsfeindlich.

Institution

Arbeitet man in einer starken Institution, ist es schwierig, nicht der Logik der Institution zu folgen. Architektur will gefüllt, Ressourcen genützt und engagiertes künstlerisches und anderes Personal will beschäftigt werden.

Faszinierendes Detail am System Stadttheater: praktisch der gesamte Produktionsprozess – die gesamte "Wertschöpfungskette" – geschieht innerhalb der Institution. Konzeption, Produktion und Präsentation finden anders als in der bildenden Kunst oder in der Musik im selben Haus statt. Zugespitzt bedeutet das: Ideen, die das Stadttheater nicht brauchen kann, werden auch nicht entwickelt. Weil keine ernstzunehmenden Produktionsmöglichkeiten für Theater außerhalb des Stadttheaters existieren, bestimmt folglich die Struktur der Institution, welche Art von Theater in der reichsten Theaterlandschaft der Welt, produziert wird.

Über die Jahrhunderte ist so eine Fabrik entstanden, die sehr professionell und spezialisiert ein sehr gutes Produkt herstellt. Doch wie eng ist die Vorstellung von diesem Produkt hier gefasst und wo gerät der Betrieb an die Grenzen seiner Spezialisierung? Weil wir es in den letzten Jahren mit knapper werdenden Geldern zu tun haben, werden auch die Spielräume für Abweichungen von der Norm kleiner und die Versuchung groß, sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren.

Grenzen der Institution

Interessant ist, dass die Probleme am Stadttheater nicht nur durch Menschen oder Dinge entstehen, die ein Künstler braucht und die es dort nicht gibt. Sondern auch durch die Produktionsmittel, die vorgehalten werden, die man aber nicht benutzt. Also: Wer nicht probt oder keine Schauspieler für seine Arbeit braucht, produziert Leerstand. Leerstand, der nicht kurzfristig anders genutzt werden kann. Herbert Achternbusch hat das während seiner Zeit an den Münchner Kammerspielen einmal so gesagt: "Der Unterschied zwischen Film und Theater ist, beim Film hat man erst die Idee und sucht dann das Geld. Im Theater hat man erst das Geld und sucht dann die Idee."

Zwei zentrale Rahmenbedingungen des deutschen Stadttheaters sind das Schauspieler-Ensemble und der Repertoirebetrieb. Weshalb die Frage "Was können wir für die Künstler, für die Kunst tun?", im Moment nur im Rahmen des Ensemble- und Repertoirebetriebs beantwortet werden kann.

Wer jemals im üblichen Sechs-Wochen-Produktionsrhythmus etwas anderes gemacht hat als ein Stück inszeniert, weiß vor welche Herausforderungen das alle Beteiligten stellt.

Mittlerweile gelingt das immer wieder – vor allem an großen Häusern, die extra Spielräume ermöglichen können. Wenn René Pollesch in Luzern oder am Schauspielhaus Hamburg eine Serie inszenieren konnte, ging das nur, weil die jeweiligen Intendanten gewillt waren, die Schauspieler aus dem laufenden Repertoire zu nehmen. Wenn Rimini Protokoll mit Experten in mehreren Probenphasen über ein Jahr verteilt arbeiten, geht das nur, wenn Theaterleitungen großzügig den finanziellen und dispositionellen Rahmen dafür schaffen. Oder wenn die Produktion selbst letztendlich an einer koproduzierenden freien Spielstätte erarbeitet wird.

Internationalität

Die wenigsten Häuser in Deutschland sind in der Lage, an internationalen Koproduktionen teilzunehmen oder zu touren. Lange Abwesenheiten von Ensemblemitgliedern während Proben- oder Tourphasen sind im laufenden Betrieb einfach schwer zu leisten.

Die Produktion mit internationalen Künstlern bleibt so wenigen Institutionen mit geringen finanziellen Mitteln vorbehalten (HAU, Kampnagel und einigen Festivals). Das bedeutet; auch aus dem Ausland kommen kaum Impulse ins deutsche Stadttheatersystem.

Das ist in vielen anderen Ländern anders, in denen nicht ein Ensemble, das Repertoire spielt, den Kern das Systems bildet. Aber auch in Ländern mit ähnlichen Theaterstrukturen gibt es anderen Modelle mit mehr Freiheiten: Das Théâtre de Vidy in Lausanne etwa produziert in einem Netzwerk von französischen und internationalen Partnertheatern große Projekte von Luc Bondy bis Heiner Goebbels. Ein "home team" empfängt Gästeteams und hilft ihnen, in ihren jeweiligen Arbeitsweisen Produktionen zu realisieren. So werden mit einem jährlichen Etat von 30 Millionen Schweizer Franken rund 30 Produktionen mit 400 Vorstellungen pro Jahr realisiert. 40 Prozent der Shows touren international.

Das Toneelhuis in Antwerpen funktioniert nach einem anderen Prinzip. Der langjährige Stadttheaterregisseur Guy Cassiers hat das Stadttheater Antwerpen in ein "House of Artists" umgewandelt. Nicht ausschließlich Schauspieler bilden das Gesicht seines Hauses, sondern ein Ensemble von Regisseuren, Choreografen, Autoren und bildenden Künstlern. Diese Künstler sind in der Stadt präsent, kreieren jeweils mehrere Arbeiten pro Jahr und schaffen für das Publikum die Identifikation, die ein Theater in der Stadt, und für die Stadt, braucht. Gleichzeitig ist das Haus in der Lage, sich durch die konsequente Arbeit mit diesen Künstlern auf deren Bedürfnisse und Arbeitsweisen einzustellen und passt nicht umgekehrt diese an einen normalen Ensemblebetrieb an. Das Toneelhuis ist mit dieser Arbeitsweise sehr erfolgreich und tourt entsprechend viel durch die großen internationalen Festivals.

Zukunft

Wir brauchen für das Theater Intendanten und Kulturpolitiker mit mehr Mut und Gestaltungswillen. Denn die Zukunft des Theaters liegt, zumindest auch, außerhalb des deutschen Stadttheaters. Es geht für den Betrieb darum, von den Armen (freie Szene) und von den Anderen (internationales Theater) zu lernen. Außerhalb des Systems finden sich innovative Strukturen, Arbeitsmethoden und Ideen, die das möglich machen.

Gleichzeitig ist das Theater in der momentanen politischen Lage nur aus dem Stadttheater heraus zu retten. Deswegen macht es fassungslos zu sehen, wie die Institutionen sich dem verweigern. Wie die Neubesetzung von Intendanzen, wie etwa jüngst im Hamburger Schauspielhaus, NICHT zur Diskussion darüber genutzt wird, welches Theater man da eigentlich haben möchte in Zukunft.

Als Künstler bin ich immer für flexible Strukturen, für eine Institution, die in der Lage ist, sich an die Bedürfnisse der Kunst anzupassen und nicht umgekehrt. An den meisten Stadttheatern gibt es da, trotz vieler Öffnungsversuche, nach wie vor große Defizite. Ich glaube aber an das Potential des Stadttheaters als einer Institution, die heute oft weit unter ihren Möglichkeiten performt und die zur Zeit einfach viel weniger innovationsfähig und international einsatzfähig ist, als sie sein könnte.

Als Theaterbesucher wünsche auch ich mir, dass die Institution sich mit den Themen der sie umgebenden sozialen Realität befasst.

Identifikation mit der Stadt durch identifizierbare Schauspieler ist eine Antwort des Stadttheaters. Antwerpen zeigt eine andere Möglichkeit, diese Verbindung zwischen Institution und Stadt herzustellen. Ich fordere eine stärkere inhaltliche Anbindung an die politische und soziale Realität ein. Auch dafür, um wirklich auf die Stadt, aber auch die Welt zu reagieren zu können, bedarf es der Flexibilisierung von Produktionsformen. Themenwochenenden wie einst "go create resistance" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg oder "Bunny Hill" an den Münchner Kammerspielen und viele Projekte, die durch den Heimspielfond angestoßen wurden, haben zu einer veränderten Wahrnehmung des Theaters in der städtischen Öffentlichkeit geführt. Auch wenn Missverständnisse darüber entstehen, was die Institution leisten kann und will – auf jeden Fall lohnt sich jeder Versuch, wieder eine größere gesellschaftspolitische Relevanz zu gewinnen.

Vorschläge

Das Problem für alle Reformvorhaben ist, dass angesichts der finanziellen Situation der Kommunen die Zeit drängt. Deshalb zuletzt drei ganz praktische Vorschläge für Zwangsmaßnahmen zur Erweiterung des Möglichkeitsraumes am Theater:

Erstens: ein Reisezwang für Kulturpolitiker und Theaterleiter in ein europäisches Land pro Jahr, inklusive intensivem Kontakt nicht nur mit Kulturpolitikern sondern vor allem mit Künstlern, die in einem anderen als dem deutschen Theatersystem arbeiten.

Zweitens: ein Kooperationszwang mit Projekten in der Stadt und internationalen Künstlern. Einmal pro Jahr muss ein zentrales (!) Spielplanprojekt in Kooperation mit dem "Außen" entstehen.

Drittens: Wir brauchen ein Modellhaus in Deutschland, das anders als die gängigen Theater funktioniert. Kein Stadttheater mit einer Nebenspielstätte für das Besondere, keine weitere freie Spielstätte mit zu wenig Geld – sondern ein starkes Haus irgendwo zwischen Antwerpen und Lausanne, das das Potenzial hat, in der ersten Liga national und international zu produzieren.

Ich würde mich dann gerne bereit erklären, meinen Teil zur Zukunft des Theaters beizutragen, indem ich die Reisen aus der ganzen Republik in dieses Theater organisiere.

 

Eine längere Fassung dieses Essays erscheint im Juni im neuen Arbeitsbuch von Theater der Zeit "Heart of the City - Recherchen zum Stadttheater der Zukunft".

 

Matthias von Hartz, geboren 1970 in Augsburg, studierte Ökonomie an der London School of Economics and Political Science sowie Regie am Institut für Theater, Musiktheater und Film der Universität Hamburg. Von Hartz ist Künstlerischer Leiter des Internationalen Sommerfestivals Hamburg auf kampnagel. Zusammen mit Tom Stromberg bildet er die künstlerische Leitung des Theaterfestivals Impulse. Ab 2013 wird er die Spielzeit Europa der Berliner Festspiele leiten.

Mehr lesen? Zur Eröffnung der 2009er-Edition des Festivals Impulse veröffentlichten auf nachtkritik.de Matthias von Hartz und Tom Stromberg als künstlerische Leiter ihr Plädoyer: Wer das freie Theater fördert, investiert in die Zukunft des Theaters.

mehr debatten

Kommentare  
Matthias von Hartz: Frage an den Theaterökonomen
danke für den beitrag. nach wie vor eine wichtige debatte, finde ich. aber ist es nicht so, dass "freiheit" und "flexibilität" in theatersystemen außerhalb deutschlands oft darin besteht, dass kaum mittel für theater vorhanden sind? man ist dort so frei, theater vielerorts einfach nicht stattfinden zu lassen. mal französische theaterleute zum thema befragen, schlage ich vor. oder niederländische. die konzentration freier gruppen im antwerpener toneelhuis hatte ja auch spargründe. andere, dezentrale förderungen wurden im gegenzug damals einkassiert. mir fehlt im beitrag eine wirtschaftliche perspektive, die die sichtweise nicht auf einen gegensatz off/institution vor begrenzten verteilungstöpfen verengt. wie sehen denn die konkreten vergleichswerte der theaterausgaben in europa aus - dies eine frage an den theaterökonomen mvh. mit bestem gruß.
Matthias von Hartz: worin liegen denn die Innovationen?
Warum muß es eigentlich immer "international" sein? Warum Antwerpen, Lausanne, Timbuktu? Warum nicht Kassel oder Pforzheim? Warum immer die üblichen Verdächtigen, also Pollesch, "Rimini Protokoll" etc.? Worin liegen denn die "Innovationen" der "freien" Theaterszene? Warum soll das Theater in Belgien oder Frankreich angeblich denn soviel besser sein, als das ach so überholte in Deutschland? Und warum werden die Forderungen zur "Reformierung" des Theatersystems immer von denen gestellt, die selber gar nicht Teil dieses Systems sind oder nicht sein dürfen?
Fragen über Fragen...
Matthias von Hartz: Die meisten Leute wollen EIN STÜCK sehen
geht jetzt wieder die nebelkerzendiskussion um die geldtöpfe los - angefacht von denen, die es natürlich (immer!) besser wissen und an das fleisch wollen? natürlich sind die angesprochenen projekte interessant und gut für die verbindung von stadt und theater. wie genau diese aber aussehen, sagt herr von hartz nicht - und hier liegt auch die große schwäche des beitrags, denn man kann nur ahnen, was da konkret gemeint sein könnte. und man ahnt... und schnell ahnt man: es erschöpft sich in der "gegenkultur" pollesch, rimini-protokoll und konsorten - aber das macht doch schon längst jeder! der totale mainstream - gähn! abgesehen davon, hat es sich noch nie ereignet, dass eine temporäre theatermode an die stelle dessen getreten ist, was sich als erfolgsmodell durch alle zeiten hindurchgezogen hat: die inszenierung eines theaterstücks (und dafür ist das „langsame“ stadttheater genau der richtige ort); EIN STÜCK ist das, was der großteil der besucher im theater sehen möchte (- die geforderte beschleunigung und entinstitutionalisierung der prozesse wäre hingegen in letzter konsequenz neoliberal bis zum geht nicht mehr und hätte die völlige zerstörung der teilweise noch paradiesischen theaterproduktionsbedingungen zur folge, die die grundlage für das repertoiretheater sind). warum soll ein zuschauer sich im theater vom kollektiv zukotzen lassen, wo er doch schon den ganzen tag vom kollektiv zugekotzt wird – zumal wenn einem das kollektiv im theater auf so grässlich dilettantische art und weise begegnet, wie das derzeit zumeist der fall ist. man schämt sich dann so sehr fremd, dass man fast fürchtet, die performance oder das "aussen" hätten einem wichtige lebensjahre geklaut. theater ist immer (und vor allem in seinen besten momenten) eskapistisch. zudem sind die besucher von stadt- und staatstheatern in der regel menschen, die bspw. zu 99,9% - auch wenn das für viele hier schmerzlich sein muss - noch nie etwas von nachtkritik.de und den dort protegierten themen und köpfen gehört haben; themen und köpfe, die ja tatsächlich nur ein unsägliches kreisen um sich selbst - den theaterdiskurs, der ein spezialistendiskurs ist – bedeuten. das geht völlig am publikum vorbei, dem aber lustigerweise genau diese weltfremde theaterdiskursterrormaschine unterstellt, man könne es mithilfe irgendeiner neuen theatertechnik, die natürlich nur sie kennen und können (s.h. den obigen beitrag), in nie geahnten mengen ins theater locken; d.i. ein zirkelschluss und also doppelt absurd - außerdem spricht schon die reine mathematik gegen die wahrscheinlichkeit, dass wir alle nur darauf warten müssen, dass ein paar leute uns sagen, wie wir es machen sollen, damit es klappt - und dann KLAPPT DAS AUCH NOCH ! das ist alles so naiv (...). wenn ihr tatsächlich so etwas wie erlösung oder offenbarung sucht, dann geht doch in die kirche (...). um aber wieder auf das stadttheater zurück zu kommen: wer solche fürsprecher hat, braucht keine feinde.
Matthias von Hartz: wen soll das provozieren?
(...) Einen solchen Text, der wen nochmal provozieren soll ...?, braucht es wohl zu Beginn eines eigenen Festivals, auf dem sich die Freie Szene feiert, die ja soooo sensationell ist und die noch sensationeller wäre, wenn das Stadttheater endlich aufhört, das Geld zu verpulvern mit seinen beschissenen professionellen Fließbandproduktionen. Danke ... und die die Ablage damit! Marco.
Matthias von Hartz: Pseudoprojektbetrieb
Hartz & Co. (...) halten (samt ihrer Zuarbeiter) bald sämtliche Schaltstellen im Theaterbetrieb besetzt. Das hat einen komischen Geschmack von langsamer Erarbeitung einer Monopolstellung. Der merkwürdige Ton (zwischen besserwisserischer Verkündigung und beleidigter Anklage) hat ebenfalls etwas Unangenehmes. Dieser Pseudoprojektbetrieb, der uns hier als Zukunft des Stadttheaters verkauft werden soll, ist tatsächlich sein Ende und der angebliche Stilpluralismus in Wahrheit dilettantischer performativer Einheitsbrei.
Matthias von Hartz: Pressehinweis
Dazu passt vielleicht auch ein Artikel aus der NZZ von gestern: http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/stadt_und_region/rumoren_in_der_freien_szene_1.10994985.html
Matthias von Hartz: Atomdebatte vergleichen
Ich glaube einigen Kommentatoren würde es gut tun, sich noch mal
mit der Geschichte der Atomdebatte, vor allem in jüngster Zeit, auseinanderzusetzen, denn sie ist in bestimmten Phasen vergleichbar zynisch verlaufen. Und jener Zynismus wurzelte häufig in Angst, Ratlosigkeit und Selbsttäuschung.
Matthias von Hartz: die Märkte Europas
Bester Hausmeister Hartz
Gottseidank ist alles nur "Polemik", wie Sie schreiben. Ergo: Gegenpolemik:
Sie sind Teil eines über Europa gespannten Netzwerks von ein paar Festivals und freien Produktionsstätten, die sich die gleichen 7-8 Künstler per sms weiterreichen und deren Tourneen organisieren. Sie sind der Hausmeister,Veranstalter, wie der Kulturreferent von Balingen auf der Alb, der die Konzertdirektion Landgraf mit der Tourneeversion von "Arsen und Spitzenhäubchen" einläd - genauso wie der Kulturreferent von Reutlingen, Ettlingen und Bruch an der Saal - nur eben auf die Ebene Brüssel, Berlin, Hamburg, Wien etc. gehoben. Und sie laden halt "Rimini Protokoll" zu den Braunschweiger Theaterformen oder sonswohin ein. Strukturell asind Sie wie der Mann aus Balingen Vertriebsort von fertigen Produkten, die anderswo entstanden sind. Ist auch nicht schlimm, aber immer schön bei der Haumeister-Wahrheit bleiben und sich nicht gleich "Kurator" nennen, nur weil Sie von acht Angeboten inhaltlich total entschieden nur fünf in ihr Programm heben!

Die 3 Produkte, die Sie da so vertreiben und in den Markt einspeisen, sind nicht Avantgarde. Man sieht ihnen an, daß sie für zig Märkte entstehen und Spezifik vermissen lassen. Neoliberalismus der Märkte = Kunstavantgarde + subkulturelle Turbobeschleuniger wie Hau/Kampnagel etc. ?

Und noch was: Nicht jede gesellschaftsrelevante interventionistisch stadterkundende urbane Butterbusfahrt in die Suburbs von München ist wesentlicher und künstlerischer als die Beschäftigung mit Shakespeare. Ab und zu gehts auch um Literatur.

Jetzt werden Sie Hausmeister in Berlin und laden ein, was so auf dem Markt in Europa entsteht. Ist total o.k., aber weder besser noch schlechter als das Stadttheater, was anderes halt. Und auch nicht mehr Innovation - völliger Unsinn: Castorf, Marthaler, Schlingensief, Stemann: die sind alle im Stadttheater groß geworden, dannn ist mal Flaute und die nächste Welle komt, keine Ahnung, wann. Wie bei Ihnen...

Jetzt nochmal ernsthaft:das wundersame flämische Modell ist ein NOTmodell, das muß man mal in aller Klarheit sagen!!! Es ist das Landestheatermodell: Weil zu Hause in Amsterdam oder Antwerpen zuwenig Publikum ist, fährt man wie Castrop-Rauxel durch die Gegend. Das bringt das Geld, das fehlt. Warum arbeiten eigentlich die niederländisch-belgischen Regisseure lieber in Deutschland als in der Heimat, wenn dort alles so viel besser ist? Warum bleibt ein Johan Simons nicht in der Heimat, wo nach deutscher Romantik alles viel besser ist? Hm? Was meint Haumeister Hartz? Warum hat Hausmeister Simons seinen belgischen Blaumann gegen einen bajuwarischen getauscht? Ja, warum eigentlich?

Auch Hausmeister
Matthias von Hartz: gegen die Reformverweigerer
sehr erschreckend auf welchem niveau und mit welchen dumpfen resentiments der beitrag und das thema hier diskutiert wird.
mit diesen "kommentatoren" möchte man erst gar nicht das inhaltliche gespräch suchen. ich lese in diesen beiträgen letztendlich nichts weiter als eine völlig unreflektierte und affirmative reformtotalverweigerung. ideologisch aufgeladen und völlig frei von sachlichkeit fühlen sich hier einige anscheinend schon persönlich angegriffen, sobald es vorschläge zur erneuerung eines sehr, sehr alten systems gibt. tasächlich erinnern die reaktionen an die atomdebatte.
das äussert sich in hasstiraden wie bei "polemi schüber-spitzt", oder in den paranoiden fantasien des KAMPSARGNAGEL. die große konservative angst vor jeglicher veränderung hat schon so manche progressive initiative gestoppt.
Matthias von Hartz: die Off-Heroen brauchen das Stadttheatersystem
Wo wären denn die von Ihnen benannten Heroen der Freien Szene, Rimini Protokoll oder Pollesch heute ohne das Stadttheatersystem, Herr von Hartz? Ihre "Polemik" folgt der Argumentation jeder Freien-Szene-Argumentation, die ich aus Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt kenne: "Alle Subventionierten sind böse, weil sie so viel Geld kriegen! Wir kriegen übrigens viel zu wenig." (...)
Matthias von Hartz: und die Stadttheater brauchen die Off-Heroen
lieber malte,
wo wäre denn das stadttheatersystem heute ohne Pollesch oder Rimini?
und wer hat jemals davon gesprochen, die subventionierten seien böse?
es geht um eine umverteilung, und um die reform, nicht die ablehnung des theatersystems. wenn sie den beitrag und kommentare hier noch mal genauer lesen werden sie feststellen, das auf der reformer seite niemand grundsätzlich gegen das stadttheater, aber auf der anderen seite alle gegen die freie szene reden. da wird peinlich gedankenlos aus der hüfte geschossen. auf diese weise wird eine sachliche diskussion leider verhindert.
Matthias von Hartz: Debatte braucht Moderation
vielleicht bräuchte es jemanden, der die debatte moderiert, der oder die die argumente herausschält und sortiert. der redundantes aussortiert und offene fragen herausstellt. rein polemisch kommt man mit diesem thema nicht weiter, fürchte ich.

@9: sie haben anscheinend nicht genau hingeschaut. hier gehts nicht um reformverweigerung, sondern um verschiedene wege, die zu diskutieren sind.

ich bin für eine weitere öffnung der stadttheater für starke freie impulse. gleichzeitig sehe ich aber nicht das heil darin, dass stadttheater zu ensemblefreien abspielstätten für freie produktionen umgewidmet werden. ensembletheater und freie projekte sollten einander ergänzen. beide produktionsformen haben ihre berechtigung. ich plädiere für ZUSÄTZLICHE förderungen für die freie szene. damit auch in anderen orten institutionen wie das HAU möglich werden. und damit wichtige freie gruppen kontinuierlich arbeiten können.
Matthias von Hartz: Ist ein Impuls bereits Kunst?
doch geil, dass endlich mal jemand die champions league fürs theater fordert. real laussaantwerpen. bayern zurich als subventionierter herausforderer. die zu früh geborenen werden sich fuchsen, wenn sie erfahren, was im transfergeschäft kohlemäßig für superstars drin ist. nur schade, dass der jongleur die begriffe nicht klärt. ist abweichung per se innovation? ist ein impuls bereits kunst? darf die schar der durch eigenen zuruf zu künstlern erklärten dilettanten tatsächlich ninety percent innovationsbonus abgreifen? muss man schon nicht mehr fragen, warum der mond so bleich und verdrossen aufs olle stadttheater herabblickt, in dem sie im innovationsfuror nur noch mit schrotkugeln ballern, weil sie vergessen haben, wohin sich das schwarze verdrückt hat? was ist hier bloß so krass verrutscht?
Matthias von Hartz: üben!
Am besten bisher der Atomvergleich. Stadttheater: Atomkrafterke=böse, igitt, reaktionär. Freie Szene: Anti-Atomkraft=grün=Fortschritt, toll, cool, Konsens etc.
Lieber Herr "GraHlshüter": üben! üben! üben!
Matthias von Hartz: neue Wege sind gefragt
Ich bin doch sehr über die bissige Art der Komentare erstaunt. Finden sich hier nur Selbstdarsteller von Stadttheatern, die um ihre Existenz füchten? Die Existenzen der Künstler haben sie doch schon selbst ausgelöscht. " Frischlinge" für 1600 Euro werden eingesetzt, die Altgedienten abserviert. Sie dürfen in Freien Theatern für Hungerlöhne arbeiten oder verzweifeln mit Hartz VI. Neue Wege, Innovationen sind gefragt, Stadttheater schauen wahrlich nicht über ihren kleinen Tellerrand. Wo sind denn die Intendanten, die Biss haben, denen nicht ihre Rotary- oder Lionsclubs und alle Politiker und Wirtschaftsgrößen wichtiger sind als ihr Theater, sondern sich um das Wohl ihrer Angestellten kümmern? Seien wir doch mal ehrlich, sind die Deutschen Theater nicht schon lange wie viele Wirtschaftsunternehmen Selbstbedienungsläden für die persönlichen Bedürfnisse von Intendanten?!!!!
Zukunft des Theaters: mittlere Stadttheater haben Relevanzproblem
@Innovationstattarroganz - ich finde den Kommentar gut. Zwar auch ein bißchen übertrieben, inhaltlich aber richtig. Das klassische Stadttheater - ich meine hiermit nicht Landestheater, Festivaltheater und Metropolentheater - haben in der Tat ein Relevanzproblem. Das merken die auch. Städte wie Kiel, Wuppertal, Chemnitz, Freiburg usw. werden sicherlich umdenken müssen. Natürlich geht es da auch um Arbeitsplätze. Aber das Relevanzproblem ist schwerwiegender. Denn künstlerische Impulse gehen davon nicht mehr aus. Hinzukommt und eine schlechte Auslastung, womit wir wieder bei der Relevanz sind.
Zukunft des Theaters: keine Relevanzprobleme in Kiel
@p.z.: was haben sie denn zuletzt in "kiel, wuppertal, chemnitz, freiburg usw." impulsloses gesehen? waren sie dort überhaupt mal im theater? einfach mal "liliom" ansehen in kiel z.b. - und dann mal den eigenen kommentarhorizont hinsichtlich möglicher "relevanzprobleme" absuchen, schlage ich vor.
Zukunft des Theaters: Künstler gehören zu den Armen
hungerlöhne
es gibt aber auch künstler die für nichts arbeiten
wenn sie nichts verkaufen, und für geld arbeiten müssen, immer wieder, um zu überleben
künstler gehören zu den ärmsten bevölkerungs-schichten allgemein
Zukunft des Theaters: Reformgegner argumentieren ideologisch
@Gurkenwahnsinn: sie haben das nicht verstanden. ich bezog mich auf den beitrag nr. 7 von martin baucks. der vergleich meint die Form der debatte. sie ist in so fern vergleichbar, als das es sich ebenfalls um eine Reformdebatte handelt, in der die reformgegner ähnlich affektiert und ideologisch argumentieren.
die ganzen restlichen schlagwörter die sie genannt haben sind (wie in beitrag 2)ihrerseits in die diskussion hineinfantasiert.

@nachtkritik: es ist fragwürdig genug, das es bei ihnen kein offenes forum (hallo, internet!) sondern nur diese altbackene und nicht demokratisch geführte (weil redaktionell editierte) leserbrief spalte gibt. meine beiträge in denen ich den artikel des von hartz unterstütze wurden veröffentlicht, eine kritische notiz die sich auf den meiner ansicht nach eitlen gestus des artikels bezog wurde unterschlagen.

Lieber H.a.g.,
wir sind an Argumenten interessiert, nicht an Meinungen über Eitelkeit. Deshalb morderieren wir die Debatten.
nikolaus merck
Zukunft des Theaters: es gibt keinen Konsens mehr
@ödön - den Konsens, dass Theater per se wichtig ist, gibt es nicht mehr. Und darauf hat man zu reagieren! U.a. durch andere Theaterformen und -strukturen! Vielleicht wäre LILIOM in Kiel dann noch besser geworden.
Zukunft des Theaters: es hat nie einen Konsens gegeben
@p.z.: also gut, wenn sie schon ausweichen und uns nicht verraten wollen, wann sie das letzte mal in chemnitz und/oder wuppertal waren: wie haben denn die "anderen Theaterformen und -strukturen!" von denen sie schreiben, konkret auszusehen? gern auch zackig im imperativ!

ich bezweifle übrigens auch stark, dass es einen konsens über die relevanz des stadttheaters jemals gegeben hat...
Zukunft des Theaters: das ist autoritär
lieber nikolaus merck.
ich respektiere und schätze ihr engagement, habe jedoch einige kritikpunkte:

gerade der genannte edit zeigt in anbetracht anderer kommentare die hier veröffentlicht wurden wie beliebig ein solches eingreifen wird, vor allem wenn selbiges nicht sichtbar ist, und wie sehr es zb das meinungsspektrum verfälscht (argument/ beweis siehe unten). diese vorgehensweise zeigt wie wenig sich die nachtkritik für die gängigen kommunikationsformen des internet interessiert. unter "moderieren" versteht man auf internet foren etwas anderes. dort gibt es forumsregeln, die für jeden einsehbar sind, und alle beiträge die dagegen nicht verstoßen werden veröffentlicht. das ist das demokratie modell.

ihre aussage: "uns interessieren argumente, keine meinungen" (siehe "top 10") hält wie sie zugeben müssen einer prüfung nicht stand, schliesslich liest man hier nahezu nichts anderes als meinungen, nicht zuletzt zunehmend in einigen der bei nachtkritik veröffentlichten polemiken, äh, kritiken.
ausserdem klingt sie autoritär (das ist eine feststellung, keine meinung), sie will deutlich machen das bitteschön immer noch sie hier bestimmen, was an kommentaren veröffentlicht wird. das ist alles sehr sehr weit weg vom web 2.0.

ich kann mir vorstellen, das die von mir als selbstdarstellerisch empfundene form des essays durchaus ausschlaggebend für die eher gereizten kommentare hier ist.
dieser punkt (ästhetik des aufsatzes) wurde hier bisher noch nicht kritisch besprochen. keine ahnung warum gerade sie als kritiker das nicht interessiert, aber vielleicht interessiert es ja ihre leser?

in diesem sinne trotzdem hochachtungsvoll
H.a.g.

(Werte/r H.a.g.,
erlauben Sie mir, Sie auf die Forumsregeln von nachtkritik.de hinzweisen: Sie sind in den "Nutzungsbedingungen" nachzulesen, denen man zustimmen muss, wenn man einen Kommentar schreiben möchte.
Mit freundlichen Grüßen:
die Redaktion/dip)
Zukunft des Theaters: Hinweis Diskussion Freiburg
Am 13. Juli um 20 Uhr präsentieren wir das neue Arbeitsbuch "HEART OF THE CITY - Recherchen zum Stadttheater der Zukunft" hier im Theater Freiburg. Die frühere Präsidentin der Hamburger Kunsthochschule und ehemalige Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler spricht einleitende Worte, darauf wird eine erste Gesprächsrunde mit den Herausgebern des Buches, Barbara Mundel (Intendantin Theater Freiburg), Heiner Goebbels (Präsident der Hessischen Theaterakademie) und Harald Müller (Redaktionsleiter und Geschäftsführer der Fachzeitschrift Theater der Zeit) reagieren. Anschließend diskutieren die Kulturjournalisten und Theaterkritiker Dr. Bettina Schulte (Badische Zeitung), Bodo Blitz (Theater der Zeit) und Stephan Reuter (Theater Heute, Basler Zeitung) ihre Perspektiven.
Auf www.theater.freiburg.de/blog eröffnen wir ein Diskussionsforum zum Thema, das allen offen steht.
Zukunft des Theaters I: Musik ist dem Theater weit voraus
"EIN STÜCK ist das, was der großteil der besucher im theater sehen möchte" - Diese Argumentationslinie ist eins zu eins identisch mit Privatfernsehsendern der RTL Gruppe und ähnlichen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Musik ist dem Theater leider mediumbedingt weit voraus.Hier finden sich die Nischen weltweit zusammen und tauschen sich auf zig Foren aus - und interessiert es herzlich wenig, wenn der Silbersee weiter an seinem verstaubten Krug festhält.
Zukunft des Theaters I: der Kampf der Musiker ums Publikum
@sasa: Ich weiss gar nicht, ob die Argumentation nicht auch eine Feststellung ist. Und müssen nicht auch Musiker um Publikum kämpfen?
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