"Political Correctness ist eine alberne Haltung"

31. März 2014. Im aktuellen Kultur-Spiegel soll in Interviews mit einer Reihe von Kulturbetriebs-Vertretern die Frage geklärt werden: Wie rassistisch ist der deutsche Kulturbetrieb?

Münchner Kammerspiele-Intendant und Regisseur Johan Simons redet mit dem Kurator Simon Njami (FAZ-Besprechung seiner Frankfurter Dante-Ausstellung "Himmel, Hölle, Fegefeuer" hier) über Rassismus im Theater und die Blackfacing-Debatte. Simons, der in Wien wegen des Plakats zu seiner Festwochen-Inszenierung von Jean Genets "Die Neger" angegriffen worden ist (dann überlegte, den Abend umzubenennen, was ihm Genet-Übersetzer Peter Stein untersagte) sagt: "Es ist ein sehr komplexes Stück mit vielen Ebenen, das den Rassismus der Weißen anprangert und die Klischees ausstellt, mit denen sie Schwarze unterdrückt und denunziert haben - deshalb heißt es auch 'Die Neger'." Er inszeniere es, weil er eine Diskussion über diesen Rassismus entfachen wolle. "Aber erst nach der Premiere, nicht vorher."

Kunst heiße nicht, "dass man die ganze Zeit alle Menschen streichelt".

Das Plakat solle Klischees so verfremden, "dass sie in Frage gestellt und ironisiert werden". "Ich weiß natürlich, dass das heikel ist und provoziert."

Simon Njami springt ihm bei und sagt: "Political Correctness bringt uns nicht weiter." Es sei eine alberne Haltung. Er persönlich würde das Foto mit den vier Frauen nicht verwenden, wenn er "Die Neger" inszenieren würde. "Aber es ist gut, dass es eine Diskussion in Gang setzt."

Zu den "Bühnenwatch"-Aktionen gegen Blackfacing im Theater sagt Johan Simons: "Mit solchen Protestaktionen macht man Schwarze doch erst zu Schwarzen und Weiße zu Weißen. Diese Fürsorge ist herablassend gegenüber den Schwarzen."

In dem Rassismus-Special kommen außerdem u.a. die Intendantin des Berliner Maxim Gorki Theaters Shermin Langhoff und die Dramatikerin und Schriftstellerin Nino Haratischwili zu Wort.

Langhoff sagt: Karin Beier habe beklagt, dass nicht genügend gute Schauspieler mit Migrationshintergrund zu finden seien, nachdem ihr interkulturelles Konzept am Schauspiel Köln gescheitert war. "Nun gut, sie hat es immerhin versucht, aber das Scheitern allein an den angeblichen Qualitätsdefiziten postmigrantischer Schauspieler festzumachen, finde ich verantwortungslos."

Zum einen gehe es ihr komischerweise ganz anders: Sie könnte noch etliche weitere Kollegen mit diversen Herkünften anstellen, wenn sie noch mehr Ressourcen für feste Engagements hätte. Zum anderen gelte: "Qualität kommt nicht von oben." Postmigrantische Schauspieler bräuchten Räume, um sich auszuprobieren, um sich zu entwickeln. "Man muss sie spielen lassen."

Das Ziel der Zukunft müsse es daher sein, Kontrolle über kulturelle Produktionsmittel zu erlangen. "Das klingt jetzt natürlich sehr revolutionär, aber darum geht es ja: um eine Revolution der Kulturpolitik." Es gehe nicht um Alibi-Migranten, es gehe darum, das Kunstdefinitionsmonopol der traditionellen deutschen Hochkultur zu durchbrechen.

"Ich musste sehr dafür kämpfen, nicht auf bestimmte Themen festgelegt zu werden", sagt Nino Haratischwili. Gerade im Theaterbetrieb habe sie gemerkt, "dass ich immer für ähnliche Themen angefragt wurde und es eine Sehnsucht gab, ich möge mich doch bitte mit meiner Heimat und dem Krieg beschäftigen".

"Ich empfinde die Schubladisierung als sehr extrem in Deutschland - in allen Bereichen." Natürlich seien Georgien und ihre Vergangenheit ein Teil von ihr. "Aber meine Gegenwart findet hier statt, hier erlebe ich Dinge, über die ich genauso schreiben möchte."

(sd)

Kommentare  
Presseschau Rassismus im Kulturbetrieb: Vorbilder
Ich bin ganz der Meinung von Nino Haratschwili und Shermin Langhoff! Als Migratin erlebe ich immer wieder, was die beiden beschreiben. Sie beide sind allerdings auch tolle Vorbilder, wie man das schaffen kann.

Blackfacing-Debatte fand ich notwendig, schließlich sind wir in einem Zeitalter, dass man so was hinterfragen sollte. WARUM? Ist das notwendig? Ist das zu akzeptieren? Ist das eine Provokation?

Ich freue mich über solche Debatte, gerne mehr. Nur wenn wir offen darüber sprechen, nur wenn wir in den Konflikt geraten, können wir was bewegen und verändern.
Presseschau Kulturbetriebs-Rassismus: Eindimensional
Nichts als positivistische Einfältigkeit. Den Rassismusquirl kann ich auch schwingen, wenn ich nach Georgien oder Afrika fahre. Glaubste gar nicht wie schnell du da marginalisiert bist! Oder erklär mal John McCain, dass du Kommunist bist, der Typ hängt dich gleich an den Füßen auf und lässt dich von der Nationalgarde oder Heimatschutz auspeitschen!
Kommt mal runter ihr postmigrantischen Arbeitssuchenden und verweilt nicht länger in euren hausgemachten Rassismen gegen Deutschland und die Deutschen, den Kunstbetrieb oder was immer gerade getargetted wird - ganz im Sinne deutsch-grüner Tradition. Das eindimensionale Gekreische hält man ja kaum noch aus!
Presseschau Kulturbetriebs-Rassismus: Schubladisierung
"Ich empfinde die Schubladisierung als sehr extrem in Deutschland - in allen Bereichen." wenn dem so ist, dann gilt es über alle katzentische, kinderzimmer, hinterzimmer, seitenbühnen, modewellen, zwangsnischen und fußabtreter zu reden...auf gehts nachtkritik, oder wo klemmt die schublade?
Presseschau Kulturbetriebs-Rassismus: Anstand
frueher hiess political correctness einfach nur ANSTAND.
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