Leitungswechsel am Jungen Schauspielhaus Düsseldorf
Tradition Grips
Düsseldorf, 11. April 2014. Nach der von Interimsintendanten Günther Beelitz durchgesetzten Strukturveränderung am Jungen Schauspielhaus des Düsseldorfer Schauspielhauses ist Barbara Kantel "auf eigenen Wunsch" aus der Leitung des Jungen Schauspielhauses ausgeschieden.
Wie das Düsseldorfer Schauspielhaus in einer Presseaussendung mitteilt, soll nun Christof Seeger-Zurmühlen, unter Stefan Fischer-Fels lange Jahre selbst Schauspieler am Jungen Schauspielhaus, ein neues festes Ensemble für das wieder selbständig agierende Kinder- und Jugendtheater am Schauspielhaus aufbauen. Zuletzt hatte Seeger-Zurmühlen 2012 das Düsseldorfer Sommerfestival für Theater und Musik "Asphalt" initiiert, dessen künstlerischer Leiter er auch weiterhin bleiben soll.
(Düsseldorfer Schauspielhaus / jnm)
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Um Frau Kantel und ihre Arbeit allerdings ist es schade. Da verschwindet mehr als nur eine Direktorin. Ihre Projekte in der Stadt, improvisierten Veranstaltungen und Vorplatzeroberungen durch kreative junge Menschen haben dem doch recht miefigen Örtchen an der S-Bahn da hinten in Düsseldorf-Rath einen ganz eigenen und neuen Charakter gegeben. Dieser Anfang war abolut schwer erkämpft und lohte. Nun ist das verloren. Ein wirklich großer Fehler.
Haltung zu Kunst und Gesellschaft zu vermitteln braucht sehr viel Kraft und Zeit und ist nicht mit pädagogischem Zeigefinger gemacht. Es fehlt ja doch eine ganze Generation junger Zuschauer im Düsseldorfer Theater, die sind irgendwann früher schon abgehaun.
Dennoch : von einem Interims - Indendanten ist zu erwarten, dass er sich seiner Verantwortung bewußt ist und die Basis der künstlerischen Arbeit nicht aufgrund seines persönlichen Theater-Geschmacks gefährdet. Eine gute Möglichkeit, sein Profil als Intendant deutlich zu machen, bietet die zweite Spielzeit, worauf dann auch alle Mitarbeiter_innen vorbereitet wären und je nach Kompatibilität der Theaterauffassungen gehen oder bleiben könnten.
Das Interim- vor dem Intendanten scheint aber irgendwie in Vergessenheit geraten zu sein, in Düsseldorf wird- zumindest wie es scheint- nach Gutsherrenart regiert, es werden Strukturen geändert, Produktionen wie das Familienstück! abgesagt, mündliche Verträge nicht eingehalten und Absprachen gebrochen. Die Formulierung "aus eigenem Wunsch" scheint mir in diesem Zusammenhang als der blanke Hohn. Alles was Frau Kantel aufgebaut hat, wurde hier ohne Not, mit Ansage, in kürzester Zeit zerstört, wie hätte sie da bleiben können? Die Tatsache, dass sogar schon ein Nachfolger feststeht, obwohl die Information neu ist, spricht für sich. Wie unglaublich schade.
Barbara Kantel und ihrem Team wünsche ich tiefen Atem, ihr seid weit von solchen Methoden entfernt. Darum entsteht durch euch Theater, welches mit den Menschen in Kontakt tritt, in einen länger wirkenden offenen und aufregenden Kontakt, der sich stetig weiterverbreitet.
http://www.derwesten.de/staedte/duesseldorf/barbara-kantel-verlaesst-das-jugendtheater-id9234791.html
Darüber hinaus scheint er auch noch ein schlechter Wirtschafter zu sein: statt in einer Krise zu investieren - in innovative Kunst, setzt er auf Tradition (und damit auf Sparmaßnahmen), sprich auf "gute Unterhaltung", um sich damit beim alten (Abo-)Zielpublikum anzubiedern. Allein aus rein wirtschaftlicher Sicht ist das eine Bankrotterklärung.
Zugegeben, es ist nur eine Vermutung, vielleicht gar eine Unterstellung, aber was kann in einem solchen Szenario dazu geführt haben, dass man "auf eigenen Wunsch" ausscheidet? Da kommt man auf eher böse Gedanken... Das ganze scheint nun zu enden in einer der machtgeprägtesten Intendantenwechsel, die man so kennt, die man aber nicht von einem Interimsintendanten erwartet, der in stürmischen Zeiten erstmal alle Kräfte zusammenhalten anstatt über Bord werfen sollte. Oder ist es einfach maßlose Eitelkeit der neuen Theaterleitung? Im Fall von Barbara Kantel zumindest fehlt jede sachlich-inhaltliche Begründung, warum ihre Arbeit unbedingt umgehend beendet werden muss. Wie übrigens auch schon bei Eva-Maria Voigtländer, mit der sich Kantel nun in prominenter Gesellschaft befindet. Vielleicht ist das der deutliche Hinweis, dass es hier nicht um fachliche Kompetenz und Qualität, sondern allein um eine eitle und selbstverliebte Machtübernahme geht.
Bleibt nur zu hoffen, dass die künstlerische Zukunft des Düsseldorfer Schauspielhauses zumindest mittelfristig endlich wieder dorthin kommt, wo das Haus unbedingt stehen sollte. Und dass das Junge Schauspielhaus trotzdem weiter auf der von Kantel bereiteten Erfolgsschiene weiterfahren kann - denn junge Theaterzuschauer sind schließlich die Zukunft unserer Gesellschaft.
In einem zweiten Schritt braucht er dann sicher auch keine Zuschauer. Wahrscheinlich in der Überzeugung, auch das Zusehen selbst am besten zu können.
Ich verstehe diese ganze Kritik hier nicht ganz. Das Schauspielhaus liegt doch offenbar am Boden, das Publikum bleibt weg, in der Vergangenheit ist offenbar eine unglaubliche Mißwirtschaft betrieben worden. Ich halte es für konsequent und logisch, dass jetzt ein Neuanfang auf ganzer Linie gestartet wird, mit frischem, engagiertem Personal, das für die Misere der Vergangenheit nicht verantwortlich ist. Ich jedenfalls bin sehr gespannt, ob Christof S-Z das Junge Schauspielhaus zu alten Glanzzeiten zurückführen kann. Zuletzt fanden da doch viele Tage am Stück überhaupt keine Vorstellungen mehr statt!
Desweiteren bzw. eh der Hauptpunt meines Kommentars: Das scheint doch alles nach einem sehr abgekartetem Spiel - am selben Tag an dem eine künstlerische Leiterin zurücktritt wird schon der Nachfolger bekannt gegeben? Das kann doch nicht sein - Niemand würde sich von heute auf morgen dazu bereiterklären ein ganzes Haus zu übernehmen - und Beelitz Konzeptveränderungen werden dann dich nicht mitgetragen -
eh ist aus dem Grips in Berlin (Fischer-Fels und Vorgänger) schön länger zuhören dass Seger-Zumühlen das Haus übernehmen wird. Also zurück zu veraltetem Standard. passt ja zum Intendanten.
Und dass er mit zu hohen Kosten argumentiert, gleichzeitig aber einen alten Privataufzug für den Intendanten reaktivieren lässt (Kosten= ca. 20000 Euro), ist einfach unterirdisch.
Dass diese Arbeit nicht nur nicht wertgeschätzt, sondern nun derart gekappt wird, ist vollkommen unverständlich, und offenbart ein fatales Desinteresse an demokratischer Praxis und einem modernen Kunstverständnis, das Kinder und Jugendliche vor Ort selbstverständlich mit einbindet. Das Missverständnis in Düsseldorf bei dieser ganzen Debatte ums Haus besteht vielleicht auch darin, dass von Seiten der Kommunalpolitik und der Rheinischen Post von einer vermeintlich festen Einheit des Publikums gesprochen wird. Dass Düsseldorf aber aus mehr als nur aus einer gesellschaftlichen Schicht (von der dann immer die Rede ist) besteht, war am Jungen Haus zu sehen. Natürlich geht es hier niemanden darum, das Theater zu zerstören, auch jenen Kommunalpolitikern nicht, die das autoritäre Procedere der vergangenen Montate zu verantworten haben. Die Vorgänge enthüllen lediglich ein Desinteresse, mit verheerenden Auswirkungen. Ging es bei all den politischen Debatten je um Kinder und Jugendliche, die künstlerische Kräfte in Rath sind, ging es je um zeitgemäße künstlerische Praxis? Sind die jungen Zuschauer so viel unbedeutender als das Publikum im Großen Haus? Und was ist das für ein Zeichen, dem Kinder- und Jugendtheater so autoritär zu kommen: es erscheint als eine im schlimmsten Sinn erwachsene, zynische Handlung – Maria Montessori würde sagen „der Riesen“: der erzwungene Abschied vom Barbara Kantel.