Körber Studio Junge Regie 2017 - Auf der Suche nach der Zukunft der Staatstheaterregie
Unter Druck
von Falk Schreiber
Hamburg, 19. Juni 2017. Muss man sich Sorgen machen um die jungen Leute? Zumindest der Eröffnungsabend beim Schaulaufen der deutschsprachigen Regieschulen, dem Körber Studio Junge Regie in der Hamburger Thalia-Außenstelle Gaußstraße, ist ein konsequenter Runterzieher. Swen Lasse Awe von der Münchner Falckenbergschule inszeniert "Abraum", einen apokalyptischen Text von Wilke Weermann, der in Ludwigsburg studiert und auch als Regisseur am Festival teilnimmt, mit einer effektsicheren, wenn auch ein wenig braven Überschreibung von Ernst Tollers Groteske "Der entfesselte Wotan".
Im "Abraum" vegetieren fünf Jugendliche und ein alter Mann in einem verlassenen Steinbruch dahin und gleiten nach und nach von Freundschaft über psychische Gewalt in Richtung körperlicher Aggression. "Abraum, das ist das Zeug, was keinem nutzt", brabbelt der Alte (Christian Mey), und wenn man sich an den Einführungsvortrag der finnischen Theaterwissenschaftlerin Hanna Helauvori erinnert, in dem es unter anderem um schlechte Jobchancen im Regieberuf ging, dann muss man bei diesem Einstieg ganz schön schlucken. Zumal im Anschluss Rebekka Bangerters "Woyzeck – Ach, was die Welt schön ist!" (Hochschule der Künste, Zürich) ebenfalls auf einer Halde spielt: Ein dampfender Müllberg ist auf die Bühne gekippt, und dort ergehen sich die Figuren aus Büchners "Woyzeck" in fiesen Demütigungsspielen. Die Figur Marie ist ins Publikum ausgelagert, was eine kluge Idee ist, die allerdings nicht das gesamte Stück trägt. Die Müllmenschen lauschen derweil hoffnungslos dem traurigen "Woyzeck"-Märchen, "Es war einmal ein arm' Kind", und schubsen sich selbst ins Elend.
Beim Körber Studio Junge Regie geht es nicht darum, Perlen zu entdecken, es geht darum, Entwicklungslinien an den deutschsprachigen Ausbildungsinstitutionen nachzuzeichnen und so Schlüsse für die Entwicklung des deutschen Theaters als Ganzes zu ziehen. Das fünftägige Festival ist trotzdem ein Durchlauferhitzer für die Szene – wer hier eine gut einstündige Studienarbeit zeigt, hat im Anschluss gute Karrierechancen. Entsprechend hoch ist die Tendenz, alles richtig zu machen, Erwartungen zu erfüllen. Oder aber, die Festivalinszenierung ist sowieso schon Karriereschritt: Mark Reisig etwa hat Heiner Müllers "Philoktet" gleichzeitig als Viertjahresprojekt an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und als Produktion des Staatstheaters Mainz inszeniert. Das Ergebnis ist eine ordentliche Staatstheaterarbeit mit Rost, Beton und verrottendem Laub, die auch nie mehr sein will.
Hildesheim gegen Staatstheater
Auch Sophie Hübner, Till Wiebel und Laura Zielinski von der Universität Hildesheim erfüllen mit "And I say: Also was, was du meinst, was ich, was ich glaube was das ist" Erwartungen, nur auf andere Weise. Der Abend führt mustergültig aus, was die niedersächsische Popkulturschmiede vorgibt: Homers "Odyssee" wird mit eigenen Liebeserfahrungen sowie Film- und anderen Popimages abgeglichen. Was grundcharmant daherkommt und handwerklich als Spiel mit den Bildebenen State-of-the-Live-Art ist, diskursiv mit seinem "All is full of Love"-Sujet aber ein wenig trivial bleibt. Zumindest bis in den letzten zehn Minuten Homer gendertheoretisch durchdekliniert wird: Da bekommt "And I say" mit einem Schlag eine inhaltliche Schärfe, die mehr ist als bloße Pflichterfüllung. Was man an Hildesheim hat, merkt man auch später noch einmal bei der erschreckend unreflektierten Liebessymbolik in Tom Müllers Patti-Smith-Hommage "HORSES" vom Salzburger Mozarteum.
Ins Staatstheater passt der Hildesheimer Pop-Entwurf freilich nicht, am Staatstheater nämlich erwartet man nicht Spiderman-Küsse und Schlagerherzschmerz in der Karaoke-Version, sondern eine Auseinandersetzung mit (irgendwie dramatischer) Literatur. Und auch wenn das jetzt nach altem Sack klingt: Der Kritiker seinerseits erwartet bei Mittzwanziger-Regiestudenten, dass bei dieser Auseinandersetzung eine Wunde aufbricht, er erwartet Wut, Gegen-den-Strich-Bürsten, Kampf mit dem Stoff. Also all das, was Moritz Beichl (Theaterakademie Hamburg) aus Ronald M. Schernikaus Ermächtigungserzählung "kleinstadtnovelle" macht – eine holpernde, ächzende Inszenierung, die sich durch die Prosavorlage kämpft, die nicht fertig wird mit ihrem Stoff, die leidet, und die am Ende lädiert, aber glücklich in den Trümmern ihres Konzepts steht. Theater, das endlich mal nicht schon von vornherein weiß, wo es hin will, wunderbar!
Widerständig, eigenständig: "Nerve Collection" und "TEOREMA"
Was nicht heißen soll, dass man keine Vorstellung davon haben sollte, was geht. Caroline Creutzburg vom Gießener Institut für Angewandte Theaterwissenschaft jedenfalls weiß schonmal, was nicht geht: "Ich kann einfach keine Typen mehr in Ganzkörperbodies auf der Bühne sehen!", proklamiert sie. "Die Verharmlosung des eigenen Körpers als Exitstrategie!" Was auch nicht geht: Emotion. Expressivität. Schwärmerei für den DJ. Alles doof. Und so schleicht Creutzberg emotions- und aktionslos durch ihre Postpunk-Performance "Nerve Collection", einzig ein kaum hörbares Vibrieren in ihrer Stimme deutet den Horror an. "Mir hat mal jemand gesagt: Dein Arm klemmt. Und ich so: Wwwwwwwas?" Durch den Saal dröhnen Moloko, und das Publikum so: Wow! "Nerve Collection" ist spröde, unversöhnlich, kalt. Und verschließt sich so konsequent der Konsumierbarkeit – selbst die Gießener Arbeiten lange Jahre prägende Ironie wirkt hier wie schockgefrostet. Ein Festivalpublikum erobert man mit sowas, einen Fuß in die Staatstheatertür bekommt man aber keinen. Wobei Creutzberg sowas ohnehin doof finden dürfte.
Ganz im Gegensatz zu Blanka Rádóczy von der Münchner Theaterakademie August Everding, die Pier Paolo Pasolinis "TEOREMA" als fein getaktetes, praktisch wortloses Familienarrangement inszeniert, geprägt von stillem Humor und Gespür für die Abgründe des Stoffes, aber wohl auch beseelt vom Willen, hier eine Inszenierung zu schaffen, die mehr oder weniger pauschal eingekauft werden kann. Gerade weil Rádóczy ästhetisch deutlich eigenständiger daherkommt als Daniel Kunze (Folkwang Universität, Essen), der zwar mit Michel Houellebecqs "Die Möglichkeit einer Insel" ebenfalls auf Abonnententauglichkeit schielt, dem (schon in Romanform nicht besonders ergiebigen) Stoff allerdings verhältnismäßig unspezifisch gegenüber steht und dabei im "Freudlos gehen wir durch ein Leben ohne Geheimnisse" stecken bleibt.
Unterschiedliche Preisträgerinnen
Den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Körber Stiftung erhält am Ende voll verdient Caroline Creutzberg für "Nerve Collection", auch wenn sich die fünfköpfige Jury selbst nicht ganz sicher zu sein schien, ob sich Arbeiten wie das Gewinnerstück und Blanka Rádóczys "TEOREMA" (das den undotierten Publikumspreis erhielt) wirklich vergleichen lassen – und dass Moritz Beichls "kleinstadtnovelle" in der sich herausschälenden Konkurrenz Creutzberg-Rádóczy ein wenig unter die Räder kam, darf man durchaus bedauern. Dennoch, der Preis für eine widerständige Arbeit geht vollkommen in Ordnung, angesichts der (unterschiedlichen) Marktgängigkeit der Konkurrenz – obwohl er wenig über die tatsächlichen Entwicklungen der Theaterregie aussagt. Die Jury mag eine Arbeit wie Mark Reisigs "Philoktet" ungnädig behandeln, aber: Wer will einem 28-jährigen Regiestudenten vorwerfen, zuzusagen, wenn er das Angebot bekommt, ein Stück am Staatstheater Mainz zu inszenieren? Und wer will dem Ergebnis dann vorwerfen, dass es aussieht wie ein Stück am Staatstheater Mainz?
Das Körber Studio Junge Regie ist durchdrungen von einem Leistungsgedanken, von dem sich der Theaternachwuchs nur schwer freimachen kann. Das liegt nicht nur am Wettbewerbscharakter des Festivals, das liegt auch daran, dass sich junge Künstler hier vor einem Fachpublikum präsentieren und wissen, was von ihnen erwartet wird – und nur wenige schaffen es, diese Erwartungen so radikal zu unterlaufen wie Caroline Creutzburg aus Gießen.
Als Kommentar zu den zuvor gesehenen Übungen in Pflichterfüllung funktioniert die (außer Konkurrenz als Gastproduktion eingeladene) "Salome" von der Theaterakademiede der Uniarts aus Helsinki. Regisseur Juho Mantere schaltet Oscar Wildes "Salome" mit dem Entstehungsprozess einer Theaterproduktion kurz. Der zentrale Schleiertanz in "Salome" ist eine performative Situation, und zu der sollte man sich eigentlich verhalten können. Aber Schauspielerin Inka Reyes weiß, dass sie eigentlich keine Möglichkeit hat, sich zu verhalten, möchte sie nicht das "arm' Kind" aus "Woyzeck" bleiben. "You don't have to dance, Inka!", beschwören sie ihre Mitspielerinnen, du musst nicht tanzen, wenn du nicht willst. Aber Inka ist Salome, und Salome tanzt, natürlich. Was bleibt ihr übrig, wenn sie nicht zu Abraum werden möchte, dem "Zeug, was keinem nutzt"?
Abraum
von Wilke Weermann
Regie: Swen Lasse Awe, Otto Falckenberg Schule, München Ausstattung: Thilo Ullrich, Musik: Philipp Koelges, Dramaturgie: Arne Bloch
Mit: Marie-Therése Fischer, Niklas Maienschein, Christian Mey, Jannik Mioducki, Fabian Ringel, Vincent zur Linden
Woyzeck – Ach, was die Welt schön ist!
Frei nach Georg Büchner
Regie: Rebekka Bangerter, Zürcher Hochschule der Künste Szenografie / Kostüm: Noemi Hunkeler, Anna Wohlgemuth, Musik: Dominic Röthlisberger, Dramaturgie: Johanna-Maria Raimund
Mit: Anna Hofmann, JulianLehr, Lucas Riedle, Julian-Nico Tzschentk
And I say: Also was, was du meinst, was ich, was ich glaube was das ist
Regie, Performance & Konzept: Sophie Hübner, Till Wiebel, Laura Zielinski, Universität Hildesheim / Institut für Medien, Theater & populäre Kultur
Philoktet
von Heiner Müller
Regie: Mark Reisig, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Frankfurt / Main Ausstattung: Viviane Niebling, Dramaturgie: Patricia Nickel-Dönicke, Sprechcoaching: Deborah Ziegler, Assistenz: Hannah Frauenrath
Mit: Sebastian Brandes , Matthias Lamp, Vincent Doddema
kleinstadtnovelle
von Ronald M. Schernikau
Regie und Bühne: Moritz Beichl, Theaterakademie Hamburg Kostüme: Astrid Klein, Dramaturgie: Maximilian Enderle
Mit: Alexander Angeletta, Sebastian Doppelbauer, Toini Ruhnke, Hanna Stange, Mervan Ürkmez
HORSES
Text und Regie, Musik, Video, Ausstattung: Tom Müller, Thomas Bernhard Institut für Schauspiel und Regie, Universität Mozarteum Salzburg Inspizienz: Mattia Meier, Licht: Gerrit Jurda
Mit: Katharina Shakina, Kilian Bierwirth
Nerve Collection
Konzept / Performance / Kostüme / Playlist: Caroline Creutzburg, Institut für Angewandte Theaterwissenschaft, Gießen, Lichtdesign / technische Dramaturgie / dramaturgische Unterstützung: Rahel Kesselring, technische Unterstützung: Hendrik Borowski
TEOREMA
nach Motiven von Pier Paolo Pasolini
Regie / Bühne: Blanka Rádóczy, Theaterakademie August Everding, Hochschule für Musik und Theater München Kostüm: Andrea Simeon, Video: Nicole Marianna Wytyczak, Dramaturgie: Anna Gojer, Regieassistenz: Marisa Wienert, Komposition: Patrick Schäfer, Maske: Diego Rojas Ortiz
Mit: Marina Blanke, Anton Figl, Leon Haller, Hannes Köpke, Natalina Muggli, Maria Magdalena Rabl
Die Möglichkeit einer Insel
von Michel Houellebecq
Regie und Textfassung: Daniel Kunze, Folkwang Universität der Künste, Essen Musik & Sounds: Vasko Damjanov, Bühne: Dorothea Lütke-Wöstmann, Kostüm: Leonie Cordes, Assistenz: Klara Linge, Souheila Benhassan
Mit: Paulina Alpen, Thomas Kaschel, Nils Kretschmer, Anja Kunzmann, Mats Süthoff
Der entfesselte Wotan
nach Ernst Toller, mit Texten von Wilke Weermann
Regie: Wilke Weermann, Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, Ludwigsburg Dramaturgie: Julia Hagen, Ausstattung: Johanna Stenzel, Dramaturgieassistenz: Rebekka Raab
Mit: Lea Beie, Jens Lamprecht, Michael F. Stoerzer, Dominik Weber Gesang: Petya Alabozova, Laura Kipp, Torsten Knoll, Katharina Krebitz
außer Konkurrenz:
Salome
von Oscar Wilde
Regie: Juho Mantere, Theaterakademie der Uniarts, Helsinki Kostüme: Riina Nieminen, Licht: Sami Roikola
Mit: Inka Reyes, Saga Sarkola, Marketta Tikkanen
www.koerber-studio.de
Nochmal kompakt als Meldung: die diesjährigen Preiträger*innen beim Körber Studio Junge Regie 2017.
Presserundschau
Auf ndr.de (20.6.2017) sagt Katja Weise im Gespräch: Caroline Creutzburgs Text sei "hoch intelligent, assoziativ, mit teilweise fast kabarettistischen Qualitäten". Die Inszenierung sei nicht "typisch" für den guten Jahrgang, bei dem es nichts "Typisches" gegeben habe. Neben der Solo Performance sei "Kleinstadtnovelle" von Ronald Schernikau eine sehr "packende Inszenierung" gewesen, mit einem "großartigen Hauptdarsteller und einer fast traumwandlerisch sicheren Ensembleregie". Stark als drittes "Teorema", eine Arbeit, die "fast ganz auf Worte verzichtet" habe. Die Inszenierungen zeigten eine überraschende Vielfalt, viele verschiedene Ansätze nebeneinander. Es werde "viel mit Formen experimentiert". Zudem werde nach wie vor "viel selbst entwickelt und geschrieben".
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Amen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
von einer handwerklichen Ausbildung kann man eigentlich getrost ausgehen. Behauptung. Fragwürdig ist natürlich, da gebe ich Ihnen Recht, ob ein Wettbewerb für die Ausbildung förderlich ist oder ob, und das meinen Sie wohl eher, die gezeigten Produktionen dort, wirklich dem künstlerischen Stand entsprechen. Ich bin kein Regiestudent, der dieses Treffen als Sprungbrett begreifen könnte. Ich bin kein Schauspieler, kein Dramaturg oder ähnliches, der dort mit gewirkt hat. Aber Falk Schreiber hat es eigentlich beschrieben: Ihn beschleicht die Ahnung, dass es alle besonders richtig machen wollten.
Ich weiß nicht, ob das der Rahmen ist, seine künstlerische Linie, seine Utopie, seine Ästhetik auf die Weise zu präsentieren, wie es erwartet wird. Die Auszubildenden entwickeln sich ja noch. Und diese Angst, die da ist, abgeschmettert zu werden, nicht zu gefallen, nur gut zu sein, die muss man erst einmal aushalten, um etwas zu machen von dem man 100% überzeugt ist und das zu 100% bei einem selbst bleibt. Wie geht es einem, wenn man die Beschreibung auf der Homepage der Körber Stiftung liest?
"Das Körber Studio Junge Regie ist im deutschsprachigen Raum »DAS Schaufenster für Trends und Visionen« (NDR) und zeigt künstlerische Herangehensweisen der zukünftigen Theatergeneration an aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen. Viele erfolgreiche Regisseurinnen und Regisseure haben hier ihre ersten Arbeiten gezeigt." (https://www.koerber-stiftung.de/koerber-studio-junge-regie/festival/2017.html Letzter Zugriff: 20.06.2017)
Haben Sie die Arbeiten gesehen? Fragen Sie die Studierenden für was Sie antreten, oder sind die Projektionsfläche für eigenen Frust?
Ich finde das echt abenteuerlich im Zusammebhang von einem Nachwuchsfestival altvorderliches "Früher-war-alles-besser"-Gedöns von sich zu geben. Setzen Sie sich doch eibfach konkret und inhaltlich mit den Studierenden und den Dahinterstehenden Institutionen auseinander. Ich bin mir sicher, dass das höchst willkommen wäre, gerade, weil Die offenbar einen anderen Blick mitbringen.
Tatsächlich ist der Wettbewerbscharakter des Körber Studios Junge Regie ein Problem, das vielleicht zu einer gewissen Stromlinienförmigkeit der teilnehmenden Projekte führen könnte. Gerade bei der diesjährigen Auswahl aber wurde das doch ganz gut vermieden - wenn Sie anwesend waren, müsste Ihnen aufgefallen sein, dass insbesondere die drei Arbeiten, die in der engeren Auswahl der Jury waren, "kleinstadtnovelle", "TEOREMA" und "Nerve Collection", für ganz unterschiedliche Theatersprachen standen. Da war nichts stromlinienförmig, nichts hyperkompatibel. Mich beglückte das Körber Studio 2017, weil ich hier mitnehmen konnte, dass an den Regieschulen eben keine Stromlinienförmigkeit gelehrt wird, sondern auch Widerständigkeit, Unversöhnlichkeit, eigenes Denken - und die Studierenden, die für solches Denken gemacht sind, haben am Ende die besten Arbeiten abgeliefert. Mich freute das.
Vermutlich ist niemand davor gefeit, denn wir leben nun einmal in kapital-imperialistischen Verhältnissen - aber wer sich freiwillig dem zu früh aussetzt, begräbt freiwillig seine Visionen in sich, bevor er überhaupt ein Künstler mit ganzem Leib und ganzer Seele ist - Auch der wird von den Verhältnissen subtil zerstört, das ist eine Frage der Logik des Systems - aber es ist dann erst einmal was da, was zerstört werden kann. Das niemand mehr weiträumigen individuellen zeitgenössischen ENTWICKLUNGEN Raum gibt, weil diese wegen der geistigen Mühen, diese nachzuvollziehen, niemanden interessieren, ist die eigentliche Katastrophe unserer Zeit. Nicht nur in den Künsten. Und nicht nur hier.