Die Einheit in der Vielheit

von Marcel Klett

23. Februar 2017. Die Diskussion über die Leitungsform der institutionalisierten Theater hat in den vergangenen Monaten an Intensität zugenommen – und immer wieder entzündet sich die Diskussion an Vorfällen, die zu beweisen scheinen, dass das traditionelle Leitungsmodell fehleranfällig ist. Wenn man nun feststellt, dass die Zahl der Einschläge zunimmt, und wenn gleichzeitig (endlich!) die Arbeitsbedingungen der künstlerisch Beschäftigten an den Theatern in Frage gestellt werden, muss darüber gesprochen werden, ob und wie die Art, Theater zu leiten, reformiert werden sollte.

Es überlagern und verstärken sich hier zwei Problemfelder: einmal die nachweislich hohe Zahl der Schwierigkeiten in und mit Theaterleitungen und außerdem die ebenso nachweisliche Unzufriedenheit der wichtigsten Akteur*innen innerhalb der Theater – der Mitglieder der Ensembles. Die Ungleichbehandlung von Solist*innen und allen anderen Beschäftigten der Theater und die (vergleichsweise) unbeschränkte Macht der Intendant*innen werden mittlerweile nicht mehr als Selbstverständlichkeiten akzeptiert. Die Arbeit des Ensemble-Netzwerks ist deshalb für die Zukunft der Theater nicht zu überschätzen, denn lange unter der Decke gehaltene Konflikte werden nun plötzlich öffentlich. Das wird die Aufgabe der Theaterleitungen noch komplexer machen als bisher.

Eine Möglichkeit, mit dieser Komplexität umzugehen, ist, den Druck auf die Intendant*innen zu reduzieren – also innerhalb der bestehenden Leitungsstrukturen die Verantwortung breiter in den Häusern zu verteilen. Und das wird von den meisten Intendant*innen auch versucht, indem sie Teams bilden und Entscheidungen mit diesen rückkoppeln. Die Theater könnten aber bereits jetzt viel unabhängiger von der Persönlichkeit der Intendant*innen sein, denn über Geschäftsordnungen, Compliance-Regeln und über Betriebsvereinbarungen lassen sich bestimmte Vorgaben durchsetzen, an die die Leitung weitgehend gebunden wäre. Hier sind die Gesellschafter*innen bzw. die Dienstvorgesetzten und auch die Betriebsräte gefragt, unabhängig von der jeweiligen Theaterleitung zu definieren, wie an einem Theater miteinander gearbeitet werden soll.

Start auf einem wirtschaftlichen und emotionalen Trümmerfeld

Die andere augenblicklich breiter diskutierte Möglichkeit besteht darin, auf die Intendant*innen gleich ganz zu verzichten und kollektive Leitungen einzusetzen. Aber hier reicht der Vorsatz, dadurch strukturelle Probleme zu heilen, nicht aus. Die Implementierung einer kollektiven Leitungsstruktur ist ein komplizierter Prozess, der alle Arbeitsabläufe eines Theaters berührt. Deshalb möchte ich hier beschreiben, wie wir versucht haben, einen solchen Prozess vor einigen Jahren am Bremer Theater zu meistern.

Bremer StilUmkehr: das (bis heute verwendete) Logo des
Bremer Theaters (Burkhard Mauer) wörtlich
genommen – das Symbol des „Bremer Stils“
stammt aus der Intendanzzeit Kurt Hübners
(1962-1973)
Als zu Beginn der Spielzeit 2009/2010 klar war, dass das Theater Bremen aus den zwei vorherigen Spielzeiten ein hohes Millionen-Defizit erwirtschaftet hatte, wurde der Vertrag mit dem Intendanten zum Ende der laufenden Saison aufgehoben. Es war nun unzweifelhaft, dass die Stadt die Intendantenstelle neu besetzen würde. Genauso unzweifelhaft war aber, dass das nicht von heute auf morgen zu machen war. Es musste also eine Interimslösung gefunden werden, und natürlich war dabei die erste Motivation aller, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten und die begonnene Spielzeit fortzusetzen. Die Aufgaben für die Interimsleitung stellten sich aber als umfangreicher als das heraus, denn wir fanden ein wirtschaftliches und emotionales Trümmerfeld vor. Also musste das Haus analysiert werden, es musste die Ursache und eine Lösung für die Schulden gefunden werden, und es musste ein neuer Fördervertrag mit der Stadt verhandelt werden. Und ganz nebenbei mussten wir auch verlorenes Vertrauen beim Publikum zurückgewinnen.

In den ersten Gesprächen mit der Stadt wurde schnell klar, dass dieses Interim für mindestens zwei Spielzeiten Bestand haben musste, um ein geordnetes Findungsverfahren für den/die zukünftige Intendant*in zu ermöglichen. Das Theater gewann also Zeit. Und diese Zeit wurde zuerst dazu genutzt, einen ergebnisoffenen Prozess innerhalb des Theaters zu starten, der nach einer Bestandsaufnahme ermitteln sollte, wie die Theaterleitung zusammengesetzt sein würde. Neben den Leiter*innen der Sparten, den Abteilungsleiter*innen und dem Betriebsrat wurden auch die Sprecher*innen der Ensembles eingeladen, sich zu beteiligen. Zusätzlich initiierte der Betriebsrat Abteilungsversammlungen, in denen alle Mitarbeiter*innen über die Situation detailliert informiert wurden und die Möglichkeit bekamen, die bisherige Struktur des Theaters zu reflektieren.

"Dienstleister für die Kunst"

Wie es zu erwarten war, war diese Bestandsaufnahme ernüchternd. Die Kolleg*innen bemängelten, dass sie in Entscheidungsprozesse nicht eingebunden waren, dass nicht einmal versucht wurde, Entscheidungen zu erläutern. Dass ihre Vorschläge für die Verbesserung von Abläufen ungehört verhallten. Dass ihre Warnungen nicht ernstgenommen wurden. Dass sie sich verheizt fühlen. Dass sie die Freude an ihrer Arbeit verloren hatten. Dass sie sich nicht respektiert fühlten. Dass MOKS (die Kinder- und Jugendtheatersparte des Theaters) und Tanztheater schlechtere Bedingungen als Oper und Schauspiel hatten. Dass die Sparten weitgehend aneinander vorbei gearbeitet hatten. Dass der Intendant künstlerische Entscheidungen an den Spartenleitungen vorbei getroffen hatte. Dass sie das Image des Theaters ablehnten. Dass das Theater den Bezug zur Stadt verloren hatte. Dass es in den vergangenen Jahren zu Reduzierungen in den künstlerischen Budgets gekommen war. Dass insgesamt nicht die künstlerische Arbeit im Fokus der Kommunikation stand, sondern nur Anlässe für die angenehme Abendgestaltung Besserverdienender geschaffen werden sollten.

Nach etwa zwei Monaten der Diskussion wurde dann ein Direktorium für die künstlerische Leitung des Theaters eingesetzt, das die Aufgaben des Intendanten für die Spielzeiten 2010/11 und 2011/12 übernehmen würde. Es bestand aus Rebecca Hohmann (MOKS), Patricia Stöckemann (Tanztheater), Hans-Georg Wegner und Martin Wiebcke (Musiktheater) und mir (Schauspiel). Wir alle hatten in den vergangenen Jahren bereits als Dramaturg*innen bzw. als künstlerischer Betriebsdirektor in Bremen gearbeitet. Diese Zusammensetzung erklärte sich aus dem klar formulierten Ziel, die künstlerische Arbeit in Bremen und für Bremen wieder zum Zentrum des Theaters zu machen und geht unter anderem auch darauf zurück, dass sich der Betriebsrat sehr für diese Lösung stark gemacht hat. Ich zitiere eine Aussage des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Gedächtnis: "Wir haben uns das Haus sehr genau angeschaut und festgestellt, dass wir ein Theater sind. Unsere Aufgabe besteht in der Produktion von Kunst, deshalb sind alle anderen Abteilungen Dienstleister für die Kunst."

BremerLeitung 560 TheaterDas Bremer Direktorium (2010): Marcel Klett (Schauspiel), Hans-Georg Wegner (Oper), Rebecca Hohmann (Moks), Patricia Stöckemann (Tanz) und Martin Wiebcke (Künstlerischer Betriebsdirektor)
© Jörg Landsberg

Ein weiterer Grund für dieses Direktorium bestand natürlich darin, dass keine Struktur geschaffen werden sollte, die eine Rückführung in ein von einer/m Intendant*in geleitetes Haus erschwerte. Das ist auch der Grund, warum schließlich keine stärkere Beteiligung der Ensembles an der Theaterleitung eingeführt wurde. Dieses Direktorium betonte aber immerhin die Gleichberechtigung der vier Sparten bzw. stellte sie erstmals ernsthaft her. In der täglichen Arbeit umfasste die oberste Leitungsebene des Theaters zusätzlich noch die neue kaufmännische Geschäftsführerin und den technischen Direktor. Der Karren saß fest im Dreck, und es brauchte alle verfügbare Hände, um ihn wieder herauszuziehen.

Die Bühne als Zentrum

In dem gemeinsamen Prozess der Mitarbeiter*innen, des Betriebsrats und der Politik waren verbindliche Kriterien für die Führung des Hauses entwickelt worden. Wir fünf wussten, was von uns erwartet wird, und wir waren bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Es war nun ein Leitungsmodell für zwei Spielzeiten definiert, aber der Prozess, alles auf den Prüfstand zu stellen, dauerte an.

Die Grundlagen der Arbeit in diesem Direktorium waren Fairness allen Beschäftigten gegenüber, Vertrauen ineinander und in die Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen, Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation und Kommunikation, künstlerische Autonomie der Sparten, gegenseitige Kontrolle und die Bereitschaft, Kritik zu geben und Kritik zu empfangen. Wir wollten für die Belange aller Mitarbeiter*innen offen und ansprechbar sein, wir wollten uns nicht hinter einem Vorzimmer verschanzen (wir hatten auch keines) – Probleme im Betrieb sollten schnell in unser Gremium gelangen. Alle Mitarbeiter*innen sollten die Möglichkeit bekommen, ihre und unsere Arbeit zu reflektieren und uns Feedback zu geben. Und das Wichtigste: Wir verstanden die Bühne als Zentrum des Theaters. Die Arbeitsbedingungen für die Künstler innerhalb der Sparten und an den Produktionen sollten freier sein als vorher, und unsere Aufgabe bestand nun darin, den Teams Räume für die Umsetzung ihrer Konzepte zu eröffnen. Auch wenn wir als Leiter*innen der Sparten für das Programm unseres Bereichs verantwortlich waren, wurde jede Spielplanposition gemeinsam reflektiert, so dass wir voneinander lernten und schließlich die "Einheit in der Vielheit" erreichten, die für ein Mehrspartenhaus wünschenswert ist.

Schwarze Zahlen, bessere Arbeitsatmosphäre

Wir fünf trafen uns täglich, um über aktuelle Entwicklungen in den Sparten und im gesamten Betrieb zu sprechen. Wir konsultierten regelmäßig die Abteilungsleiter*innen, um uns beraten zu lassen. Wir bauten die wöchentliche Leitungssitzung zu einem echten Entscheidungsgremium um. Wir führten regelmäßige gemeinsame Treffen aller technischen Vorstände ein, um für weitgehende Transparenz über Abläufe zu sorgen. Aus der üblichen Konfrontation Theaterleitung/Betriebsrat wurde eine enge Zusammenarbeit. Alle Projekte, die wir planten, wurden im Vorfeld auf technische, finanzielle und personelle Realisierbarkeit überprüft. Wir mussten und wir wollten vermeiden, dass wir von Ressourcenengpässen überrascht wurden – denn die Teams, die als Gäste ans Haus kamen, sollten sich darauf verlassen können, dass Vereinbarungen auch eingehalten werden. Leider wurde diese Selbstverständlichkeit in der Vergangenheit nicht beachtet, so dass immer wieder spät im Prozess der Vorbereitung einer Produktion Teams damit konfrontiert worden waren, dass ihre Konzepte ganz oder teilweise nicht umgesetzt werden konnten.

Daneben beteiligten wir uns intensiv an einer Analyse des Betriebs, an deren Ende ein neuer Fördervertrag für das Theater (mit erhöhtem Zuschuss) und eine Konsolidierungsvereinbarung standen, die die Schulden der GmbH über einen langen Zeitraum tilgen sollte. Auf dem Weg dahin wurden ein Unternehmenshandbuch erstellt und Workflows überprüft, optimiert oder erstmals verbindlich festgelegt. Das betraf eher unkünstlerische Fragen, wie die Gestaltung und Ausfertigung der Verträge, hatte aber auch positive Auswirkungen auf unsere Produktionen. Um flexibel auf die Anforderungen der Teams reagieren zu können, wurde die Zahl der Produktionsgespräche erhöht, wobei alle Abteilungen eingebunden waren. Wir setzten so regelmäßig Haltepunkte, an denen alle an einer Produktion Beteiligten alle relevanten Informationen erhielten und gemeinsam die Arbeit der kommenden Wochen planen konnten.

Im Ergebnis ließ sich feststellen, dass die Überstunden und Krankenstände in allen Abteilungen zurückgegangen sind, dass sich die Arbeitsatmosphäre verbessert hat und dass das Theater durch die Aufstellung realistischer Wirtschaftspläne und Budgets endlich schwarze Zahlen schreiben konnte. Am Ende der zwei Jahre Interim konnten wir ein Haus an den neuen Intendanten übergeben, das in einem besseren Zustand war, als als wir es übernommen hatten.

Der "Anruf beim Intendanten" funktioniert nicht mehr

Der gesamte beschriebene Prozess der Implementierung der kollektiven Leitung erstreckte sich über mehr als acht Monate. Die anschließende Analyse des Betriebs und die daraus resultierenden Veränderungen über fast zwei Spielzeiten. Die Veränderung einer bestehenden Organisation bei laufendem Betrieb braucht eben Zeit. Aber um den Prozess erfolgreich abschließen zu können, ist es ebenso notwendig, dass die politischen Entscheidungsträger*innen ihn unterstützen. Und die wichtigste Voraussetzung ist natürlich, dass die Belegschaft eines Theaters diese Veränderungen mehrheitlich befürwortet.

Bremen2010 560 MarcelKlettDie Fassade des Bremer Theaters zum Auftakt der kollektiven Interims-Zeit (2010) © Marcel Klett

Auf dem Weg zur kollektiven Leitung hatte das Theater mit Schwierigkeiten und Befürchtungen zu kämpfen. So musste beispielsweise durch viele Gespräche erst ein Konsens darüber geschaffen werden, dass die Leiterinnen des Kinder- und Jugendtheaters sowie des Tanztheaters plötzlich den Leitern des Musiktheaters oder das Schauspiels gleichgestellt waren. Eher unterhaltsam war, dass die Abkürzung von Entscheidungsprozessen nicht mehr funktionierte. Regisseur*innen, andere Gäste und manchmal sogar Mitglieder der Ensembles, die in der Linienorganisation Theater sozialisiert waren, bemerkten plötzlich, dass sie keine Chance mehr hatten, eine Entscheidung durch einen Anruf beim Intendanten zu erzwingen.

Eine Hürde, die wir anfangs unterschätzt hatten, war die zeitweise distanzierte Sicht von Teilen der Öffentlichkeit auf das Modell. Die Zuschauerzahlen blieben zwar über gesamte Zeit konstant, aber einzelne Vertreter*innen der Presse und auch bestimmter Anspruchsgruppen entschieden, uns nicht ernst nehmen zu müssen – sie wollten auf den oder die neue/n Intendant*in warten. Diese Fixierung auf den einen Menschen, der gleich einem/r Heilsbringer*in ein Theater aus einer Krise in eine bessere Zukunft führen kann, war überraschend.

Gedächtnis-Erschließung

Wir haben in unserer "Fünfer-Bande" oft darüber diskutiert, ob unser Modell über mehr als zwei Jahre arbeitsfähig hätte bleiben können oder ob nur der Krisenbewältigungsmodus die notwendigen Bindekräfte im Haus mobilisieren konnte, die unsere Arbeit stabilisierten. Wir waren uns fast sicher, dass unser Modell hätte Bestand haben können – und dass es an einem anderen Theater auch einmal langfristig klappen wird. Ein wichtiges Argument dafür geht in der Debatte über die Leitungsstrukturen der Theater zur Zeit leider noch unter: Durch eine kollektive Leitung eines (Mehrsparten-)Theaters kann das Theater einer Stadt eine eigene Identität erhalten, da es nicht alle paar Jahre von Grund auf neu erfunden wird. Der Wechsel in der Leitung einer Sparte könnte vollzogen werden, ohne einen Abbruch der Kontinuität für das gesamte Haus auszulösen. Und was das allerwichtigste ist, diese Kontinuität erschließt das institutionelle Gedächtnis eines Theaters als Ressource für die gemeinsame Arbeit.

Gab es in den zwei Spielzeiten Konflikte? Ja, natürlich. Aber eben auch eine Struktur, in der sie erkannt, adressiert und meistens entschärft werden konnten. Hat alles geklappt? Sicher nicht, denn auch eine kollektive Theaterleitung ist vor Fehlern nicht gefeit. Sie kann jedoch verhindern helfen, dass Fehler für ein Theater existenzbedrohend werden. Ob wir mit unserer Arbeit künstlerisch erfolgreich waren, müssen andere entscheiden.

MarcelKlett 100Marcel Klett ist kaufmännischer Geschäftsführer und Mitglied der künstlerischen Leitung des Theaterhauses Jena. 2007 bis 2012 war er am Theater Bremen beschäftigt. 2004 bis 2007 war er leitender Dramaturg und Mitglied der künstlerischen Leitung am Theaterhaus Jena und 2001 bis 2004 Dramaturg und Disponent am TIF/Staatsschauspiel Dresden (ab 2002 auch kommissarischer bzw. stellvertretender künstlerischer Leiter).

 

Mehr zur "Mitbestimmungs-Debatte" auf nachtkritik.de: "Es hat auch gute Könige gegeben, und dennoch sind wir heute ganz einverstanden damit, in einer Demokratie zu leben. Das schmälert ihre, der guten Könige Verdienste nicht. Nur denken wir den feinen, politischen Kopf heute eher vielköpfig", schreiben Stephanie Gräve und Jonas Zipf in einem Debattenbeitrag zu Leitungsstrukturen an Theatern vom Januar 2017 – in dem sie sich stark auf die System-Studie "Theater, Krise und Reform" von Thomas Schmidt beziehen, die wir hier besprechen. Wichtige Akteure der Mitbestimmungs-Debatte sind das Ensemble-Netzwerk und Art but fair.

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Kommentare  
Direktorium Bremen: Verdienst-Verhältnis?
Kann man das so verstehen, dass diese Leute die Aufgabe hatten, die Kohlen aus dem Feuer eines gut bezahlten Intendanten zu holen, dafür, dass im Anschluss wieder einer kontrolliert heizen kann? Und dass die dass nie überhaupt gedurft hätten, wenn sie schon vorab gesagt hätten: wenns klappt, wollen wir bleiben? - Mh.
Würde mich interessieren: WAS haben die dafür verdient? Zusammen jeder etwas mehr als zuvor und der Intendant zuvor ganz alleine? Und bekommt der jetzige Intendant da weniger als die vorher zusammen oder gleich viel oder mehr?
War das ein guter Deal?
Direktorium Bremen: irgendwas stimmt nicht
Ich kann die Arbeit der "ÜBERGANGSLEITUNG"in Bremen nicht werten und auch aus eigener Anschauung nicht,was bei Zipf und Gräve passierte,was mir aber sehr zu denken gibt,ist,dass die Zuschauer,die Presse -wie Klett selbst schreibt - auf DEN kommenden Intendanten warteten und,wenn ich das richtig mitbekomme,jetzt sehr positiv dem Theater gegenüber sind. Die Zuschauerzahlen steigen,die Stimmung auch im Haus ist gut,der Intendant wurde verlängert...Irgendetwas stimmt doch bei der ganzen "Leitungsdebatte"nicht!
Direktorium Bremen: wichtiger Text
Ein sehr interessanter Artikel. Danke.

@1: "war das ein guter Deal?" Taugt diese Frage in Bezug auf Kulturpolitik? Hört sich nach D.T. an. Passt nicht. Zur Sache: Ich denke, viele Leute verzichten auch auf einen sehr hohen Lohn zugunsten eines fairen Lohns, wenn sie dafür spannendere und sinnvollere Arbeit erhalten und weniger militärische Hackordnung.
@2 Es gibt natürlich eine bestimmte gutbürgerliche Klientel, die immer auf "einen Intendanten" wartet wie auf einen König. Aber der Artikel beschreibt ja gerade, dass die MitarbeiterInnen diese grossbürgerliche Klientel nicht mehr ausschliesslich bedienen wollten. Und eben dann auch andere Leute angesprochen wurden und ein besseres Klima entstanden ist durch die neue Hierarchie. Aber ich gebe ihnen recht: Irgendetwas stimmt bei dieser "Leitungsdebatte" in der Tat nicht. Aber nicht, dass die "Intendanz" zuviel in Frage gestellt würde, ist der Fehler, sondern dass (noch) viel zu wenig explizit gesagt wird, dass die Theater durchaus besser organisiert werden könnten als durch diese unzeitgemässen "Intendanzen". Deshalb ist das ja auch ein so wichtiger Text.
Direktorium Bremen: gab es alles schon
Der Fehler der Debatte beginnt doch schon damit,dass man von "die Theater"redet,es ist eine Theaterlandschaft (Gott sei Dank)und so wie eine Landschaft unterschiedlich ist,sind es auch die Theater und man kann die Großstadttheater,Staatstheater,Stadttheater,Landesbühnen nicht aus gleicher Sicht werten.Auch die Schauspieler an den unterschiedlichen Häusern haben unterschiedliche Stellenwerte. Zudem ist die Sicht auf einen Intendanten als König,gar inzwischen als alleinherrschenden Kaiser absurd! Ich reise ja nun wirklich von einem Theater zum nächsten in allen Grössenordnungen aber den Alleinherrscher habe ich noch nicht gefunden. Theater sind Großbetriebe und das künstlerische Personal ist das kleinste,das klingt absurd,ist aber so. Das könnte der Alleinherrscher Intendant garnicht bewältigen. Was ich meine ist,eine Debatte über Missstände zu führen ist immer wìchtig aber sie muss stimmen,nur dann ist sie sinnvoll. Und Mitbestimmungsmodell,Direktorentheater etc.gab es alles schon,habe ich alles schon erlebt -man kehrte IMMER zum jetzigen Modell zurück.
Direktorium Bremen: Kommunikation und Gedächtnis
Vielen Dank an Marcel Klett für den fundierten und klugen Text. Wesentlich scheinen mir - neben dem ermutigenden Erfahrungsbericht - vor allem zwei Aspekte: Dass die Einführung eines mehrköpfigen Leitung Auswirkungen auf die Form der Zusammenarbeit, auf Kommunikation und Transparenz im gesamten Haus hat, und die Frage nach dem institutionellen Gedächtnis.
Zu ersterem: Es lässt sich den Ausführungen entnehmen, und es leuchtet doch unmittelbar ein, dass die Form der Entscheidungsfindung an der breiter aufgestellten Spitze des Betriebs notwendig Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im gesamten Haus hat. Wenn Entscheidungsprozesse deutlich erkennbar PROZESSe zwischen mehreren gleichberechtigten Partnern sind, und nur zielführend, wenn sie in Transparenz und Fairness stattfinden, dann ermutigt es die übrigen Mitarbeiter, Input zu geben, mit Kritik und Vorschlägen auf diese Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen. Daran sollten wir glauben, wenn wir an den Menschen als soziales, kommunikations- und kompromissfähiges Wesen glauben. Das macht eventuell erst einmal etwas mehr Arbeit, führt aber letztlich zu höherer Identifikation mit dem Haus. Und auch wenn eine Entscheidung anders ausfällt, als der Einzelne es sich wünscht: In unserem "normalen" Leben in einem demokratischen Staat sind wir auch das gewohnt. Und es ist weit vertrauenerweckender, als wenn ein Intendant auf sein "Durchgriffsrecht" pocht. Der zweite Punkt, und da haben Sie völlig recht, lieber Marcel Klett, ist extrem wichtig und bisher noch nicht ausreichend beleuchtet in der Diskussion: Das institutionelle Gedächtnis als wichtige Ressource. Hier kommt man interessanterweise an den Stadttheaterbegriff - gerade weil es ein Theater für die jeweilige Stadt sein sollte, ist der Wissensverlust und der Verlust an Verwurzelung, wenn mit dem Intendanten ein Großteil der Ensembles und der erweiterten künstlerischen Leitung ausgewechselt werden, eine bedauerliche Vergeudung von Ressourcen. Was grundsätzlich nicht besonders sinnvoll erscheint, was wir uns aber in Zeiten immer knapper werdender Ressourcen, materiell wie ideell, eigentlich nicht leisten sollten.
Zur Frage des "Wartens auf den Intendanten" von außen: Natürlich gibt es eine gewisse menschliche Trägheit, sich an neue Strukturen, die neue Ansprechpartner und Verantwortlichkeiten hervorbringen, zu gewöhnen. Im speziellen Bremer Fall besagt es meiner Meinung nach aber gar nichs - wenn ein Direktorium von vornherein als Interim angekündigt ist, wartet man eben auf die dauerhafte Lösung. Und wenn die der gewohnten und altbekannten Struktur entspricht, ist sie umso leichter anzunehmen. Was noch lang nichts über richtig und falsch aussagt.
Direktorium Bremen: Unterdrückung echten Diskurses
Da lügen sie sich aber ziemlich in die Tasche, wenn sie behaupten, das Weisungswort des Intendanten habe wenig Effekt. Die SchauspielerInnen - die erotische Kernkraft des Theaters (grad an den bürgerlichen Häusern, die mehr auf Schauwert als Diskurs achten- sind in der Regel total abhängig von der Gunst der Intendanz. Mag sein, dass es in logistischen Planungs-Fragen mittlerweile zu komplex geworden ist für die AlleinherrscherInnen - für die Unterdrückung und Einengung der SchauspielerInnen-Seelen und Körper reicht die Weisungsmacht der Intendanz aber noch längstens aus. Und damit wird die Produktion von echtem Diskurs unterdrückt, weil die Intelligenz der SpielerInnen unterdrückt wird.
Direktorium Bremen: Gunst
Ein König ist nicht zu verwechseln mit einem modernen Diktatur, der völlig willkürlich und irrational herrscht. Regeltreue, Compliance ist auch für ihn, den König bindend, will er denn seine Glaubwürdigkeit erhalten. Und hier ist auch die direkte Schnittstelle zum Bühnenkünstler. Der Star der Bühne ist eine Art Abbild des Königs und muss ebenso wie er um Glaubwürdigkeit und Beliebtheit kämpfen.

Die Gunst der Zuschauer, des Volkes zu erlangen ist für den Theaterstar sowie für den König ebenso gleichermaßen überlebenswichtig. In dem Punkt treffen sich beide und deshalb wird das Intendantensystem meistens bevorzugt, weil es in seiner Struktur ein Element des Bühnenvorgangs mit abbildet. Von daher ist die Ungleichbehandlung von Solisten und Stars geradezu existentiell.

Habe ich als Star keine Sonderrechte mehr, kann ich Entscheidungswege nicht über die Intendanz verkürzen und die Umsetzung von Wünschen gegen den Betrieb, über die Macht des Intendanten erzwingen, ist meine Position eventuell schon im Niedergang. Der Gang über ein Direktorium ist hierbei viel zu komplex und kompliziert und entspricht nicht meinem Status. Majestät, ist der treffende Titel. Erhabenheit und Größe zeichnen sowohl den König, wie den Intendanten als auch den Theaterstar aus. Und deshalb ist ein monarchisches Abbild am Theater so beliebt. Das ein Direktorium in einer Interimszeit den Hof neu organisierte, um sich diesem System letztendlich rückzuführen, ist dabei nicht sonderlich erstaunlich.

Von Interesse ist der weitgehende Ausschluss des Ensemble im Direktorium. Da fängt dann an das eine Kollektiv das andere auszugrenzen. Ein aufregender Vorgang dies zu hinterfragen.

Aber viel spannender ist es doch, sich die Frage zu stellen: Wenn die Führungsstruktur eines Intendantensystems sich so eindeutig inhaltlich auf die Bühne überträgt und dort sein Äquivalent im Bühnenstar wiederfindet, wie funktioniert die inhaltliche Übertragung der Leitungsmerkmale von einem Direktorium auf die Inhalte und Ästhetiken der Bühne?!

Und hier ist der Begriff Compliance im philosophisch und künstlerischen Feld brisant, denn: Wieweit werden die Inhalte der Regeltreue von einem Direktorium ebenso auf die Kunst übertragen?

Tritt der Künstler auf, ist er eigentlich stets die Inkarnation eines Regelbruches, auch als Theaterstar verkörpert er in einer Demokratie die Sehnsucht nach Majestätischem, Erhabenen und Größe, sei er nun der Darsteller eines Schurken, eines Helden oder Versagers, oder gar eines Opfers, er soll seine Darstellung erhaben vollziehen, weshalb die Bühne auch immer etwas höher steht als der Zuschauerraum.

Wenn aber Leitungsstrukturen sich derart auf die Bühne übertragen, wie kann man die Kunstproduktion von ihr befreien, um die Freiheit der Kunst zu gewähren, die ja verfassungsrechtlich gewährleistet ist und grundrechtlich eingehalten werden muss?! Das ist die zentrale Frage!

Und in dem Sinne funktionieren beide Systeme nicht, weder das Intendantenmodell, noch das Direktorium. Wichtig ist es, dass die Entscheidungshoheit über die Kunst allein bei den Künstlern bleibt. Man stelle sich nur einen Bildhauer vor, um den sich ein solcher Apparat gebildet hätte, so einen „Malerfürsten“ wie Markus Lüpertz, der würde so einem Direktorium Hausverbot in seinem Atelier erteilen.
Direktorium Bremen: Relikt vergangener Zeit
Auweia Baucks, man merkt dass ihre aktive Theaterzeit lange her ist. Diese Stars mit Sonderrechten auf der Bühne gibt es gerade vielleicht knapp noch an den großen Häusern, die meisten Ensembles sind anders strukturiert. Und die Schauspieler haben andere Probleme. Ihr autoritätshöriges Künstlerbild ist ein Relikt vergangener Zeit. Und der Vergleich mit Lüpertz hinkt noch nicht einmal, dafür braucht er ein Bein. Der steht aber auf gar keinem. Erstens: Theater ist anders als Malerei eine kollektive künstlerische Arbeit. Zweitens: diese Arbeit findet in großen Betrieben, zum Teil mit Hunderten von Mitarbeitern statt. Was hat das mit Malerei zu tun. Was soll Lüpertz mit einem Direktorium?
Direktorium Bremen: das Wesentliche
Ich finde den Klatt-Beitrag vor allem sehr gut, weil er schnörkellos und geradlinig ohne irgendwelche SchönerText-Ansprüche geschrieben ist und sich auf das Wesentliche besinnt: nämlich einen sachbezogenen Inhalt als Erfahrungsbericht zu transportieren. Schön, dass er angefragt wurde.-
#8: Kleiner Einspruch bitte: mittlerweile gibt es doch wieder etliche Maler und Bildende Künstler, die ohne Mitarbeiterstab nicht mehr auskommen. Das hat auch eine weit zurückreichende Tradition bis dahin, wo die Malerei vor allem der höfischen undoder klerikalen Dekoration diente. Wenn man das näher betrachtet, stellt man möglicherweise fest, dass es in der Bildenden Kunst zu einer ähnlichen äshtetischen Debatte kommen müsste, wie sie in den Darstellenden Künsten einigermaßen entbrannt ist. Worin besteht der Unterschied und die Gemeinsamkeit an Kunst zwischen Performance und Schauspiel/Tanz? Dort müsste die Frage parallele ästhetische Fragestellung lauten: Worin besteht der Unterschied und die Gemeinsamkeit an Kunst zwischen Malerei/Bildnerei/Installationskunst und Design?
Direktorium Bremen: falsche Frage
Sie stellen die Frage falsch lieber Alexander: was sollen Künstler mit einem Direktorium? Müsste es richtig heißen. Und es hat sich gar nichts geändert in den letzten fünfzehn Jahren. Auweia! Es sind immer noch die selben Probleme! Das ist das Erschreckende. Und sie täten gut daran meinen grundsätzlichen Ansatz zu würdigen, denn die Frage: warum und wie Leitungsstrukturen sich inhaltlich und ästhetische auf die Bühne übertragen begreifen sie nicht einmal ansatzweise, abgesehen von ihrem beleidigen Gruundton.

Liebe Kommentator*innen,
bitte zwingen Sie uns nicht zu Kürzungen oder Nichtveröffentlichungen von Kommentaren, indem Sie sich im Ton vergreifen. Uns (und Ihnen doch auch, wie wir annehmen) ist sehr an einer sachlichen Diskussion des Themas gelegen. Ob die Arbeitsbedingungen von Malern darin eine große Rolle spielen müssen, das sei dahingestellt. In jedem Falle bringen persönliche Angriffe die Debatte wohl kaum weiter.
Meint
miwo/Redaktion
Direktorium Bremen: Auftraggeber
Sie sind hier verantwortlich für den sachlichen Grundton liebe Redaktion. - Sie können mir doch nicht erzählen, dass es ihrem Wissen entgangen ist, dass, wenn Lüpertz "das Urteil des Paris " oder die Skulptur "Herkules" aufstellt, er Gewerke, Handwerker, Transporteure engagiert, dass er Auftraggeber für Handwerker wird! Und das mit einem städtischen oder staatlichem Auftrag.
Direktorium Bremen: Tauschhandel
#3: Naja, die Frage taugt bedingt auch zum Thema Kulturpolitik. Sie war aktuell inspiriert durch den gerade medial uns als Deal verkauften Deal die Ku'damm-Theater betreffend. (ebda. auf dieser Site)
Es gibt ja auch Tauschhandel. Und zwischen Theater und Publikum existiert schon immer ein Tauschhandel. Auch wenn das mal das Publikum und mal das Theater nicht wahrhaben möchte.
Direktorium Bremen: an Kunst-Umsetzung beteiligt
Genau Martin Baucks, Sie sagen es: Der Künstler Lüpertz wird zum Auftraggeber und lässt SEIN Kunstwerk von anderen teilweise umsetzen. Bei einer Theaterinszenierung sind viele Künstler beteiligt, es ist ein kollektiver Prozess. Ein Stadttheater macht dazu viele unterschiedliche Inszenierungen, da sind dann noch viel mehr Künstler beteiligt. Deshalb brauchen die Betriebe eine Organisationsform, die dem entspricht. Ihre Gegenargumente kann man sich ja ausmalen, darum erwidere ich gleich: 1. Doch, Theater sind Betriebe 2. Ja genau, Herr Lüpertz bezahlt eventuell junge Künstler oder künstlerisch tätige Bildhauer, um seine Kunst umzusetzen. Es bleibt aber seine Kunst. Das ist im Theater anders, @9. Da gibt es viele eigenständige Künstler.
Direktorium Bremen: Künstler können Auftraggeber werden
#Alexander 13 Und viele eigenständige Künstler können auch Auftraggeber werden. Und müssen nicht gezwungenermaßen Städtische Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die ihnen fast alternativlos aufgezwungen werden. Auch viele Künstler in einer Truppe können zu Auftraggebern an Handwerker werden, wenn man sie nur lässt!
Direktorium Bremen: Klett: Hoffnung auf Veränderung
@2
Sie haben sicher recht, dass an der aktuellen Debatte "etwas nicht stimmt". Ich glaube, dass der eigentliche Fokus darauf gerichtet gehört, WIE ein Theater geleitet wird und nicht WER ein Theater leitet. Meines Erachtens sollten die Grundprinzipien Transparenz, Diskurs, Fairness, Respekt, Partizipation, künstlerische Risikofreude bei organisatorischer Berechenbarkeit in jedem Leitungsmodell umgesetzt sein. Genauso das Bewusstsein dafür, dass Theater Kunst von einer Gemeinschaft für eine Gemeinschaft ist, dass Prozesse ebenso wichtig sein können wie das Ergebnis einer Produktion und dass die Ausübung von Macht mit der Übernahme von Verantwortung (für die Kunst, für die Belegschaft, für die Gäste, für das Publikum) einhergeht. Das alles kann im traditionell geführten Theater von einem/r Intendant*in genauso verwirklicht werden, wie mit einer Kollektiven Leitung. Und die Zahl der Intendant*innen, die "ihre" Theater nach diesen Prinzipien zu führen versuchen, ist sicherlich nicht klein.
Und natürlich könnten kollektive Leitungen im Gegensatz dazu auch extrem autoritäre Strukturen aufbauen und ausbeutende Verträge schließen. Trotzdem kann ich die augenblickliche Gegenüberstellung und das zugehörige Schwarz-Weiß-Denken gut nachvollziehen, denn die Frustrationserlebnisse, die die Debatte über die Leitungsstrukturen befördern, haben wir in der traditionellen Struktur erfahren. Ich rechne nicht damit, dass mittelfristig überall Leitungskollektive eingerichtet werden. Aber ich hoffe darauf, dass die augenblicklichen Debatten (Ensemblenetzwerk und Leitungsmodelle) die Sicht auf die Theater verändern wird, so dass das WIE in allen möglichen Formen der Leitung befragt werden wird.
Direktorium Bremen: Gegenfrage
Vielleicht sollte man einfach mal die Gegenfrage stellen?! Marcel Klett nennt als Grundprinzipien für gelingende Theaterarbeit: Transparenz, Diskurs, Fairness, Respekt, Partizipation, künstlerische Risikofreude, organisatorische Berechenbarkeit. Dem ist sicher nicnt zu widersprechen, das sind die Bedingungen, die künstlerische Arbeit braucht. Hier wurde nun schon mehrfach dargelegt, warum wir der Überzeugungen sind, dass diese Prinzipien in einem mehrköpfigen Leitungsmodell mit Mitspracherechten sehr gut verwirklicht werden könnten. Es wäre doch interessant, einmal die Gegenargumentation begründet zu sehen: Warum ist das Leitungsmodell mit dem einen Intendanten an der Spitze besser geeignet, sie zu verwirklichen? Vielleicht schreibt jemand diesen Beitrag?
Direktorium Bremen: mehr Gegenfragen
„Es lässt sich den Ausführungen entnehmen, und es leuchtet doch unmittelbar ein, dass die Form der Entscheidungsfindung an der breiter aufgestellten Spitze des Betriebs notwendig Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im gesamten Haus hat. Wenn Entscheidungsprozesse deutlich erkennbar PROZESSe zwischen mehreren gleichberechtigten Partnern sind, und nur zielführend, wenn sie in Transparenz und Fairness stattfinden, dann ermutigt es die übrigen Mitarbeiter, Input zu geben, mit Kritik und Vorschlägen auf diese Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen.“ ,schreibt Stephanie Gräve.

Was aber, wenn der Künstler, oder die Künstler ein Werk erarbeiten wollen, das keinerlei Transparenz zu lässt? Das sich der „Prozesshaftigkeit“ der innerbetrieblichen Vorgänge bewusst verweigert?! Ein Werk auf dessen Entscheidungs- und Entstehungsprozesse niemand Einfluss nehmen soll? Ein eventuell konspiratives oder auch kollaboratives Projekt, dass aber seine Kollaboration außerhalb des Betriebes sucht? Von Menschen gemacht, deren Ideen sich überhaupt nicht mit den hier genannten Prinzipien von Offenheit und Fairness decken? Menschen, die ganz anderen Regeln folgen, die sie nicht unmittelbar mit dem Betrieb kommunizieren möchten? Oder eben nur soweit wie eben nötig?

Und weiter schreibt Gräve: „Daran sollten wir glauben, wenn wir an den Menschen als soziales, kommunikations- und kompromissfähiges Wesen glauben.“ Was aber, wenn eine Gruppe Künstler genau diesem Menschenbild, diesem Weltbild, diesem Glaubensbekenntnis widersprechen? Und statt dessen mit einem ganz anderen Menschenbild, einem anderen Glauben arbeiten? Wenn sie zum Beispiel an den „Gott des Gemetzels“ glauben, an den Menschen als ein anarchisches, unfaires, nicht berechenbares Wesen?! Was dann?! Wenn sie für ihre Arbeit Verschwiegenheit, Verschlossenheit benötigen? Und jede Kommunikation mit dem Haus, dem Betrieb verweigern, und auf ein Minimum reduzieren, eben nur soviel, wie es zur Realisation eines Abends unbedingt nötig ist, weil sie andere Ziele verfolgen, als dieses Glaubensbekenntnis? Den Menschen ganz anders abbilden und sich selber komplett anders als Gruppe organisieren wollen? Was, wenn sie den Probenraum geistig hermetische verriegeln, um ohne Einfluss von außen zu arbeiten? In einer „Ateliersituation“, die nur sie gestalten wollen? Und zu der keiner vom Betrieb Zugang hat? Außer den unbedingt notwendigen? Und wenn sie darüber hinaus ihre Entscheidung mit keinem Team, keinem Intendanten abstimmen wollen?!

„Meines Erachtens sollten die Grundprinzipien Transparenz, Diskurs, Fairness, Respekt, Partizipation, künstlerische Risikofreude bei organisatorischer Berechenbarkeit in jedem Leitungsmodell umgesetzt sein.“ schreibt Marcel Klett. Was aber, wenn sich eine Gruppe Künstler mit einem Intendanten verschwört und all das eben gerade nicht tun wollen. Keine Transparenz, kein Diskurs, kein Gerede über ihre Kunst, sondern nur selbstbestimmte künstlerische Handlungen und Entscheidungen, die von einem Intendanten geschützt und gedeckt werden?

Was, wenn an der Schnittstelle zwischen Betrieb und Kunst eine Grenze gezogen wird zu solchen Welt- und Menschenbildern und die Künstler sich eigene Regeln geben wollen, die sie nicht nach außen kommunizieren, und die bis zur Premiere, und vielleicht sogar darüber hinaus intransparent bleiben?!
Direktorium Bremen: weiterer Gegenfragen
„Von Weltanschauung und Theater wollen gebrannte Kinder nur noch widerwillig etwas hören. Zu unverschämt haben gewisse politische Weltanschauungen, wo sie die Staatsmacht usurpierten, das Theater in ihren Dienst gepresst. Die Abneigung ist verständlich.“ schreibt Günther Rühle zu recht.

Was aber, wenn eine Gruppe Künstler den sozialdemokratischen Pinsel, den Gräve und Klett reichen wollen, gar nicht nutzen wollen, weil er ihren Pinselstrich versaut?!

„Dass weltanschauliche Positionen zum Wesen des Theaters gehören, kann man – wenigstens eine Weile – mit guten Gründen bestreiten.“ schreibt Rühle weiter, da wo Klett und Gräve nicht einmal merken, dass sie Weltbildnerei betreiben, die sich vielleicht mit dem Ansatz von vielen Künstlern gar nicht deckt. Und das sie ihnen zugleich, mit der Dienstleistung, die sie kreieren, und ihnen aufzwingen wollen, auch ihr Welt- und Menschenbild aufnötigen.

Da ist kein Gefühl dafür, keine Sensibilität dafür vorhanden, wie grausam und brutal es sein kann einer Person ein sogenanntes „positives“ Menschenbild aufzunötigen, einer Person, die in dem Menschen vielleicht eher ein wildes, ungestümes, anarchisches Tier sieht und kein humanes Wesen, weil es durch Lebenserfahrung, Erfahrungen von Krieg und Verfolgung, Vergewaltigung zu völlig anderen Ergebnissen kam.

„Seine Elemente (Rühle meint hier das Theater) sind ja ganz andere; nämlich jener ursprüngliche und anscheinend unverwüstliche Spiel- und Darstellungstrieb, der seit altersher seine Anlässe nimmt, wo er sie findet. Das Theater nährt sich aus ihm, aus unseren unmittelbaren Erfahrungen und aus dem dramatischen Prinzip, das sich aus unserem Verlangen ergibt, mit anderen zusammen zu leben, wie aus der Not, mit anderen zusammenleben zu müssen.“ so denkt Rühle weiter.

Der Not mit anderen zusammenleben zu müssen, zollen Gräve und Klett so gut wie keinen Respekt. Sie beanspruchen für ihre Denkmuster Gültigkeit. Eine Gültigkeit, der man nicht widersprechen kann, meinen sie.

Doch, kann man. Nämlich genau in dem Moment, wo an der Schnittstelle zwischen Betrieb und Kunst von der Kunst Verhaltensweisen eingeklagt werde, die nur dem Betrieb zufallen, nicht aber den Künstlern. Und das geschieht! Den Künstlern werden die gleichen Ideale abverlangt, die gleichen Regeln die auch im Betrieb herrschen. Und das ist nicht korrekt. Ein Künstler, auch ein Schauspieler, oder eine Gruppe Schauspieler haben ein Recht auf Verschwiegenheit, Intransparenz. Sie sind niemandem gegenüber für ihr Talent und wie sie es anwenden Rechenschaft schuldig. Das ist die Grundlage der Freiheit von Kunst, die in dem Moment empfindlich gestört wird, wo innerbetriebliche Welt- und Menschenbilder in die Arbeit der Künstler infiltriert werden.
Direktorium Bremen: Kindergartenbedingungen
Wow! - Welch ein flammendes Statement für die Schauspielkunst! (#17 - 18)
Ich hätte dagegen nur einzuwenden:
1. Wenn es nicht irgendwann dann doch eine Premiere gibt, ist das dann aber auch keine Kunst als Lebens-Notwendigkeit, sondern lediglich ein Selbsterfahrungstripp, der den Therapeuten spart und die Krankenkassen entlastet... Sollte dann aber auch sich selbst nicht mit Schauspiel verwechseln.
2. Klett und Gräve argumentieren unterschiedlich und verdienen wirklich nicht, gedanklich in einen betrieblichen Topf geworfen zu werden.
Gräve versucht beständig und auch klug zu vermitteln, schafft aber eventuell damit nur den Idealfall von eingerichteten Kindergarten-Bedingungen für Kunst: Spielt, was und wie er wollt, aber wir wollen schon immer zu jeder Zeit genau wissen, was euch wie und warum treibt und was es am Ende bedeuten soll, damit wir es auch der Politik von Branche über Kirche bis zum Staat erklären können. - Nur was erklärt werden kann, kann kontrolliert werden. Man kann also sagen, Betriebs-Angehörige wie z.B. Frau Gräve locken den Staat zur Kultursubvention mit dem Argument der garantierten politischen Kontrolle von Kunst.
Klett hingegen beschreibt seine Erfahrungen und lässt dabei erfahrungsoffen, ob das Direktionsmodell in jedem Fall das bessere sein muss. Interessant ist aber, dass, obwohl er selbst nur Erfahrungen mit positiver Auswirkung auf das Haus in dem es unter seiner Beteiligung ausprobiert wurde, gemacht hat, er sich bereitwillig vorab in den Interimszeitraum begegben hat. Und ebenso bereitwillig trotz der sichtbaren Erfolge aus dem Modell brav wieder herauszog. D.h. er war von Anfang an bereit, selbst unvorhergesehen positive Erfahrungen wieder in eine schlechtere Ausgangsposition für das Haus in Kauf zu nehmen und hat nicht darum gekämpft, das Direktionsmodell weiter zu betreiben oder selbst die Intendanz zu übernehmen. Unter der er in freier Entscheidung ja weiter so fair und transparent hätte arbeiten können, wie er es ausprobiert hatte mit seinen Kollegen und wie es offenbar funktioniert hatte... Und da kann ich mir z.B. nicht vorstellen, dass jemand wie Marcel Klett -auch wenn er mir grundsympathisch ist - ein Stück oder eine Inszenierung durchsetzen könnte, die es extrem schwer hat innerhalb der bestehenden Betriebsstrukturen, weil sie sie in ihrer Ruhe stören und in ihren strukturierten Grundfesten erschüttern... Dabei helfen m.E. nur solche irgendwie unkontrollierbaren, durchgesetzten Inszenierungen wirklich weiter, Menschliches und Unmwenschliches, Kunscht und Kunst, Politik und Agonie auseinanderzuhalten. Und nur wer das auseinanderhalten kann, ist nach der digitalen Revolution in der Lage, seine Lebenswirklichkeit überhaupt noch zu gestalten-
Direktorium Bremen: Umso besser
@17 Umso besser, wenn diese Künstler an einen funktionierenden Theaterorganismus geraten, mit Mitarbeitern, die, weil sie respektiert werden und eingebunden sind, sich mit der Kunst und dem Haus identifizieren. Und deshalb Lust und Kraft und Kapazitäten haben, mit seherischen Fähigkeiten die geheimnisvolle Produktion zu unterstützen und Verantwortung zu übernehmen.
@19 Es sind nun grad die Schauspieler, die sich organisieren und mehr Transparenz wünschen... Zu Marcel Klett, unbekannterweise: ich würde sagen, er hat sich der Verantwortung gestellt - er war am Haus, es war zum Teil sicher sein Ensemble. Natürlich lässt man dann nicht alle allein, auch wenn man mit dem Interim nicht glücklich ist.
Im Übrigen fürchte ich, das erschreckende Merkmal unserer Zeit ist, dass der Regelbruch, das Asoziale, die Lüge und die Aggression zunehmend gesellschaftsfähig werden - als Insignien einer "für mich gelten keine Regeln"-Macht, die immer mehr Menschen fasziniert. Andere gar nicht, so steigen in den USA die Verkaufszahlen für Arendt, die ua gesagt hat: Niemand hat das Recht zu gehorchen. Ich halte es mit Letzteren und glaube an die Kraft der Überzeugung als beste Bedingung für jede Form der Zusammenarbeit.
Direktorium, Bremen: städtische Dienstleistung
Das ist Vereinnahmung, Frau Gräve, ein sanfter Übergriff, was Sie dort betreiben, denn Sie leugnen, oder wollen nicht wahrhaben, dass das Haus an der Schnittstelle zwischen Betrieb und Kunst disfunktional ist, weil es dort Inhalte und Ästhetiken, ganze Welt- und Menschenbilder zu infiltrieren versucht. Sie gestatten den Künstlern nicht ihre Dienstleister frei zu wählen, sondern wollen weitgehend allein die städtischen Dienstleistungen qualifizieren, die Sie mitorganisieren und gestalten, und alle anderen möglichen Dienstleister, die Künstler bei einer Eigenfinanzierung frei wählen könnten fernhalten. Über die städtsche Dienstleistung üben Sie Kontrolle aus. Und diese Art der vereinnahmenden Kontrolle macht soviele Arbeiten am Stadttheater mittelmäßig.
Direktorium Bremen: Dienstleister der Kunst
der wichtigste Satz für mich zeigt eine Einstellung, an dem sich so manche/r eine Scheibe abschneiden könnte:

"Ich zitiere eine Aussage des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Gedächtnis: "Wir haben uns das Haus sehr genau angeschaut und festgestellt, dass wir ein Theater sind. Unsere Aufgabe besteht in der Produktion von Kunst, deshalb sind alle anderen Abteilungen Dienstleister für die Kunst."
Direktorium Bremen: Meinungsstreit ist der Rohstoff des Theaters
„Dienstleister der Kunst.“?! Wie an einer kleinen Formulierung, die wie ein Werbespruch daher kommt, doch soviel falsch sein kann.

„Dienstleister für Künstler.“

Müsste es wirklich heißen, denn die Kunst machen immer noch die Künstler, und nicht derjenige, der die Farbe anrührt und den Pinsel bereit legt. So formuliert, trägt das Stadttheater die „Kunst“ wie einen Fetisch vor sich her und beglaubigt sich selbst darin, alles für die „Kunst“ zu tun. In Wahrheit dienen alle Abteilungen aber den Künstlern und nicht die Kunst. Und in der menschlichen Dimension liegt das ganze Problem. Der „Kunst“ ist der Dienstleister völlig gleichgültig, wenn sie am Ende durch den Künstler Gestalt annehmen kann und nicht daran gehindert wird.

Da ist zu viel Pathos, zu viel Glauben in dem Satz.

So wie auch in dem Satz von Gräve „Ich halte es mit Letzteren und glaube an die Kraft der Überzeugung als beste Bedingung für jede Form der Zusammenarbeit.“ zu viel „Glauben“ steckt.

Man fragt sich, aus welchem Theaterkatechismus so ein Satz wohl herrührt, denn „ich glaube“ zu sagen, ist im Theater schon immer etwas suspekt gewesen. Und jemanden zu überzeugen, heißt ja eher, er solle sich der eigenen Meinung anschließen und ihr folgen. Und das ist wohl mehr das Geschäft der Politik und der Religion.

Ich halte es mit der Divergenz und der Diversität, und fordere jeden geradezu dazu auf bei seiner Meinung, bei dem Unterschied zu bleiben, denn die Divergenz und die Diversität, der Meinungsstreit sind der Rohstoff des Theaters, und Grundlage für jede dramatische Darstellung, sei sie nun diskursiv, performativ oder auch episch.

Wir alle wissen, dass die großen Dienstleister, wie Apple oder Amazon uns mit ihren Dienstleistungen auch ihr Weltbild verkaufen. Nur beim Theater werden wir gerne verdeckt pathetisch und sentimental, unkritisch. Warum nur?! Glauben wir zu sehr an den Fetisch Kunst?! Und zu wenig an den Künstler, der doch eher nervt, geheimnisvoll sei, eventuell sogar therapieverdächtig, wie manch einer hier mutmaßt. Er soll seine Kunst da lassen. Aber wer seiner Kunst Dienste leistet, dass entscheiden immer noch wir und nicht eher selbst.
Direktorium Bremen: Muße
Naja - ich denke, in den meisten Fällen glauben wir, dass Kunst als Fetisch und helfen kann, uns im Leben irgendwie sicherer als ohne ihn einzurichten. Wir gebrauchen Kunst und reden uns ein, wir würden sie lieben. Dabei lieben wir nur, sie als Fetisch zu gebrauchen. Gebrauchs-Kunst haben uns unsere Gesellschaften der Egalität gelehrt. Schnell gebrauchsfähige Gebrauchs-Kunst haben uns Apple und amazon gelehrt - oft fällt uns gar nicht auf, dass wir gar keine machen, wenn wir denken, wir würden das tun... Zu oft. Dafür, dass es uns besser auffallen kann, ist wahrscheinlich genau von Zeit zu Zeit dieses notwendig: Abgeschiedenheit, Schutzraum, Intransparenz, schweigendes Hören in Sensiblität von Stille statt Diskurs und Debatten, In-sich-kehren statt Institution aufpolieren, notwendige Alltagsbeschäftigung als Ritual usw. Also ich glaube wahrscheinlich ebenso wenig an Kunst wie an Künstler, aber ich glaube zu wissen, ohne es begründen zu können, dass nur diese Art der strengen Kontemplation, also nicht unbedingt die der endlos Zeit habenden Muße, sondern so eine gewisse heiternüchterne, gelassene Strenge eine Konzentration auf das Machen von Kunst, Kunst ermöglicht. Zumindest wüsste ich nicht, wie es anders gehen sollte...
Direktorium Bremen: Ergänzung des Autors
Sehr geehrter Herr Baucks,
danke für Ihr flammendes Plädoyer für die Freiheit und die Autonomie von Künstler*innen. Ich glaube jedoch, dass die von Ihnen gezeichnete Künstler*innen-Persönlichkeit in der Realität der Theater extrem selten ist. Denn es ist den Theaterschaffenden bewusst, dass wir uns in einer Kunstform bewegen, die aus der Kooperation unterschiedlicher Menschen entsteht. Innerhalb jeder Theaterproduktion finden Ausgleichsprozesse statt und es werden Kompromisse geschlossen, denn es arbeiten verschiedene autonome und freie Künstler*innen gemeinsam an einem Werk. Beschneidet das nun die Freiheit des/der Einzelnen oder ermöglicht das die Freiheit für die Gruppe? Ich habe mich da entschieden.

Unsere Vorschläge und Ideen zu Kollektiven Leitungen, versuchen nun diese Arbeitsweise von den Probebühnen auf die Theater als Organisation zu übertragen. Inwieweit das nun die Autonomie der Künstler*innen stärker einschränkt als der status quo erschließt sich mir nicht.

Was allerdings wahr ist, nicht jedes Theater kann jede künstlerische Idee umsetzten, und die Gründe dazu sind zumeist ökonomische. Manchmal auch personelle oder infrastrukturelle. Das führt leicht zu Frustrationen, die nur durch frühzeitige Kommunikation zwischen den Teams und den Theatern vermieden werden können. Die Theaterschaffenden müssen die Bedingungen, die sie für ihre Arbeit benötigen deshalb formulieren und die Theater müssen ihre Leistungsfähigkeit deshalb detailliert einschätzen können. Und nach meiner Erfahrung wissen Regisseur*innen, Bühnenbildner*innen, Kostümbildner*innen, Musiker*innen, Videokünstler*innen, Schauspieler*innen, Performer*innen und alle anderen sehr genau, wie sie arbeiten wollen und was sie dafür brauchen – übrigens ganz unabhängig davon, ob es sich um "konservative" Arbeit (vorne anfangen, hinten aufhören und dazwischen erzählen, was im Stück steht), eine Stückentwicklung oder eine Performance handelt. Wenn nun Team und Theater feststellen, dass ein Projekt nicht umsetzbar ist oder die Kompromisse die künstlerische Integrität des Projekts (oder der Künstler*innen) gefährden, gibt es nur zwei sinnvolle Lösungen: entweder die Partner*innen finden gemeinsam ein anderes umsetzbares Projekt oder sie verzichten auf eine Zusammenarbeit. Schränkt das die künstlerische Freiheit ein? Ich glaube nicht.

Ich habe im Übrigen sehr lange "sozialdemokratisch" nicht mehr als Schimpfwort außerhalb einer politischen Debatte gehört. Aber sei's drum, wenn Sie mit dieser Beschreibung meinen, dass Frau Gräve und ich der Überzeugung sind, dass Systeme kontinuierlich in Frage zu stellen sind und verändert werden können, dass Fairness, Respekt und Transparenz Prinzipien der Arbeit innerhalb von Gruppen sein sollen, dass auch künstlerisch Beschäftigte vor Ausbeutung geschützt werden sollen, dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den verschiednen Gewerken möglich ist, dass Kommunikation die Arbeitsbedingungen verbessert, dass Kompromisse zwischen unterschiedlichen Positionen möglich sind, dass die Theaterleitung den Beschäftigten Rechenschaft schuldet und das die Übertragung von Macht Verantwortung konstituiert – dann haben sie sicher Recht.
Wenn Sie aber meinen, dass unsere Vorschläge widerständige, komplizierte oder eigensinnige Künstler*innen-Persönlichkeiten aus den Theater heraustreiben sollen und unser Ziel eine Verstetigung eines ästhetischen Mittelmaßes sein soll, könnten sie nicht falscher liegen.
Direktorium Bremen: Bedürfnis nach Abriegelung
Nun ja, vielleicht - nein bestimmt!, sollen Ihre Vorschläge das nicht, aber was, wenn sie es tun?
Ich sag einmal ein Beispiel: Man schreibt also ein oder mehrere Stücke und findet keinen Verlag, der die Qualität der Stücke so beschreiben kann, dass aus den Beschreibungen für Theater hervorgeht, dass es sich lohnte, die zu inszenieren. Und deshalb vertraut er sich dem Theater also direkt an. Er kennt jetzt außer vielleicht einen Dramaturgen, der mit einer Freundin befreundet ist, und ein paar Schauspieler, die ihn toll finden, niemanden da. Und will denen auch nicht zumuten, einfach "Beziehungen" spielen lassen zu müssen, damit das also in einem Theater oder von einem bestimmten Regisseur gelesen und beurteilt wird. Und der - oder die, selbstverständlich - schickt das dann also an ausgewählte Dramaturgien oder Intendanten oder Regisseure von Theatern, denen er/sie zutrau,t aus einer sichtbaren künstlerischen Intention abzulesen, ob sie ein bestimmtes Stück aus der Stückauswahl dieses Autors - oder Autorin, selbstverständlich - wirklich lohnend und mit Gewinn für ihr künstlerisches Kollektiv lesen, beurteilen und am Ende gar machen wollten. - Das lässt ja nun einem Theater und seinem kollektivkünsterlischen Personal jede Freiheit, darauf angemessen zu reagieren. Es kann sagen vielenDank, aber kein Interesse an einem Ihrer Stücke. Es kann sagen vielen Dank, das ist ja irgendwie alles sehr interessant und wundersam, dass kein Verlag uns das anbietet, uns interessiert dies hier. Oder dt. uns interessiert das Allerneueste, wir platzen schon vor Neugier und danken Ihnen für Ihr in uns gesetztes Vertrauen. ...
Schaun Sie, dann, wen jemand das tut, ich habe das gestestet, über Jahre, geschieht etwas, was mit Kunst nicht im entferntesten etwas zu tun hat. Es hat nicht einmal etwas mit grundlegendem Anstand gegenüber theaterfremden Personen zu tun: Es wird nämlich schlicht gar nicht beantwortet. Und da frage ich mich, wenn also schon der Anstand von Intendanzen, Dramaturgien oder Regisseuren gegen einsendende theaterfremde Personen so aussieht, dass man sie einfach strukturell ignoriert, wie das Theater überhaupt eine Ahnung haben will von seinem Publikum, das ja eine Masse von theaterfremden xy - Personen ist in aller Regel. Und wie das Theater jemals wirklich sein eigenes Publikum erreichen will mit seiner Kunst, wenn es keine Ahnung von ihm hat, weil es die diversen Lebenswirklichkeiten, die vom Publikum repräsentiert werden, ignoriert.
Welche Lösung fiele Ihnen denn da so ein, wenn Sie also ein Leitungskollektiv, das Kommunikation unter Künstlern organisiert und wesentlich logistischer Dienstleister für Künstler sein will, sind/wären.
Immerhin räumt Herr Baucks ein, dass es ein Bedürfnis nach hermetischer Abriegelung von Probenprozessen geben kann, die - und das ist das eigentlich Interessante - verhindern sollen, dass ein Einfluss von außen auf den Geist eines Werkes ausgeübt wird, bevor es abgeschlossen ist.
Dafür gibt es aus Autorensicht z.B. weitere Beispiele: Wenn Sie heute einen z.B. Roman schreiben wollen und Sie wenden sich damit an eine Literaturagentur, auch an eine eines Verlages, das gibt es inzwischen, Literaturagenturen, die an verlage angeschlossen sind, dann haben sie je bessere Chancen, je schlechter sie geschrieben haben und je weniger die Arbeit abgeschlossen ist. Es geht also nicht mehr darum, im Literaturbetrieb, ein im Wesentlichen fertiges Werk zu lektorieren, sondern vorab ein Werk mitzugestalten, eine persönlich motivierte künstlerische Idee und Form zu verwursten, in den verkäuflichen Strich zu bringen usw. Wenn man Glück hat, kennt ein Freund, den man hat, Rene Pollesch, dem er vom traurigen Schubladenroman-Schicksal erzählt und Pollesch macht dann wenigstens den Titel des vielleicht über zwei Jahre geschriebenen Schubladenromans momentpopulär und schmückt ihn aus mit bunten Hühnern... Und was finden wir das wieder genial.
Direktorium Bremen: über alle Argumente hinweg
Sehr geehrter Herr Baucks,
so sehr ich Ihr Plädoyer für die Selbstentfaltung des Künstlers schätze und bis zu einem gewissen Punkt teile, so sehr dreht sich Ihre Argumentation im Kreis. Es scheint, als würden Sie über alle Gegenargumente hinweg, sich nicht von dem Vorhaben verabschieden wollen, Marcel Klett und Stephanie Gräve als „sozialdemokratische“ Kunstfeinde darzustellen. Dabei beziehen Sie sich ja selbst auf die Schnittstelle zwischen Kunst und Betrieb. Worunter genau leidet denn bitte die Arbeit des Künstlers, wenn der Betrieb, der ihm Raum, Zeit und Ressourcen zur Verfügung stellt, ein faires und transparentes Klima pflegt? Warum verhindert von Respekt geprägte Kommunikation hinter der Bühne, im Verwaltungstrakt und in der Kantine „Divergenz“ „Diversität“ und „Meinungsstreit“? Und was bitte hat das bitte mit der Frage nach kollektiver Leitung zu tun?
Direktorium Bremen: persönlicher Feldzug
@D.Rust: Ich verstehe ihre Argumentation nicht. Was hat das mit der Leitungsform des Theaters zu tun? Sie haben ihre schlechten Erfahrungen bisher doch wohl mit von Intendanten geleiteten Theatern gemacht. Vielleicht würde die Ignoranz aufhören, wenn es andere Teams gibt? Das ist jetzt genau so Spekulation. Aber vielleicht gibt es unter einer Gruppe einen der das anders handhabt. man soll schlechtes Benehmen nicht entschuldigen, aber ich habe jahrelang selbst in Dramaturgien gesessen, die Zahl der Bewerbungen und Stückeinsendungen ist nicht zu bewältigen.
@Stroh-Engel: Baucks vermischt immer zwei Sachen, sein eigenes Modell, das unabhängige Produktionsgruppen will und das Intendantensystekm. Es stört ihn nicht, dass Gräves und Kletts Direktorium seiner Wunschform ganz klar näher steht als der Einzelintendant. Er führt seinen persönlichen Feldzug. Er schafft es nicht argumentativ zu überzeugen darum packt er die dicke Keule aus und beleidigt andere indem er sie kunstfeindlich nennt.
Direktorium Bremen: kein Granulat
Die Abkehr vom sogenannten „Genie-Kult“ und die Hinwendung zum „kapitalistischen Kollektiv“, welches sich transparent und effizient gebärdet, ist natürlich eine Arabeske, eine historische Siegerpose gegenüber dem „kommunistischen Kollektiv“. Das „Ich“ wird als Fremdkörper begriffen, dass sich im Marketing nicht verflüssigen will. Früher hieß es, er verhält sich subversiv, heute heißt es, er ist intransparent, Herr Klett. Und das Etikette „flammende Rede“ ist die Ankündigung für einen Idioten, der unkontrolliert gestikuliert und missverständlich redet und sich dabei gerne auf die Kunst herausredet.

Das Gegenteil ist der Fall.

So sehr man auch alle ihre Argumente aufgreift, um so weniger kann man ihrem Weltbild ausweichen. Und ich muss Ihnen wirklich sehr dankbar sein, denn endlich formulieren sie präzise das Anforderungsprofil des „modernen Künstlers“, was Frau Gräve so gerne mäandernd verweigerte.

„Fairness, Respekt, Transparenz, konstruktive Zusammenarbeit, Kommunikation“ sind seine Ingredienzien. Und doch haben sie nichts mit einer Kunstproduktion zu tun, denn die Kunst lebt von Setzungen, und die werden häufig erst im Nachhinein begriffen.

Falls Sie aber die einfache Fähigkeit zur Kommunikation von Grundanforderungen meinten, ja, natürlich können auch Künstler und Künstlerinnen, auch Kollektive von Künstlern ihren Bedarf formulieren. Ich rede vom Odem, vom Geist einer Produktion, von der Setzung, die ein Künstler vor nimmt, vor nehmen muss, um ein Werk zu schaffen, sei es nun in der Gruppe oder einzeln.

Man kann gegen Gott eine Menge hervorbringen, aber in der Schöpfungsgeschichte steht nun einmal: „Er schuf den Menschen aus Lehm.“ Oder aus „Erde vom Acker.“. Oder bei Mendelssohn „aus Staub vom Erdreich“. Über Übersetzungen lässt sich vortrefflich streiten.

Aber in keinem Fall stand dort: Er schuf die Welt aus Granulat!

Sie erzeugen Granulat und der Künstler meint Lehm.

Und natürlich wollen sie die Mittelmäßigkeit nicht ewig perpetuieren, ob nun freiwillig oder latent, ist dabei unerheblich, aber Sie tun es dennoch. Und ewig werden ökonomische Zwänge vorgeschoben, wo inhaltliche, geistige gemeint sind. Das ist ein altes Spiel. Und natürlich behaupten Sie, solche Künstler, wie ich sie meine, gäbe es nur wenige, sie wollen die Außenseiter nur zu noch extremeren Außenseitern deklarieren, um sie noch weniger beachten zu müssen. Aber der einfachen Tatsache, dass sie diese Künstler systematisch verweigern, weil sie nicht in ihr Welt- und Menschenbild passen, weichen Sie aus.

An der Schnittstelle zwischen Betrieb und Kunst halten sie sich für unabkömmlich. Ich aber sage den Künstlern und Künstlerinnen: Wenn euer (städtischer) Dienstleister euch nur Granulat anbietet, wechselt den Anbieter und wählt denjenigen, der mit Lehm arbeitet. Hat sich in der mythologischen Literatur bewährt.
Direktorium Bremen: erst lesen
Alexander, Klett selber sagt, dass alles, was das Direktorium in Bremen schaffte, auch von einem Intendanten geleistet werden könnte. Erst genau lesen, dann werten.
Direktorium Bremen: Stückeinsendungen
@Alexander:
1. WARUM nicht? WARUM sind in Theaterdramaturgien die Zahlen der Stückeinsendungen nicht zu bewältigen??

2. Ich möchte bitte keine Freie Gruppe, auch nicht bilden, weil ich nämlich Autorin bin und das heißt in der REGEL, dass ich allein an einem Schreibtisch arbeite und aus meinen ins Verallgemeinerbare abstrahierten und abstrahierbaren erfahrungsschatz schöpfe. Ich möchte bitte ein Theater, das irgendwie mit mir und den Anforderungen meiner Texte an das Theater zu tun hat.
Meine Meinung ist:
Wenn Stückeinsendungen nicht beantwortet werden, weil es - wie Sie von Ihrer Erfahrung schreiben, so viele sind (und nicht etwa über die Frage genauer nachgedacht wird: WARUM sind es denn gerade so viel??) hat das sehr wohl mit der Leitung und Logistik eines Theaters zu tun. Es ist möglicherweise nur unhöflich aber es wäre genauso gut möglich das es geschäftsführend inkompetent ist.

Zur argumentativen Verständnishilfe gespiegelt:
Sie wollen ja auch nicht, dass ein Publikum z.B. sagt: oooch nö - die Theaterleute bringen ja jede Woche ne neue Inszenierung mit ner neuen Bilder-, Sample-, Kreische-Schwemme, das haben wir ja schon in den Nachrichten, da gucken wir lieber gar nicht mehr hin...
Was ist an dieser einfachen Argumentation so schwer zu verstehen?
Zumal für jemanden, der jahrelang in Dramaturgien gesessen hat?
Im Übrigen habe ich nicht mitgeteilt, dass ich s c h l e c h t e Erfahrungen gemacht habe,sondern, dass ich welche gemacht habe.
Das ist bitte ein Unterschied. und für mich als Stückeschreiberin lediglich Material. Wenn das, was dabei geformt wieder herauskommt aussieht wie schlechte Erfahrung mit Theatern, Intendanzen und Dramaturgien, scheint es daran etwas zu geben, was betrieblicherseits nicht unbedingt gut gelaufen ist im Umgang mit meiner Dramatik.
Es geht darum: WAS ist eine ANGEMESSENE Reaktion des Theaters als Betrieb auf von privat (bekannt oder unbekannt) eingesandte Dramatik?
Es würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie mir dazu genau hier Ihre ganz private als Ansicht als ehemalig angestellter Dramaturg mitteilten. Alternativ auch gern über

drustautorin.wordpress.com

Mit Dank und Gruß - d.o.
Direktorium Bremen: Umgang mit Autor*innen
@29 & @31

Als Exdramaturg in Stadttheatern habe ich mich wirklich geschämt, wie man rechtlich mit sog. Jung- bzw. Neuautoren umgegangen ist. Denen hat am Verträge vorgelegt,man sie aus der Musikbranche als Knebelverträge kennt. Verträge, in denen die Urheber mit Pflichten überhäuft werden und das Theater alle Freiheiten genießt.

Optisch sahen 7% der Roheinnahme für einen Unkundigen vielleicht interessant aus, aber im Zuge des Abrechnungssystems hätte kein Autor jemals überprüfen können, ob 34 € Abendtantieme den Fakten entsprach.

Grundsätzlich sind Autor_innen in der Produktion nicht erwünscht. Sie haben Vorstellungen, die mit denen der Regie selten korrespondieren. Wenn sie einen Dramapreis erhalten, wird vorgegaukelt, sie in den künstlerischen Prozess mit einbeziehen zu wollen. Wenn sie es wirklich wünschen, wird auf den vertrag verwiesen, worin dieses Recht nicht enthalten ist. Wo überhaupt all ihre Rechte oft gar nicht aufgeführt sind.

Ich kann Autoren_innen nur raten: Schaut euch die Verträge an! Lasst euch beraten. Habt den Mut, NEIN zu sagen, oder auf die verschiebung einer Premiere zu beharren, wenn das Theater euren überarbeiteten Vertrag ignoriert.

Ich wünschte mir eine Plattform, mit Autorenberichten; Bewertungen von Theatern im vertraglichen wie künstlerischen Umgang mit Dramatikern.
Gibt es das?
Direktorium Bremen: Plattform
@Ex-Dramaturg
Nun, das ist ja hier eine ganz gute Plattform, zumindest für Stückeschreiber, die das Theater etwas angehen, ich würde das nicht separieren wollen. Und man braucht deshalb keine Bewertungen wie etwa für Arztpraxen oder Autowerkstätten, die man als Dienstleister bemühen möchte. Weil man das beispielhaft ganz grundsätzlich für alle Theater geltend debattieren kann. Die Theater, die das hier wahrnehmen, werden selbst wissen, was auf sie eher mehr oder eher weniger zutrifft.

Ich habe Fragen zu Ihrem Kommentar:

1. Haben Sie es oft erlebt, dass Autoren von Theatern direkt Verträge angeboten worden sind und nicht über deren Verlage?
2. Was verstehen Sie unter einem Jungautor/Jungautorin?
3. Hat diese von Ihnen als sie beschämend beschriebene Art und Weise des Umgangs mit Jungautor*innen dazu geführt, dass Sie letztlich nicht mehr Dramaturg, sondern Ex-Dramaturg sind?

Relativierend ihre einlassungen zur Autorenmitarbeit würde ich sagen: Ich habe Verständnis dafür, wenn Autor*innen in der Produktion einer wirklichen Inszenierung nicht gern gesehen sind. In der Tat wird es selten vorkommen, dass ihre Vorstellungen von der Inszenierung mit denen der Regie ohne Streit korrespondieren. Wäre dem nicht so, würden sie ja Regie machen und keine Stücke schreiben.
Wenn man Dramatik, ich meine wirklich Dramatik, nicht einfach Szenisches Schreiben, schreibt, hat man es jedoch buchstäblich selbst zunächst im Kopf und dann in Händen, durch den eigenen Text - und nur durch diesen, ein Vertrag hilft da gar nicht, und wenn er noch so gut ist - zu verhindern, dass es zu einer Art und Weise der Inszenierung kommt, die man garantiert NICHT will. Man kann und MUSS aus politischen Gründen sogar, die Abweichung von der möglicherweise vorhandenen Vorstellung (besser ist, man hat gar keine, außer eventuell von einer UA-Besetzung) der Umsetzung auf das Minimum dessen, was alsStoff/Form- Auslegung wirklich unzulässig sein sollte, reduzieren.
Das hört sich kompliziert an, ist aber für einen Dramatiker - und auch für eine Dramatikerin - ganz einfach.
Anders würde ich die Sache beurteilen, wenn es um Werkstatt-Inszenierungen oder etwa Szenische Lesungen neuer Werke ginge. Da würde ich unbedingt empfehlen, NEIN zu sagen, wenn einem das betreffende Theater zu verstehen gibt, dass man als Text-Urheber nicht bei der Erarbeitung erwünscht ist. Denn es handelt sich dabei immer per se um Eingriffe in ein fertiges Bühnenwerk, entweder durch inhaltliche Abspeckung oder formale Reduktion. Und das sollte nicht ohne Autorisierung durch den Urheber gestattet sein. Zumal bei einem, der noch keinen "Namen" hat, wie man so schön sagt. Dessen Arbeit noch durchgesetzt werden muss, weil ihr noch kein Ruf vorauseilt.
Auch hier kann es freilich Ausnahmen geben, wenn die Regie, die sich der Sache annimmt, eine namhafte ist, die sich das Stück auch selbst gewählt hat, also einen garantiert künstlerischen, keinen karrieristischen Impuls darauf hat.
Wobei wir - wie Sie bemerken - ganz schnell schon wieder bei der nächsten drängenden Frage sind. Nämlich der, welche Rolle heute in den Theatern Impulse auf Texte der Regisseure*innen eine Rolle spielen (dürfen)...
Direktorium Bremen: Diskretion
Die Kunst hat jede Diskretion verloren.
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