Märchenerzählen heute
von Gabi Hift
Berlin, 7. Juni 2018. Zwei Uhr Nachts. Burger King hat Sperrstunde, die Belegschaft räumt auf, plötzlich ein Aufschrei: Mitten im Dreck zwischen Pappbechern und Kaugummi liegt ein neugeborenes Baby.
Being Todenhöfer
von Sascha Ehlert
Berlin, 12. Oktober 2016. Eine abgewetzte Lederjacke, einen Rucksack auf dem Rücken, die runden Brillengläser, die Mischung aus gestriegelter Politiker-Frise und wachem Menschenfreund-Blick. Jürgen Todenhöfer, einer der umstrittensten und zweifellos auch relevantesten Publizisten dieser Tage, steht auf der Bühne des Grips-Theaters. Unabhängig davon, wie man zu seinen Interviews mit angeblichen Al Nusra-Kommandanten und IS-Terroristen steht, spielt Todenhöfer – mit bald 700.000 Facebook-Fans – eine gewichtige Rolle in der medialen Berichterstattung über den Syrien-Konflikt.
Voller Wut im Bauch
von Katharina Röben
Berlin, 11. November 2015. Erst die Wut, dann die Sprache. Getrieben von der Musik beben ihre Körper, geballte Fäuste pumpen zum Beat, Köpfe wirbeln durch die Luft. Sie grölen wutentbrannte Texte, volksverhetzende, rassistische Parolen. Als habe sich etwas in diesen Jugendlichen angestaut, das sich jetzt druckvoll entlädt. Dem Chaos folgt eine Rede, die versucht, ihre Aggressionen in Bahnen zu lenken. Der Mann mit der roten Klebebandkrawatte und der weißen Farbe im Haar spricht von der "Asylantenflut", die uns überrollt, von der "deutschen Rasse" und von Ungerechtigkeit.
Boris in Bollywood
von Simone Kaempf
Berlin, 7. März 2014. Zum Schlussapplaus kommen die drei Autoren gemeinsam auf die Bühne: Vibhawari Deshpande, Jahrgang 1979, und Shrirang Godbole, Jahrgang 1966, beides Theatermacher in der indischen Millionenstadt Pune. Dazu ihr deutsches Pendant, der Dramatiker Lutz Hübner, vor zwei Jahren vom Goethe-Institut und von der Theatervereinigung "Grips-Movement in India" zu einer gemeinsamen Arbeit in die Millionenstadt eingeladen.
Küchenpsychologie
von Eva Biringer
Berlin, 22. Mai 2012. Treffen sich zwei Jugendliche. Sagt der Eine: "Meine Eltern sind Juweliere, und ich hab' einen Penner vor die U-Bahn gestoßen. Ich gehe zur Schule und mach in zwei Jahren Abi. Und Du so?" Darauf der andere: "Ja, die Imbissbude, die ich abgefackelt habe, war ein Asia-Quick. Sushi oder so. Das ist doch kein politisches Motiv. Das ist doch – Gewalt gegen Sachen." Statt sich gegenseitig mit tollen Praktikumsstationen und Auslandserfahrungen zu übertrumpfen, zählen diese beiden Jungs ihre kriminellen Delikte auf. Wo andere sich über Vorzeigelebensläufe definieren, konstruieren die Protagonisten in David Gieselmanns "Über Jungs" ihre Identität als ständigen Konflikt mit dem Gesetz.
Gott des Gemetzels im Klassenzimmer
von Wolfgang Behrens
Berlin, 4. Februar 2012. Die Erwartungsfreude ist förmlich mit Händen zu greifen. Während man noch damit beschäftigt ist, sich im dichten Gedränge des Foyers ein paar Volumenanteile Bewegungsfreiheit zu erkämpfen, kann man von allen Seiten Stimmen vernehmen, die sich zu ihren Premierenkarten beglückwünschen. Die Zuschauer scheinen sich schon im Vorhinein ganz sicher zu sein, dass sie hier genau am richtigen Ort sind. "Eine Kollegin hat gesagt: Das ist doch genau dein Stück! Da hab' ich mich gleich um Karten bemüht", sagt eine Dame. "Und ich gehe in zwei Wochen gleich noch mal rein", sagt eine andere in der ruhigen Gewissheit, dass sie der bevorstehende Abend nicht enttäuschen wird.
Spiel vom Kollateralschaden der Leistungsgesellschaft
von Elena Philipp
Berlin, 11. Februar 2010. Mit "STRESS! - Der Rest ist Leben", einem Stück über Leistungsdruck an Schulen, kehrt Dirk Laucke an das Theater zurück, das ihm seinen ersten Stückauftrag erteilte: das Berliner Kinder- und Jugendtheater Grips. 2005 war er noch nicht "einer der meist gefragten jungen Dramatiker in Deutschland" (Programmheft), sondern studierte seit einem knappen Jahr an der Universität der Künste in Berlin Szenisches Schreiben, als er für das Grips in "Hier geblieben!" zusammen mit zwei Kommilitoninnen die Lebenssituation minderjähriger Flüchtlinge in Deutschland schilderte.
Röslein rot, hilf uns aus der Pleite
von Jan Oberländer
Berlin, 7. November 2008. Dem 71-jährigen Achtundsechziger Volker Ludwig wird am 29. November im Stuttgarter Opernhaus der Theaterpreis "Faust" für sein Lebenswerk und seine Verdienste um das Kinder- und Jugendtheater in Deutschland verliehen. Was nicht heißt, dass Ludwig mit irgendetwas abgeschlossen hätte. Gerade gestern wurde sein neues Stück "Rosa" uraufgeführt, natürlich im Grips Theater, dem von Ludwig vor bald 40 Jahren gegründeten und noch immer geleiteten Haus am Berliner Hansaplatz. Inszeniert hat es Ludwigs Co-Autorin, die bewährte Grips-Regisseurin Franziska Steiof.
Mutmachstück mit Klavier und Kuschelschaf
von Hartmut Krug
Berlin, 18. Juni 2008. Maria hat sich in Adam verliebt, zwei allein erziehende Eltern haben sich gefunden und führen ihre Kinder zusammen. Eine ganz normale Patchwork-Familie soll entstehen, in Berlin, in Marias Wohnung. Doch Marlena und Philipp haben zwar den neuen Vater begeistert aufgenommen, dessen Tochter Ola jedoch lehnen sie ab. Während Adam die Leerstelle des leiblichen Vaters einnimmt, beansprucht 0la allein durch ihre Existenz bereits besetzte Räume, in der Wohnung, im Alltagsgeschehen und im Herzen der neuen Mutter.