Europa genießen
von Martin Thomas Pesl
Salzburg, 7. Februar 2019. Stopp! Wer sich über die nächste Von-Maldeghem-Story amüsieren will, muss leider wieder umdrehen. Das ist das Schauspielhaus Salzburg, nicht das Landestheater. Eine Verwechslung, die vielen unterläuft, die noch nie hier waren. Das laut eigenen Angaben größte freie Theater Österreichs ist zwar auch nicht für Avantgarde bekannt, versucht aber, die weniger etepetetige Hälfte der Salzburger Bürgerlichkeit anzusprechen. Sympathisch statt gefällig sollen die Stoffe vermittelt werden, mit Einführungen vor den meisten Vorstellungen und Schauspieler*innen, die teilweise in der hauseigenen Schule ausgebildet wurden.
"Auf dera Welt is all’s verdraht"
von Reinhard Kriechbaum
Salzburg, 3. Februar 2013. "Auf dera Welt is all's verdraht" singen die Musiker – die Avantgarde-Folk-Gruppe "Die Strottern" – in ihrer österreichischen Mundart, während die Schauspieler in ihren schäbigen, wie aus einem Altkleiderdepot geklaubten Gewändern langsam aus dem Orchestergraben hochfahren. An einen antiken Chor muss man denken, wenn wir gleich in der ersten Szene erfahren, wie das damals zugegangen (oder eben nicht zugegangen) ist mit den Aktenbewegungen zwischen Dorfvorsteher und den Ämtern A und B in der Causa "Landvermesser". Einen solchen braucht's gar nicht im Dorf, aber mach das mal der Bürokratie klar!
Glaubensfragen
von Reinhard Kriechbaum
Salzburg, 24. September 2010. Ein Pfarrer, der vielleicht ein Kind missbraucht hat, fliegt auf, weil eine alte Klosterschwester die Augen zum rechten Zeitpunkt offen gehabt hat. Für sein Stück "Doubt" (Zweifel) hat der 1950 in der New Yorker Bronx geborene John Patrick Shanley 2005 prompt den Pulitzerpreis bekommen und einen Tony für das beste Theaterstück. Für seine eigene Verfilmung des Stoffes - "Glaubensfrage" - drei Jahre später gab es Nominierungen für den Golden Globe und für den Oscar. Das Stück zur Stunde, möchte man meinen. Aber dann ertappt man sich im Laufe eines Theaterabends dabei, dass man als Zuschauer plötzlich mit der vermeintlich falschen Seite sympathisiert.
Im Whirlpool unseres Unbehagens
von Reinhard Kriechbaum
Salzburg, 21. April 2010. "Siebzehn Prozent weniger Witze" habe der Mann erzählt gegenüber dem Vormonat, gleich "21 Prozent weniger als im Vergleichsmonat des Vorjahres." Mit so einem Sauertopf gibt es wahrlich nichts zu lachen. "Du fällst zurück, arbeitest nicht mehr mit Freude", weiß die Frau über den Mann, der auf ihre Vorhaltungen hin ein Gesicht macht wie der sprichwörtliche begossene Pudel.
Es braucht eine neutrale Sicht auf die Dinge
von Reinhard Kriechbaum
Salzburg, 3. November 2009. Es ist nicht so leicht, Isabelle Huppert nachzuspielen. Die war in Claude Chabrols Geheimen Staatsaffären jene Untersuchungsrichterin, die rot, blutrot sieht, wenn sie den korrupten, Schmiergeld zahlenden und sich selbst bereichernden Wirtschaftsbossen gegenüber steht.