Die Macht der Kaffeemaschine
von Elisabeth Maier
Esslingen, 12. Juli 2020. Die Vorrede verblüfft: "Wir möchten Sie bitten, Ihre Mobiltelefone nicht auszuschalten. Nur so ist es uns möglich, Daten über Ihr Zuschauerverhalten zu erfassen." Im Schauspielhaus der Württembergischen Landesbühne stimmt Ansager Benjamin Janssen das Publikum auf Philipp Löhles Netzweltkomödie "Die Mitwisser" ein. Deren Protagonisten leben im totalen Überwachungsstaat. In Zeiten von Daten-Klau und gläsernen Menschen sind auch die Zuschauer nicht weit von dieser Wirklichkeit entfernt.
Der Maler und seine Spitzel
von Verena Großkreutz
Esslingen, 12. Oktober 2019. Gespenster der Vergangenheit bändigen: Für Siggi Jepsen, den 20-jährigen Ich-Erzähler in Siegfried Lenz' Bestsellerroman "Deutschstunde", ist das die Triebkraft des Schreibens. In einer Nachkriegs-Erziehungsanstalt, in einer Zelle, versucht er im Rahmen einer Strafarbeit zu kanalisieren, was ihn kaputt gemacht hat. Manisch schreibt er Heft für Heft voll.
Schreie aus den Waggons
von Verena Großkreutz
Esslingen, 14. März 2019. Immer massiver auftretende Rechtspopulisten, die Enttabuisierung von Antisemitismus und Nationalismus; Rechtsextreme, die sich immer enger vernetzen: Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklungen wirkt so mancher Stoff plötzlich schockierend aktuell, der einst Vergangenes bewältigen wollte. Ein solches Stück hat jetzt die Württembergische Landesbühne Esslingen (WLB) herausgebracht: Oliver Storz' "Die barmherzigen Leut' von Martinsried".
Der Führer im Fake News Büro
von Steffen Becker
Esslingen, 10. Februar 2018. Die Hitler-Tagebücher stehen für eine Blamage sondergleichen – und für einen Stoff, aus dem Helmut Dietl mit Schtonk! einen Filmklassiker geschaffen hat. Beides ist schon länger her: die Stern-Affäre um die falschen Tagebücher (1983) und der Film (1992).
Kalte Zeit
von Elisabeth Maier
Esslingen, 20. Oktober 2016. Über der Bühne hängt ein Heiland am Holzkreuz. Die ausgemergelten Rippen sind mit Blut verschmiert. Unter diesem gespenstischen Blickfang gerät die Welt ziemlich aus den Fugen in dieser Dramatisierung von Robert Seethalers "Der Trafikant". 2012 veröffentlichte der österreichische Autor und Schauspieler den Roman, der die fiktive Begegnung des jungen Franz Huchel mit dem Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, beschreibt.
Heidschi Bumbeidschi – nix bum
von Verena Großkreutz
Esslingen, 11. Dezember 2014. 160 000 Engländer, 300 000 Franzosen, 300 000 Deutsche waren bereits von Granaten zerfetzt, von Gewehrfeuern durchsiebt oder beim Bajonettangriff aufgespießt worden. An Heiligabend 1914 aber war an der Westfront plötzlich alles ganz anders. Jetzt verbrüderten sich für wenige Stunden viele der verfeindeten deutschen, britischen und französischen Soldaten, nahmen sich die Freiheit zum Waffenstillstand. Sangen gemeinsam Weihnachtslieder, kickten zwischen den Schützengräben, klappten die Mini-Weihnachtsbäume aus und teilten Schnaps, Zigaretten, Kuchen. Dann ging's zurück in die Schützengräben, und sie schossen wieder aufeinander. Auf obersten Befehl. Bis heute jedoch haben diese kleinen Leuchtfeuer des Friedens Symbolkraft.
Tödliche Machenschaften
von Verena Großkreutz
Esslingen, 11. Oktober 2012. Sein erster Auftritt lässt an afrikanische Diktatoren denken: Othello trägt korrekte weiße Uniform, Sonnenbrille, die Jacke voll mit Orden. Ein Unangreifbarer, selbstbewusst und stark. Ein erfolgreicher Militär. Wortgewandt und cool kontert er jeden Angriff vor Gericht: Magie sei für seine Liaison mit Desdemona verantwortlich? Lächerlich! Was braucht er Zauber, um ihr Herz zu kapern?
Der Ego-Revoluzzer
von Tomo Mirko Pavlovic
Esslingen, 9. Februar 2012. Politik ist nichts für schwache Nerven. Es kann ja schon einmal vorkommen, dass der Herzog von Genua die Wahl zum Prokurator mit der gezückten Waffe zu seinem Vorteil manipuliert. Ein Putsch von oben. Die Verzweiflung ist groß, grenzenlos die Wut über den Tyrannen Gianettino Doria.