Vor Männerbünden gibt's kein Entkommen
von Dorothea Marcus
Koblenz, 28. April 2019. Da steht er, der neue Kanzler Angelo, frisch aus dem Männerbund gekürt vom Präsidenten Vicentio, und macht im blauen Business-Anzug ein paar Dehnübungen. Zuvor hatte sein Darsteller Frank Röder, der dem smarten österreichischen Sebastian Kurz vom Typ her ziemlich ähnlich ist, uns lässig improvisierend dazu aufgefordert, genau hinzusehen. Nicht allzu neidisch auf das Bier zu sein, das auf der Bühne beständig burschentreu geöffnet wird, und uns dennoch eins zu fühlen mit dem Bühnengeschehen.
Entrümpeln der Erinnerung
von Dorothea Marcus
Koblenz, 29. April 2018. Hier sieht es aus, als sei gerade ein nahes Familienmitglied gestorben – und wir müssten entrümpeln, wo wir gestern noch gemütlich Tee getrunken haben. Oben, fast unter dem Dach des Hauses, auf der Probebühne Zwei des schönen alten Koblenzer Theaters, hat das Produktionsteam die knarrend alten Dielen mit Perserteppichen belegt, den Raum vollgestopft mit Erinnerungsinventar und plüschiger Behaglichkeit: Lampen, viele Bilder, Paravents, Nippes, Grünpflanzen – und viele Kartons.
Abgang auf blutigen Knien
von Shirin Sojitrawalla
Koblenz, 9. September 2017. "König Lear" ist ein Stück über das Alter, den Wahnsinn, den Undank und die Gemeinheit in Reinnatur. Ein Stück über vieles und über das Nichts. Daneben ist diese Familientragödie von jeher ein Stück über die Täuschung, das Schau-Spielen, die Ent-Täuschung. Der Schriftsteller und Dramaturg John von Düffel betont diesen Aspekt, indem er in seiner Bearbeitung einige wichtige Figuren zwar streicht, aber doch spielen lässt, nur eben von anderen Figuren. Gloster und seine zwei ungleichen Söhne Edmund und Edgar sind so eigentlich gestrichen und doch präsent, weil Tochter Cordelia auch Edgar spielt und der Narr auch Edmund und Kent auch Gloster.
Fluchtpunkt Griechenland
von Dorothea Marcus
Koblenz, 12. März 2016. Es ist, wie man weiß, ein Splatter-Plot aus Mord, Macht und Sex, dem die Atriden nicht entrinnen können. Immer wieder ist zutiefst nachvollziehbar: dass Orest, von der extremistischen Elektra zum Muttermord getrieben, anschließend in schwerster Reue versinkt – und dann einfach mit dem Morden weitermacht. Dass Klytämnestra ihren Ehemann Agamemnon bei seiner Rückkehr lieber umbringt – schließlich hatte der einst ihre Tochter geopfert und setzt ihr nun eine neue Frau vor. Dass Menelaos, der Bruder des getöteten Agamenon, wieder mit seiner eigentlich verstoßenen, untreuen Frau Helena anbändelt – will er doch, machtbewusst und pragmatisch, den vakanten Thron besetzen.
'74, '90, 2006 – werden wir erwachsen sein
von Andreas Pecht
Koblenz, 15. September 2012. John von Düffel hat ein neues Stück geschrieben. "Alle sechzehn Jahre im Sommer" ist ein Auftragswerk des Theaters Koblenz zu seinem 225. Geburtstag. Gestern kam es dort in einer Inszenierung des Intendanten Markus Dietze zur Uraufführung. Gewünscht hatten sich die Koblenzer etwas über den Fluss der Zeiten und die Wandlungen der Menschen darin. Geliefert hat der Autor eine "Trilogie des veränderten Lebens", deren Teile 1974, 1990 und 2006 spielen – jeweils angedockt an die Fußballweltmeisterschaften jener Jahre.