Black Box
Phantom­theater
für 1 Person

von Stefan Kaegi / Rimini Protokoll
Karten
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
Treffpunkt Foyer Schauspielhaus
Dauer – ca. 1:35 Std, keine Pause
Für unseren Audiowalk ist ein gutes Verständnis der deutschen Sprache Voraussetzung.

Premiere
Fr – 10. Jul 21

Karten
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
https://www.schauspiel-stuttgart.de/ Schauspiel Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart
Monatelang standen die Theater leer. Aufführungen vor gefüllten Sälen waren bis auf Weiteres nicht möglich. Ausstellungsbesuche durch Einzelpersonen waren dagegen erlaubt. Folgerichtig wird die Black Box Theater zum White Cube Museum und stellt sich selber aus: das Phänomen, dass hier Menschen zusammenkamen, um Kunst zu sehen. In den leeren Räumen hallt nach, was die Menschen hier verband – Gefühlsstürme, Lacher, Tränen und Applaus.
Aber was bleibt von einer flüchtigen Theateraufführung überhaupt zurück? Aufzeichnungen, Kritiken und selbst Regiebücher bilden nur einen Teil der Aufführung ab. Hormone, Gerüche, Textur haben andere Spuren hinterlassen. In ihrer Leere entwickeln Zuschauerraum, Bühne, Garderoben und Lichtbrücken den Charme von Ruinen: Post-Spektakel. Die Bühne und ihre Umgebung als temporäre Ruine einer rituellen Versammlungsstätte. Eine Archäologie der Repräsentation von Gesellschaft. Schicht für Schicht abgetragen gibt das Gebäude den Blick frei auf das, was Theater war, ist, sein kann.
Wie viel davon ist technisch simulierbar, reproduzierbar, synchronisierbar? Was ist, wenn sich die Weltsimulationsmaschine Theater von selbst in Bewegung setzt und das Publikum ins Zentrum des Geschehens rutscht?
Covid-19 macht möglich, was sich sonst kein Schauspielhaus erlauben könnte: Ein ganzes Haus spielt für eine Person. Wie Tarkowskis Stalker gehen die Zuschauer:innen vorsichtig durch die Flure, mit Kopfhörern und Handschuhen treten sie durch die leeren Reihen im Zuschauerraum auf die Hinterbühne und betreten das Labyrinth der Fiktionsmaschine. Die Black Box öffnet sich den rekonstruierenden Forscher:innen und stellt die Frage: Wo sind die anderen? In Zeiten von sozialer Distanz und Isolation gilt es hier zu entdecken was Gemeinschaft bedeutet. Erinnerung funktioniert wie ein Palimpsest aus vielen Schichten. Stefan Kaegi von Rimini Protokoll nimmt Expert:innen für politische Gemeinschaft, Simulation und Erinnerung auf; Menschen, deren Leben mit diesen Räumen und der Idee von Theater verbunden sind: Maskenbildnerinnen und Souffleure, Ensemblemitglieder und Philosophinnen… Zwischen ihren binaural im Raum inszenierten Stimmen und ortsspezifischen Klängen entsteht eine Fährte durch den Körper des Theaters, die en passant zu einem Gang ins Unterbewusste der Gesellschaft werden könnte.

Die Veranstaltung ist nicht barrierefrei. Bitte beachten Sie, dass nur zum Teil Sitzgelegenheiten zur Verfügung stehen.

Premiere: Di – 14. Jul 20
Konzept, Skript und Inszenierung
Sounddesign

Besetzung

Mitarbeiter:innen des Schauspiels Stuttgart
Mit den Stimmen von
Expert:innen
Mit den Stimmen von
*Gäste*Guests

Pressestimmen

Nominierung zum Virtuellen Nachtkritik-Theatertreffen
Steffen Becker, 27. Jan 21
Die „Black Box“ schleust die Gäste einzeln durch das Innere des Staatstheaters. Rimini Protokoll inszeniert aber weit mehr als einen interaktiven Rundgang. In gebührendem Abstand können die Akteure das Gefühl von Schauspieler*innen im Moment vor dem Rampenlicht erfahren, miteinander in Kontakt treten oder frei entscheiden, es sein zu lassen. „Black Box“ war aus der Not geboren, aber wer dabei war, der wird dank der Einblicke und der eigenen emotionalen Erfahrung eine stärkere Bindung ans Theater spüren: Ein Reichtum zu Corona-Zeiten.
SWR2
Susanne Kaufmann, 15. Jul 20
Wer das Glück hat, diese Produktion von Stefan Kaegi zu erleben, sieht das Schauspiel Stuttgart aus einer ungewohnten Perspektive: wie in einem hundertjährigen Schlaf, voller Magie. Hier bewegt sich ein Kostüm, dort rattert eine Nähmaschine, hebt sich ein Bühnenprospekt – alles sekundengenau getimt über Zeitschaltuhren. Das Haus scheint menschenleer. Aber an jeder Station werden Interviews mit denjenigen auf meinen Kopfhörern eingespielt, die dieses Theater am Laufen halten.

Stefan Kaegi von Rimini Protokoll hat für das Schauspiel Stuttgart eine perfekt durchdachte, bezwingende Produktion entwickelt. Sein „Phantomtheater für 1 Person“ ist absolut erlebenswert, weil es die „Black Box“ Theater von einer anderen Seite zeigt und Sehnsucht weckt – danach, all das, was sich im Kopf abspielt, endlich wieder real und ganz neu zu erleben.

Zur vollständigen Kritik
Deutschlandfunk Kultur heute
Christian Gampert, 15. Jul 20
Wunderbar ist es, wie in diesem Parcours ein Rädchen ins andere greift, per Zeitschaltuhr hier eine Beleuchtung angeht und man dort einem anderen Teilnehmer des Rundlaufs begegnet. Wir dürfen in den Souffleurkasten, wir sitzen am Inspizientenpult, wir dürfen mit kindlicher Freude die Nebelmaschine bedienen. Wir sehen den Unterschied zwischen warmem und kaltem Licht und wir erfahren, wie schwer es ist, einigermaßen authentisch über die große Bühne zu gehen. … Das Theater ist tatsächlich eine „Black Box“, ein Wunderding mit einem unergründlichen Innenleben, einem Geheimnis … .

Stefan Kaegis Inszenierung … gehört zu dem Bemerkenswertesten, was in dieser Spielzeit zu sehen war. Mit und ohne Corona.

Zur vollständigen Kritik
Stuttgarter Zeitung
Nicole Golombek, 16. Jul 20
Die Krise als Chance, das ist einer dieser Sätze, die man nicht mehr hören mag. Manchmal stimmen sie aber doch und bereiten höchstes Vergnügen. Zumindest im Falle dieser Produktion, die sich die Performancegruppe Rimini Protokoll fürs Staatsschauspiel Stuttgart ausgedacht hat: „Black Box“.
Zur vollständigen Kritik
dpa
Martin Oversohl, 15. Jul 20
Stuttgarts Schauspiel legt bei seiner jüngsten Premiere … die Corona-Abstandsregeln so radikal wie möglich aus. Auf Schauspieler verzichtet das Haus in „Black Box“ gänzlich. … Und dennoch ist das Theater als System bei dieser Inszenierung so spürbar wie nie zuvor. Denn die Hauptrolle übernimmt das vielstöckige Gebäude. Die nackten Treppenhäuser stehen an diesem Abend im Mittelpunkt, die verlassene Lobby, die Probebühne, der leere Zuschauerraum und die Werkstätten im hintersten Winkel. … Hinter jeder schweren Türe bietet sich [den Zuschauern] so ein neuer und überraschender Blick auf den Theaterbetrieb, sie kramen dabei vielleicht in den eigenen Erinnerungen an lange Abende vor der Bühne oder entdecken neue Facetten eines Kulturbetriebs, der für sie bislang unmittelbar hinter der Bühne zu Ende gewesen ist.

Die deutsche Bühne
Adrienne Braun, 15. Jul 20
Stefan Kaegi hat den Rundgang mit beeindruckender Präzision konzipiert. Wie von Geisterhand werden Lichter passend zur Tonspur eingeschaltet oder Ventilatoren in Bewegung gesetzt. Immer wieder kommt es zu magischen Momenten, wenn sich plötzlich ein Globus zu drehen beginnt oder es vor dem Treppenhausfenster auf einmal regnet. … Und auch wenn Michael Resch, der Direktor des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart, in seinem Statement fordert, dass das Theater etwas „zukunftsorientierter“ sein könne, beweist dieser Rundgang auf jedem Meter, dass es genau den Charme des Theaters ausmacht, dass hier Kreativität lustvoll und oft noch in Handarbeit ausgelebt und nicht programmiert wird.

Es sind letztlich die Zuschauer, die das Theater zum Leben erwecken, so die Botschaft dieses geistreichen, aufregenden Theaterparcours….

Zur vollständigen Kritik
Deutschlandfunk Fazit
Michael Laages, 14. Jul 20
Man begibt sich auf etwas, was in normalen Zeiten wahrscheinlich Theaterführung heißen würde, hier aber durch die mediale Kompetenz von Stefan Kaegi so stark aufgemöbelt ist mit allen möglichen Wahrnehmungsmöglichkeiten, dass es eben doch sehr viel mehr ist als einfach nur eine Theaterführung.

[Der Abend] hat eine eigene Qualität. … Das Prinzip, die Methode [der guided walks] ist einigermaßen bekannt, von Stefan Kaegi bis zur Perfektion entwickelt, und die wird hier eben dadurch erweitert, dass wir selber als Beobachter auf dem Kopfhörer immer zwei Stimmen haben, eigentlich sogar drei: eine, Sylvana Krappatsch, die uns durch den ganzen Abend führt, … und dann eben tatsächlich immer einen, der etwas weiß [über das Haus], und einen, der nichts weiß. Und zwischen diesen beiden bewegen wir uns und entdecken auf diese Weise … das Theater tatsächlich so, wie es sich uns bisher nie dargestellt hat.

Zur vollständigen Kritik
Nachtkritik
Steffen Becker, 14. Jul 20
Das ist technisch hervorragend gemacht. … Regisseur Kaegi hat … einen perfekten Raumklang aufnehmen lassen. Während ich im Probenraum sitze und sich eine Dramaturgin und ein Schauspieler über die ersten Arbeiten an einem Stück unterhalten, verschafft mir der Kopfhörer die Illusion, die beiden laufen tatsächlich hinter meinem Rücken entlang und erkunden den Raum für eine Szene. Ich bin alleine, fühle es anders und grusele mich darüber.

Ich erinnere mich an einen Moment im Archiv des Theaters. Ein Vertreter des deutschen Literaturarchivs spricht dort darüber, dass Theater bedeute, den Moment zu feiern. Und das tut die „Black Box“. Sie entfacht eine Magie.

Zur vollständigen Kritik
Kultura extra
Thomas Rothschild, 05. Okt 20
… ein nicht alltägliches Unternehmen, das den gegenwärtigen Umständen mit Erfolg Paroli bietet. … Ob das Theater, wie einem gleich am Anfang über die Kopfhörer eingeflüstert wird, nach der Coronakrise nie mehr sein wird, was es war, lassen wir offen. Erst einmal garantiert die Reflexion am Ort einen ebenso informativen wie unterhaltsamen Abend.
Zur vollständigen Kritik
Online Merker
Alexander Walther, 15. Jul 20
Man darf nicht nur im Souffleurkasten Platz nehmen, sondern auch die spannenden Theaterarchive der letzten Jahrzehnte durchstöbern, im Lichtkegel alleine auf der Bühne stehen und sich vor dem Publikum verbeugen. Es entsteht eine fast rituelle Versammlungsfläche, die von Mitarbeitern und Experten des Schauspiels sowie von Anke Schubert (Stimme im Off: Sylvana Krappatsch) sprachlich illustriert wird.

Die ganze Inszenierung ist eine ungewöhnliche Hommage und Liebeserklärung an das Schauspiel, das von der Pandemie gebeutelt wird. Immer wieder hofft man auf eine Art Deus ex Machina, der das Theater und die Kultur rettet. Insofern ist auch dieses „digitale“ Theaterprojekt gelungen. Und zuletzt gibt es sogar Applaus!

Zur vollständigen Kritik
"Black Box. Phantomtheater für 1 Person" Trailer