Das Schweigen brechen

3. Februar 2018. Sechzig aktuelle und ehemalige Mitarbeiter*innen des Wiener Burgtheaters werfen ihrem ehemaligen Direktor Matthias Hartmann in einem Offenen Brief Machtmissbrauch vor. Der Wiener Standard (2.2.2018, online 18 Uhr) veröffentlichte diesen Brief auf seiner Website. Wir dokumentieren ihn hier.

Die Unterzeichner*innen aus allen Abteilungen – darunter auch die Schauspieler*innen Sabine Haupt, Corinna Kirchhoff, Sylvie Rohrer, Philipp Hauß, Nicholas Ofczarek und Markus Hering – beklagen, Hartmann habe eine "Atmosphäre der Angst und Verunsicherung erzeugt", mit sexistischen und rassistischen Bemerkungen das Klima am Haus belastet sowie homosexuelle Mitarbeiter diffamiert. Ferner habe er Techniker*innen beschimpft und seine Doppelrolle als erster Regisseur und Vorgesetzter willkürlich ausgenutzt. Hartmann leitete das Burgtheater ab Sommer 2009. Im März 2014 wurde er im Zuge des Finanzskandals entlassenen.

Fieses Klima duch Wegducken ermöglicht

Die Verfasser*innen schreiben, sie wollten Matthias Hartmann ausdrücklich nicht als einzigen "Missetäter" darstellen. Immer wieder werde von vielen Regisseur*innen "Machtmissbrauch, Demütigung und Herabwürdigung" als "probates Mittel" in der Arbeit angesehen und durch das "eigene künstlerische Genie" entschuldigt.

Für sie selbst sei es "erschreckend und beschämend", dass sie "Jahre und eine gesamtgesellschaftliche Debatte benötigt" hätten, um überhaupt "miteinander über diese Vorkommnisse zu reden". Sie selbst hätten durch "Passivität", "Wegducken", durch "Stillhalten" und "Schweigen" zu den von ihnen kritisierten Verhältnissen beigetragen.

Jetzt sei es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, "dass solche Bedingungen unseren Arbeitsplatz nicht wieder dominieren können". Theater als "gesellschaftliches, unterhaltendes und bildendes Reflexionsmedium" müsse diesem Auftrag auch in der Produktionspraxis und den rechtlichen wie politischen Rahmenbedingungen gerecht werden.

Der Offene Brief sei ein Aufruf, "personelle Machtballungen " in Theatern und der "Kulturbranche generell", genauer zu betrachten und "möglicherweise Strukturen zu überdenken". Es gelte durch eigenes Verhalten für eine "respektvolle und faire Arbeitsatmosphäre zu sorgen und "den Mut zum Einschreiten zu kultivieren".

Hartmanns Reaktion

Vom Wiener Standard und der Süddeutschen Zeitung mit den Vorwürfen konfrontiert, habe Hartmann die Kritik als missverstandene Witze, üblich am Theater oder verzerrte Darstellung abgetan (mehr dazu in unserer Presseschau).  Heute sprach Hartmann, laut der Wiener Tageszeitung Die Presse (3.2.2018, online 15:17 Uhr), von einem "gezielten Angriff" auf die Premiere des "überregional beachteten David-Bowie-Musicals 'Lazarus' ", das am Abend die deutsche Erstaufführung in Düsseldorf haben wird.

(Der Standard / Süddeutsche Zeitung / Die Presse / jnm)

mehr meldungen

Kommentare  
Offener Brief Burg: Hinweis
Die "Schlacht" hat wieder Fahrt aufgenommen. Siehe Bericht im heutigen STANDARD.

https://derstandard.at/2000073542781/Aufschrei-auf-offener-Buehne-Burgtheater-Mitarbeiter-stehen-gegen-Machtmissbrauch-auf

(Vielen Dank, Frau Peschina, Sie haben uns mit diesem Post auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht.
jnm)
Offener Brief Burg: noch ein Hinweis
http://www.sueddeutsche.de/kultur/wiener-burgtheater-eine-atmosphaere-der-angst-und-verunsicherung-1.3851134
Offener Brief Burg: wichtig
Das Flaggschiff des deutschsprachigen Theaters wird seiner Verantwortung wirklich gerecht. Das ist ein mutiger und wichtiger Schritt auf dem Weg zu besseren Arbeitsbedingungen am Theater.
Der Brief beschreibt sehr deutlich wie sehr die Struckturen im Betrieb Machtmissbrauch begünstigen.
Hartmann ist kein Einzelfall das steht fest. Mit Angst vor Demütigung zur Probe; es gibt kaum Schauspieler/innen die das nicht kennen!! Und die Behauptung, das habe nicht geschadet sondern geholfen, wird auch nicht aussterben.
Und die Behauptung, die jeweiligen Machtmääer und Frauen, seien eben so und könnten eben nicht aus ihrer Haut. Die Armen. Das müssen die Schauspieler/innen eben akzeptieren, wenn aus ihnen grosses werden soll.
Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie erlebt, dass ANGST irgendwen besser macht, weder Kindr noch Erwachsene.
Offener Brief Burg: Sorgfaltspflicht
"Berufliche Sorgfaltspflicht: Die berufliche Sorgfaltspflicht (Berufsethos) ist bei einigen akademischen Berufen geregelt, so etwa bei Architekten, Ärzten, Journalisten oder Rechtsanwälten. Der Arzt hat die berufliche Sorgfalt zu wahren und damit die ärztlichen Kunstregeln zu beachten. Seine Sorgfaltspflichten bestimmen sich nach dem jeweiligen, ihm zumutbaren Anstrengungen und den ihm zugänglichen und verfügbaren Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung.... Im Strafrecht besteht keine Pflicht zur Sorgfalt, sondern nur die Pflicht, sorgfaltswidriges Verhalten zu unterlassen: „Was man nicht kann, soll man lassen."(Quelle: Wikipedia)

Es ist die höchste Zeit,eine Berufsethik des Theaters zu verfassen.
Vertrauen aufzubauen ist tatsächlich soviel komplexer und mühevoller, als sich in einem totalitären System im Gift von Angst und Misstrauen und Intrige zu suhlen.Das gehört sicher auf die Bühne, aber nicht in den Theaterkörper! Schluß damit. Sofort. Aufhören.

Antonin Artaud: Schluß mit dem Gottesgericht Das Theater der Grausamkeit 10.10.1947:
"Die Frage stellt sich...
...
und dann habe ich das Obszöne gespürt

und habe
vor Unvernunft
und Exzeß
und Aufruhr
angesichts meiner Erstickung gefurzt.

Weil man mich
bis zu meinem Körper
und bis zu meinem Körper bedrängte

und dann habe
ich alles explodieren lassen
denn an meinen Körper
rührt man niemals."
Offener Brief Burg: was mir fehlt
Mir ist schon klar: das Interesse von nachtkritik.de gehört dem Theater. Aber in Ermangelung vergleichbarer Websites für andere Bereiche der Gesellschaft, wüsste ich doch gerne: Was unterscheidet den Machtmissbrauch durch Intendanten und Regisseure vom Machtmissbrauch durch Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern in Fabriken, Büros, Supermärkten, durch Lehrer gegenüber Schülern, durch Professoren gegenüber Studenten und dem Mittelbau, durch Offiziere gegenüber einfachen Soldaten? Wenn der Unterschied nicht benannt werden kann: Warum lautet die Forderung dann nicht, wie einst bei Ton Steine Scherben, "Keine Macht für Niemand"? Was bedeutet es für die politische Entwicklung der vergangenen vier Jahrzehnte, dass Machtausübung, auch unter Angsteinflößung, die zum System gehört, aus dem Blick geraten ist und gerade nur dann thematisiert wird, wenn sie einzelne Berufsgruppen betrifft? Das Unrecht lässt sich nicht beseitigen, indem man einzelne Personen mit Charakterdefiziten an den Pranger stellt. Gerne hörte man eine Stellungnahme der Unterzeichner des Offenen Briefs zu einer Gesellschaft, in der die von einer Mehrheit gewählte Regierung ebenso wie die Opposition Macht ausübt gegenüber Flüchtlingen, die Sicherheit suchen und am Wohlstand der reichen Länder teilhaben wollen, gegenüber einer zunehmenden Zahl von Menschen, die, nicht nur im Theater, unterhalb der Armutsgrenze leben, gegenüber Arbeitssuchenden, die nicht das richtige Parteibuch besitzen. Gerne hörte man ein grundsätzliches Bekenntnis zum Abbau von Hierarchien und zur Egalität. Immerhin stand derlei schon einmal auf der Tagesordnung.
Offener Brief Burg: Strukturen ändern!
Es wird Zeit die Strukturen zu ändern! Hoffentlich finden sich weitere mutige Belegschaften.
Ich bin wegen machtmissbräuchlicher Zustände an einem anderen Theater bei den politisch Verantwortlichen, also den Vorgesetzten der Theaterleitung, vorstellig geworden. Man hat mich angehört und mit dem Hinweis auf die "Freiheit der Kunst" wieder nach Hause geschickt. Die einzige Änderung, die darauf folgte, war die, dass MEIN Vertrag nicht verlängert wurde.
Offener Brief Burg: Verengung
Danke Herr Rothschild, gut und wichtig den Tellerrand zu verlassen.
Es ist doch eher eine große Verengung der Debatte und bleibt zu sehr im Inneren des Theaters und der Filmbranche. #metoo.
Offener Brief Burg: warum nicht an den künftigen Chef
Warum haben die nicht einen offenen Brief an Ihren z u k ü n f t i g e n Chef geschrieben, in dem sie mitteilen, was sie sich so von einem Chef in Zukunft wünschen und was nicht? - Wäre dann kein geschmackloses Nachtreten gewesen. Und außerdem hättens auch - wenns denn ganz allein der Hartmann sein muss, der stellvertretend an allem schuld ist, was sie so eklig oder unangemessen gefunden haben in den letzten 50 Jahren, an Hartmann persönlich schicken können. Er is ja nicht aus der Welt schließlich - Und da hätt er sich vielleicht auch so nett entschuldigt und bei sich gedacht, dass er froh ist, mit ihnen nicht mehr arbeiten zu müssen, wo es sich nun einmal so gefügt hat... Warum hat ihn eigentlich keiner gefragt, was er denn so machen würde mit dem Proteinschwall, wenn er so fragt? - Nein, das meine ich gar nicht witzig, sondern ganz ernst.
Offener Brief Burg: was so hingenommen wird
Lässliche Sünden oder was hingenommen wird: http://www.spiegel.de/einestages/helmut-kohl-spendete-an-waffen-ss-veteranen-a-1191268.html#ref=rss. So viel zur Verhältnismäßigkeit.
Offener Brief Burg: gezielter Angriff
Laut ORF-Bericht (orf.news.at) sieht Hartmann die Aktion als gezielten Angriff auf seine Arbeit an dem David-Bowie-Musicals „Lazarus", das heute international beachtete Premiere hat. Etliche Unterzeichner würde er überhaupt nicht kennen, mit anderen hätte nicht zusammengearbeitet.
Offener Brief Burg: dringend gebotene Aufklärung
Natürlich auch an den neuen und überhaupt alle Chefs und Chefinnen!
Es finde diesen Brief in keiner Weise ein 'geschmackloses Nachtreten', sondern dringend gebotene Aufklärung!Aber auch Sebstreflexion! Da die Verfasser sich und ihr Verhalten, welches durch Duldung und Mitläufertum dem Missbrauch von Macht in die Hände spielen, sehr deutlich benennen!
Und wenn diese mutigen Stellungnahme von Teilen der Belegschaft des Burgtheaters, nicht gleich alle missbräuchliche Machtausübung in allen Bereichen des Erwerbslebens zum Thema macht,(wie Thomas Rotschild zu recht bemerkt), so zeigt sie doch deutlich den grossen Disskusionsbedarf!
Ein Anfang ist eben ein Anfang!! Aber wenn er das ist, dann ist schon viel gewonnen.
Offener Brief Burg: Ablenkung vom drastischen Unrecht
Lieber Georg, wenn die Burgtheatermitarbeiter in einem Offenen Brief fordern, dass der Machtmissbrauch von Hausbesitzern durch geeignete Gesetze unterbunden wird und die 12000 Obdachlosen in Österreich eine erschwingliche Wohnung bekommen müssen, werde ich akzeptieren, dass der Protest gegen Hartmann ein Anfang war. Bis dahin gestatten Sie mir bitte die pessimistische Ansicht, dass der Kampf auf einem Nebenschauplatz - gewollt oder ungewollt - der Ablenkung vom drastischen Unrecht in unserer Gesellschaft dient. Es geht mir nicht darum, jemanden von Schuld zu absolvieren, der tatsächlich Schuld auf sich geladen hat. Aber die Zurechtrückung der Dimensionen erschiene mir wünschenswert. Und bitte um Vergebung, dass ich mich wiederhole. Aber die Position, gegen die ich zu argumentieren versuche, zwingt mir das Insistieren auf.
Offener Brief Burg: #NichtMitMir!
Zu #12: Warum machen wir es nicht einfach so: Wir rufen die Bewegung #NichtMitMir! ins Leben - für die Kulturbetriebe (Theater, Opernhäuser, Museen usw.), für die Industriebetriebe (Autos, Computer, Spielwaren usw.), für die Sozialbetriebe (Krankenhäuser, Altenheime, Wohnungsgesellschaften usw.), für die Wissenschaftsbetriebe (Universitäten, Hochschulen, Schulen usw.) - ich denke, der Leser begreift. Von der Bewegung werden, mit Hilfe der nimmermüden Medien, all die mißliebigen, dreisten, übergriffigen, ausbeuterischen Chefs dieser Betriebe namentlich an den Pranger gestellt, während sie aktuell munter Unrecht tun - also nicht erst, wenn sie bereits dumm aufgefallen, zurückgetreten, ausgemustert oder in Rente sind. Auf diese Weise schieben wir, jenseits des diesbezüglich ebenfalls in Augenschein zu nehmenden Politik- und Parteienbetriebs, eine umfassende Revolte an, die schließlich zum dringend erforderlichen gesamtgesellschaftlichen Umsturz führt. Der Unterschied zu #MeToo liegt auf der Hand: diese Bewegung versammelt Opfer, #MitMirNicht! dagegen Systemveränderer! - Nur so’ne Idee...
Offener Brief Burg: Nein-sagen lernen
#13

tolle idee!

psychologisch jedoch bedenklich, weil jede "pro"-aktion da einfacher funktioniert ... sonst hätte ja schon "nein heißt nein" reichen können

aber trotzdem (oder gerade deshalb) sehr wichtig: NEIN-sagen lernen und auch in die tat umsetzen ... ja, DAS wär´s
Offener Brief Burg: was nachtkritik verschweigt
#5

ja, dies hier ist ein theaterportal.

jedoch nicht im gesellschaftlichen system mit seinen (macht)strukturen frei schwebend, was ja schon allein durch das theaterpublikum - aus mehr oder weniger allen gesellschaftlichen bereichen - ganz unterschiedliche interpretationsstandpunkte mitbringt ...

z.b. gibt es ein theaterstück, welches wohl "offiziel politisch unkorrekt die hölle europa" heißt und auf dem Frankfurter Theaterfestival „Displacements“ zu sehen war - Es ist die Weiterentwicklung einer Installation, die bereits in Athen, auf Lesbos und im vergangenen Jahr in Hamburg beim Festival Theater der Welt gezeigt hat.

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/hoelle-europa


genau HIER würde es für mich anfangen, denn DA KÖNNTE nachtkritik thementreu berichten und allein mit diesen berichten etwas über die eigene haltung aussagen - selbst wenn sie dieses stück zerreißen würde - was sie ja bei kennedy z.b. nicht gemacht hat ...

ja, ich bin etwas vom personifiziert-konkreten machtmißbrauch abgekommen, der natürlich - wie sie sagen das gesamt-gesellschaftliche "system" betrifft ... jedoch auch systemkritische theaterstücke, die nicht beschrieben werden, gibt es darin ... und diese einfach zu ignorieren ist dann wieder der logische zirkelschluß zum (ver)schweigen, der dann (wie immer) von ANDEREN erwartet wird, statt dies selbst im EIGENEN bereich mutig besser zu machen.

die theaterWELT ist größer und wichtiger als die charakterschwächen eine leitenden theaterarbeiters.
Offener Brief Burg: zum Ablauf des Geschehens
Eine eher praktische Überlegung zum Ablauf des Geschehens.

Matthias Hartmann wurde ja von Franz Morak, dem einstigen Burgschauspieler und zum Kunststaatsekretär Aufgestiegenen, als Burgtheaterdirektor vorgeschlagen und daraufhin vom Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bestellt.

Nun wäre gerade bei diesem Burgschauspielerkollege, Ensemblesprecher, Staatssekretär – auch wenn er dann diese Ämter nicht mehr bekleidet hat-, ein besonders intensives Interesse an dem von ihm „geschaffenen Betriebsklima“ zu vermuten gewesen und er ein idealer Mediator (ehrenamtlich) gewesen. Auch umso mehr als Morak sich ja in den Direktionsjahren von Claus Peymann, dem zwar nicht Sexismus sondern norddeutsche Prüderie vorgeworfen wurde, aber sonst so ziemlich alles von absolutistischer Willkür, Irrsinn, Tierquälerei, Terrorismus etc. als Sprachrohr eines gequälten Ensembles verstanden hat. Die Doyenne Elisabeth Orth gehörte übrigens über Jahre zu den Kritikern von Peymann und hat damit immer die Öffentlichkeit gesucht.

Kurzer Sinn der langen Rede. Man hätte das Betriebsklima effizienter, zeitnäher verbessern können als sich jetzt am ME TOO anzuhängen.
Offener Brief Burg: Wann zieht Volksbühne nach?
Eine richtige Handlung des Ensembles des Burgtheaters. Ich bin gespannt, wann die Kollegen von der Berliner Volksbühne nachziehen. Dort hat Frank Castorf ja sogar vor laufender Kamera SchauspielerInnen erniedrigt und beleidigt. Es gibt also handfeste Beweise.
Offener Brief Burg: "Alltag"
Das Hauptproblem ist doch, dass die Ausrede des "Alltags", auf die sich Hartmann jetzt zurückzieht (und das ist ja gar nicht neu), insofern stimmt, dass es kaum Theater gibt, an denen solcher Machtmissbrauch nich zumindest in der einen oder anderen Form im Raum steht. Es muss ja etwa ein Intendant gar nicht mit Nichtverlängerung drohen, es reicht ja, wenn ein Mitarbeiter weiß, dass er jederzeit "beendet" werden kann, dass er sich unmenschliche Behandlung, oder die ja sogar vom Normalvertrag sanktionierten unmenschlichen Arbeitszeiten bieten lässt. Warum lässt eine Gesetzgebung so ein Machtmissbrauchspotenzial zu, unter dem Deckmantel der "Kunst", bzw. bei Hartmann doch eher unter dem Deckmantel der Nichtkunst?
ffener Brief Burg: nicht vermuten, belegen
@17 Ach, da könnte man jetzt noch viele Namen nennen. Aber das sollten niemals die Aussenstehenden vermutend tun, sondern die Betroffenen belegend. so gesehen gut, dass die Burg voranging, die Stichhaltigkeit derer Belege mal vorausgesetzt
Offener Brief Burg: die anderen Beteiligten
Zoten als Intendant*in und Regisseur*in zu erzählen, dreckige Witze zu verbreiten, und dabei auf Zustimmung aus den eigenen Reihen zu rechnen, ist sicherlich eine Machtdemonstration. Nur ist das nicht speziell eine Untugend von leitendem Personal, sondern auch von Schauspieler*innen. Es ist eine einschüchternde Maßnahme, die zugleich, durch gemeinsames Lachen, Zugehörigkeit fordert. Ein unschöner, häufig geschmackloser Vorgang, der einem wirklich manchmal den Tag versaut. Man kann nach ein paar gezielten, grobschlächtigen und rassistischen oder anderen Äußerungen wirklich die Lust an der Arbeit verlieren. Ich warte auf den Moment, wo der/die erste Regisseur*in zum Intendanten*in geht und sagt: Mit der/demjenigen arbeite ich ab sofort nicht mehr zusammen.

Trotzdem ein guter Brief, der mir sehr gefallen hat. Nüchtern, klar, nicht übertrieben, gendergerecht.

Aber was ist jetzt mit Martin Kusej?

Es ist gerade mal eineinhalb Jahre her, dass hier über die Kündigung von Shenja Lacher am Residenztheater heftig debattiert wurde, die genauso begründet war. Die Motive waren eindeutig Machtmissbrauch. Wie geht es jetzt da weiter? Oder funktioniert der Zusammenhalt nur dann, wenn „Frauen Männer anfeinden“. Wenn sich ein Mann als Opfer von Strukturen beschreibt, ist das dann weniger wert?

Natürlich nicht. Und ich gehe auch davon aus, dass mehrheitlich nicht so gedacht und empfunden wird. Aber muss man dann Kusej nicht auch sofort ablehnen? Und Castorf, er wurde schon erwähnt, so und so, denn es gibt in der Tat öffentliche Belege zu seiner „Judith“ Inszenierung, die jedoch seinerzeit heruntergespielt wurden.

Bricht da wirklich gerade ein ganzes System in sich zusammen oder sollen nur Einzelne stellvertretend vorgeführt werden? - Moritz Rinke hat Erfahrungen mit Dieter Wedel. Ebenso hat Thomas Oberender Erfahrungen mit Hartmann. Müssen sich jetzt nicht mehr Beteiligte äußern? Was ist mit Wilfried Schulz? Oder besteht dann die Gefahr, das man sich, nachdem man sich über Jahrzehnte beruflich die Bälle zuspielte und andere ausgrenzte, nicht mitspielen ließ, gegenseitig beschädigt?

Kehren wir stellvertretend zurück zu Shenja Lacher. Hat er neue Angebote bekommen? Mit besseren Arbeitsbedingungen?

Sicherlich, Oberender bietet seinen Mitarbeitern Kurse an, in denen solche Strukturen thematisiert werden. Aber hinterfragt er auch wirklich das System, wie es Steckel fordert? Oder begreifen sich beide weiterhin als Systemveränderer, obwohl sie es über Jahrzehnte mittrugen und darin Spieler waren und nicht Opfer. Sicherlich, ein freundlicher, gutgemeinter Ansatz, wenn Steckel einen neuen Hashtag ausrufen will. Aber werden dann die Opfer nicht zum zweiten mal ausgegrenzt, wenn man einen Wechsel von ihnen zu den Veränderern wünscht? Alle kehren sofort zu ihren Steckenpferden zurück, man möchte gleich das ganze Gesellschaftssystem stürzen. Das riecht nach der Dominanz der Achtundsechziger. Und dabei steht man mit dem Strukturwandel an den eignen Häusern gerade mal ganz am Anfang.
Offener Brief Burg: #NichtMitMir!
Sehr geehrter Herr Steckel

Da Sie hier ja mitlesen und -schreiben:

Stimmt es eigentlich, dass Sie als Intendant in Bochum als Choleriker bekannt waren, der auch schon einmal vor Wut Bürotüren eingetreten hat?
Offener Brief Burg: selbst kündigen
#18

ich habe SELBST gekündigt.

diese konsequente variante gibt es auch.
Offener Brief Burg: Shenja Lacher
Gut, dass sie nachfragen, Herr Baucks.

Shenja Lacher wird auf Seite 156 des neuen Spielzeitbuches der Volksbühne als Mitwirkender in der Web-Serie "Rheingold" benannt.
Ist das ein gutes Angebot?

https://www.volksbuehne.berlin/files/VB_SPIELZEIT_BUCH_2_WEB_neu.pdf
Offener Brief Burg: Bürotüren eintreten
Zu #21: Bürotüren eintreten war meine leichteste Übung!
Offener Brief Burg: Witze, Rausfinden, Sündenbock
#20: Mir hat der Brief nicht unbedingt gefallen, aber ich hätte ihn sehr respektiert. HÄTTE, wenn ich erfahren hätte, dass die KollegInnen den an Hartmann geschickt haben und nicht als Offenen Brief durch die Gegend geschickt.

Noch besser hätte mir gefallen, wenn sie an ihnren künftigen Intendanten einen geschickt hätten und ihm mitgeteilt, was sie umtreibt, wenn sie auf ihre letzten Jahrzehnte mit regieführenden Intendanten zurückblicken, und was sie von ihnen künftig nicht mehr möchten, um in einem wirklich produktiven kreativen Klima arbeiten zu können.
Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht im mindesten, wie man so etwas nicht sogar einfordert von der Belegschaft, wenn man ein Haus zu übernehmen gedenkt! -

Was die schlechten Witze anlangt, bin ich wirklich nachsichtiger als Sie und auch nicht so leicht in schlechte Laune zu bringen und ich glaube, das liegt an meiner Erfahrung mit Medizinern... man kennt das übrigens auch von sich selbst als Kind: Wenn man besonders viel Angst hat, vor neuen, ganz und gar undurchsichtigen Situationen, fässt man einander an die Hand - auch wenn man sich gar nicht kennt - undoder beginnt zu singen - Erwachsene schämen sich meist, so etwas Kindliches zu tun, wenn sie Angst haben vor neuen und ganz und gar undurchsichtigen Situationen - Ein Probenbeginn ist so eine Situation, besonders wenn Gäste oder ein/e neue/r RegisseurIn mit einem Nimbus dabei sein wird - und Erwachsene machen deshalb statt zu singen gerne sehr schlechte Witze - Das gemeinsame Lachen auf niedrigsten gmeinsamen Niveau ist meist ein erster Schritt gegen die Angst und in eine neue Gemeinsamkeit - Worauf es ankommt, ist, dass es dabei nicht bleibt -
Ich habe furchtbare Witze von Ärzten gehört, die durch einen Eingriff mit ihren Händen einen Menschen retten wollten oder eine peinliche Situation mit einem Körper einer Person, vor deren Persönlichkeit sie sehr viel Respekt hatten, überspielen wollten - man muss aber immer wieder rausfinden aus so einer Situation, denk ich - und das gelingt vielleicht vielen nicht so gut...
gesagt, habe ich bei Hartmann den Eindruck nach seinen Antworten auf die Vorwüfe, dass er das könnte, da wieder rausfinden. Von anderen Regisseuren hatte ich diesen Eindruck nicht. Deshalb habe ich ein bisschen den Eindruck, dass er diesmal wirklich öffentlich zum Sündenbock gemacht werden soll von Regisseuren (oder Intendanten?), die das vielleicht viel weniger können als er: Sich entschuldigen, Motive für Entscheidungen offenlegen, vergangene, für andere unangenehme Situationen konkret reflektieren???
Offener Brief Burg: Blödsinn
@21 Das ist ein absoluter Blödsinn.Wo haben Sie dennn disen Quatsch her?
Manfred Böll
Offener Brief Burg: falsches Bild vom Genie
Ich bin seit nunmehr über 30 Jahren an Theatern künstlerisch tätig und konnte in dieser Zeit immer wieder beobachten, wie unmögliches Verhalten un der Missbrauch von Macht als vermeintlich große künstlerische Taten interpretiert wurden. Es galt und gilt ganz oft..zu oft : " je höher der Arschloch_Faktor , desto Kunst"
Ich konnte nicht ein einziges mal ein Korrelat von "Arschlochverhalten" und großer Kunst feststellen. Da hängt immer noch ein falsches und überkommenes Bild vom Genius in der Luft...das ist leider richtig zum kotzen und hat vielen sehr talentierten Menschen den Weg verbaut. Den Menschen, die es nicht nötig haben, sich wie Arschlöcher zu benehmen. Das System hat es zugelassen und befördert..immer wieder.
Offener Brief Burg: es geht um öffentliche Kultureinrichtungen
100% Zustimmung für einen offenen Brief/eine Art Manifest der Belegschaft an den künftigen Leiter des Burgtheaters (Inhalt: wer hat über was Entscheidungsmacht, wie gehen wir in Zukunft miteinander um, wie wollen wir arbeiten, wo liegen Grenzen)
.. sowie eine genaue Analyse der Arbeitsbedingungen an deutschen Theatern GENERELL

Die Zeiten des allmächtigen Intendanten-Genies, der alles darf (konkret z.b. an vielen Häusern mit seiner Unterschrift über wesentliche Budgets und Gehälter entscheidet!!), weil er ein toller Regisseur ist und ohnehin als Genie alles richtig weiß, sollten ein für alle mal vorbei sein!!!

Ein Argument (aus vielen) gegen "es ist ja überall so": Im Unterschied zu Wirtschaft/Konzernmanagern geht es hier um öffentliche Kultureinrichtungen, die Macht über diese darf auf keinen Fall bei einer Person bzw. einem Intendanten-König alleine liegen!
Offener Brief Burg: Namensnennung
"Nicht unwahrscheinlich ist, dass bald auch Fälle von sexuellen Belästigungen im Theaterbetrieb aufgedeckt werden. Bei der Namensnennung von fünfzehn Regisseuren hebe sich bei Branchenkennern „keine Augenbraue“ mehr, deutete die Schauspielerin Pauline Knof unlängst in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ an." (Strauss, FAS) Nun müsste Pauline Knof Namen nennen, sonst sind es wieder nur alle gewesen. Was andererseits wahrscheinlich ebenfalls nicht schlecht ist, denn höchstwahrscheinlich sind es alle. Aus der Perspektive der Betroffenen. Mitwisser, Beschützer, Profiteure.
Presseschau Offener Brief: absprechen
Manfred Böll,

sie sind wirklich so klasse. Ich habe erst Jahre später verstanden, warum sie das Erbe ihres Vaters ausgeschlagen haben. Großartig!

Aber können Sie sich bitte etwas besser mit ihrem ehemaligen Chef absprechen?!

Denn, wenn Türen-Eintreten seine leichteste Übung war, wie hat er dann erst Andersdenkenden ihr Gedankengebäude zertrümmert?!
Offener Brief Burg: Heuchelei
Dieser sogenannte offene Brief ist so verlogen. Heuchelei scheint die Todsünde der Stunde zu sein. Bzw. sollte sie aus aktuellem Anlass ganz schnell als solche in den Katalog aufgenommen werden.
Offener Brief Burg: unverstanden
Lieber Herr Baucks,
Vielen Dank für das Kompliment, aber Sie haben rundherum gar nichts verstanden.
Offener Brief Burg: Kraft ins Nirvana?
#31 Das ist doch kein Argument gegen diesen offenen Brief und die Diskussion über Machtmissbrauch an einem der grössten Theater im deutschen Sprachraum.
Ob die Unterzeichnenden sich in jeder Situation, ihrer Auffassung nach toll verhalten hat oder nicht, ändert erstmal nichts an der Tatsache, dass es dringend geboten ist über Machtverhältnisse in öffentlichen Betrieben, zu denen Theater nun mal zählen, zu diskutieren!!
Was eine überflüssige Zerfasserung der Debatte!
Immer dasselbe, da könnte sich eine Kraft entwickeln und dann wird die auch schon wieder von persönlichen Ressentiments und Nebenschauplätzen ins Nirvana geführt.
Offener Brief Burg: Andersdenkende?
Zu #30: Lieber Baucks - es war meine eigene Bürotür! Zu #32: Lieber Manfred, gibs auf.
Offener Brief Burg: politisch korrekt
Ja das erklärt ja alles Herr Steckel! Dann haben sie die Tür sicherlich gewaltfrei und politisch korrekt eingetreten, ganz ohne patriachale Machtdemonstration!
Offener Brief Burg: bitte keine Compliance-Regeln
Einst trug sich in Köln folgendes zu: ein Schauspieler fühlte sich während der Hauptprobe durch das Getuschel seines Regisseurs missachtet und gedemütigt. Er unterbrach und rannte von der Bühne. Er schwang einen Eisenstuhl, der sich leider in Kabeln verfing, den Regisseur also verfehlte und ihn selbst traf. Mit blutendem Kopf kam er in die Ambulanz.

Soweit die Geschichte von Emotionen, macht und potentiellem Missbrauch, von Widerstand bzw Gewaltausübung. Und von Unprofessionalität. Wir saßen stumm herum, und keiner hat irgendwen angezeigt oder die Zeitung angerufen. Der Regisseur hat den Mordanschlag überlebt, der Täter, im übrigen eigentlich ein harmloser, besonnener Mensch, im übrigen auch. Theater geht nur Unprofessionalität. Deswegen arbeiten wir da. Wir wollen keine compliance-Regeln wie bei der Stadtverwaltung. Und sind doch sehr empfindlich, wenn aus künstlerisch emotionalen Grenzüberschreitungen systematische Verachtung wird. Die Grenzen sind fließend. Schutz vor ihnen gibt es nur, wenn es Gewaltenteilung gibt anstatt monopolistische Konzentration beim sogenannten Genie. Dann würde nämlich die theaterinterne judikative sagen: lieber Matthias, der angeblich übliche toi toi toi Klaps auf den Po gehört nicht zu unserem Repertoire.
Offener Brief Burg: tut auch nichts
@Beckett: Schön, Ihr letzter Satz. Dazu muss man jedoch auch sagen, dass die theaterinterne Judikative- sei es die Personalabteilung / Justiziariat oder auch als Arbeitnehmervertretung der Betriebsrat- doch sehr häufig nichts tut und egal um welchen Mitarbeiter es sich handelt, nicht unterstützend auftritt. Es will doch keiner Ärger. In Stadtverwaltungen, was Sie als Beispiel genommen haben, nicht und am Theater doch erst recht nicht.
Offener Brief Burg: einfach sagen
#36: Wie grässlich: "theaterinterne Judikative" in solchen Fällen - Warum kann nicht einfach eine Schauspielerin oder ein Schauspieler das zu einem Regisseur sagen, wenn sie/er nicht beklapst sein will? Sogar einigermaßen humorvoll - alle Menschen haben schließlich dem jeweils anderen mitunter vorkommende Angewohnheiten, intime Gefühle auszudrücken. Eine Theaterpremiere einer gemeinsam über Wochen erarbeiteten Inszenierung IST für alle Beteiligten ein intimes Gefühl - Wenn jeder sagt, der das oder ähnliches als Gefühlsausdruck nicht will, dann wird sich auch diese übergriffige Gewohnheit im Arbeitsbereich nicht einschleichen und es können dann geschmackvollere Austausche von "toitoitoi" stattfinden, die für alle Beteiligten als sich in akuter psychischer Hochspannung befindendes Kollektiv - das schließt die Regie übrigens ein - das bringen, was sie gegen das Lampenfiefer, die Publikumsangst und die Vorstellungshemmung vor Öffentlichkeit bringen sollen: ein "Kopfhochwirdschonwerden", "allesgutgewesenbishierheralsowirdesschonschiefgehen" usw.
Offener Brief Burg: Wunsch nach Stille
Herrgoottnochmal Herr Baucks, man kann auch Mal Dinge zerstören aus Ärger über sich selbst, glauben Sie mir, das gibt es, ohne irgendwelche Demonstrationen von Macht oder sonstwas. Schenken Sie uns doch alle Mal einen Moment Stille von Ihnen.
Offener Brief Burg: Missbrauch des Missbrauchs
Wenn man im Mehrdeutigen das Eindeutige sucht, wird es immer schwierig und missverständlich. Eine Vergewaltigung, wurde sie angezeigt und gerichtlich durch ein Urteil sanktioniert, ist eine eindeutige Sache und strafbar. Solange die Debatte an diesen Tatbestand gekoppelt bleibt, zielt sie auf Eindeutiges. Jemand, der Sex oder Liebe, sei es nun ein Mann oder eine Frau, mit Gewalt erzwingt, dessen Ehre und Glaubwürdigkeit ist dauerhaft verloren. Liebe und Sexualität basieren in unseren Gesellschaft auf dem Grundwert der Freiwilligkeit. Einen Zwang darf es nicht geben und er wird bestraft. Diese Freiwilligkeit ist ein sehr hoher Wert und er wird aktuell zu recht verteidigt.

Diesem Wert sind seit langer Zeit einige Verhaltensweisen zugeordnet, die darauf verweisen könnten, dass es sich um eine anbahnende Situation für eine Vergewaltigung handeln könnte und sie werden unter dem Begriff sexuelle Belästigung zusammengefasst. Was genau dazu gehört, ist heute wieder strittig. Es könnte ein mehrdeutiges Gedicht im öffentlichen Raum sein, eine Hand auf einem Knie oder vieles mehr. Diesen Katalog von Verhaltensweisen neu festzuschreiben scheint an der Zeit zu sein. Betroffen von solchen Verhaltensweisen sind sowohl Männer wie Frauen, und sie gehen von beiden Geschlechtern aus. Kein Geschlecht hat hierbei eine wirkliche, qualitative Alleinstellung. Ausgenommen sind hiervon mögliche Schwangerschaften durch eine Vergewaltigung.

Unangenehm wird es dann, wenn dieser Katalog von Verhaltensweisen genutzt oder willkürlich erweitert wird, um unliebsame, streitbare Personen öffentlich verdächtig zu machen, ohne das ihnen eine Straftat nachgewiesen wurde. Dieser Fall kann nie ausgeschlossen werden. Oder um Menschen aus einer Position zu verdrängen, um sie danach selber zu bekleiden. Es gibt einen Missbrauch des Missbrauch.

Wenn man aber, wie ich schon mal vorschlug, die Debatte um den Machtmissbrauch am Theater von der sexuellen Straftat entkoppelt, denn sie wird ja nicht allein von Mächtigen verübt, entsteht ein ganz anderes Bild. Sicherlich gibt es einzelne Menschen, die nach einem ungeschriebenen Gewohnheitsrecht meinen, da ihnen ja so oder so der ganze Betrieb als Entscheidungsträger*innen zu Diensten steht, müssten sie auch weitgehend freien Zugang zu Intimitäten haben. Wieso sollten sie in der Liebe und dem Sex plötzlich wieder, wie alle anderen auch, machtlos dastehen? Fragen sie sich unbewusst und greifen zu. Dieser Zugriff ist schändlich und strafbar. Darin besteht ein breiter Konsens.

Aber beschreiben sich allein darin die wesentlichen Funktionsweisen von Machtmissbrauch? Der offene Brief vom Burgtheater geht weit über diesen Tatbestand hinaus. Er beschreibt ein Arbeitsklima. Er giert nicht nach saftigen Beispielen. Das kann man nur begrüßen. Er hat die Entkoppelung von Eindeutigem zu Mehrdeutigem im Ansatz vollzogen. Ein solches Klima zu beschreiben, ist immer schwierig und komplex. Und der ein oder die andere, die sich bisher lediglich für ein Opfer hielten, werden wohl überrascht sein, wenn sich plötzlich herausstellte, dass sie aktiv zu diesem schlechten Klima beitrugen. Immerhin redet der Brief davon, dass man sich immer noch im Echoraum der Wirkungen der Intendanz Hartmann befindet.

Die ganze Debatte wird bisher so geführt, dass man den Systemwandel vollziehen könnte, wenn man nur den ein oder anderen „Vergewaltiger“ aus dem Betrieb entfernte. Das erscheint unwahrscheinlich, denn Mord und Vergewaltigung und auch Machtmissbrauch gingen noch nie aus der Welt, weil man ein paar Täter und Täterinnen in Haft nahm. Die Verdrängungen solcher Strukturen aus einem Betrieb gehen immer von einem Gesamtklima aus.

Angstfreiheit, Gewaltfreiheit, körperliche Unversehrtheit sind dabei unabdingliche Grundsäulen.

Nur ist es eben leider auch so, dass die Arbeit von Schauspieler*innen darauf beruht körperliche Extreme, Ausnahmezustände zu erreichen, die gerade das thematisieren, nämlich Gewalt und Missbrauch. Es ist nicht das erste Mal, dass Probesituationen für solche Themen hinterfragt werden und auch hier gilt die Freiwilligkeit als absoluter, nicht zu relativierender Maßstab. Diese Freiwilligkeit wird häufig durch permanente Machtdemonstration, sei es nun durch Zottigkeit und Anzüglichkeit beinahe täglich unterwandert, um nicht immer wieder den mühseligen Weg der beidseitigen Zustimmung gehen zu müssen. Es herrscht Druck im Betrieb, um die Wege unsittlich zu verkürzen. Das ist auf Dauer ein sehr unangenehmes und schädliches Klima, in dem keine wirklich gute Kunst entstehen kann, obschon vielfach immer wieder das Gegenteil behauptet wird, und dies vorzüglich von denjenigen, die den Druck aufbauen und ausüben. Das können Frauen, das können Männer oder auch Schauspieler*innen wie Regisseure*innen sein. Da gibt es eben keine Eindeutigkeit. Jemand, der mit einem Stuhl auf einen anderen losgeht, setzt ihn ganz erheblich unter Druck und sollte sich dafür verantworten müssen. Auch das ist eindeutig.

Ein besonderes Arbeitsfeld in all dem ist der strukturelle Sexismus. Ihm gilt spezielle Aufmerksamkeit. Aber auch hier gilt: Druck kann von allen Geschlechtern aufgebaut werden, auch von Frauen, wie wir es gerade erleben.
Offener Brief Burg: Zusammenhang Liebe Sex
Liebe basiert nicht nur in unserer Gesellschaft auf Freiwilligkeit. Liebe ist überhaupt nicht zu erzwingen.
Das halte ich für einen Grundirrtum.
Deshalb gibt es ja das Delikt Sex zu erzwingen. Weil er im Allgemeinen als Liebes-Beweis verstanden wird. Was er u.a. sein kann - aber wesentlich nicht sein muss.
Offener Brief Burg: bester Artikel
http://www.taz.de/Kritik-an-Ex-Chef-des-Burgtheaters-Wien/!5481965/

"Das Theater hat sich immer als fortschrittliches Korrektiv der Gesellschaft verstanden. Aber oft waren es gerade die selbstherrlichsten unter den Intendantenfürsten, die sich als Gegenspieler der „Mächtigen“ in Szene setzten. Jetzt geht’s ans Eingemachte. Das Theater selbst ist politisch geworden. Das ist eine Chance."

Der beste Artikel zur Debatte, das sage ich als jemand, der am Theater arbeitet und viele Proben miterlebt hat. Punktgenau. Bitte lesen! Danke, taz
Offener Brief Burg: mehr Liebesphilosophie
#41: Ergänzend möchte ich hinzufügen, weil ich es für nicht weniger wichtig halte, insbesondere eingewdenk einiger zeitgenössisch modisch gewordener Philosophien:
Auch Nicht-Liebe lässt sich nicht erzwingen.
Weshalb es die sehr schlechte Angewohnheit gibt, Lieben und Liebende wesentlich zu leugnen. Weil beides unsere Fähigkeit Gefühle zu haben, zu erkennen und uns zu ihnen vor allem nicht-öffentlich zu bekennen, herausfordert.
Das ist unbequem und kann in einer durchkapitaliserten Welt existenziell gefährdend sein, so etwas zu tun. Das Kapital lebt von der spektakulären Veröffentlichung. Die öffentliche Behauptung, es gebe keine Liebe mehr - also auch keine wahrhaft Liebenden - ist spektakulär, weil sie das Wesenhafte des Menschen abstreitet.
Offener Brief Burg: Naivität
Das stimmt ja leider nicht, liebe Rust. Man kann Kinder, die darauf angewiesen sind sich die Welt durch Neugier und Liebe zu erobern, durchaus in einen Zustand der Devotion nötigen, so dass sie all ihre Hingabe und Liebe unfreiwillig an Täter und Täterinnen weiterreichen, ohne, dass der Missbrauch für sie schon bewusst wäre.

Nun will ich nicht behaupten, dass man als Schauspieler wieder zum Kind wird, aber ein gewisses Maß an Naivität fordert das Schauspiel, und dem Sinne sind die Verhältnisse leicht zu missbrauchen.
Offener Brief Burg: Hallo?
Was ist warum eigentlich so schwer bei alldem?

Die durch #MeToo ausgelöste Debatte war überfällig. Noch geht sie aber nicht weit genug. Noch bleibt sie anekdotisch.

Der offene Brief der Kolleg*innen von der Burg ist angesichts seines sehr skrupulösen und auch selbstkritischen Gestus wirklich sympathisch.

Aber auch er geht nicht weit genug, auch er bleibt anekdotisch, weshalb es dem Ex - Intendanten Hartmann sehr einfach gemacht wird, anekdotisch zu antworten.

Beide Seiten stecken in der gleichen Sackgasse fest: sie glauben beide an angeblich feststehende hierarchische Gefälle, die irgendwie „abgeflacht“ werden sollen.

Und beide Seiten vergessen dabei den so uralten klugen Satz, der dabei auf allen Theaterproben überall Standard ist: „Den König spielen immer die anderen“.

„Den König spielen immer die anderen“ heißt übertragen: der König ist nicht alleine verantwortlich für die Schweinereien, die er begeht. Sie wären vielmehr gar nicht möglich, wenn „das Volk“ sie nicht decken würde. Mit Widerstand zur rechten Zeit könnten die König*innen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Hochform auflaufen.

Es gibt ein Märchen namens „Des Kaisers neue Kleider“. Ist darin der Kaiser der einzig Schuldige?

Wir sind, fürchte ich, noch lange nicht so weit, wie wir gerne wären.

Warum eigentlich? Warum ist nachdenken und dann entsprechend handeln so schwer?
Offener Brief Burg: Mentalitätswechsel
meiner meinung nach liegt das kernproblem des machtmissbrauchs tatsächlich auch am geld und der oft doppelten machtkonzentration, ... und da kann ich mich wirklich nur Herrn Kümmels Überlegungen anschließen, oder auch ich möchte an dieser Stelle auch gern auf das "Ensemble-Netzwerk" verweisen ... die sagen ja ganz eindeutig, neben der unbedingten Forderung nach mehr Geld: wir wollen den Menatlitätswechsel
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