Presseschau vom 18. Oktober 2014 – Der Tagesspiegel berichtet über türkische Theaterzensur

"Ich werde stöhnen wie ein Hase"

"Ich werde stöhnen wie ein Hase"

18. Oktober 2014. Über Zensur bzw. Zensurversuche der türkischen Regierung bei einzelnen Theaterproduktionen berichtet heute Thomas Seibert im Berliner Tagesspiegel. So verlangte etwa das türkische Kulturministerium die Verschiebung der Uraufführung von Kazim Aksars Stück "Sogar beim Untergehen ist die Sonne groß" (über Johann Wolfgang von Goethe) am Staatstheater in Istanbul sowie eine Streichung beanstandeter Passagen. Die Beamten des Ministeriums rügten, "dass einige Passagen für ihren Geschmack 'etwas offen' seien."  Einer der inkriminierten Sätze lautet: "Ich werde stöhnen wie ein Hase." Die Opposition spreche "von einem weiteren Beispiel für die Versuche der islamisch-konservativen Regierung, der Gesellschaft ihre Wertvorstellungen aufzuzwingen."

Weiter heißt es bei Seibert, der Generaldirektor der türkischen Staatstheater, Mustafa Kurt, sei aus Protest gegen die Forderungen von seinem Posten zurückgetreten. Ankara wiederum werfe Kurt vor, "er habe wegen eines Disziplinarverfahrens ohnehin kurz vor dem Rausschmiss gestanden, mit seinem Rücktritt wolle er sich nur zum Helden stilisieren."

Videoaufnahmen zur Überprüfung

Krach gebe es auch "um ein anderes Stück, das vom Kampf einer Schauspieltruppe im Kosovo gegen Bürokratie und Korruption handelt. Die Oppositionszeitung Cumhuriyet meldet, das türkische Kulturministerium sei den beiden Produktionen gegenüber so misstrauisch gewesen, dass es die Theatermacher verpflichtet habe, Videoaufnahmen der Generalproben zur Überprüfung nach Ankara zu schicken."

Seibert erinnert auch an ähnliche Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit, etwa daran, dass Recep Tayyip Erdogan eine Skulptur des Bildhauers Mehmet Aksoy in Nordostanatolien als "monströs" bezeichnete, "worauf die dortigen Behörden den Abriss des Kunstwerkes beschlossen."

Aksars Goethe-Stück ist derweil "trotz der Einwände des Ministeriums in der ursprünglichen Fassung aufgeführt" worden.

(wb)

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