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Mit Schwierigkeiten: Das BE gastierte in Teheran

Ohne Platzpatronen

Teheran, 13. Februar 2008. Am gestrigen Abend hatte das Gastspiel vom Berliner Ensemble mit Claus Peymanns Inszenierung "Mutter Courage und ihre Kinder" auf dem Fadjr-Festival in Teheran Premiere. Gegen dieses Gastspiel hatte das "Komitee gegen deutsche Kultur im Iran und anderswo" für den 8. Februar, vor der Premiere von Peymanns Richard III. am BE, zu einer Gegendemonstration aufgerufen (wir meldeten).

An der Demonstration nahmen gut 20 Personen teil. In einer hitzigen Diskussion mit Peymann warfen sie ihm Naivität vor; mit diesem Gastspiel unterstütze er ein antisemitisches Regime. "Sie haben keine Ahnung von Theater!", erwiderte Peymann. "Sie denken leider überhaupt nicht dialektisch", so Peymann weiter, "vielleicht denken Sie gar nicht!"

Nach der gestrigen, unter diversen Schwierigkeiten zustande gekommenen Gastspiel-Premiere hat nun das BE eine Pressemitteilung verschickt, die hier ungekürzt zitiert sei:

"Mit stehenden Ovationen bedankte sich das Publikum gestern abend in Teheran anlässlich der Premiere des dreitägigen Gastspiels des BERLINER ENSEMBLES auf dem Fadjr-Festival mit Bertolt Brechts MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER (in der Inszenierung von Claus Peymann) in der Vahdat-Halle.

Die Aufführung war nur unter Schwierigkeiten zustande gekommen und buchstäblich erst in letzter Minute vor der Premiere überhaupt gesichert. Ursache waren: Planungsfehler und diverse Pannen, sowie die – gegenüber unserem früheren Gastspiel auf dem Fadjr-Festival 2002 mit Shakespeares RICHARD II. – unter der neuen Regierung wesentlich verschärften Auflagen der Sicherheitsbehörden und der Sittenpolizei.

Außerdem wurde kurzfristig die Schwärzung vieler Fotos in unseren (in Teheran besonders begehrten) Programmbüchern verlangt. Aber vor allem waren es Probleme mit den in der MUTTER COURAGE benötigen Waffen.

Einige Tage vor unserem Gastspiel hatte der amtierende Präsident der iranischen Republik Ahmadinedschad im gleichen Theater eine Rede gehalten. Die Schäferhunde der Sicherheitspolizei erschnüffelten in unseren Requisitenkoffern die von uns vorher schriftlich angegebenen und übrigens für jedermann sichtbar völlig unschädlichen Theaterwaffen. Diese wurden beschlagnahmt und verschwanden in den Arsenalen der Sicherheit.

Nach tagelangem Streit fanden sich die zwei Gewehre und der leider zerstörte Revolver wieder. Mit diesem sollte am Ende unserer Aufführung die "stumme Kattrin" erschossen werden. Bis an den Rand der Legalität wurden alle möglichen Ersatzrevolver angeboten. Aber keine dieser Ersatzwaffen konnte Platzpatronen verschießen, sondern nur scharfe Munition. Das wollte Claus Peymann nicht.

Wir halten dennoch unsere Entscheidung, mit Brechts bewegendem Antikriegsstück COURAGE – auch gegen viele Stimmen und gar eine Demonstration vor dem Theater am Schiffbauerdamm – auf dem Fadjr-Festival zu gastieren für richtig, und vielleicht gerade wegen der erlebten Schikanen für wichtig.

Das Fadjr-Festival, das in diesem Jahr zum 26. Mal stattfindet, ist nach unserer Meinung das wichtigste Theaterfestival außerhalb Europas. Viele hundert Theater- und Filmemacher aus aller Welt, zahllose Studenten- und Amateurtheaterleute begegnen sich, tauschen ihre Fantasien aus und verwandeln Teherans Straßen in eine große Theaterbühne.

Die Kunst hält das immer kleiner werdende Fenster in den Mauern, die heute die Welt längst wieder teilen, offen. Gespräche mit Künstlern, Theatermachern und Filmregisseuren – und natürlich dem Publikum, bestätigen wie wichtig derartige Gastspiele im Iran sind. Der Durst der Menschen nach Begegnungen mit einer anderen Welt ist ungeheuer groß. Die Freude und Dankbarkeit unserer Zuschauer in Teheran erfüllt uns mit Freude und Dankbarkeit."

www.berliner-ensemble.de 

(dip) 

 

 

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