Hauptaspekt Sprache

13. November 2014. Die Berliner Festspiele reagieren auf die Kritik an ihrer Neugestaltung des Stückemarkts beim Berliner Theatertreffen. In der heute erschienenen Ausschreibung für 2015 sind europaweit Dramatiker_innen und Theatermacher_innen eingeladen, sich zu bewerben, unter der Voraussetzung, "dass das Medium Sprache ein Hauptaspekt der Arbeit darstellt und die Künstler_innen am Anfang ihrer Karriere stehen".

Nach der Ausweitung des Stückemarkts auf performative Arbeiten (2012), als Ergänzung zu den bis dahin in szenischen Lesungen vorgestellten Dramentexten, hatte sich der Stückbegriff des Stückemarkts zuletzt vom Textbegriff abgelöst. Auf der diesjährigen Ausgabe des Festivals waren zwei von drei Arbeiten vertreten, die als Performance- bzw. Installationstheater dem sprachlichen Zeichensystem keinen bzw. einen untergeordneten Rang einräumten (siehe den Stückemarkt-Überblick auf nachtkritik.de). Der schwindende Stellenwert des Literarischen war daraufhin u.a. vom Förderer des Stückemarkts Heinz Dürr via Frankfurter Allgemeine Zeitung moniert worden.

Jetzt wieder Wettbewerb und Jury

Das ebenfalls in die Kritik geratene Patensystem, in dem drei Künstler je eine persönliche Einladung aussprachen, wird durch die Rückkehr zum Wettbewerbs- und Juryprinzip abgelöst. Juror_innen für 2015 sind: Tim Etchells, Autor, Regisseur und Performer (Forced Entertainment, New York/Sheffield), Helgard Haug, Autorin und Regisseurin (Rimini Protokoll, Berlin), Lutz Hübner, Autor (Berlin), Milo Rau, Autor, Regisseur, Recherchetheatermacher (Zürich/Köln) und Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens (Berlin).

Die Jury wählt aus den Einsendungen insgesamt fünf Arbeiten aus, die während des Berliner Theatertreffens (1. bis 17. Mai 2015) als Szenische Lesungen oder Gastspiele gezeigt werden.

(chr)

 

Debattentexte, die die 2013 angekündigte Neuausrichtung des Stückemarktes ausgelöst hatte:

Warum Autoren am Theater nicht mehr gebraucht, Schreiber aber dringend benötigt werden – ein Plädoyer für den Writers' Room von Ulf Schmidt (13.11.2013)

Wunschzettel für einen neuen Stückewettbewerb von Frank Kroll (4.12.2013)

 

 

Presseschau

Als "weitgehende Zurücknahme des neuen Kurses" interpretiert Jürgen Berger die Neuerungen beim nächsten Theatertreffen-Stückemarkt in der Süddeutschen Zeitung (4.12.2014). Die in der 2014er-Edition des Festivals eingeführten Änderungen hätten "allzu kurzschlüssig auf die angeblich zu massive Autorenförderung in deutschen Landen reagiert". Wohl auch wegen der Kritik daran gebe es jetzt "eine neuerliche Kurskorrektur". Von TT-Leiterin Yvonne Büdenhölzer hat Berger sich erklären lassen, wie diese "zu verstehen ist". "Die Sicht des zurückliegenden Stückemarktes auf die aktuelle Theaterarbeit sei sehr radikal gewesen, man habe ja nur einen einzigen klassischen Theatertext nominiert. Da der Stückemarkt sich aber weiterhin als 'Plattform für Autoren' verstehe, werde man künftig gleichberechtigt in zwei Richtungen suchen": nach dem "klassischen Schreibtischtext" einerseits, andererseits nach dem "Theaterabend, der im Kollektiv, durch dokumentarisches Material oder im Rechercheprozess entstanden ist". Auch werde der Wettbewerb europaweit ausgeschrieben. Die Annahme, dass die Kritik des Stückemarkt-Mäzens Heinz Dürr etwas mit den Neuerungen zu tun habe, weise Büdenhölzer zurück. Dürr habe "zu verstehen" gegeben, "dass er uns vertraut und weiter fördern wird."

(ape)

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