Listenreich

11. März 2015. Den Berliner Theatern geht es prächtig. Das besagt eine aktuelle Zuschauerstatistik von 2014 aus der Senatskanzlei, die der rbb veröffentlicht. Die Leute kommen wie wild gereist oder aus dem Kiez gerannt und zahlen auch noch für ihre Tickets (erfasst sind die einzelnen Ticketkäufe). Rund 35.000 Besucher waren es 2014 mehr als 2013. Jubel allerorten, Moment, nein, nicht allerorten. In einem kleinen gallischen Dorf herrscht Katzenjammer: bei nachtkritik.de. Denn der Spitzenreiter kam bei uns noch nie vor. Siehe:


1 Friedrichstadt-Palast 467.229 Tickets

2 Berliner Philharmoniker 264.284 Tickets

3 Komische Oper Berlin 206.661 Tickets

4 Bühnen am Kurfürstendamm 200.260 Tickets

5 Deutsche Oper Berlin 196.737 Tickets

6 Berliner Ensemble 187.038 Tickets

7 Staatsoper Unter den Linden 176.994 Tickets

8 Deutsches Theater / Kammerspiele 145.867 Tickets

9 Volksbühne 143.074 Tickets

10 Konzerthaus Berlin / Schauspiel am Gendarmenmarkt 139.014 Tickets


Wir machen ja nun wirklich alles im darstellenden Bereich, selbst Oper mitunter, Kudamm-Boulevardtheater sowieso, aber den Friedrichstadt-Palast, den gibt's bei uns nicht.

Weil wir Listenfreunde sind und weil heute sowieso Charts-Tag ist, haben wir mal nachgeschaut, wie das Jahr 2014 bei uns aussah. Wie viele Wochen waren die Berliner Häuser mit wie vielen Produktionen in den nachtkritik.de-Charts vertreten? Also:

1. Deutsches Theater Berlin: 27 Wochen (mit 9 Produktionen)

2. Maxim Gorki Theater Berlin: 23 Wochen (mit 8 Produktionen)

3. Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz: 16 Wochen (mit 6 Produktionen)

4. Sophiensäle: 13 Wochen (mit 4 Produktionen)

5. Schaubühne am Lehniner Platz: 11 Wochen (mit 4 Produktionen)

6. Berliner Ensemble: 8 Wochen (mit 2 Produktionen)

7. Staatsoper: 5 Wochen (mit 2 Produktionen)

8. Haus der Berliner Festspiele: 1 Woche (mit 1 Produktion)


fsp 280 goetz schleser uDer Friedrichstadt-Palast Berlin
© Götz Schleser
Eine Top 10 kommt nicht zusammen, das hier war's. Und schief ist die Liste auch, naturgemäß: Bei beiden Charts-Produktionen des BE etwa hat Leander Haußmann das Regiezepter geführt (HamletWoyzeck), fürs Deutsche Theater punktet kräftig Sebastian Hartmann (Der Löwe im Winter, Woyzeck) – der eine wie der andere sind Volksbühnen-Mannen, im Geiste wie nach ihrer Künstler-Vita. Die Punkte könnte man also getrost rüberschieben. An der Staatsoper trumpften Katie Mitchell (ansonsten Schaubühne) und Nicolas Stemann (Deutsches Theater) auf. Wer der Relevanz-Liste nachgehen wollte, da wäre noch einiges zu bereinigen.

Nur der Friedrichstadt-Palast, gestehen wir es, der kommt auf nachtkritik.de nirgendwo vor, nicht in einer mageren Kritik, nicht im Ranking. Höchstens vielleicht, Moment, ja: Ins Weiße Rößl (2010 an der Komischen Oper) verlor sich eine dieser nacktwadenfunkelnden Choruslines, wie sie der Revuetempel in jeder Show zelebriert (an der Oper tanzten allerdings Stubenmädchen). Und in Nicolas Stemanns Aufhören! Schluss jetzt! Lauter! 12 letzte Lieder (2011 am Deutschen Theater) galt der frivol glitzernde Publikumsmagnet an der oberen Friedrichstraße als schier übermächtiger Konkurrent, in dessen Angesicht der Theaterregisseur die Sinnloskeit seines eigenen Unterfangens verspürte.

Aber nein doch, hören wir auf zu mogeln. Wir haben den Friedrichstadt-Palast, dieses allerbeliebteste der Berliner Theater, nicht im Portfolio. Ein Versäumnis! Ein Versäumnis?

(Christian Rakow)