Der neue Himmel - Nolte Decar verwirren bei den Autorentheatertagen des Deutschen Theaters Berlin
Huuuuch!!!???
von Michael Laages
Berlin, 26. Juni 2015. Im Ernst, und kurz und grob: Text und Inszenierung wären jedes für sich kein Wort weiter wert. Aber "Der neue Himmel", das szenische Geschreibsel der Herren (Jakob) Nolte und (Michel) Decar, nahm offenkundig die Hürde der Jury-Auswahl für die Autorentheatertage am Deutschen Theater in Berlin. Apropos Jury: Das theatertreffen-typische Jury-Bashing zum Finale sollte jetzt dringend auch hier eingeführt werden... Außerdem übergab die Leitung von Bühne und Festival die Uraufführung zum Finale des Neue-Stücke-Marathons mit Sebastian Kreyer einem noch jungen Regisseur, der sich schon an einigen Bühnen (Bonn, Bremen, Hamburg) bewährt zu haben schien. Und weil beides nun mal so ist, muss bedauerlicherweise doch noch Text und Lebenszeit auf diese polternd-präpotente Peinlichkeit verwendet werden.
Explosion im Briefkasten
Also: Herr Nolte und Herr Decar reisen durch die Welt im ersten Teil des Werkes. Zunächst nach Neuseeland und zu den Maori. Dort treffen sie (beziehungsweise eine nicht näher definierte Ermittlerin samt Übersetzerin) Häuptling Macky Tulu, vor dessen Küste gerade eine Yacht in Flammen aufging. Aber keiner hat was gesehen, schon gar nicht Macky Tulu. Das Damen-Duo beamt sich flugs weiter nach Kolumbien und fährt Omnibus in den Vorstädten der Hauptstadt Bogota. Während sich neben ihnen zu Shakira-Gelärme eine kleine Liebesgeschichte entspinnt, fliegt der Bus in die Luft – erstaunlicherweise in einem Tunnel. Kluge Bombe! Tolle Fernsteuerung!Wo bitte geht's hier zum Zwergflusspferd? Miriam Maertens, Julia Kreusch, Benedict Fellmer, Lisa-Katrina Mayer © Tania Dorendorf / T+T Fotografie
Genau darum scheint's zu gehen: um ferngesteuerte Killer-Drohnen, Lieblingsspielzeug vor allem amerikanischer High-Tech-Krieger. Die nächste erwischt chinesische (!) Antarktisforscher im ewigen Südpol-Eis, die gerade über kluge Bücher und verbotene Liebe diskutieren. Dann treffen wir (in Eisbär-Kostümen!) ein sonderbares Hippie-Mädchen-Pärchen in Kanada. Hier passiert eigentlich gar nichts – nur der Papa der einen hat sich als Mama verkleidet, und im Briefkasten explodiert's ein bisschen. Getanzt wird auch. Tja. Irgendwo dazwischen sucht noch eine Forscherin in Afrika nach Zwergflusspferden, eins steht auch auf der Bühne rum. Und der schmucke Assistent der Forscherin (gern knackig nackt obenrum) entdeckt in der Video-Kamera die Aufnahme der Explosion eines weiteren Drohnenopfers. Da will er prompt die Chefin entleiben ... oder vielleicht doch lieber sich selber? Aus Angst?
Wackelpetergötterspeise
Was für ein fürchterlich haltloses Durcheinander. Teil 2 verspricht Aufklärung – und spielt auf einem englischen Landgut. Nebenan ist eine Militär-Basis, und eine rätselhafte "Brigitte" sitzt stumm bei der Gutsfrau herum. Tee wird ihr mit Kerosin serviert ... Der (natürlich schwule!) Sohn hat die Fabrik der Gutsherrin zu Grunde gewirtschaftet und fummelt lieber mit dem lokalen Richter herum. Huuuuch! Vor kurzem ist übrigens der Chauffeur samt Fahrzeug in die Luft gesprengt worden – und ein Kommissar, der die dämliche Kostümierung aus alten Nick-Knatterton-Zeiten trägt, klärt nun auf, dass vermutlich Frau "Brigitte“ mit dem Militär hinter allem steckt; und Drohnen um die Welt schickt.
Da bringt "Brigitte" vernünftigerweise nach und nach alle um; schlimmstenfalls mit roter Wackelpeter-Götterspeise. Dazu singt sie was Klassisches. Na sowas.
Schade – aber mehr als derart geistloses Runtererzählen ist nicht drin bei diesem Quadrat-, ach was: Kubik-Schmarren. Wenn wenigstens ab und an ein wenig Zusammenhang gestiftet würde – aber dafür ist nichts und niemand zuständig. Geht's vielleicht tatsächlich um kriegerische Drohnen-Strategien, also um Politik? Kaum zu glauben. Der Text sagt: Nein. Schon weil die Sprache aus der alleruntersten Schublade stammt – wird eigentlich so etwas gelehrt im Studiengang "Szenisches Schreiben? Keinem Plattwitzchen gehen die Jung-Stars aus dem Weg, und derart fahl und flach tapst der Text dahin, dass die Mitgliederinnen und Mitglieder aus dem Züricher Schauspielhaus-Ensemble mit der Zeit nur noch zu bedauern sind ... sie müssen das Zeug ja ab September vor heimischem Publikum spielen! Und zwar ohne berufsmäßige Festivaljubler wie in Berlin ...
Halbgar gebrüht
Regisseur Kreyer übrigens macht alles immer nur noch schlimmer – setzt auf ulkige Verkleiderei (beim Maori-Häuptling, den Eisbären, den Chinesen am Pol), knallt die nötige Umkleide-Zeit für die geschundenen Akteure und -innen zu mit halbgar gebrühter Musik und hofft vielleicht tatsächlich, dass er dem zutiefst belanglosen Text mit noch belangloseren Zutaten beikommt.
Es ist schrecklich peinlich, wirklich! Und darum reicht's jetzt auch. Vielleicht hilft bei der Erholung eine kleine Kafka-Variation: Im Theater gewesen. Nicht geschlafen. Leider.
Der neue Himmel
von Nolte Decar
Uraufführung
Regie: Sebastian Kreyer, Bühne und Kostüme: Matthias Nebel, Musik: Andreas Seeligmann Choreographie: Sebastian Henn, Licht: Michael Güntert, Dramaturgie: Karolin Trachte.
Mit: Ludwig Boettger, Benedict Fellmer, Julia Kreusch, Miriam Maertens, Lisa-Katrina Mayer, Johannes Sima.
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
www.deutschestheater.de
www.schauspielhaus.ch
Kritikenrundschau
Der Abend, der laut Nolte Decar aus einer intensiven Beschäftigung mit Kriegsdrohnen erwachsen ist, birgt so seine Überraschungen, schreibt Christine Wahl auf Spiegel online (29.6.2015). "Die größte besteht darin, dass der junge Regisseur Sebastian Kreyer es tatsächlich schafft, die Ziellosigkeit des Textes in seiner Inszenierung noch zu überbieten." Wo sich die Autoren um den Erdball zoomen, wälzt sich die Aufführung in Klischees, "die gern lustig wären, aber leider nur zum Abwinken müde sind". Es gebe wirklich keinen Grund, die Autoren für ihr Werk übertrieben in Schutz zu nehmen. "Aber dass die Regie - und/oder die Schauspieler - es mit ödesten Genitalwitzchen und Berlin-Ranschmeißer-Kalauern noch weiter verflachen und den Blindgänger so um den Rohrkrepierer ergänzen, haben sie genauso wenig verdient wie das Publikum." Fazit: "Wirklich schwer zu sagen, was man da eigentlich ganz genau gesehen hat an diesem Abend, an dem es im DT seit langer Zeit mal wieder Buhs für den Regisseur und die Autoren gab."
14.9.2015,): Das Böse komme von den Drohnen, oben im Himmel, so viel werde klar, sonst bleibe das meiste unklar, "Vor allem, was das Ganze eigentlich soll". Dabei fange das "fade Textlein" mit sechs Knotenschürzungen viel versprechend an, inhaltlicher Sprengstoff liege genug herum. Aber die Autoren zündeten ihn nicht. Regisseur Kreyer, ein "Mann für's Grobe", beweise guten Willen reichlich- "Ihm ist nichts zu schade, kein Kalauer zu öde, keine Pointe zu müde" – allein, das Ganze sei nur doof. Das Ensemble sei "formidabel", es ringe dem "dünnen Text, der fadenscheinigen Inszenierung" sogar noch so etwas wie einen "Abglanz von Glamour" ab.
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Komplette Kritik: stagescreen.wordpress.com/2015/06/27/die-globalisierung-als-kindergeburtstag/
Eine Erzählung mit den Mitteln der deutschen Fernsehunterhaltung aus den 70er und 80er, wie soll man sich der globalen Drohnen-Wirklichkeit denn nähern, wenn nicht über Verfremdung.
Da drängen sich Harald Junke und Edgar Wallace doch einfach auf.
Selbst den "Schenkelklopfern" gelang nur das verhaltenene Lachen, während ein Großteil der Zuschauer grübelnd nach dem tieferen Sinn dieser Inszenierung suchten, wenn schlichte Unterhaltung schon nicht klappen wollte.
Einige Zuschauer suchten bald das Weite, während ich, noch immer auf die versprochene Erleuchtung wartend, bis zum bitteren Ende durchhielt. Auch der mörderische Rundumschlag konnte der Inszenierung keine positive Wende mehr geben.
Selbst viele junge Menschen verließen nörgelnd, mit enttäuschten Gesichtern das Theater.
Wenn ich jemals erfahren sollte, was die Botschaft der Veranwortlichen des Deutschen Theaters an das Publikum sein sollte, werde ich in Dankbarkeit eine Kerze anzünden.
Gerade deshalb frage ich:
Was wollten die Veranwortlichen für die Auswahl der Stücke zu den Autorentheatertagen uns mit der Aufführung des Stückes "Der neue Himmel" in dieser Inszenierung dem Zuschauer bloß vermitteln?
Die Betonung liegt auf: diese Inszenierung!
Es steht zu befürchten, dass alle Zuschauer,denen diese Art der Verwurstung des Stückes widerstrebte, nun als Leseschwache bezeichnet werden.
Auch ich habe das Stück gelesen und würde gerne betonen, dass alle platten Witze und sexuellen Anspielungen auf die Kappe des Regisseurs gehen.
Wenn man Texte bei der Uraufführung verändert, doch bitte um sie zu stärken, nicht weil man nicht an ihre Kraft glaubt, oder sie nicht verstanden hat(?)
Der Text lässt Leerstellen, die beim Lesen einen Berg Fragen aufwerfen, nicht über den Text, sondern über den Himmel über unseren Köpfen, Technologie und Verantwortung. Wer das nicht denken will und die Leerstellen mit flachen Schwulenklischees und überzeichneten Figuren zukleistert tut weder dem Text nocht dem Publikum einen Gefallen.
ich fürchte bzw. hoffe Ihnen unterstellen zu müssen, dass Sie das Stück nicht gelesen haben und wenn doch: nicht genau genug oder es war Ihnen egal. Nämlich genauso wie dem Regisseur diese unglaublich misslungene Inszenierung. Zürich/Kreyer wer auch immer dafür alles verantwortlich war, haben eben nicht versucht was aus dem Text zu machen sondern sie haben ihn zerstört. Nicht nur, dass sie die plattesten aller Schenkelklopfer in eine Uraufführung (!) reingeschrieben haben, (deswegen meine Vermutung, dass Sie es nicht gelesen haben) sie haben ihn mit ohrenbetäubenden nonsense-Gesangs- und Tanzeinlagen und einer gewollten trashyness (die da auch nicht drinsteht!!!) und die meiner Meinung nach die Inszenierung zusätzlich auch noch rassistisch werden ließ, denn um Klischees zu bedienen bzw. zu bewirken dass man sich selbst in seinen Vorurteilen ertappt, braucht es halt doch auch ein paar Gramm Hirn mehr ODER eine Form von ERNSTHAFTIGKEIT. Keiner hat hier etwas ernstgenommen weder der Regisseur das Stück, noch die Schauspieler ihre Figuren oder wenigstens die Themen ihre Figuren. Nein immer brauchte es noch einen Eisbären mehr, wenns um Langweile geht. Katastrophal. Das fing schon bei den eingesprochenen Regieanweisungen an. Wie öde. Anstatt sich der Herausforderung zu stellen vom Universum auf einen Fleck der Erde zu zoomen- Wie macht man das!? -Langweiliges Gelabber aus Boxen. Generell: Hier wurde dem Text nicht nur nicht vertraut, es machte sogar den Eindruck als hätte sich das Team über ihn lustig gemacht. Mein ausdrückliches Beileid an Nolte-Decar. Denn dabei steckt soviel Zartheit und Humor in der Einfachheit der Dialoge im ersten Teil.. der zweite Teil könnte dann vielleicht sogar so funktionieren, wie die Züricher versuchten (aber bitte ohne das dazugedichtete, oberflächliche Zwischengeplänkel). Wenn wenigstens diese Morde nicht auch noch so billig gewesen wären.. Aber das ist diese Inszenierung: ein billiger Theatertextmord. RIP
aber Nolte Decar machen einen einzigen Abigag aus dem Theater. Das finden sie ganz geil, das sei ihnen auch zugestanden, aber man kann es nachlesen, und ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Text und Inszenierung. Flach und intelligent-doof und angeblich eine Ecke weitergedacht, aber in Wahrheit nur so scheinschlau (...) Dass das früher oder später einfach eine Bauchlandung wird, war klar. War es von vorneherein. Viel Spaß noch.
"Im einen Moment denkt man, man hat es. Dann denkt man wieder, man hat es nicht. Und wenn man diesen Gedanken zu Ende denkten will, dreht er sch unendlich im Kreis, und wenn man aus dieser unendlichen Schleife nicht mehr rauskommt, ist man wieder verrückt. Weil man etwas verstanden hat."