Mumm in den Knochen

von Reinhard Kriechbaum

Salzburg, 21. August 2015. Da ward also vor ein paar Tagen Österreichs Spitzen-Populist HC Strache gesichtet im Salzburger "Jedermann"-Publikum. Mit ihm Johann Gudenus, ein landesweit bekannter Rechtsaußen und Chef der FPÖ-Fraktion im Wiener Stadtparlament. Die Musiker der "Tischgesellschaft" sahen's und haben reagiert: In ihre jazzigen Improvisationen ließen sie ein paar Takte der "Internationale" einfließen.

Lache, Bajazzo

Medienwirbwel, eh klar. Und die Stellungnahme von Sven-Eric Bechtolf, heuer und im nächsten Jahr Festspielchef, hat sich gewaschen. Man muss sich das Wort für Wort gönnen: "Die Festspiele distanzieren sich ausdrücklich von den Vorgängen auf dem Domplatz anlässlich des Besuches von Herrn Strache bei der Vorstellung des 'Jedermann' am 18.8.2015", schreibt also Sven-Eric Bechtolf, dem ob des Vorfalls der Mumm offenbar so richtig tief in die Knochen gefahren ist.

Und jetzt kommt's dicke: "Private oder politische Meinungskundgebungen der Künstler haben in keiner der Vorstellungen der Salzburger Festspiele die Billigung der Festspielleitung und wir haben das Ensemble ausdrücklich darauf hingewiesen, dergleichen in Zukunft zu unterlassen. Wir entschuldigen uns in aller Form für diese Störung der Inszenierung bei allen Zuschauern." Das also schreibt Sven-Eric Bechtolf dezidiert als "Künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele". Wir empfehlen für nächstes Jahr ausnahmsweise eine Übernahme von den Osterfestspielen. Die hätten nämlich eine Oper parat, in der heißt es: "Lache, Bajazzo".

Strache 560 screenshot facebookHC Strache & Friends auf dem Salzburger Domplatz
Foto: Screenshot von HC Straches Facebook-Seite

Weisungsgebundene Kunstdiener?

Du lieber Festspiel-Kasperl, der Du dich zu Österreichs angesehenstem, größtem und international meist wahrgenommenen Festival engagieren lässt, beherzige also künftig: Du hast umzusetzen, was die Chef-Harlekine vorgeben. Gott lenkt – wo, wenn nicht beim "Jedermann"? –, und der Regisseur denkt – unpolitisch hoffentlich. Wir wollen uns die Festivalstimmung doch nicht versauen lassen. Wären die Schauspieler österreichische Beamte und mithin ordentliche Staats-Diener, dann käme in ihren Verträgen wahrscheinlich das schöne Wort "weisungsgebunden" vor.

Weisungsgebundene Kunst-Diener, so soll es sein. Die wünschen wir uns, gerade im sommerlichen Salzburg. Kunst soll gefälligst unser Leben schön machen, kurzweilig, sie soll die Wölkchen und Wolken des Alltags wegblasen. Wir haben ja sonst eh wenig genug zu lachen. Hierorts toleriert man jedenfalls eigene politische Meinungsäußerung "in keiner der Vorstellungen der Salzburger Festspiele". Das haben wir jetzt schwarz auf weiß. Das Publikum darf sich sicher fühlen.

Schönwetterkomödianten

Kompliment an Katharina Stemberger (im "Jedermann" als "Des Schuldknechts Weib" auf der Bühne), die sich trotzdem zur Causa öffentlich etwas zu sagen getraut und ihre Sympathie zu den Musikern herausgestrichen hat. Umso eigentümlicher Jedermann-Darsteller Cornelius Obonya: Er erklärte sinngemäß in einem Facebook-Eintrag, solange die demokratischen Strukturen in einem Land einigermaßen passen, gebe es wohl andere Foren, sich politisch zu äußern. Erst wenn das Theater "letzter Rückzugsort" sei, wäre eine solche spontane Aktion passend.

Toll. Solange wir alle paar Jahre wählen gehen dürfen, brauchen wir uns doch nicht die Theaterbühne politisch versauen zu lassen. Da können wir uns ganz entspannt zurücklehnen und Kunst aufs Angenehmste Kunst sein lassen.

Willkommen in Salzburg, der Wohlfühl-Region mit den kunstbegnadeten Schönwetterkomödianten!

 

Mehr lesen: die Nachtkritik zur Premiere der Jedermann-Inszenierung von Julian Crouch und Brian Mertes.

 

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Kommentare  
Salzburger Protest: es wird Abend
Sven Eric Bechtholf ist ein ausgezeichneter Experte für inhaltsleere Unterhaltungsveranstaltungen im ansprechenden Ambiente - und zu diesen macht er die Salzburger Festspiele auch. - konsequent. Da passt diese Dienstanweisung an die Musiker perfekt in seine "Dramaturgie"
Es wird Abend in der Provinz.
Salzburger Protest: etwas eigenartig
Hm. Ich grübele: Wenn die Künstler in der ersten Reihe den Linkspopulisten Gregor Gysi neben dem Linkspopulisten Oskar Lafontaine nebst Gattin Wagenknecht und dem bekannten Linksaußen Jakob Augstein gesehen hätten - was hätten sie denn dann wohl Kritisches gespielt?

Oder hätten sie eher gesinnungsstark applaudiert und die Internationale gleich dreimal gespielt - vollen Herzens solidarisch?

Die Vorstellung ist etwas eigenartig, daß Bühnenkünstler in Zukunft jeden Abend ihre jeweilige persönliche politische Einstellung zu anwesenden Politikern kund und zu wissen tun wollen/sollen - zu genehmen wie unangenehmen. Aber vielleicht sollte man die allzuoft langweiligen Theatervorstellungen sowieso einfach besser durch die Abgabe fetziger eigener politischer Statements und Glaubensbekenntnisse der Bühnenkünstler ersetzen? Damit allen klar wird, daß sie keine "weisungsgebundenen Kunstdiener" sind, sondern kritische Menschen mit einem Recht auf eigene politische Meinung? Die sie jederzeit auch als Faust, als Hamlet, Lady Macbeth oder als 3. Zwerg äußern wollen/sollen/können/dürfen? Die zahlenden Zuschauer von "Österreichs angesehenstem, größtem und international meist wahrgenommenen Festival" erwarten sicher nichts dringender als das.
Salzburger Protest: Hört!
Hört die Signale!
Salzburger Protest: noch Reizpotential
Ganz groß. In Salzburg hat die Internationale noch Reizpotential. Das sollten wir andernorts auch mal ausprobieren. Und gucken, wer wie wo reagiert. Gebissene Hunde bellen am lautesten. (Wobei die Frage 1 von #2 durchaus der Verfolgung wert ist!)
Salzburger Protest: Bitte mehr politische Statements!
Werte Frau Tatjana, dass Sie Augstein, Gysi, Wagenknecht und Lafontain mit Herrn Strache in einen Topf werfen ist geschmacklos. Keiner von denen ist ein menschenverachtender Hetzer wie der dauergrinsende Herr Strache einer ist! Und bitte, ja bitte mehr politischen Statements auf den Bühnen, damit ZuschauerInnen wie Sie, werte Dame, endlich eine Katharsis erleben und sich etwas regt unter den Colliers und Stehkragen in Salzburg. Herr von Hoffmannsthal hat den "Jedermann" zur moralischen Ertüchtigung geschrieben, da wär doch bei all den Strache Freunden doch glatt noch einiges zu tun....
Salzburger Protest: Bechtolf und Obonya bauen vor
Bechtolf und Obonya bauen einfach vor für den Tag, an dem Strache Kanzler wird.
Kann man ihnen doch nicht übel nehmen.
Salzburger Protest: strategisches Handeln?
Sven Eric Bechtholf versucht seine Chancen auf die Burg zu erhöhen, oder was?!
Salzburger Protest: das strebt zur Burg
Man muss den MusikerInnen gratulieren. Sven Eric Bechtholfs Haltung überrascht nicht. Das autoritäre Weltbild von Politikern wie Herrn Strache ist jenen Theaterformen, die Regisseure wie Sven Eric Bechtolf pflegen, sehr nahe. Und es stimmt: Ja, das strebt zur Burg, nach oben. Aber das ist wie bei einem Bild von Escher. Vielleicht gehen die Stufen, die scheinbar in die Höhe gehen, auch nach unten.
Salzburger Protest: linke Demokraten
Tatjana, das ist einfallslos, was Sie hier schreiben. Wir haben es mit linken Demokraten zu tun! Sie sollten sich vielleicht ein wenig politisch mit Realitäten auseinandersetzen und nicht dumpfen Populismus aus rechter Sicht zum besten geben. Danke!
Salzburger Protest gegen FPÖ-Chef HC Strache: wer darf was?
@Olaf
Das ist lustig - exakt so hatte ich mir das vorgestellt: Man muß nur Linkspopulisten Linkspopulisten nennen, und sofort kommt jemand und erklärt, daß eine solche Zuschreibung dumpf rechtspopulistisch sei. Weil es ja nur Rechtspopulisten gibt und niemals Linkspopulisten geben kann, weil alle Linken ja grundsätzlich immer Demokraten sind. (Wieso kann ein Demokrat nicht populistisch und ein Populist nicht Demokrat sein - egal aus welcher Ecke?)

Und übrigens:

"Deutschland hatte nach der politischen Wende mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) nach Ansicht von Florian Hartleb eine Partei mit „linkspopulistischen Konturen“.[42] Der Politikwissenschaftler Franz Walter und andere rechnen Oskar Lafontaine und Gregor Gysi zu den linkspopulistischen Protagonisten der Nachfolgepartei Die Linke.[43][24][44][45]"
Wikipedia

Aber darum ging es ja nicht, sondern um die hier hochgelobte Ansage, daß Bühnenkünstler ihre politische Sicht auf anwesende Politiker bei der Vorstellung deutlich machen sollten/dürfen. Gilt das nur für linke Künstler und rechtslastige Politiker? Oder dürfte ein zufällig eher rechtslastiger Künstler auch seine Meinung zu linkspopulistischen Politikern bei der Vorstellung äußern? Gleiches Recht für alle, oder? Oder nicht? Oder ist das eine irreale Frage, weil es ja gar keine rechtslastigen Künstler gibt? Gar nicht geben kann? Weil sie dann ja keine Künstler mehr wären? Oder wie?

Ironie off. Ich meine - wollen wir ernsthaft einen solchen platten Gesinnungskindergarten mit vorhersehbarem Mediengegeifer wie in Salzburg als mutiges, relevantes und nachahmenswertes "politisches Statement" und "eigene politische Meinungsäußerung" feiern und adeln?

Im nachtkritik-Artikel heißt es ironisch: "Solange wir alle paar Jahre wählen gehen dürfen, brauchen wir uns doch nicht die Theaterbühne politisch versauen zu lassen".

Den jeweilig anwesenden politischen Gegner bei der Vorstellung von der Bühne herab direkt persönlich anzupöbeln, um eigene Gesinnung zu demonstrieren, definiert dann also das Politische
an der Theaterbühne?

Kommt mir etwas plump vor.
Salzburger Protest: grauenhaft humorfrei
Ob ich jetzt jeden rechten oder linken Vollidioten unter den Zuschauern von der Bühne herunter "kommentieren" muss , ist eine Stil- und mitunter Taktfrage. Viel grauenhafter sind doch aber die humorfreien Statements von Bechtholf und Obonya, die weder von politischen noch künstlerischen Verstand zeugen, unabhängig davon , ob die Internationale-Improvisation jetzt so eine tolle Idee war.
Salzburger Protest: im Geiste Nestroys
Innerhalb einer Aufführung vom Jedermann als Reaktion auf anwesende Politiker mit einer rechten Gesinnung die Internationale zu spielen, sollte man nun wirklich nicht als "von der Bühne herab direkt persönlich anpöbeln" bezeichnen.
Das wäre einfach schlechter Stil.
Nur, die Internationale zu spielen, was den Herren wohl auch noch nicht einmal aufgefallen ist, das hat doch Witz.
Und im Land von Nestroy müssten doch, auch sehr direkte Angriffe, Komentare auf ,ja, auch Anwesende Mächtige, auszuhalten sein.
NUR unterhaltsam muss die Kritik sein und geistreich liebe Tatjana!
Und Nestroy ist dabei nun wirklich zuweilen sehr weit gegangen,
bis in den Arrest.

Da bleibt die "Internationale" leider doch ein sehr zahmer
Komentar.

Aber der eigentliche Skandal ist die vorauseilende Arschkriecherei eines Herrn Bechtolfs.
Der peinlich ängstliche Ordnungsreflex der Festival Leitung.
Der Komenter des Hauptdarstellers.
Die Verzwergung des Künstlers.

Und noch eine klize kleine Kleinigkeit, in einem Land wie Österreich, mit seiner Geschichte, darf man auf dem rechten Auge durchaus etwas empfindlicher sein liebe Tatjana.
Salzburger Protest: Link-Hinweis
http://kurier.at/kultur/buehne/jedermann-protest-neue-skandale-braucht-das-land/148.337.686#.VdrXk26jckg.facebook
Salzburger Protest: Oktober Revolution der FPÖ
Des Rätsels Lösung: "Die FPÖ hat am Montagvormittag ihr erstes Plakat für die Wien-Wahl präsentiert. Wenig überraschend positioniert sich Parteichef Heinz-Christian Strache als nächster Häupl - und damit als nächster Bürgermeister Wiens. Was die versammelte Presse dann doch überrraschte, war der Slogan: "Oktober 'Revolution'". Es gehe um eine Machtübernahme, aber eine "völlig demokratische", so Strache am Montag. Man müsse Wien "aus den Fängen einer abgehobenen selbstgerechten Polit-Aristokratie befreien"." - Da war "Die Internationale" doch mehr als angebracht!
Salzburger Protest: unfassbar
Unfassbare Statements von Bechtolf und Obonya.
Danke für den treffenden Kommentar (auch wenn die Verniedlichung der österreichischen Verhältnisde leider nicht ganz angrmessen ist - da müssen Menschen lfben.)
Salzburger Protest: Zensur
@12 Volle Zustimmung!
Man muss es dann im Nachgang dann eben (wieder) so nennen: Zensur findet statt. Wehret den Anfängen!
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