Der blinde Fleck

von Sabine Reich

Bochum, 7. September 2015. In den letzten Jahren war ich damit beschäftigt, den Opelanern in Bochum zu erklären, dass ihre Fabrik schließen wird, sie alle ihre Arbeit verlieren, wir aber uns mit offenen Augen den Prozessen der post-industriellen Globalisierung stellen müssen. Dass wir für die zukünftige Gesellschaft zwar keine Lösungen haben, aber dennoch die richtigen Fragen stellen werden. Und dass sie uns vertrauen sollen. Alles würde sich ändern, erklärten wir: Wir haben den Arbeitern erklärt, dass sie keine Arbeit haben, den Unternehmern haben wir das Kapital erklärt und den Politikern die Welt. Alles würde sich ändern, nur wir nicht, die Theater.

Das Stadttheater nimmt sich das Recht, die Stadt zu befragen, doch niemals das Theater. Unser kritischer Blick richtete sich nach außen: Geprüft haben wir die Institutionen und Verhältnisse der anderen, nur nicht die eigenen. Und wie in jedem Akt der Aufklärung und in jedem bildungsbürgerlichen Bemühen haben wir alles gesehen, nur uns nicht. Wir sind der blinde Fleck im ewigen Diskurs der Veränderung. Doch dabei machen wir zwei Fehler: Wir folgen einem vergangenen Ideal und beschönigen unsere realen Verhältnisse. Denn wir sind weder das, wofür wir uns halten, noch sollten wir bleiben, was wir waren.

1. Wir sind nicht, was wir glauben zu sein

Momentan feiert sich das Stadttheater als letzte Bastion der Kunst, die frei sei von merkantilen Verwertungs- und Eventkalkülen. Das Ensemble soll ein Garant künstlerischer Qualität und Kontinuität sein, das Regietheater die letzte kritische Instanz, die fähig ist, Texte und Diskurse frei zu legen, und das Stadttheater im Ganzen ein Ort der Bildung und Kritik. So möchten wir gerne sein, doch so sind wir nicht.

Jeder, der an einem Stadttheater gearbeitet hat, weiß, dass diese Ideale mit der Realität nichts zu tun haben. Vermessen ist es zu denken, dass jene Ökonomisierung, die wir scharfsinnig für alle Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens konstatieren, vor uns und den Theatern Halt gemacht hätte. Wir gehorchen nicht anders als alle anderen der unsichtbaren Hand des Marketings und folgen allem, was gezählt werden kann: Wir kreisen um Zahlen und Auslastungen, Rankings und Klicks. Unsere Autonomie, die so wichtig ist, damit wir Kunst geschehen lassen können, haben wir schon lange verloren. Das, was uns permanent begleitet, ist die Angst. Die Angst vor sinkenden Budgets und Auslastungszahlen ebenso wie die Angst vor dem plötzlichen Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Wie ein dunkler Schatten legt sie sich über alle Entscheidungen am Theater, denn sie kontrolliert jede Regie- und jede Spielplanentscheidung.

Und so vergessen wir alles, was wir jemals über die Erstellung eines Spielplans glaubten zu wissen, denn nun gelten andere Regeln. Uraufführungen allzu komplizierter, junger Autoren, die noch nicht durchgesetzt sind, gelten als erhöhtes Risiko, das mit mindestens zwei Komödien neutralisiert werden muss. Der gleiche Risikofaktor gilt für die Experimente junger Regisseure. Und auch wenn wir uns das immer wieder gerne versichern: Das Ensembletheater fördert nicht die Schauspielkunst. Die fest angestellten Schauspieler/innen werden durch den Spielplan gejagt, der in den meisten Fällen viel zu eng gebaut ist. Von einer Premiere stolpern sie in die nächste Probe, kaum Zeit zum Luftholen, Denken und Fragen wird nicht eingeplant. Zu wenig Zeit und zu viele Premieren, diese Gleichung gilt für die Spielpläne wie für die Regisseure: wenn nur das kurze Feuerwerk der Premiere Relevanz und Sichtbarkeit liefert, dann wird stets auf diesen einen Moment hin produziert. Die Regisseure, die gut im Geschäft sind, hetzen von Probebühne zu Probebühne, stehen alle zwei Monate einem neuen Ensemble gegenüber und starten den ersten Probentag oftmals mit minimaler Vorbereitung – wie sollte es auch anders sein, wenn ihre Kalender übervoll sind, weil sie den kurzen Moment des Erfolgs und der finanziellen Sicherheit dringend mitnehmen müssen für die schlechten Zeiten, die ihnen jederzeit drohen.

So ist der Raum für Experimente und Scheitern, für Prozesse und Risiken und damit für die Möglichkeit von Kunst eng geworden, sehr eng. Und wir müssen uns eingestehen, dass wir schon lange das Eventtheater sind, das keiner will. Wir bieten erfolgsorientierte Massenware zum Konsum und wiederholen Traditionen, ohne sie zu befragen.

Detroit1 560 DianaKuester x"This is not Detroit": Das Theater weiß Bescheid. © Diana Küster

Die Gründe für diesen Zustand sind nicht in persönlichen Haltungen oder Entscheidungen der Akteure zu suchen, sondern es geht um ein systemisches Problem, das die Lage an den Stadttheatern für alle Beteiligten alternativlos werden lässt.

Die Lage der Stadttheater ist alternativlos, solange wir um nichts anderes kämpfen als um unseren Status quo und glauben, unsere Probleme wären einzig durch erhöhte Budgets zu lösen. Dabei starren wir auf die unterfinanzierten Kommunen wie das Kaninchen auf die Schlange und haben nicht bemerkt, dass unser Gegner längst nur noch eine traurige Plastikschlange ist, die sich mit letzter Kraft aufrecht hält. Wir wollen nicht sehen, dass auch wir, die Theater, zur Konkursmasse der verschuldeten, schrumpfenden Städte gehören. Denn unsere schrumpfenden Budgets und Haushalte sind Symptom der Shrinking Cities und damit Teil von tief greifenden strukturellen Veränderungen des Öffentlichen und Politischen. Eigentlich wissen wir das, doch unser eigenes Problem sehen wir nicht im Kontext der politischen Prozesse. Wir sind die, die in einem sinkenden Schiff darüber lamentieren, dass sie nass werden. Doch anstelle des Lamentos sollten wir uns an unsere politischen Fähigkeiten erinnern und tun, was wir am besten können, besser als alle anderen: Wir sollten aktiv neue Formen und Räume des Öffentlichen bilden, die der Praxis einer veränderten Gesellschaft entsprechen. Wir können Partner sein der Kommunen, wenn es darum geht, eine neue Kultur in und mit den Städten zu entwickeln. Doch dazu brauchen wir eine neue Verabredung zwischen der Politik und den Theatern: eine, die die Theater aus dem Klammergriff der Zahlen löst, die sie nicht in die verzweifelte Lage des Selbsterhaltes bringt und die die Relevanz von Kunst voraussetzt und diese nicht zum beweisbaren Faktum macht. Wir brauchen ein starkes Theater in den Städten, doch wir brauchen ein anderes Theater.

2. Wir sollten nicht bleiben, was wir waren

Das Stadttheater kann mehr und ist weitaus spannender als das, was wir gerade verzweifelt verteidigen. Doch um seinen eigenen Möglichkeiten zu entsprechen, muss es sich reformieren und sich selber kritisch in den Blick nehmen. Es muss entrümpeln und Ballast abwerfen, alte Glaubenssätze kritisch befragen und sich öffnen. Reformen sind dringend nötig, nicht um effektiver und marktkonformer zu werden, sondern um Autonomie und Freiräume zurück zu erobern.

Doch stellt man in Deutschland das Stadttheater in Frage, erhält man ähnlich nervöse Reaktionen, die man sonst nur kennt, wenn man das Gymnasium und das dreigliedrige Schulsystem abschaffen möchte. Und sie scheint berechtigt, diese Nervosität, denn es ist ein und derselbe Nerv, den wir meinen: Theater ist in Deutschland immer auch ein Akt von Bildung. Bildung und Bühne sind tief verbunden und haben gemeinsam die bürgerliche Erfolgsgeschichte geschrieben. In dieser einzigartigen Verbindung liegt die unverwechselbare Kraft des deutschen Theaters wie auch sein unerträglicher gymnasialer Habitus. Der verbindende Nerv zwischen Bühne und Bildung ist die Sprache. Theater in Deutschland sind mehr als in jeder anderen Kultur gebunden an Texte und ihre Deutung. Ihre Bühnenkunst ist den schreibenden oder regieführenden Autoren verpflichtet, sie bleibt den Hierarchien der Repräsentation verhaftet und folgt der Schrift und den Diskursen, die schreibend, lesend und inszenierend gedeutet werden.

Doch die Kultur, in der wir leben, ist nicht mehr ausschließlich eine der Sprache, schon gar nicht mehr der deutschen Sprache allein. Uns prägen viele verschiedene Sprachen, Kulturen und Formen. Künstlerischer Ausdruck ist immer weniger gebunden an die Narration: Bilder, Körper, Tanz, Sounds und Musik bilden eine neue, vielschichtige Textur des Erzählens, die anderen Rhythmen und Wahrnehmungen als die der linearen, geschriebenen Literatur folgt.

Frontalunterricht 560 MaximilianSchoenherr u"Frontalunterricht mit Augen" © Maximilian Schönherr

Doch was wir inzwischen über die Schule wissen, ignorieren wir für die Theater: dass das dreigliedrige Schulsystem kaum noch in der Lage ist, Chancengleichheit und soziale Mobilität zu ermöglichen. Es steht in seiner Statik für die alte Ordnung der Nationen und Klassen, doch diese Ordnung verliert zunehmend ihre Bedeutung. Für die Schule entwickeln wir bereits neue, freie und kreative Bildungsformen – warum lassen wir neue Formen nicht am Theater zu? Warum verdammen wir die Theater dazu, muffiges Auslaufmodell einer vergangenen Welt zu bleiben? Warum öffnen wir uns nicht den vielen Formen der Kunst, ohne nach ihrem Genre zu fragen? Warum glauben wir, dass die Bühne ohne die Sprache ihre Kraft verliert? Warum öffnen wir uns nicht den vielen Kulturen in unserer Gesellschaft? Warum finden viele keinen Zugang zum Theater? Weil auch für die Theater die alte Weisheit gilt: the medium is the message. Wir erzählen, was wir sind. Solange die Theater die Ordnung der alten Eliten in sich tragen, werden sie von diesen erzählen und nur für diese spielen. Doch diese Eliten werden machtloser und älter. Und wir belehren wie ein einsamer Gymnasiallehrer eine Welt, die uns schon lange vergessen hat.

Denn all die Analysen über den Wandel der Städte und der Arbeit, der Öffentlichkeit und Kultur, auch die des Publikums, die wir in den letzten Jahrzehnten diskutiert haben, sind ja zutreffend: Unsere von bürgerlichen und nationalen Werten geprägte deutsche Kultur verändert sich. Wir verhandeln momentan darüber, wie unsere Städte und Gesellschaft in Zukunft aussehen sollen, wer in ihnen leben darf, wie sie organisiert und finanziert werden, wie Informationen und Wissen distribuiert werden, was Bildung überhaupt ist und in welchen Strukturen wir demokratische Gestaltung ermöglichen können. Die wesentlichen Parameter unserer sozialen Koordinaten müssen neu bestimmt werden, und wir suchen nach dem, was die gemeinsame öffentliche Sache in Zukunft sein kann. Dabei beobachten wir neugierig, welche Formen von Kunst dabei entstehen und welche Kultur die Menschen brauchen.

Diese Veränderungen sollten wir aktiv mitgestalten, denn darin liegt die große Qualität des Theaters. Kein anderes Medium ist so eng mit den Strukturen des Öffentlichen verbunden wie das Theater, denn das Theater erst produziert diese Strukturen und Räume. So wie es einstmals eine bürgerliche Welt erschaffen hat, so kann es heute die Kultur und die Öffentlichkeit der Zukunft formen. Es kann zu neuen Erzählungen und neuen Räumen beitragen. Nicht als gymnasialer Bildungsvorgang von oben, sondern durch beidseitige Resonanz: Nur wenn sich die öffentlichen Strukturen in die Form des Theaters einschreiben, kann das Theater diese gestalten und so seinen eigenen Raum und den der Kunst offen halten. Das ist ein Weg, den Stadt und Theater gemeinsam gehen können.

 

SabineReich 140 DianaKuester uFoto: Diana KüsterSabine Reich (*1966) war fünf Jahre Dramaturgin am Schauspielhaus Bochum, zwei davon als leitende Dramaturgin. Zuvor arbeitete sie fünf Jahre als Dramaturgin am Schauspiel Essen. In dieser Zeit entwickelte sie Stadtprojekte wie die Eichbaumoper (Mülheim an der Ruhr / Essen / Recklinghausen) und das Detroit-Projekt (Bochum).
Sabine Reich studierte in Bochum Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft und Philosophie, war Assistentin am Burgtheater Wien und arbeitete für den Ringlokschuppen Mülheim, die Ruhrfestspiele Recklinghausen (2004) und Theater der Welt 2010.

 

Eine Übersicht über alle Texte der Stadttheaterdebatte in unserem Lexikoneintrag – zuletzt machte Esther Boldt sich im Juni Gedanken über Teamleitungen als Chance für reaktionsschnelle und lernfähige Theaterhäuser.

 

mehr debatten

Kommentare  
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: nichts Neues
(…), ansonsten nichts, aber auch gar nichts Neues, nur Allgemeinplätze, Verallgemeinerungen ohne konkrete Alternativvorschläge. So aufregend wie die meisten Programmhefte. Die Dame hat doch bisher gut gelebt von diesem so gescholtenen System.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Leerstelle
Bei allem idealistischen Aufbruchswillen, der aus diesem Text spricht, und bei aller scharfsinnigen Analyse der Probleme in der derzeitigen Situation des (Stadt)theaters - es scheint doch, dass dieser Text, wie so viele andere zum Thema, reichlich hilflos um eine Leerstelle kreist, die doch das Wesentliche wäre: Wie soll denn ästhetisch, inhaltlich, dieses NEUE THEATER aussehen, das nicht mehr bloß Aufbereiter der Tradition ist, sondern Impulse zu setzen vermag, die unserer Zeit entsprechen? Und das immergleiche Lamento, mit zu wenig Zeit, zu überfrachteten Spielplänen würden Experimenten die Luft abgedrückt. Ich finde, man muss das deutsche Theater heute nicht so negativ beschreiben, wie es hier geschieht, ich sehe durchaus viel Wertvolles auf den Bühnen und auch viel Ausschuss, ja, aber auch das ist nunmal Wesen der Kunst. Und ich sehe auch viele prekäre Arbeitsverhältnisse und ausgebrannte Akteure, aber deren sehr berechtigte Belange müssten und sollten m.E. unter dem Gesichtspunkt von Arbeitsrecht und Lohngerechtigkeit diskutiert werden und nicht immer, indem behauptet wird: Kreative Höchstleistungen sind unter diesen Bedingungen nicht möglich, denn sie sind es ja, immer wieder, überall!
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: wir sind dran
Dieser Text ist von gestern. Biedere Selbstgeisselung als Innovationsnachweis. In der Sache irgendwie richtig, aber letzlich absolut überflüssig - Schlagworte, Schlagworte, Schlagworte. "Wir müssen ..., wir müssen ...".
Hey. Diese Prozesse laufen und die Mehrheit der nachwachsenden Theatermacher/innen bejaht sie. Es braucht Zeit und vor allem Austausch, aber: Wir sind doch weiter als DAS. Hört auf euch ins rechte Licht rücken zu wollen, MACHT einfach!
Ich mag nicht in Sippenhaft genommen werden von diesem schrecklich gutgemeinten, phrasenhaften Selbstbashing. Bitte konkreter, bitte die eigenen Schritte, die Fortschritte der e i g e n e n Institution differenziert beleuchten und nicht andere belehren.
Wir sind dran. Wir öffnen uns bereits.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: die Realität
Kai Festersen auf Facebook: "Schön geschriebene Zusammenfassung dessen, was seit spätestens 1989 die deutschsprachigen Theater umtreibt und zu vielen vielen Änderungen in Struktur, Spielplan, Denkweisen veranlasste. Bochum! Willkommen in der Gegenwart!"
Ich glaube, dass das die ganze Arroganz des Theaters zeigt, von der Sabine Reich hier spricht. Das Theater glaubt, es sei schon in der Gegenwart angekommen, weil es ein paar Veränderungen gibt. Vielleicht in den Metropolen mehr als anderswo. Aber wer im Stadttheater arbeitet, weiß, wie sehr Sabine Reich die Realtität trifft. Und die ist nicht selbstkritisch, nicht innovativ, nicht strukturverändernd etc. Das achselzuckende "Ach, das ist doch nichts Neues!" geht mir jedenfalls ziemlich auf die Nerven.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: das ist Arbeit
@ Kazumpe: Verzeihung. Wer sind Sie, das zu beURTEILEN? Wieder ein -mit Verlaub- Schlagwortgewitter. "Die Arroganz des Theaters, das Theater glaubt usw." - ich arbeite im Stadttheater und ich kann sagen: es ist wirklich mühsam was zu verändern, und die Reformen müssten zweifelsohne r a d i k a l sein! - aber was wissen Sie davon wie selbstkritisch oder selbstverliebt wir hier gerade denken und handeln und wo wir (oder eine andere öffentlich getragene Institution) gerade stehen bei dem Versuch, neue Produktionsformen zu erproben, neue Publika und Kooperationspartner zu gewinnen etc! Das ist Arbeit. Ob Sies glauben oder nicht Herr Oberlehrer: in meinem beruflichen Umfeld kann von Selbstgewissheit, Angekommen-sein und Gleichgültigkeit aktuell nicht die Rede sein.

PS Und gut: wer bin i c h, den obigen Text zu beURTEILEN. - Dennoch: weniger Bash-Blabla bitte.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: nicht glaubwürdig
Ich muss mich den Kommentaren anschliessen, die sich über die Vorgestrigkeit dieses Textes mokieren: ich bezweifele nicht, dass es das altbackene Stadttheater, das Frau Reich da beschreibt, noch gibt -- aber das als die Norm darzustellen, selbst abseits der Metropolen, erscheint mir überhaupt nicht glaubwürdig.

Und dann ist da diese Passage: "Der verbindende Nerv zwischen Bühne und Bildung ist die Sprache. Theater in Deutschland sind mehr als in jeder anderen Kultur gebunden an Texte und ihre Deutung. Ihre Bühnenkunst ist den schreibenden oder regieführenden Autoren verpflichtet, sie bleibt den Hierarchien der Repräsentation verhaftet und folgt der Schrift und den Diskursen, die schreibend, lesend und inszenierend gedeutet werden."

Das ist so ziemlich die merkwürdigste Fehldarstellung der deutschen Theaterkultur im internationalen Vergleich, die ich mir überhaupt nur vorstellen kann. Das Theater etwas mit Sprache zu tun hat, ist ja nun nicht eben eine grosse Erkenntnis -- und das Interesse des Theaters an der Sprache jetzt plötzlich, nach, naja, 2500 Jahren oder so, als repressiv darzustellen erscheint mir reichlich fehlgeleitet. Der echte Hammer aber ist die wahrlich lächerliche Behauptung, das deutsche Theater sei mehr Text-geleitet und Autoren-bestimmt als _jede andere Kultur_. Mir scheint, Frau Reich kennt das Theater ausserhalb der deutschen Grenzen nur extrem oberflächlich. Anders lässt sich eine solche Fehlanalyse eigentlich nicht erklären. Mal ganz davon abgesehen, dass diese Darstellung des deutschen Theaters aus meiner Sicht schlicht unsinnig ist (nur weil sich Theatermacher hier gerne mit Texten auseinandersetzen, bestimmen diese Texte doch noch lange nicht das Spiel!), ist der Irrglaube, Texte und Autoren hätten im deutschen Theater einen höheren Stellenwert als in Frankreich, oder England, oder Irland, oder Kanada, oder Russland, oder den USA (das sind die Kulturen, über die ich mir ein einigermassen fundiertes Urteil erlauben kann), ziemlich frappierend. Vielleicht sollte Frau Reich mal ein paar Wochen in Grossbritannien zubringen, um zu sehen, wie sehr Texte und Autoren eine Inszenierung bestimmen können -- und wie unglaublich viel grösser die Freiheit im Umgang mit Textmaterial im deutschen Theater ist. Mag sein, dass das in aussereuropäischen Theaterkulturen stellenweise anders ist. Da beginnt der Vergleich dann aber, arg beliebig zu werden.

Wenn man schon internationale Vergleiche als Argument herbeiholen will, dann sollte man auch wissen, was sich international eigentlich so tut. Sonst wird das sehr schnell zu einer sich im Selbstzweifel gefallenden "the grass is always greener on the other side" Übung wie dieser.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: das konkrete Rad
zu #2: Stimme Ihnen zu, die Argumentations-Priorität betreffend, was das „normal“ gewordene Prekariat betrifft. Was die Höchstleistungen betrifft, die real dennoch erbracht würden: Jein: JA, sie sind immer wieder möglich. NEIN, sie sind nicht dauerhaft von den gleichen Leuten möglich. Untersuchen wir das differenzierend nicht genau, verzichten wir auf Erkennen von Entwicklungs-Räumen, die jedoch wesentlicher Bestandteil einer jeden Ästhetik sind. Wir geben dann eine wirksame Gesellschaftskritik – letztlich damit uns selbst – verloren.
zu #4: Das achselzuckende achdasistdochnichtsneues vermögen nur Leute zu verbreiten, die (noch) nicht begriffen habven, dass JEDE Generation sehr wohl das sprichtwörtliche konkrete Rad, welches für ihre konkreten Lebensumstände funktioniert, sehr wohl neu erfinden darf. Um durchaus nicht zu sagen, muss… Tut sie es nicht, wird sie sich gefallen lassen müssen, dass die ihr nachfolgende Generation nicht mehr als ein Achselzucken für sie übrig hat – Wem diese Vorstellung von Nach-Ruf gefällt –
Insofern wird das Theater wohl IMMER, zu jeder Zeit neu, nur dann ein Neues sein können, wenn es das typisch alte geworden ist: nicht selbstgewiss, nicht gleichgültig, nicht gefühlt angekommen – und wenn es dies zeigt. Von der Bühne her – nicht aus Debatten als Ersatz-Bühne… (D.h.: Gratulation für Sie „Ganz falsch“ und Ihr berufliches Umfeld, Sie scheinen damit irgendwie das aktuellste Theater im Moment zu bewerkstelligen!)
Nun klingt es mir bereits der angeekelte Ton des Antwort-Kommentars in den Ohren: „Oh- SIE wollen die total überholte Guckkastenbühne auferstehen lassen??!!!“ – Da antworte dann ich mit nk-Erfahrung hier schon vorab: Ach, wissen Sie, wer immer Sie also sind, und seien Sie nur eine arbeitsreich gebrauchsfertig gemachte Theater-App: Selbst dieses ganze Aktions-Theater und diese LKW vor den großen Theaterhäusern zum Ausprobieren von Erstickungstod sind nur eine relativ kleine Guckkastenbühne. Was ein Guckkasten ist, hängt überhaupt nicht ab vom Theater, sondern nur vom Abstand des Betrachters. Es kommt einfach darauf an, wie weit der zurücktritt, um sich ein Theater-Bild machen zu können. Und das hängt ab davon, wie weit einer sich als Betrachter zurücktretend denken kann…
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Diskussion über Qualität
KollegInnen, es ist doch völlig unsinnig, wenn wir uns hier verbal die Köpfe einschlagen, mit einer subtilen Aggressivität, die nicht hierher gehört. Jeder von uns, der im Theater arbeitet oder mit Theater zu tun hat, ist dort, weil er/sie das Theater liebt, aber das Theater in seiner eigenen Umklammerung gefangen ist.
Da gibt es jene, die es konservieren und einbalsamieren, die von ihm karrieretechnisch am meisten profitieren, und andere, die viel riskieren. Aber die Veränderung, die Reformen, die Anerkennung, nach denen wir uns sehnen, kommen nur allmählich, sind sehr fragil, und vor allem vollkommen diversifiziert. Man kann nicht verallgemeinern, dass Theater Erfolg übertragbar ist.
Ich will nicht sagen, es gibt 100 Arten gutes oder schlechtes Theater zu machen, vielleicht gibt es die sogar?, aber man kann nicht verallgemeinern, wenn man Theater in Metropolen, in kleinen und großen Städten, drei, zwei, Einspartentheater mit oder ohne Orchester, Landesbühnen und Staatstheater hat.
Was ich viel wichtiger finde, eine Diskussion über gutes Theater. Was ist Qualität, einmal jenseits der unsäglichen Kritikerumfragen und der mindestens ebenso ungerechten Einladungen zu Theatertreffen. Was ist künstlerische Qualität im Theater, und wie können wir sie erreichen.
Nicht mit noch mehr Überproduktion, noch mehr Beiprogrammen, noch mehr Theater im Theater. Wir bräuchten doch eigentlich Entschleunigung, längere Probenzeiten, bessere Bezahlungen unserer Schauspieler, mehr Hausregisseure und Hausautoren, anstatt eines Jet Set an Regisseuren und deren Ausstattern die von einem zum nächsten Haus fliegen.
Und wenn wir beginnen über Qualität zu sprechen, sollten wir das auch auf den Begriff Erfolg erweitern, und damit meine ich nicht den Erfolg des Einzelnen, und schon gar nicht des Intendanten, sondern den Erfolg eines Theaters.
Erfolg könnte sein, dass ein Theater sich in eine bestimmte Richtung entwickelt, auf die sich ein Ensemble und die Mitarbeiter eines Theaters eingestimmt haben. Ensemblezentrierte Überlegungen.
Und dann auch die Frage, haben wir in unserem Intendantenregierten Stadttheater tatsächlich strukturell die Voraussetzungen erfüllt, uns zu wandeln, zu reformieren, über Qualität nachzudenken und gemeinsam unsere Kriterien für Erfolg zu bestimmen.
Sicher nicht, so lange die Strukturen so organisiert sind, dass Einer oder Eine, auch wenn noch so viel teamorientiertheit im Spiel sein sollte, wirklich in der Lage ist das alles zu ermessen, zu beurteilen, festzulegen und zu entscheiden, einer oder Eine, die abhängig ist von der Politik, und deshalb unfrei, über Neue Wege nachzudenken. Wenn man aber das Ensemble in die Position bringt, stärker über die Zukunft des eigenen Theaters nachzudenken, dann haben wir eines Tages nicht mehr nur 140 sondern 10.000 Köpfe.
Und jetzt höre ich schon die Stimmen in meinem inneren Ohr, die rufen, das haben wir doch schon immer so gemacht, oder, im Theater gibt es keine Demokratie. Dann möchte ich jetzt schon Antworten, es ist eine Frage der Organisation.
Also ist es kein Pro und Contra, sondern eine Frage der Bestimmung neuer Indikatoren. Ich selbst glaube nicht, dass Theater jemals untergehen wird. Es ist eine Kunstform mit der Literatur, Stoffe und Geschichten, überliefert werden. Warum sollte das aufhören?
Aber ich sehe die Probleme, die wir mit autokratischen Systemen, zu starken Abhängigkeiten von der Politik, zu geringen Mitteln, einer ungenügenden kulturpolitischen Vertretung auf der einen Seite, und Formaten, mit denen wir nicht mehr so viele Menschen erreichen, wie wir potentiell erreichen könnten, auf der anderen Seite haben.
Vielleicht sollten wir uns eingestehen, dass wir im Moment nicht mehr Zuschauer erreichen können, und uns statt dessen auf die Beantwortung o.g. Fragen besinnen, und versuchen, weiterhin engagiertes und gutes Theater zu machen.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: exakt erkannt
VIelen Dank für diesen Beitrag, der, anders als manche hier sich anschließenden Kommentare, darauf verzichtet, simples Bashing zu betreiben. Sabine Reich hat die strukturellen Probleme des Theaters exakt erkannt und netter Weise darauf verzichtet, mit dem Finger auf die Akteure und Institutionen zu zeigen, die einer Reform der Produktionsprozesse (denn darum geht es ja in erster Linie) im Weg stehen. Wer in dem Artikel die konkreten Änderungsvorschläge überliest, weiß offensichtlich nicht, wovon die Rede ist. Vielleicht fasse ich sie deshalb noch mal zusammen, denn doppelt genäht hält ja bekanntlich besser:

Befreiung der Produktionen aus dem engen Korsett des Spielplans, dadurch
Freiräume schaffen für Denken, Kommunikation, Experiment
Ermöglichung von Interdisziplinarität
Überdenken des bürgerlichen Bildungsbegriffs
Überwindung starrer Entscheidungs- und Zuständigkeitsstrukturen im Theaterbetrieb

Mir scheinen einige Kommentare hier reflexartig in die alte Leier von der Verantwortung der Politik für die Kultur einzufallen. Erst einmal haben Intendanten und Kaufmännische Geschäftsführer die Verantwortung für ihre Betriebe. Die Politik hat sich aus inhaltlichen Entscheidungen herauszuhalten und tut dies in aller Regel auch. Mehr Geld in das konzeptionell träge und konservative System hineinzupumpen (wobei die Frage, woher es fließen soll, ja niemand beantworten will), wird zu keinen Veränderungen führen. Man muss diese natürlich auch wollen. Zu recht stellt deshalb Sabine Reich hier in erster Linie die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz des Stadttheaters, und die sollten nicht Politiker und Zuschauer, sondern die Künstler beantworten. Dafür braucht man übrigens nicht jedesmall einen sechsstelligen Produktionsetat.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Ausbildung Intendanz
Liebe Poster,
ich finde der Text von Frau Reich fängt sehr interessant an, hält aber leider nicht, was er verspricht, nämlich eine wirklich Befragung dessen, was der blinde Fleck des Theaters ist: Die mangelnde Professionalität in der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen.
Eine Begutachtung des überkommenen Bildungsideals als Fußfessel eines Mediums, welches dringend Zeitgenossenschaft herstellen sollte - geschenkt. Datt wissen wir alle mittlerweile. Sehr genau.
Schlechte Arbeitsbedingungen im Sinne eines relevanten künstlerischen Outputs - die Scheunentür steht seit Jahrzehnten offen.
Aaaaaaber, das wirklich Drängende ist meiner Meinung nach eine Professionalisierung der Leitung von Theatern. Was in der - auf Probebühne leidenschaftlich kenntnislos verteufelten - Wirtschaft Gang und Gäbe ist, dass die Führungsverantwortung von Betrieben mit entsprechenden Qualifikationen im Bereich von Kommunikation, Selbstreflektion im Rollenauftrag sowie der klaren, vermittelbaren Definition von Zielsetzungen einhergeht, tut bitter not um das Feudalsystem zu überwinden, was die Theaterlandschaft verelenden lässt. Es kommt eben nicht darauf an Intendantenpersönlichkeiten aus einer Ursuppe durch göttliche Sendung zu erhalten, sondern die möglichen Kandidaten - wie auch Dramaturgen (die leiten ja wohl mit) - entsprechend auszubilden. Im Sinne von zeitgenössischer, verantwortlicher, nachvollziehbarer Führung von Menschen. Dieser Aufgabe muss sich die Politik stellen. Nicht im Sinne einer Einflussnahme auf die künstlerischen Prozesse im Theaterbetrieb, aber sehr wohl im Sinne von Mindeststandards an oben angedeuteten Fähigkeiten, die jemand erlernen muss, um diese Stellen einzunehmen. Das kann die- oder derjenige übrigens auch schon in jungen Jahren.
Die Theater müssen somit befähigt werden sich selber als Organisation zu sehen, durch ernstzunehmende Feedbackschleifen zu "lernenden Organisationen" werden und aus der angstproduzierenden, unwürdigen Autokratie in die demokratische Gegenwart eintreten. Und das verbindlich geregelt und überprüfbar und nicht auf der Basis der Launen eines Chefs vom Janzen.
Die Aufgabe von Dramaturgen in diesem Prozeß kann nicht mehr ausschließlich die Produktion von mehr oder minder intelligenten, Wissenschaftlichkeit vortäuschenden Texten sein, sondern wäre eine dezidierte Hinwendung zu einer professionellen Prozessmoderation - einer professionalisierten Kommunikation. Die gekonnte Vermittlung zwischen unterschiedlichen Menschen und Denkarten wäre somit nicht die Ablenkung von der "eigentlichen" Arbeit eines Dramaturgen sondern stünde zentral - wie es ja übrigens auch tagtäglich faktisch verlangt wird.
So gesehen hat der fremdwortkundige Herr Kerlin recht mit seinem Text über die völlig neue Ausbildung von allen künstlerisch Berufenen am Theater.
Diejenigen die führen wollen und müssen(!), sollten dies auch wirklich lernen und dann können.
Das wäre ein entscheidender Beitrag um die Theater aus ihrer negativen, ängstlichen Selbstbezogenheit zu befreien und reif - also ausreichend entwickelt - zu machen, um sich neue Herausforderungen zu stellen.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: ungeschickt im Umgang
Werte KollegInnen,
die letzten beiden Beiträge sind sehr wertvoll.
Dass es heute nicht mehr reicht, der oder die beste im Probenraum zu sein, sondern das, wer sich mental auf eine Intendanz oder andere Leitungsstelle im Theater vorbereitet, eine profunde Ausbildung in allen betriebsrelevanten Fächern haben sollte, von Personalleitung bis hin zu strategischem und vernetztem Denken, muss spätestens jetzt durchsickern, wenn man bemerkt, wie viele IntendantInnen wie ungeschickt mit Krisensituationen in ihren Häusern umgehen. nachtkritik hat freundlicherweise immer wieder darüber berichtet.
Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen und sagen, dass nicht jeder künstlerisch herausragende Regisseur und Dramaturg automatisch für eine Leitungsposition geeignet ist. Um dem zu begegnen, müssten klare Kriterien bei Intendantenauswahlen erstellt und abgeprüft werden. Ein Berufungsgespräch für die Auswahl eines Intendanten vor den Gesellschaftern dauert oft nur 1 - 2 Stunden, völlig unangemssen dafür, dass diese KollegInnen dann für 2, 3, 4, 500 MitarbeiterInnen verantwortlich sind.
Im Umkehrschluss gibt es natürlich immer auch kollektive Lösungen. Auch mittelständische Unternehmen in der Größenordnung eines Theaters werden längst nicht mehr durch einen Patriarchen geleitet, sondern im Team, mit einer rotierenden Sprecherrolle. Wieso also, müssen Intendanten, die oft völlig überfordert vom betrieblichen Tagesgeschäft eines Theaters sind, und deren künstlerische Arbeit darunter leidet, Häuser alleine leiden, wenn man Direktorien, wie in Mannheim (aus der Not geboren, nicht strategisch geplant, aber ein Erfolg!) bilden könnte. Was spricht dagegen?

Zu all den richtigen Punkten, die Christian Koch zum Text von Frau Reich einlässt, möchte ich aus meiner bescheidenen Warte nur ergänzen, all diese Punkte sind richtig und wichtig, und zuweilen geschieht dies ja längst, aber sie sind völlig unfruchtbar, wenn sich die Strukturen im Theater selbst nicht reformieren.
Wir können nicht Wasser predigen und Wein trinken, autokratische, ungerechte Strukturen im Theater nicht hinterfragen und immer wieder reproduzieren, indem wir sie unterstützen, und mit unseren Formaten in eine Gegenwart streben, die etwas ganz anderes will, Gerechtigkeit, Transparenz, Team, Interdisziplinarität. Das funktioniert auf Dauer nicht, entweder es gibt einen Crash oder die Struktur, die meist stärker ist als der Inhalt, setzt sich wieder mit alten Formaten durch. Wir fragen uns doch hier immer wieder, wie es möglich ist, dass die Theater die letzte Bastion nahezu feudalistischer Arbeitsverhältnisse sind - weil jede neue Theaterleitung das Interesse hat, die ihre Position stärkenden Strukturen zu erhalten und auszubauen.
Ich freue mich über jedes Beispiel eines deutschen Stadttheaters, in dem das nicht so gehandhabt wird??
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Demokraten im Leben, Aristokraten in der Kunst
Zu Sabine Reich: „Kein anderes Medium ist so eng mit den Strukturen des Öffentlichen verbunden wie das Theater, denn das Theater erst produziert diese Strukturen und Räume. So wie es einstmals eine bürgerliche Welt erschaffen hat, so kann es heute die Kultur und die Öffentlichkeit der Zukunft formen.“ Verehrte Frau Reich, Sie übertreiben! Nicht das Theater hat „eine bürgerliche Welt erschaffen“, sondern der Kapitalverkehr. Das Theater hat, dieser Entwicklung hinterherhinkend, lediglich „das bürgerliche Trauerspiel“ erfunden. Weiter schreiben Sie: „Nur wenn sich die öffentlichen Strukturen in die Form des Theaters einschreiben, kann das Theater diese gestalten und so seinen eigenen Raum und den der Kunst offen halten.“ Gott bewahre! Sie selbst stellen fest: „Vermessen ist es zu denken, dass jene Ökonomisierung, die wir scharfsinnig (!) für alle Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens konstatieren, vor uns und den Theatern Halt gemacht hätte.“ Eben! So „schreiben sich die öffentlichen Strukturen in die Form des Theaters ein“. Sie selbst beschreiben die Folgen.

Zu # 9: „Mehr Geld in das konzeptionell träge und konservative System hineinzupumpen (wobei die Frage, woher es fließen soll, ja niemand beantworten will), wird zu keinen Veränderungen führen.“ Nahezu alle Steuersenkungen der letzten Jahrzehnte haben direkt oder indirekt die Einnahmen der Kommunen verringert. Und ab 2020 greift die schreckliche „Schuldenbremse“, die die Kommunen zu „ausgeglichenen Haushalten“ zwingt. Was meinen Sie, was dann erst mit den sog. „Kulturetats“ geschieht! Und woher, meinen Sie, „floß“ oder „fließt“ das Geld für die „Bankenrettungen“?

Zu # 10: „Was in der - auf Probebühne(n) leidenschaftlich kenntnislos verteufelten - Wirtschaft Gang und Gäbe ist, dass die Führungsverantwortung von Betrieben mit entsprechenden Qualifikationen im Bereich von Kommunikation, Selbstreflektion im Rollenauftrag sowie der klaren, vermittelbaren Definition von Zielsetzungen einhergeht, tut bitter not um das Feudalsystem zu überwinden, was die Theaterlandschaft verelenden lässt.“ Ja, deshalb haben wir auch eine Dauerbankenkrise, 5 Mio. Arbeitslose, Massenentlassungen, Kapital- und Steuerflucht, Niedriglöhne, einen auch nach europäischem Recht unvertretbaren deutschen Exportüberschuß usw. usf. - weil die „Führungsverantwortung von Betrieben in der Wirtschaft Gang und Gäbe ist“! Herr des Himmels! (Und was, bitte, soll „Selbstreflektion im Rollenauftrag“ für ein Ding sein?)

Zu # 11: „Wir fragen uns doch hier immer wieder, wie es möglich ist, dass die Theater die letzte Bastion nahezu feudalistischer Arbeitsverhältnisse sind - weil jede neue Theaterleitung das Interesse hat, die ihre Position stärkenden Strukturen zu erhalten und auszubauen.“ Die Position einer Theaterleitung wird wesentlich durch den künstlerischen Erfolg gestärkt (wir durften allerdings in letzter Zeit wiederholt erfahren, wie wenig dieser Erfolg nützt, wenn es ums Geld geht). Frau Reich bemüht sich, zu beschreiben, welchen strukturellen Verformungen diese Position augenblicklich ausgesetzt ist und wie willfährig viele Theaterleitungen sich diesen Verformungen in die Arme werfen. Der vulgären Scheinfortschrittlichkeit, in der sich die stereotype Kritik an den „feudalistischen Arbeitsverhältnissen“ (am Theater, dagegen ist jeder mittelständische Betrieb bereits ein Arbeitnehmereldorado! Bei Frau Reich ist gar von einem „muffige(n) Auslaufmodell“ die Rede!) so gerne sonnt, gebe ich ein Zitat von Arturo Toscanini mit auf den Weg (überhaupt - der Dirigent!? Ein Diktator! Ein Autokrat!): „Seien wir Demokraten im Leben und Aristokraten in der Kunst.“
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Weg in den Katholizismus
Wenn das weiter so geht mit dem unkünstlerischen Debattismus, wird der FPS noch im Katholizismus Zuflucht suchen!! - "Bin ich ganz bei Ihnen..." (zit. aus "Volksfeind" in der Fassung der SB). (Gemeint ist natürlich Toscanini, der mit den gern winzigen Gesten mit der großen musikalischen Durchschlagkraft)
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Rückeroberung der Autonomie
solche artikel, wie dieser von sabine reich sind - unabhänig, wie "verjährt" sie sein mögen - sehr wertvoll, weil sie den finger in eine sehr alte, verjährte wunde drücken und das ist gerade für das theater im künstlerischen sinnne sehr wichtig, oder? kunst und industrie, also kunstindustire im allgemeinen, ist ja eh ein begriffspaar, dessen inhalt schwer zu vereinbaren ist. Das gilt für jeden künstlerischen ausdruck und eben auch im tgheater, was sehr schade und daher immer wieder erwähnenswert ist... Die Rückeroberung der Autonomie des Theaters im strukturellen Sinne ist existenziell wichtig, weil nur durch sie, oder zumindest durch einige grundsätzliche (Neu-)Entscheidungen, Wege eröffnet werden, die die Kunst selbst zum Maßstab der Führung eines Theaters werden lassen.
Auch gibt dieser Artikel auch einige interessante Impulse, wie z.B. die engere Zusammenarbeit von Stadt und Theater, was im gewissen Sinne auch die Möglichkeit schaffen könnte, WIRKLICH neue RegisseurInnen und SchaspielerInnen etc. LANGFRISTIG UND ETABLIERT ins theater zu integrieren. Sprich: Die Frage nach der Auswahl der Intendantenstellen. Ich glaub, so lange sich nichts wesentlich grundlegendes an der Struktur des Theaters ändert, werden solche Diskussionen leider ganz unromantisch unkünstlerisch bleiben, befürchte ich...
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: der letzte (lahme) Fürst
Werte KollegInnen,

ich verstehe einige inhaltliche Einlassungen nicht.

#14 hello
Ich gebe Ihnen völlig Recht, so lange es keine wesentlichen strukturellen Debatten und Änderungen der Theaterstrukturen gibt, macht es keinen Sinn, über neue Inhalte zu sprechen, und dann bleibt es trockene Materie.
In diesem Zusammenhang:
Was bedeutet Rückeroberung der Autonomie des Theaters im strukturellen Sinne? ich bitte um Nachhilfe?
und was hat die Möglichkeit, neue RegisseurInnen ans Theater zu holen mit der Auswahl der "INtendantenstellen"? oder der Intendanten zu tun?

#12 Herr Steckel
Auch hier benötige ich Nachhilfe. Erklären Sie mir bitte, wie die Position einer Theaterleitung durch künstlerische Erfolge allein gestärkt werden kann? Ich kenne kein Beispiel mehr.
Niemand will das Theater neu erfinden, obwohl es strukturell sicher Sinn machen würde. Aber das Theater ist eine der letzten Bastionen feudalistischer Verhältnisse. Es gibt kaum noch Betriebe, in denen ein Einziger oder eine Einzige in einer solchen Manier durchregieren kann, wie im Theater. Der Intendant ist der letzte Fürst der Moderne.
Und gleichzeitig ist er ein lahmer Fürst, weil er es nicht fertig bringt, die Ungerechtigkeit und die Mißstände aufzudecken, angefangen bei den Gehaltsunterschieden zwischen Bühnenkünstler auf der einen, Verwaltung, Technik im Mittelfeld und Orchestermusiker auf der anderen Seite.
So lange das nicht gelöst ist, ist jeder künstlerische Erfolg ein auf dem Rücken der Künstler ausgetragener, deren realer Stundenlohn zuweilen deutlich unter dem Mindestlohn liegt.

Der Manchesterkapitalismus in der Wirtschaft ist übrigens längst abgelöst. Die Wirtschaft bedient sich viel subtilerer Formen des Managements, ob sie besser oder schlechter sind, wird die Geschichte zeigen. Aber das Wissen, dass im Management in den Bereichen Personalführung und Personalentwicklung, Mediation, strategischer Planung, Konflikt- und Krisenmanagement, Kommunikation und Marketing, etc. angesammelt worden ist, kann doch auch von Theatern nutzbar gemacht werden. Es ist doch nicht per se schlecht.
Schauen Sie doch mal zurück in die Historie, allein um die vorletzte Jahrhundertwende gab es künstlerisch exzellente und wirtschaftlich erfolgreiche private Theaterbetriebe, die nach gemischten Kriterien geführt worden sind.
Das Prinzip des ungeschulten Intendanten heute führt doch immer wieder in Krisen, die schädlich für das Ansehen des Theaters sind, oder muss ich Ihnen einige Beispiele aufzählen, die allein auf Managementfehlern beruhen, Wien an aller erster Stelle. Sie kennen sie doch alle selbst.
Wenn Theaterleiter zukünftig besser ausgebildet sind, jenseits ihrer künstlerischen Grundierung, dann gelingt es auch besser, sich mit der Politik auseinander zu setzen. Dann kann ein Intendant auch nicht mehr so oft in brenzligen Situationen vorgeführt werden.
Wir alle sind auf der Bühne immer so klug und wollen es in der Wirklichkeit nicht sein.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Lücke zwischen Arm und Reich
"Reiche Einzelpersonen, Unternehmen und private Interessensgruppen kontrollieren die Entscheidungsprozesse in der Politik. Die Folge: Steuersysteme und Regierungspolitiken nutzen einigen wenigen, nicht aber der Mehrheit, weshalb die Einkommens- und Vermögensungleichheit steigt.
In einigen EU-Staaten ging die Sparpolitik im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ausschließlich zulasten der Ärmsten. Mindestlöhne mussten auf Druck der Gläubiger gekürzt, der Kündigungsschutz abgeschafft, der öffentliche Sektor verkleinert werden. Nationale Tarifverhandlungen wurden in Spanien, Portugal und Griechenland zurückgedrängt und durch Verhandlungen auf Firmenebene ersetzt.
Ungerechte Steuersysteme vergrößern in vielen europäischen Ländern die Lücke zwischen Arm und Reich, statt Einkommensungleichheiten zu verringern. Sie besteuern Arbeit und Konsum stärker als Kapital, was reichen Einzelpersonen, Gutverdienenden und großen Unternehmen ermöglicht, ihren Steuerverpflichtungen zu entgehen. So bezieht Spanien 90 Prozent seiner Steuereinnahmen aus Steuern auf Arbeit, Einkommen und Konsum, Unternehmenssteuern machen nur zwei Prozent der Einnahmen aus. Zugleich verlieren die EU-Staaten insgesamt eine Billion Euro pro Jahr durch Steuervermeidung." (Oxfam-Bericht EIN EUROPA FÜR ALLE - ganz neu!)
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: methodisch von der Wirtschaft lernen
Lieber Frank-Patrick Steckel,
(...) Generalisierungen, Gemeinplätze und Beiträge zur Wagenburg Theater erwartet man ja von vielen, die den Status quo als alternativlos ansehen, aber von Ihnen mutet es dann schon traurig an nichts als böse-böse zu hören, wenn mal jemand wagt zu sagen, dass es METHODISCH etwas zu lernen gäbe von der Wirtschaft.
Eigentlich hat A. Cotard schon alles dazu gesagt und ich will nur kurz auf Ihre Frage eingehen, was das sein soll "Selbstreflektion im Rollenauftrag". Es hat nichts mit einer Bühnenrolle zu tun. Sondern mit einer Führungsrolle, die ein Intendant oder ein Dramaturg an einem Theater qua Arbeitsvertrag/Stellenbeschreibung innehat. Sich darüber klar zu werden, dass die/der jeweilige nicht ausschließlich wegen einer irgendwie gearteten Genialität von einer städtischen oder Landesinstitution bezahlt wird, sondern einen klaren Auftrag in dieser Organisation hat kann innerhalb eines Reflektionsprozesses deutlich werden und auch unabhängig von "der-oder-diejenige-mag-mich-mehr-oder- weniger" definiert und aufrecht erhalten werden. Die künstlerische Arbeit betrifft dieser Reflektionsprozeß nur mittelbar. Deren Eigengesetzlichkeit sollte meiner Meinung nach von einer günstigen Rahmung her betrachtet werden. Aber es gibt auch wenn es für Aristokraten (kotzwürghybrisekel) schwer verständlich ist auch die Niederungen der Ebenen - das Alltagsgeschäft (nennen wir nur mal beispielsweise Konflikte, Ruhezeitenregelungen etc .) in denen all diese Künstlergenies mit ihren Verhaltensweisen von der Probebühne regelmäßig versagen, weil sie eben nicht wissen in welcher Rolle sie gerade agieren müssen, um adäquat ihren Job zu machen. (Der ist ja nicht "Regisseur von allem" sondern z.B. Intendant)
Diese Frage beantworten zu müssen, läßt tief blicken wie wenig Professionalität (im Sinne einer definierbaren Abstraktion von Kompetenz, die sich absetzt von Charisma und Persönlichkeit) in Positionen vorhanden ist, die eigentlich keinen Dilettantismus vertragen.
Herr des Himmels!
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: wünschenswerte Besonderheit
Ja, das ist schon eine wünschenswerte Besonderheit: Der gute regieführende Intendant. Aus meiner Sicht ein Ideal für das Theater. Vielleicht verschrieen heute, weil es so an das partiarchal anmutende Modell des Prinzipals erinnert... Jemand, der weiß, in welcher Rolle er gerade agieren muss für sein Haus und sein Ensemble und seine mit der Dramaturgie erarbeiteten künstlerischen Strategien. Ohne dabei zu vergessen, welche Rolle er eben auch noch beherrscht. Als gerade agierender Intendant den Künstler in sich nicht zu vergessen und umgekehrt. Da gehört sehr viel Disziplin, Klarheit, Selbst-Kenntnis und Willen zur dauerhaften Selbst-Refkletion dazu. Und da sind wohl Soft-Skills oder wie das neumodisch heißt, die bei Intendanten-Suche heute gar nicht erfragt werden! Schon Ausschreibungs-Texte ergehen sich in Phrasologie! Ja, da möchte man dann wirkllich sagen: DAS kann auch zur Not Lothar Matthäus erfüllen, die neue Intendanz für Irgendwo PR-gerecht rüberbringen: "An der Spitze ist unser Ensemble und unsere politische Vorstellung und unsere Kunscht breit aufgestellt...", ja? Was man da alles liest an Begründungen von Leuten, die Intendanzen übernehmen: eine tolle Chance für mich (übersetzt: die Karre ist im Dreck und ICH darf jetzt gut bezahlt für vier Jahre so tun, als könnte ich sie da rausholen, vier Jahre diese Kohle - nachmirdieSintflut), ich habe Blut geleckt (übersetzt: jedem seiner Phantasie überlassen, was hinter ausgerechnet dieser Sprachwahl steckt(zit. herrmann, s. #17: kotzwürghybusw.), ich will das Theater in diesem engstirnigen Deutschland insternationalisieren (übersetzt: ihr habt wenigstens noch ETWAS mehr Sicherheit hier als das bei mir in der Heimat der Fall ist, auch wenn das hier auch zusehens den bach runtergeht - ich bringe wenigstens alle meine Freunde in ein paar Jahre größere Sicherheit) - Und dann gibt es natürlich noch, die viel gelobten nicht-inszenierenden Intendanten, die Kunst mit Wirtschaft wenn nicht gleich verwechseln wollen, dann aber sehr schnell in ihren Amtszeiten merken, dass es schon besser ist für sie und ihre Häuser, wenn sie es dann doch tun... Genial, nicht wahr?- Dieser Arbeitgeber der Intendanzen... Mit und ohne Charisma.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Forrest Gump’s Mutter
Zu # 17: Der unter # 16 wiedergegebene Text stammt nicht von mir, sondern von Oxfam. Ich halte ausdrücklich daran fest, daß es "methodisch" nichts von „der Wirtschaft“ zu lernen gibt, denn es gilt die Devise von Forrest Gump’s Mutter "Stupid is as stupid does". Im Zentrum der Arbeit eines Theaters steht die künstlerische Arbeit, der Rest ist McKinsey. Ein die Bezeichnung verdienender "Reflektionsprozess" an einem Theater, der die künstlerische Arbeit "nur mittelbar betrifft", ist undenkbar. Daß es Bühnenhandwerker gibt (gab), die dreißig oder vierzig Jahre lang Bühnenbilder auf- und abbauen, ohne eine einzige Vorstellung anzusehen, bedeutet nicht, daß diese Menschen sich über den künstlerischen Erfolg des Theaters, an dem sie mallochen, nicht freuen - genausowenig, wie es den Menschen, die kein städtisches Theater besuchen, völlig gleichgültig ist, wie über es geredet wird. Der pejorative Tonfall, in dem Sie über die "Wagenburg Theater" sprechen (es gibt kein ausgesetzteres, ja ausgelieferteres Institut als ein Theater), von einer "irgendwie gearteten Genialität", von "all diesen(n) Künstlergenies", die "mit ihren Verhaltensweisen von der Probebühne regelmäßig versagen", wenn es darum geht "adäquat ihren Job zumachen", verrät, wie fremd Ihnen die Dinge sind, von denen Sie und andere hier so unternehmensberaterisch ("Professionalität im Sinne einer definierbaren Abstraktion von Kompetenz") schwatzen.

Zu # 18: "Ja, das ist schon eine wünschenswerte Besonderheit: Der gute regieführende Intendant. Aus meiner Sicht ein Ideal für das Theater. Vielleicht verschrieen heute, weil es so an das partiarchal anmutende Modell des Prinzipals erinnert... Jemand, der weiß, in welcher Rolle er gerade agieren muss für sein Haus und sein Ensemble und seine mit der Dramaturgie erarbeiteten künstlerischen Strategien. Ohne dabei zu vergessen, welche Rolle er eben auch noch beherrscht. Als gerade agierender Intendant den Künstler in sich nicht zu vergessen und umgekehrt. Da gehört sehr viel Disziplin, Klarheit, Selbst-Kenntnis und Willen zur dauerhaften Selbst-Ref(lekti)on dazu."
Ich habe "den Job" neun Jahre lang gemacht und gebe Ihnen recht.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Erfahrung für den Verband
Sehr geehrter Frank Patrick Steckel, das ist sehr aufmerksam, dass Sie meinen Schreibfehler aus dem Kommentar beim Zitieren berichtigt haben. Ich bin heute etwas unkonzentriert, da ist mir das wertvoll, wenn mich da jemand aus der Peinlichkeit bringt. Danke auch für Ihren Hinweis auf den neuen Oxfam-Bericht! - Und bei all der Genauigkeit und der vielen kostbaren Erfahrung aus Ihrer langjährigen Tätigkeit wie auch Ihrer persönlichen generationsübergreifenden Erfahrung mit dem augenblicklichen Theaterbetrieb fände ich es ungeheuer hilfreich, wenn Sie sich in die Gründung des neuen Verbandes einbringen würden. Vielleicht kontaktieren Sie einmal dazu Rechner oder A. Cotard, die, wie mir scheint, die Gründungs-Logistik bisher am effizientesten zusammenbringen. - Freundlichst
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Verständigungsweg
Zu # 20: Ich schlage schon seit längerem die Gründung eines neuen Theaterverbands vor. Aber sollte es ernst werden, müssen wir nach anderen Verständigungswegen suchen als Kommentarspalten und Decknamen.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: ohne Ansehen mehr Konzentration
#21: Ja. Sie sind aber eine gute Zwischenlösung dafür, dass Zusammenarbeiten ohne Ansehen der Person mehr Konzentration auf die Sache garantieren.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: ohne Ansehen?
Zu #22: So kraus wie die Formulierung scheint mir die darin versteckte Ansicht: "Zusammenarbeiten ohne Ansehen der Person"? Ich dachte, unter #20 hätten Sie mich angesprochen!
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: gegenseitige Abschottung?
Lieber Herr Steckel,
es tut mir leid, wenn Ihnen mein Tonfall zu pejorativ war. Glücklicherweise steht Ihnen ja auch das Stilmittel der Zuspitzung zu Gebote.
Wenn ich Sie richtig verstehe sind Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind, ahnungslos und "schwatzen" "unternehmensberaterisch", wenn Sie anmerken, dass es außerhalb des Theaters etwas zu lernen gäbe. Ich muss Ihnen leider sagen, dass sich meine Einschätzung der Situation am Theater eher aus einem Übermaß an Erfahrung mit den strukturellen Defiziten ergibt als aus Ahnungslosigkeit. Weiterhin bin ich einfach baff mit welcher Apodiktik Ihnen klar ist, dass alles was in der Wirtschaft gemacht ist in Bausch und Bogen zu verdammen ist (es ist ja dort alles per se blöde, wenn ich Ihr Gump-Zitat richtig verstehe) [Ich frage mich, ob Sie nicht im Gegenzug Offenheit von Leuten aus der Wirtschaft einfordern würden im Hinblick auf künstlerische Arbeit - oder sind Sie für eine gegenseitige Abschottung gesellschaftlicher Teilbereiche?]
Ich habe, by the way, überhaupt kein großes Interesse an Wirtschaftsorientierung für Theater. Im Gegenteil!
Das worauf ich versucht habe abzuheben ist eine Professionalisierung der Führungskraftausbildung an Theatern. Diese Art von Weiterbildung findet ja auch in Gewerkschaften und Ämtern statt und hat nur in der Wirtschaft vielleicht die prominenteste Funktion.
Die Annahme allein die künstlerische Qualität würde jegliche Arbeitsweise eines Theaters heiligen erscheint mir für Stadt- und Staatstheatern abwegig. Dafür ist das alles zu groß und die Verantwortung für Biographien, Familien etc. viel zu umfassend. Für freie Gruppen passt das vielleicht. (Ich habe selbst in der Arbeit in anderen europäischen Ländern derartige patriarchale Strukturen kennengelernt, die so durchaus funktionieren. Quasi-familiär. Auch ok.)
Und hier liegt der Hase im Pfeffer - meine Meinung. Natürlich sollte sich die Arbeit eines Theaters auf die künstlerische Arbeit hin zentrieren. Aber das heißt ja nicht, dass die vielen, vielen beteiligten Menschen mit Dienstplänen etc. deshalb alle gleichermaßen ticken und zu organisieren sind, wie ein Ensemble auf einer Probebühne. Diese Analogie zwischen Haus und Probebühne ist kenntnisarm (was Organisationstheorie angeht), fatal und landläufig verantwortlich für das was sie in Breite in der Angst-Ausgabe von TdZ nachlesen konnten. Willkür kann in der Kunstproduktion ok sein. Im tagtäglichen Miteinander in einer arbeitsteilig aufgestellten großen Organisation ist sie Gift - und doch wird dieses Gift von Menschen ohne Interesse an Weiterbildung tagtäglich ausgeschenkt. Diese Ebene von Menschenführung (so darf man das, glaube ich, nennen wenn jemand Weisungsbefugnis für sich reklamiert) hat nur mittelbar mit Kunstproduktion zu tun, ist aber absolut relevant um die Rahmung für diese Kunstproduktion verantwortlich und kontinuierlich konstruktiv zu gestalten.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Fragen an einen ehemaligen Intendanten
Nur noch ein kleiner Nachtrag, damit das Ganze hier vielleicht auch für andere außer Herrn S. und mich fruchtbar ist.

Lieber Herr Steckel,
sie haben es ja selber gemacht.
Also frage ich Sie einfach zum besseren Verständnis Ihrer starken Positionierung.
Woran und wann haben Sie erkannt, dass Sie ein guter Intendant waren?
Was mußten Sie neu lernen?
Wer hat Ihnen dabei geholfen?
Welche Kriterien außerhalb von Ihrer eigenen Einschätzung haben Sie gelten lassen?
Wann haben Sie Ihre Mitarbeiter befragt, was eine gute Zusammenarbeit wäre?
Welche Konsequenzen hatte das?
Wie haben sie die Gehaltsunterschiede in dem von Ihnen künstlerisch geleiteten Theater beurteilt und beeinflußt?
Wie haben Sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehandhabt?
Welche Ziele abseits von guter künstlerischer Arbeit haben sie sich in der Zusammenarbeit gesteckt?
Wie haben Sie ihre Ziele in der Arbeit kommuniziert?
Wie beurteilen sie aus heutiger Perspektive Mitbestimmungsmodelle, Betriebsräte, innerbetriebliche demokratische Institutionen?
Wie beurteilen Sie aus heutiger Perspektive Leitungskollektive o.Ä.?
Ich freue mich, wenn Sie sich die Zeit nehmen diese Fragen zu beantworten.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Gründungsprozedere
Gut, nehmen wir den Vorschlag von Frank-Patrick Steckel, für den jetzt erreichten Moment im Gründungs-Prozedere weitere Verständigungswege zu finden, sehr ernst. Danke dafür!
Ich stelle allen, die ihr Interesse an Mitarbeit im Erstgründer-Kreis anmelden möchten folgende E-Mail-Anschrift und nachfolgend aufgeführte Regeln für den Umgang mit ihr zur Verfügung: marIIIo0515@gmail.com.
1. Nach gründlicher Beratung mit einem international in Wirtschaft und Wissenschaft tätigen IT-Sicherheitsberater habe ich beschlossen, den E-Mail Verkehr über diese Adresse NICHT zu verschlüsseln. Wer auf verschlüsselten Austausch wert legt, sollte es bei A. Cotard oder jemandem, der sich dafür anbietet, versuchen.
2. Es ist mir für die weiterführende Arbeit irrelevant, ob Sie selbst sich unter Decknamen mit mir verständigen wollen. Wichtig ist, dass Sie mir einen
konkreten Namen und eine konkrete Anschrift hinterlassen, an die konservativ postalisch eine Einladung für ein erstes Erstgründer-Treffen geschickt werden kann.
3. Gleichwohl würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie auf einen Decknamen und den weiteren damit verbundenen Umstand verzichteten, das würde ich als außerordentlichen Vertrauensbeweis werten.
4. Es ist für mich NICHT relevant, ob Sie mir ein tatsächlich vorhandenes Haus und die Bedingungen dort schildern, oder ein Haus/Projekt usw. erfinden. Ich werde jeden Namen, jeden Umstand, den Sie mir als Tatsache angeben, als gegebene Tatsache nehmen und ihn NICHT überprüfen. Damit tragen Sie die Verantwortung für die Richtigkeit Ihrer Angaben allein. A. Cotard mag da anders verfahren und wenn Ihnen dies lieber ist, benutzen Sie bitte diesen Verständigungsweg.
5. Bitte teilen Sie mir mit, welcher Entwurf-Arbeitsbereich Sie am meisten interessieren würde: I Betriebliche Transparenz, II Gerechteres Bezahlungssystem, III Garantierte Mitbestimmung bei den künstlerischen Planungsprozessen, IIIUmgang mit Gästen, IV Kommunikation mit Bund, Ländern und Kommunen als Arbeitgeber usw.
6. Ich werde ausnahmslos auf vorschlagende Mails bei gleichzeitiger Mitarbeits-Bereitschaftserklärung, die eine konkrete Kontakt-Adresse enthält, antworten.
7. Kalkulieren Sie ein, dass unsere Verständigung, auch diese hier über nk, vom Verfassungsschutz auf seine Rechtmäßigkeit geprüft wird. Das ist dessen Aufgabe und wir erwarten auch in anderen Bereichen, dass dieser seine Aufgaben wahrnimmt, sofern er nicht seine Kompetenzen dabei überschreitet.
8. Kalkulieren Sie ein, dass irgendwelche Geheimdienste eventuell ebenfalls ein Interesse haben, unsere Verständigung in irgendeiner Weise zu verfolgen. Das kann man auch durch Verschlüsselungstechniken nur begrenzt verhindern und diese Verhinderung ist nicht unsere Aufgabe.
9. Kalkulieren Sie ein, dass uns und Ihnen, Ihre mitgeteilten Vorschläge und empathiegetragenen Ideen gestohlen werden! Bedenken Sie dann immer: WIR WOLLEN keine „Firma“ gründen, sondern, DASS DIE BÜHNENBETRIEBE UND PROJEKTE, IN DENEN WIR ARBEITEN, UNSERE KOMPETENZEN ENTSPRECHEND WÜRDIGEND, UNSEREN ERWERB SICHERND, UNS KÜNSTLERISCH ZUFRIEDENSTELLEND UND GESELLSCHAFTSPOLITISCH SINNVOLL FREI IM SINNE DER VERFASSUNG, FUNKTIONIEREN.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: noch mehr Fragen
An FPS (darf man das so unhöflich abkürzen?):
Zum einen, ja, ich sprach Sie an. Aber ich beobachte ja nur die Rechner/Cotard-Bemühungen und fand das bisherige Prozedere mit Decknamen und Kommentarspalten – anders als offenbar Sie – für einen begrenzten Zeitraum sinnvoll.
Zum anderen: Ich las woanders Ihre schöne knappe Darstellung Ihrer Zeiten als Intendant bzw. Künstlerischer Leiter und in Mitbestimmungsmodellen verschiedenster Art und meine Fragen danach wären-
• Fanden Sie das von Ihnen beschriebene offizielle, mit dem Arbeitsvertrag unterzeichnete, garantierte Mitbestimmungsmodell der 1970 neu-neugegründeten Schaubühne „elastischer“ oder das später „inoffizielle“, in Bremen angewandte?
• Wenn wir also in vielen Fällen das Ausbleiben der Mitarbeiterbeteiligung bei den künstlerischen Planungen beklagen, würde das in Ihrer Auslegung von
lediglich nötigem Mitbestimmungs-Willen von Mitarbeitern, bedeuten, dass heutige Mitarbeiter an den Bühnen mehrheitlich erst gar keinen Willen dazu hätten?
• Wenn ja, was wäre aus Ihrer Sicht der Grund dafür?
• Wenn nein, was genau wäre dann der Grund, dass es trotzdem nicht elastisch genug an den Häusern zuginge?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: anonyme Mailadresse?
@ Rechner: Unbesehen Ihres Vorschlags, möchte ich Ihnen dazu eine Frage stellen, welche mir enorm wichtig erscheint. Meinen Sie wirklich, dass eine Zusammenarbeit bereits funktioniert, wenn Menschen etwas an eine anonyme Mailadresse schicken? Für mich gehört dazu unabdingabr die physische Präsenz an einem bestimmten, für alle festgelegten Ort. Austausch funktioniert für mich am Ende nur mit Ansehen ;) der Personen, also in einer physischen face to face-Interaktion.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: physische Präsenz
Ja. Das ist wohl so. Es geht zunächst darum die physische Präsenz in einem Raum, in welchem man sich dazu gemeinsam aufhält, zu organisieren. Ich meine damit nicht die Ansehen-Präsenz, die uns Internet und Netz-Telefonie ermöglichen. Für viele ist auch das eine face-to-face-Interaktion, in der sie geübt sind und die sie mittlerweile bevorzugen. Für ebenso viele eher nicht. Auch für mich nicht. Diskussionen per Chat bei begrenzter Teilnehmerzahl (z.B. Hochschuleseminare mit internationaler Vernetzung) und Telefonkonferenzen zwischen z.B. vier gleichzeitig geschalteten darin geübten Teilnehmern intensiven Austausch über einen begrenzten Themenbereich sind durchaus effektiv und nachhaltig möglich. Ein Zyklus von Treffen zu einer komplexen Gründung, bei der 60, zum Teil emotional u.U. sehr angespannter Personen, miteinander Vorschläge diskutieren und vorläufige Beschlüsse fassen, Aufgaben verteilen, eher nicht. Diese Organisation eines erstes Treffens geht ja auch schon nur mit Zu- und Zusammenarbeit. Und ich WEIß nicht, ob die so funktioniert. Meine aber, es wäre mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit möglich. Ist damit Ihre Frage beantwortet?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: keine Einwände mehr
@ Rechner: Ja, keine Einwände mehr. Danke.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Theorie und Masse
Zu #25: Sie träumen, wenn Sie erwarten, daß ich Ihnen das hier mal eben so auseinandersetze.
Zu #27: „Die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“ (Marx)
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: das Gespenst der Selbstgewissheit
FPS: Ja. Das ist sehr schön gefunden und angewandt. Ab welcher Personenzahl konnte Marx noch einmal "Masse" denken? - Also wenn ich heute ein Manifest verfassen müsste - und dann natürlich mit höchstens einem einzigen Mitarbeiter zusammen!, würde das so beginnen: Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst der Selbstgewissheit...
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Warum die Spielereien?
An Rechner und Stritter:
Der Wortschatz aus dem Ihre beiden Kunstfiguren schöpfen, das kaskadenartige Entwickeln von Sätzen, die Syntax, all das belegt, dass Sie beide
a) eineiige Zwillinge,
b) zumindest aber Geschwister,
c) mit höchster Gewissheit aber ein und diesselbe Person sind.

Warum machen Sie das? Warum verderben Sie den anderen mit diesen kleinen Spielereien ihre Möglichkeiten, sich auszutauschen?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Zeiten der APO und des Mitbestimungstheaters
Zu #32: Im Ernst - im Jahre 1970 konnte sich niemand an der Schaubühne eine andere Arbeitsform vorstellen, aber da hatte die Theorie (nicht "die Idee") ja auch anderswo die Masse ergriffen (in Form der auch heute dringend wünschenswerten APO = Außerparlamentarische Opposition). Es war bezeichnend, daß für diesen Versuch doch sehr bekannter Theaterleute schon damals bundesweit kein anderes Theater zur Verfügung stand, als das kleine Quasi-Privattheater in Berlin Kreuzberg. Ich vermute, einem solchen Modell würde heutzutage nicht viel mehr Gegenliebe von Seiten "der Politik" zuteil als seinerzeit, sobald die weiteren Implikationen auf den Tisch kämen: Mitbestimmung des Ensembles, Reduzierung der Premièrenanzahl, längere Probenzeiten, weniger Spieltage, ausführliche Vorbereitungen usw. Ob allerdings die vielen unzufriedenen Kolleginnen und Kollegen, die augenblicklich die Kantinen ihrer vielfach ziel- und richtungslosen Häuser bevölkern, einem Unternehmen wie dem von 1970 Sympathie entgegenbringen würden, vermag ich nicht zu sagen. Bei der Spurlosigkeit, mit der der Schaubühnenversuch im business as usual des deutschen Stadttheaters verschwunden ist, habe ich da Zweifel. Fest steht nur: Wollen es die Beschäftigten, vom Intendanten bis zum Pförtner, läßt sich die angeblich so starre innere Struktur eines Theaters von einem Tag auf den anderen
in ein lebendiges, wenn auch (anders) anstrengendes Kollektivwesen verwandeln.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Produktionsbedingungen sind andere
Sehr geehrter Herr Steckel - ich nehme an, einem ähnlichen Modell würden eher wenige Kolleginnen und Kollegen heute zugeneigt sein, da sich bisher noch keine einzige Mitmach-Bereiterklärung in dem angegebenen E-Mail-Account eingefunden hat. Das ist eine nüchterne Feststellung, die bitte nicht mit Hoffnungslosigkeit oder Resignation gleichzusetzen wäre. Interessant ist Ihr zweiter Satz für mich, dass für diesen Versuch "schon damals bundesweit kein anderes ..."zur Verfügung gestanden hätte als die Schaubühne als kleines Quasi-Privattheater. Was genau heißt das? Steht auch heute bundesweit nur die Schaubühne aus Ihrer Sicht für einen neuerlichen, zeitgemäßen Anlauf zur Verfügung? Und wie verträgt sich diese Aussage mit Ihrer letztlich formulierten Ansicht, dass der Schaubühnenversuch im business as usual des deutschen Stadttheaters verschwunden sei? Ich denke, dass Sie bei Ihren Überlegungen nicht bedenken, dass sich nicht nur die Lebensbedingungen, sondern auch die Produktionsbedingungen durch die zunehmende Digitalisierung der Technik aller Lebensbereiche und Arbeitsbereiche gegenüber den 70er Jahren sehr verändert haben und dies nicht nur große, sondern bisher noch nicht überblickbare und hinreichend verständlich beschreibbare Konsequenzen hat. Welche die damalig beteiligten, namhaften Theatermacher noch nicht zu gewärtigen hatten. Und die heutigen - namhaften oder weniger namhaften - Theatermacher, auch an der Schaubühne - zu gewärtigen haben. Das erfordert eine zusätzliche Form von Bildung und eine beschleunigte, dauerhafte Weiterbildung, die über das damalige Problempotential m.E. weit hinausreicht. Weil die Theorie hinterherhinkt und ihre lohnenden Ansätze vom Medien-Markt und einer ihm dienenden Wissenschaft nahezu selbst verschlissen werden in einem atemberaubenden Tempo. Die Intendanten sind dabei heute weniger das Problem (vielleicht) bei der gemeinsamen Willensbekundung hin zu einem lebendigen Kollektivwesen. Aber: die Pförtner gehören dazu. Und die müssen eben auch einen auf die Zeitprobleme gerichteten Bildungs- und Weiterbildungswillen haben und dafür genügt es nicht, den durchdigitalisierten Alltag mehr oder weniger witzig abendfüllend auf die Bühne zu bringen. Dieser neue Willen muss also etwas anderes undoder zusätzliches enthalten als das, das Sie dankeswerterweise uns aus der zeitlichen Entfernung so gut und knapp schildern können! Und Sie werden Verständnis haben, dass wir diesen neuen Willen suchen und deshalb nicht auf die überkommenen Modelle zurückgreifen können. Es kann uns Vorbild sein, dass es sie gab. Und das ist sehr, sehr viel.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: keine Stadt war bereit
Zu #35: Das soll heißen, daß keine Stadt mit einem größeren stehenden Theater bereit war, das Mitbestimmungsmodell zu akzeptieren. "Mitbestimmung" war - und ist vielerorts immer noch - identisch mit allgemeinem Aufruhr, Machtverlust des Intendanten und Linksorientierung des Ensembles.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Theater verliert seinen Punk
#a. comrad
mit meinem etwas verklausulierten letzten gedankenabsatz, meine ich folgendes:
das "maß" an autonomie, was dem theater als nährboden fehlt, verschwindet zu gunsten einer wirtschaftlichen kulturpolitik und modifiziert eine erst einmal kunst/ theater interessierte kultur in eine kultur der ökonomie (es zählen erst einmal nur die zahlen der jährlichen auslastung, prestige, aufmerksamkeitserhaschung bei den medien, etc.pp.) dabei hat doch gerade das theater seinen ursprung im schmutz und in der auseinandersetzung mit der menschlichen hässlichkeit und diese autonomie damit frei umzugehen - ohne rücksicht auf ein sogenanntes allgemeinpublikum; kurz: das theater verliert an jener autonomie auch nicht gefallen zu wollen. es verliert seinen natürlichen punk...
und eben diese autonomie muss ein intendant leisten können seinem theater zu bieten - seinen spielern, wie auch seinen regisseuren. der intendant muss sich mit den eigen regisseuren , die er an haus holt auseinandersetzen und sich für seine arbeiten interessieren - es gibt da einfach wirklich sehr viele intendanten, die teilweise gar keinen bezug zu den regisseuren am eigenen haus aben und/ oder sogar haben wollen. es gibt auch einige nicht wenige, die sich ausschließlich für das maß der vita der regisseure interessieren und es gibt wieder auch jene, die sich gar keine oder kaum andere regisseure ans haus holen, aus gründen jeder natur... intendanten müssen mindestens eine grundvision haben und den strukturellen nährboden schaffen können-ohne die angst vor schlecht verkauften abendenden, weil es nur sekundär darum gehen darf... das alles ist eine sehr schwierige arbeit-klar! aber niemand hat behauptet, dieser job sei einfach zu händeln... und mittlerweile geht ja der intendantentrend eher gen richtung theatermanagement und die daraus resultierende folge sind eventtheater, die keiner will/ braucht, daher sind solche artikel, wie dieser von frau reich sehr wichtig!
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Fragen zur Mitbestimmung
Hatten Sie als Intendant während Ihrer Intendanz an der Schaubühne das Gefühl, zunehmend Macht verloren zu haben? Könnten Sie den das Modell nicht akzeptierenden Intendanten bzw. deren Arbeitsgebern in dieser Hinsicht Ihre Befürchtungen, die doch sicher in deren ablehnende Haltung führen, nehmen??
Was bedeutet "Linksorientierung" eines Ensembles?
Inwieweit kann die durch Einführung eines Mitbestimmungstheaters empfundene Aufruhr-Stimmung zu einem allgemeinen Aufruhr führen, so dass ein Mitbestimmungstheater mit ihm identifiziert werden kann??
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: wirkliches Interesse
Lieber Herr Steckel,
ich möchte nur kurz zu Ihrer Antwort auf meine Fragen anmerken, dass es sicherlich viel verlangt ist umgehend auf all diese Fragen zu antworten. Ich glaube aber weiterhin, dass es interessant wäre zu erfahren, wie sie zu diesen Fragen stehen. Vielleicht bietet Ihnen ja NK die Möglichkeit, diese oder ähnliche Fragen ein Mal in einer für Sie adäquaten Form (einem Gastbeitrag, ein Videointerview...) mit entsprechender Vorbereitung zu beantworten.
Zwei weitere Fragen würde ich auch gerne noch in die Verlosung geben.
Wie und in welcher Form haben Sie Konflikte im Regelfall gelöst?
Was haben Sie Ihrer Meinung nach getan, um die Zukunftsfähigkeit, der Ihnen anvertrauten Theater sicherzustellen?
Mir ist bewußt, dass all meine Fragen nach einer hidden agenda klingen könnten; dem ist aber nicht so. Ich bin aufrichtig interessiert, was Sie dazu zu sagen haben.
PS
Ihr Marx-Zitat finde ich ähnlich wie der süffisante Stritter irritierend, angesichts der umfassenden Weisungsbefugnisse eines Intendanten. Die Idee klingt im Zitat nach Weltgeist's Fingern. Das wirkt auf mich recht fatalistisch.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Intendanten wollen keine Mitbestimmung
#36
Ich finde es bedauerlich, dass keine andere Stadt bereit war, ein solches Mitbestimmungsmodell einzuführen, weil ich denke, es hätte dem deutschen Stadttheater strukturell und auch künstlerisch gut getan. Aber ich denke, es liegt an jedem Intendanten selbst, es in einer abgeschwächten Form selbst einzuführen. Es steht jedem Intendanten frei es so zu führen, wie er es möchte. Wenn er seine Schauspieler oder Künstler insgesamt an Entscheidungen teilhaben lassen möchte, kann er das, sei es Neuengagements, Spielplanpositionen, Besetzungen, Gastregisseure.
Wenn es den Drang der Intendanten gäbe, ihre Theater mitbestimmt zu führen, würden sie es machen. Sie wollen es nicht, bis auf wenige Ausnahmen in 65 Jahren Theatergeschichte, das ist eher enttäuschend.

#36
Das Maß an künstlerischer Autonomie eines Intendanten bleibt doch hoch, wenn die wirtschaftlichen Grundfragen geklärt sind.
Ich glaube, dass die Ursprünge des Theaters in Weihefestspielen und religiösen Veranstaltungen zu suchen sind und immer schon eine wirtschaftliche Komponente hatten. Im antiken Griechenland war es eine Frage der Ehre, dass reiche Bürger eine Aufführung für alle finanziert haben.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Erläuterung zur Schaubühne
Zu #38: Es gab an der Schaubühne ab 1970 keinen Intendanten (schon gar nicht mich, ich fing als Regie- und Dramaturgieassistent an), sondern eine gemeinschaftliche Leitung, die zu Beginn alle Mitarbeiter einschloß. Nach dem schnellen Weggang von Claus Peymann waren es Peter Stein und Dieter Sturm, die dafür Sorge trugen, daß das Chaos sich in Grenzen hielt und das kleine Theater ein deutliches Profil erhielt. „Linksorientierung“ bedeutet, daß das TINA-Prinzip („There Is No Alternative“) keine Chance hat.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Partizipation und Mitbestimmung sind möglich
Die Überzeugung, dass Politiker Mitbestimmungsmodelle verhindert haben ist glaube ich ziemlich weit hergeholt, denn über die internen Strukturen eines Theaters machen sich die Geldgeber (leider) keine Gedanken. Interessant für die Poltischen Gremien sind vor allem: Kennzahlen, Benchmarks und gute Kritiken. Weniger: eigenes Erleben der Vorstellungen, Konzepte und "Ideologien".

Nur da wo Satzungen, Gesellschaftsverträge oder ähnliches geändert werden müssten, können sich Politiker verhindernd einmischen (z.B. Stadtratsbeschluss erforderlich bei Rechtsformwechsel bzw. Änderung eines Gesellschaftsvertrags). Wie transparent oder demokratisch ein Betrieb gesführt wird liegt allein an der Leitung. Bei den Thtatern, die als GmbH organisiert sind, ist wirklich von heute auf morgen ein Mitbestimmungsmodell implementierbar (Einschränkung: es darf nicht gegen bestehende Tarifverträge bzw. die einschlägige Gesetzgebung (HGB, GmbHG, SGB, ArbZG, ArbStättV etc.) verstoßen). Die Geschäftsführung (zumeist Intendant*in und kaufm. Geschäftsführer*in) kann die innere Struktur des Betriebs weitestgehend selbst bestimmen. Also: wenn Besetzungen, Spielplanpositionen, Engagement von Gästen, Bezahlung der Kollegen im künstlerischen Bereich, etc. etc. per Beschluss einer Mitarbeiter*innen-Versammlung bestimmt werden sollen ... niemand hindert die Leitung.
Nicht teilbar ist die wirtschaftliche / rechtliche Verantwortung für das Ganze (die Geschäftsführung ist nunmal dafür verantwortlich: HGB §347 (1) "Wer aus einem Geschäft (...) einem anderen zur Sorgfalt verpflichtet ist, hat für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen." Das gilt auch für Intendanten!) Für die Verwirklichung einer Mitbestimmung im Theater braucht es einen Intendanten / eine Intendantin, die 1. bereit ist die Verantwortung für künstlerische Prozesse zu teilen und 2. bereit ist für den gesamten Betrieb seinen Kopf hinzuhalten.
In Regiebetrieben / Eigenbetrieben ist das ganze ein wenig komplizierter, aber auch machbar.
Außerdem: durch die ständige Wiederholung der Behauptung, dass es keine partizipatorischen Modelle im Theater gäbe, wird sie nicht wahrer. Es gibt/gab eine Ganze Reihe von Theatern die wenigstens versuchen, transparente Strukturen mit flachen Hierarchien zu verbinden - meist in irgendeiner Form kollektiv geleitet. Und schaut mal über den Tellerrand: Kammerphilharmonie in Bremen ist als gGmbH organisiert und die Gesellschafter sind: die Musiker!
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: dann No-TINA-Prinzip schreiben
Dann finde ich, sollte es auch No-TINA-Prinzip heißen, statt sich hinter dem schwammigen und leicht zu öffentlicher Diskriminierung verleitenden "Linksorientierung"-Begriff im Ungefähren einzurichten.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: was lustig ist
"...leicht zu öffentlicher Diskriminierung verleitenden..." ist lustig, vor allem in diesem Deutschland, vor allem nach dem Syriza-Debakel, bei dem die "öffentliche Diskrimierung" oberstes Gebot nahezu sämtlicher Politiker und Medien war.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: immer diese Schuldfragen
Es freut mich, wenn ich Sie erheitert habe. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn die sogenannten "Linken" schon weit eher vom einem No-TINA-Prinzip redeten: DAS meine ich. Das wäre dann auch eine elastische Mitbestimmung gewesen. Weristschuld? - DIEsindschuld! - Immer die andern, nich...
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: für zeitgenössische Schlagkraft unseres Mediums
Liebe Postgemeinde,
ich bin sicher illusionslos was die Bedeutung der Kommentarthreads angeht, aber es ist schon ein wenig traurig, dass eine aufkeimende Diskussion darüber, wie kann am Theater gut gearbeitet werden, wie wäre eine gute Führungsverantwortung von den künstlerisch Verantwortlichen (Intedanz und Dramaturgie) zu gestalten, einfach im Sande verläuft.
Es wird sicher in Zukunft wieder viele, viele mehr oder minder komplexe ästhetische Analysen oder Weltdeutungen anläßlich verschiedenster Aufführungen geben, die wie Herr Steckel ganz treffend schreibt, "mal so eben" rausgehauen werden.
Leider scheint aber das Interesse an einer Betrachtung, wie wir selber arbeiten, wie wir miteinander in der Arbeit verantwortlich, konstruktiv und respektvoll umgehen sollten rasch zu erlahmen. Der Blick, der sich auf das Theater selber richtet scheint zu mühsam. Der Zeigefinger auf die böse Welt da draußen erregiert einfach so schnell, dass eigene Verantwortung und die tagtäglich praktizierte politische Praxis (Stichwort Feudalismus) rasch aus dem Blick geraten. Die Angst vor der Arbeitslosigkeit produziert sicher hauptverantwortlich dieses Goldfischgedächtnis.
Schade, Schokolade.
Leider wird sich wahrscheinlich so nix Dolles entwickeln, hin zu zeitgenössischer Schlagkraft unseres Mediums. Mit derartig unprofessionellen Strukturen/Verantwortlichen, hängt's dann immer nur am Glück und Zufall, ob jemand Fähiges ein Theater leitet und produktiv für Andere (und nicht ausschließlich für sich) positioniert.
Es wird wohl entweder das Dahinsiechen weiter voranschreiten, oder die ABvO (außerbühnenvereinliche Opposition) richtet's. Oder ein genialer Kulturpolitiker stellt sich mal die Frage, wie eine angemessene Beurteilung eines derartig wichtigen leitenden Angestellten auszusehen hat. Oder die Ensembles rebellieren ohne Rücksicht auf weitere Anstellungsmöglichkeiten.
Man kann wohl sagen angesichts solcher Perspektiven, weist uns die rosenfingrige Morgenröte jetzt schon den Weg.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Mitbestimmung analysieren
Werter herrmann,

Ich bin gerne bereit mit darüber nachzudenken, wie wir Theaterstrukturen gerechter und transparenter für jene gestalten könnten, die mit Mindestlöhnen und ohne Mitsprache hoffen, dass ihre Anfängerverträge verlängert werden, und auch jene die sich zu Tausenden in den Kunsthochschulen und anderen Einrichtungen auf Theaterjobs vorbereiten.
Und ich denke nachtkritik ist ein zentraler Ort, an dem wir das tun können, denn erst einmal müssen die Zustände analysiert und beurteilt werden. Ihre Fragen unter no. 24 fand ich ausgezeichnet.
Aber dafür brauchen wir Unterstützung, zum Beispiel von FPS,
Der uns davon berichten kann, was schief gelaufen ist mit der Mitbestimmung in Berlin und Frankfurt, vor 40 Jahren.
Wir haben inzwischen herausgefunden, dass jeder Intendant frei ist, selbst Mitbestimmungsmodelle einzurichten. Warum geschieht das nicht?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: lange nichts gehört
ABvO - find ich gut. Lange nichts mehr von A. Cotard gehört, ist denn der DBV-Thread auch schon zu?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: rebellierende Ensembles
# 46
Der Gedanke der rebellierenden Ensembles gefällt mir. Die gibt es ja immer wieder, wie zuletzt vor der Sommerpause gegen ihren Intendanten in Darmstadt, worauf schließlich ein vielversprechender Schauspieldirektor und die Hälfte der Spieler gehen mussten.
Über ein sogenanntes "Fehlverhalten" des Ensembles wird von den Medien berichtet, aber nicht über die Ursachen.
Immer wieder gehen Schauspieler auf die Barrikaden, äußern ihren Unmut über Arbeitsbedingungen, zu niedrige Gehölter, schlechte Regisseure mit denen sie sich quälen, über Intendanten, die, wenn es brennt, nie sichtbar sind, aber auf der Premierenfeier mit den Honoratioren Champagner trinken.
Wie können wir die Bedingungen für Schauspieler und Assistenten verbessern?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich. Pfannkuchen
Ein Bühnentechniker Mitte der 90er Jahre, Oldenburg, zu einer jungen Künstlerpersönlichkeit:"Wer sich für einen Pfannkuchen hergibt, wird auch als Pfannkuchen gegessen."
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Transparenz-Modell
Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass ein Ensemblemitglied tatsächlich auch Mitglied der Theaterleitung wird, und zwar nicht im Sinne des sagenhaften Aufstiegs eines Schauspielers zum Intendanten, sondern des Schauspielers in seiner Funktion als Spieler. Was spricht dagegen, die Leitung der Sparte Schauspiel zum Beispiel zwei Schauspielern zu überlassen, oder einem Schauspieler und einem Dramaturgen, von denen eine/einer automatisch Mitglied der Theaterleitung sein würde.
Spielbarere Stoffe, besser disponierte Probenzeiten, möglicherweise sogar ein interessanterer Spielplan wären die Resultate.
Schauspieler reden durch ihren Vertreter ein Wort mit bei allen Neuengagements, Besetzungs- und Spielplanfragen, aber auch bei Gagenerhöhungen. Ein Modell völliger Transparenz.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Pfannkuchen erstrebenswert?
Ob das nun also erstrebenswert ist oder eine Warnung sein sollte, hängt davon ab, wie gerne der Bühnentechniker und auch die junge Künstlerpersönlichkeit Pfannkuchen aßen... Weiß man etwas darüber?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: prozentuale Beteiligung
A. Cotard: Schauspieler sollten ohnehin ein Wort bei allen Besetzungs- wie Spielplanfragen und auch bei Neuengagements mitreden dürfen. Aber ein Wort. Sagen wir zu 60 % bei Neueinstellungen - auch gegenüber den Leitungen berufenden Kommunen, und bei Gagenerhöhungen ebenfalls zu 60 % stimmberechtigt. Und 40 % bei Spielplangestaltung und Besetzungen. Nicht stimmberechtigt, sondern ehervorschlagsverpflichtet. Sie sollten ein konkret gewichtiges Wort haben, aber nicht das ultimative Wort. Auch das kann sonst zu unproduktiven Endlosdebatten und zunehmender Unlust an Mitbestimmung führen! Ich glaube, dass diese zunehmende Debattierunlust, wenn da die Mitentscheidungsanteile nicht klar geregelt sind, Ursache war, wenn Mitbestimmungsmodelle scheiterten, im Sande verliefen oder nach Hörensagen abgelehnt wurden... Schauspieler haben andere künstlerische Schwerpunkte und andere Lesephantasie als Intendanten,Dramaturgen und Regiesseure, das KANN übereinstimmen und ist dann ein beglückendes Arbeitserlebnis. Aber es MUSS NICHT übereinstimmen. Und auch dann sollte garantiert sein, dass vielleicht nicht für jedermanns Geschmack am Haus was beim Spielplan dabei ist, aber für jedermanns Spiel- und Darstellungslust sollte das unbedingt der Fall sein!! Ich finde es nicht so wichtig, ob Schauspieler in der Leitung sind, weil es bei einem Theater, das ich leiten müsste ohnehin bei allen Leitungssitzungen einen schauspielvertreter mit am Tisch gäbe. Das ist der, den die Schauspieler gerade schicken und muss nicht immer der gleiche sein - ein Modell noch größerer Transparenz??
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Vetomöglichkeit
Ich denke, auf diesem Modell ließe sich noch aufbauen, mich interessiert darin vor allem eine Fest verankerte Vetomöglichkeit des Ensembles gegen Entscheidungen des Intendanten, die das Ensemble berühren, Stärke und Zusammensetzung des Ensembles selbst, Gagen und Budgets, Spielplanpositionen und Regisseure.
Aus einem mittelalterlichen Modell der Allmacht eines Intendanten entsteht ein neues demokratisches Modell der Partizipation.

Neuralgisch wird es dann, wenn das Gagengefüge offen gelegt werden muß, auch das des Intendanten und seines Vorzimmers. Wenn klar wird, dass manche Schauspieler, die über 100 Vorstellungen und fünf Premieren pro Jahr spielen, um ein Viertel ihrer Gage gebracht worden sind, im ständigen Rückzug vor dem Totschlagargument, "Du weißt doch, ich würde Dir gerne mehr zukommen lassen, aber wir haben nicht mehr Geld".

Wenn dem Ensemble überlassen wird, die Leistungen gegenseitig einzuschätzen, und der Leitung dann einen ausdiskutierten Vorschlag zu übergeben, mit einem neuen Gagengefüge, dass sich in Relation zum Intendantengehalt bewegt, wird zugleich mehr Gerechtigkeit geschaffen.
Sagen wir, ein Intendant darf nicht mehr als das Zweifache der Höchstgage und das Vierfache der Mindestgage seiner Schauspieler oder Sänger oder Tänzer verdienen, dann Tunneln wir das Gehalt des Intendanten und das der Spieler, mit einem Anreiz, die Gagen der Spieler zu erhöhen.
Damit werden auch die unentschuldbaren Topgagen der Intendanten unterbunden.
Woher kommen diese hohen Einstufungen? Wer spricht die Empfehlungen dafür aus? Warum gibt es keine Diskussion über gelebte Ungerechtigkeit im Theater?
Hier auf diesen Seiten der wunderbaren Nachtkritik tobt eine Debatte, ob die kleinen gelben Häuschen in München der Untergang des Theaterlandes sind, auch wenn wir uns noch lange daran erinnern werden, oder ob ein Schauspieler zu oft zu nackt auf der Bühne gesehen wird, während in den Theatern, die wir lieben, eine Ungerechtigkeit reproduziert wird, die nichts zu tun hat mit den Idealen, mit denen die Theatermacher antreten, die Welt zwar nicht besser machen, sie zumindest jedoch besser als jeder andere zuvor erklären zu wollen.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: wenn ich Kulturpolitiker wäre ...
Ja, fände ich gut, dass die Gagenvorschläge bereits ausdiskutiert zu übergeben sind. Dass Intendantenghälter offengelegt werden. Dass es auf gar keinen Fall solche Gehälter gibt, wie wir sie von Spitzendirigenten kennen oder eben von Intendanten eher nur ahnen. Das ist doch ohnehin eine halbe Schande, dass die sich so einkaufen lassen wie Zugpferde! Und dann am Ende z.B. zwei große Häuser gleichzeitig leiten. Das ist doch ein bisschen eine herablassende Haltung gegenüber Kollegen und Ensembles/Mitarbeiterstämmen, die man leiten und in gewisser Weise auch "erziehen" will und muss für ein weithin sicht-, spürbares künstlerisches Profil... Ich bin für diese konkreten festgelegten Prozente bei den zu treffenden Entscheidungen, weil ein Intendant ein Vetorecht haben muss gegen Ensembleentscheidungen. Das Vetorecht des Ensembles/der Mitarbeiter bestünde darin, dass es höhere Entscheidungsträgeranteile hat als die berufende Kommune bei der Intendantenwahl!! Hat es "seinen" Intendanten zum überwiegenden Teil ausgewählt, muss es ihm als Strategen vertrauen. Seinem gewählten Dramturgieteam. Seiner Geschäftsführung außerhalb der Gagenerhöhungen usw. Er muss die Freiheit haben, einen Spielplan aus a l l e n Entscheidungsanteilen festzuzurren. Flexibel umzuändern, wenn es zwingend erforderlich ist. Das ist sehr konkret begründbar, aber nur differenzierter und nicht hier auszuführen. Weil die erforderlichen Beispiele zu viel Raum einnähmen und das Kommentarformat sprengen würden... Wenn ich Kulturpolitiker wäre, würde ich dem Intendanten-Vorschlag des Theaters selbst 60% Entscheidungsgewalt einräumen und meinem 40 %. Ich würde diskutieren, ja. Aber an einem vorab festgelegten Termin fiele der sprichwörtliche Hammer. Hat das Theater dann seine Selbstbestimmung verabsäumt, aus welchen Gründen immer - halstalavista - dann gilt mein Wort. Wenn es zufällig das seine sein sollte - Glück gehabt... Ich würde keine Stelle ausschreiben, sondern auf Initiativbewerbungen setzen und auf meine Kompetenz, mich im Fachbereich relativ kurzfristig schlau machen zu können: reisen, Häuser anschauen, Inszenierungen, Interviews von Regisseuren lesenhören, von denen, die mich interessierten, die betriebswirtschaftliche Erfahrung erfragen, die Lust dazu, welche ernsthaft sammeln zu wollen usw. Das alles, BEVOR ich jemanden um seine Bewerbung bitten würde. Ich würde Museen und große Ausstellungshäuser für Dercons öffnen und Theater Theater sein und werden lassen wollen und zur Not auch mit no-names besetzen, wenn ich von ihnen überzeugt bin. Auch in Metropolen. - Welch ein Glück für die Kulturpolitik, dass ich nicht Kulturpolitiker bin. Und für mich und meinen Schreibtisch erst recht...
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: der große Trumpf
Stritter, A. Cotard,

Ich habe einen Traum, wir spielen auf der Bühne und plötzlich frieren wir unsere Bewegungen ein. Nichts bewegt sich mehr. Die Zuschauer werden unruhig, erste Zwischenrufer, bis alle sich erheben, den Saal verlassen, wüten und toben.
Dann gehen wir in die Kantine und trinken unser Bier. Und auch die Technik freut sich.
Der Intendant ist ja gerade mal wieder irgendwo? Tagung, Konferenz, Ski-Wichenende? Und erfährt es via SMS. Und dann? Nichts.
Es ändert nichts.

Die Gedanken mögen sehr ehrenrührig sein, aber Macht ist doch im Theater der große Trumpf, den jeder Intendant genau dann ausspielt, wenn er keine Argumente mehr hat.
Ich bin im siebten Engagement und endlich da angekommen, wohin ich immer wollte (manchmal muß man eben ein paar Ehrenrunden drehen), da war kein Intendant dabei, nirgends, der von sich aus etwas davon Abgegeben hätte.
Es muss von vornherein klar sein, dass das Ensemble gleichberechtigt an den Entscheidungen beteiligt wird, wie man das macht, weiß ich nicht.
Wir Schauspieler sind doch nicht Spieler der Amerikanischen Baseball League, die jeden September bis zur Trade Line verkauft werden können und ansonsten Lohnsklaven ihrer Eigentümer sind.
Nur für das Hundertfache Gehalt.
In der Kantine haben wir uns immer ausgetauscht über die Gagen, nur die Füchse, die Zinker haben geschwiegen. Ich habe niemals erfahren, wieviel ein Intendant an dem Haus verdient, an dem ich gerade gearbeitet habe.
Jetzt müßt ihr euch überlegen, ob man das vertraglich festhalten kann, dass ein Schauspieler in die Leitung berufen wird.
Wieviel verdienen Intendanten an einem Deutschen Theater, gibt es da etwas?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: für kommunikative Durchlässigkeit
Ich würde gern bei meinen Vorschlägen, was die prozentualen Anteile an der Entscheidungsgewalt betrifft, bleiben. Jedoch ergänzen: Ich bin gegen einen Ensemblesprecher. Ich finde die Ensembles/Mitarbeiter sollten jeweils einen entsprechenden Rat für ihre Mitbestimmung gründen, der die Diskussionen für die Gagen-Vorschläge, Spielplanvorschläge usw. organisiert. Und der organisiert, dass irgendwie jeder einmal bei den Leitungssitzungen dabei ist und dem Ensemble/Mitarbeiterteam davon berichtet. Und der auch, sofern in der jeweiligen Sitzung Beschlüsse gefasst werden, als Gast der Leitung, ohne ihr vertrtaglich anzugehören, eine volle zählende Stimme hat! Das führt zu einer höheren Selbstverantwortung für Mitbestimmung bei allen Mitarbeitern. Denn auch von deren Seite ist es einfach, den Mangel an gewährleisteter Mitbestimmung immer zu beklagen, ohne diese aber diszipliniert und gemeinschaftlich, termingenau wie es bei einer Hausplanung sein muss, interessiert wahrzunehmen!! Ein "Ensemble-Sprecher" hätte eigentlich für mich eher die Funktion des Öffentlichkeits-Sprechers (Presse/Medien etc.) für die Belange des Ensembles/Mitarbeiterteams.(Nicht die eines Gewerkschafters, das ist ein ähnlicher, aber anderer Extra-Schuh) Eines eigenständigen, der die Dinge des Hauses auch das Recht hat, öffentlich anders darzustellen als der Öffentlichkeitsreferent der Leitung, wenn es nötig ist... Das könnte man sehr wohl vertraglich zusichern.
Intendantengehälter gehören offengelegt genau wie Nebenverdienste der Abgeordneten. Punkt. Das ist lediglich eine anständige Umgangsform mit Bevölkerung. Nicht mehr und nicht weniger. Es verhinderte keine kreativen politischen Entscheidungen und fördert Vertrauen in Politik. Leute haben große Einsicht in Verdiensthöhen, die einer vergleichsweise höheren Leistung wirklich angemessen sind!
Als Kulturpolitiker würde ich vor Stellenbesetzung auch danach schauen, wie integrativ kommunikationswillig ein Regisseur mit Ensemble/Mitarbeiterteam umgeht: hat der das Selbstverständnis!, Schauspieler und Technik nach inhaltlichen, organisatorischen, künstlerischen Beweggründen zu befragen und das ernstzunehmen bei seinen künstlerischen und geschäftsführenden Entscheidungen?? Hat der viel Sprechzeit innerhalb des Hauses? Ist seine Tür, unabhängig von der Funktion eines Mitarbeiters, innerhalb des Hauses offen?? Hat er das Bedürfnis, innerbetriebliche Verständigungshürden abzubauen?? - Ich würde auch unbedingt versuchen, ausgetretene Pfade im Kenntniserwerb dazu nicht überzustrapazieren; mich nicht auf öffentlichen PR-Leumund verlassen,ihn aber auch nicht ignorieren. Ich würde Kontakt zu Fördervereinen von Theatern aufnehmen und diese nach Empfehlungen befragen, hospitieren als xy, wenn es möglich wäre, zur Not mich höchstpersönlich einschließen auf einem Betriebsklo und dann bekommt man schon heraus, was ein guter Intendant ist undoder wie der sein muss...
Aus all dem ist ersichtlich, dass ich mich als Kulturpolitiker immer zuvörderst um Intendanten bemühen würde, die auch selbst spielen oder inszenieren. Ich würde sie grundsätzlich bevorzugen. Der Manager-Intendant bliebe für mich die Ausnahme von der Regel. Er müsste sehr überzeugend sein für mich als Ensemble-"Erzieher" und in seiner künstlerischen Förderstrategie, dabei würde mich Eventisierungsstreben als Werbeformat für Theater nicht hinreichend überzeugen...
Macht ist nicht per se schlecht. Es ist leider verführerisch, sie zu missbrauchen und die Übergänge von Machtausübung zu Machtmissbrauch können recht fließend sein und längere Zeit unbemerkt bleiben. Deshalb bin ich gegen eine "Verbrüderung" von Leitung und Ensemble/Mitarbeiterteam und für kommunikative Durchlässigkeit wie eine vertraglich abgesicherte Kultivierung der gegenseitigen Korrektiv-Fähigkeit.
Zum Glück für die Kulturpolitik bin ich usw. w.o.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Macht-Modelle
56,57
Macht ist nicht per es schlecht, aber die unsittliche Häufung von Macht. Ein Intendant mit einer solchen Machthäufung wie am Stadttheater wird niemals freiwillig ausgetretene Pfade verlassen, aber er muß es. Es brodelt doch überall, die Unzufriedenheit ist in vielen Theatern hoch, und dort am höchsten, wo Intendanten von zufriedenen Ensembles sprechen.
Und deshalb sollten die Mitarbeiter beteiligt werden.

Werter Stritter, Ihr beinahe genossenschaftliches Modell hat seinen Charme, aber einem Intendanten mit viel Macht muß man ein Ensemblemitglied mit viel Macht entgegenstellen. Wenn die Spieler reihum aufs Ehrenplätzchen dürfen, zerlegt jeder Intendant in der Diskussion deren Argumente. Man baut erst allmählich Erfahrungen und Routinen im Umgang mit Leitungen auf.
Mein Vorschlag, Ihr Modell im Ensemble, aber ein oder zwei werden gewählt und entsandt.

Ich würde auch nicht pauschal sagen, der Regisseur oder der Nicht Regisseur macht es besser. Der bessere der beiden, der geeignetere, macht es besser. Der Regisseur Intendant muß noch viel mehr Manager sein, weil seine Zeit viel knapper ist, um ein Haus zu leiten. Aber das ist Teil einer ideologischen Debatte.

Ein Auswahlgremium für die Suche nach einem geeigneten Kandidaten könnte zuvor einen Kriterienkatalog vereinbaren und sich dann auf die Suche machen. Aber in den Kommissionen sitzen Leute mit großen Interessen, bestimmte, vor allem Männer, auf Positionen zu bringen. So funktionieren Boys Networks, und der Deutsche Bühnenverein ist einer davon, auch wenn eine Frau derzeit Chefin ist.

Ja, ich wäre auch für die Offenlegung der Intendantengehälter, einer hat sich ja vor einiger Zeit selbst offengelegt, in Frankfurt am Main, wo er allerdings nicht mehr lange ist. In Frankfurt sprach man dann über 240 Tausend plus 17 Tausend für jede Regie.
Ist das noch geheuerlich? Ich weiß nicht, was Sie, werter Simon Alertes verdienen, aber doch nicht 20.000 Euro im Monat. Ich wiederhole Zwanzigtausend Euro im Monat. Für die Leitung eines gemeinnützigen Betriebes? Davon macht eine kleine freie Gruppe ein Jahr lang Theater, vom Monatsgehalt!
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Natur der Mitbestimmung
Ich rege noch einmal an, sich genauer mit den Mitbestimmungsmodellen in Berlin und Frankfurt/Main zu befassen. Die interne Reformbesessenheit der hier veröffentlichten Beiträge überdeckt, wie diese Beschäftigung zweifellos ergeben würde, daß diesen Modellen eine außerhalb der Theater sich entfaltende politische Opposition zugrunde lag (eben die „Außerparlamentarische Opposition“), die generell auf eine stärkere „Basisbeteiligung“ (z.B. der Arbeiter in den Fabriken, der Studenten an den Universitäten) abzielte, welche diese Modelle in den Augen ihrer Verfechter einerseits erzwang, als auch, andererseits, Politiker und Intendanten mit heftigem Widerwillen erfüllte. Eine solche Opposition fehlt heutzutage, und es fragt sich, welche Theaterkünstler, wenn sie sich denn herausbilden würde, sich ihr anschlössen, bzw. ob die reformeifrigen Kommentatoren bereit sind, zur ihrer Herausbildung beizutragen. Ohne eine politische Positionierung der Theater fehlt den hier erörterten Fragen und Mitbestimmungsmodellen die Substanz. Auch ein neuer Theaterverband wäre ohne eine solche Positionierung überflüssig. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Positionierung einen oppositionellen Charakter trüge und von der Notwendigkeit einer Systemabkehr auszugehen hätte - die autoritären Strukturen sind ja vorhanden und stützen das Bestehende. Bei der diesbezüglichen Indifferenz gerade der Theater („Indifferenz“ soll hier freundlicher Weise auch die Theater einschließen, die sich von jeder Bank, die ihnen über den Weg läuft, alimentieren lassen), die auch die scheinbar wertebewußten Intendantenvorworte zum Spielzeitbeginn nicht maskieren können, sehe ich da erhebliche Probleme. Es fragt sich überdies, wie das Publikum sich zu einer politischen Profilierung der Theater stellen würde, die seinem eigenen Gusto zuwider läuft: bis auf die Anti-Atomkraft-Bewegung hat sich in der „zivilen“ Öffentlichkeit der BRD keine nennenswerte Gruppierung unmißverständlich bemerkbar gemacht („Die Linke“ sieht sich einer antiken teutonisch-antikommunistischen Grundfeindseligkeit gegenüber, die es ihr nahezu unmöglich macht, selbst ihre besseren Argumente wirkungsvoll einzubringen und ist auf den frustrierendsten Parlamentarismus fixiert, um nur ja nicht unter Umsturzverdacht zu geraten - man muß sich nur ansehen, wie unverschämt beispielsweise die Bundeskanzlerin - eine ehemalige FDJ-Propagandasekretärin! - sich aufführt, wenn Frau Wagenknecht spricht). Daß die bundesdeutsche Handhabung der Griechenlandkrise auch unseren Theatern den Gesellschaftsvertrag gekündigt hat, wollen weder der DBV, noch seine Intendantengruppe, noch die GdBA, noch die Staatsministerin für „Kulturelle Angelegenheiten“ wahrhaben. Und das Publikum? Hier, in diesen länglichen Kommentarspalten, wird zwar viel von zu kontrollierenden Intendantengagen gesprochen, aber so gut wie nie von den zerstörerischen Konsequenzen, welche die unkontrollierte Machtpolitik für das Verhältnis der Theater zu ihren Besuchern hat. Diese Konsequenzen machen sich dafür um so „nachhaltiger“, brav zeitgemäß kostümiert, auf den Bühnen bemerkbar. Gerade das aktuelle Gemeinschaftserlebnis, auf das das Theater, als seinem Alleinstellungsmerkmal, so stolz ist, wird, freiwillig oder unfreiwillig, destruiert. Einen Film, auch wenn er Millionen Zuschauer findet, sieht immer nur ein Einzelner; auch einer schlecht besuchten Theateraufführung hingegen wohnt eine Versammlung bei - und schlagartig wird, sowohl auf der Bühne, als auch vor der Bühne, als auch zwischen diesen beiden Räumen, deutlich, daß wir uns nichts zu sagen haben und, unter den obwaltenden Umständen, nichts zu sagen haben können.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: warum nicht woanders?
Wow, dafür, dass hier keiner keinem mehr etwas zusagen hat, nehmen Sie sich viel Zeit und Platz zum Sagen, Herr Steckel! Hier in den länglichen Kommentarspalten wird nicht "...von den zerstörerischen Konsequenzen, welche die unkontrollierte Machtpolitik ... hat" gesprochen - dafür sprechen die. Für sich. - Die interessantere Frage ist: WARUM bekommen Sie und die langen Kommentarspalten den Platz?? Genau hier?? Warum nicht woanders??? Wenn Sie darauf Anwtwort gäben, im Falle Sie sie zu geben wüssten, könnte das ebenso spannend sein, wie das wissenschaftliche historische Aufarbeiten der ehemaligen Mitbestimmungsmodelle an ausgewählten Theatern.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Mitbestimmung wichtig
Ich mußte schlucken, als ich den Absatz von Cotard gelesen hatte.
Ich war selbst nie in Frankfurt, kann das also nicht beurteilen, weiß also nicht, ob die Schauspieler dort vielleicht auch sehr hohe Gagen? Wie auch immer, Mitbestimmung wäre mir wichtig, und sie wird bei uns im Moment auch heftig diskutiert, weil Regisseure engagiert worden sind, die wir eigentlich ablehnen.
Was Herr Steckel schreibt leuchtet mir ein, ich sehe es nur nicht ein auf meine Mitbestimmung zu verzichten, nur weil es im Moment keine APO gibt. Sie ist doch überall sonst in diesem Land verankert.
Und wieso haben wir uns mit dem Publikum nichts zu sagen. Die Meinung teile ich nicht. Es gibt starke Texte, gute Regisseure und gute Diskussionen mit den Zuschauern. Bin ich zu naiv?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Erklären Sie die Goldene Zeit!
lieber herr steckel,

wir sind doch alle nur kinder und kindeskinder dieser zeit und können nicht ahnen, was wir von ihnen lernen können.
erzählen Sie, wie es wirklich war, wieviel mitbestimmung es gab, und welche schwierigkeiten, und über die wunder, dass es am schluß dann doch zu einem spielplan oder zu einer fertigen inszenierung gekommen ist.
welches waren die fallstricke.

wir werden nie mehr in eine zeit zurück kehren, die sie betrauern, der post-neo-lineralismus, wie sie ihn beklagen, hat die feindbilder derart diversifiziert, dass sie sich verflüchtigt haben. es gibt weder links, noch rechts, weder gut, noch böse,
aber es gibt arm und reich, wissend und unwissend.
wir müssen uns an diesen kategorien entlang hangeln,
und um endlich die mehrfach von ihnen als golden ausgerufene zeit zu verstehen, müssen sie uns einen einblick geben, machen Sie das? bitte.
Stadttheaterdebatte Reich: Befragungen der alten Zeit
Das macht doch der Herr Steckel nicht hier! Das hat er doch auf - ich weiß nicht mehr, herrmanns?, Fragen unumwunden erklärt: Nicht HIER eben mal so... Vielleicht kann jemand wie der Herr Jörder aushelfen, der für TdZ-Verlag so sensibel und überaus vor-kundig z.B. den Ostermeier ausführlich befragt hat und das kann man dann nachlesen. Und es wäre doch gut im Sinne, wenn ich es recht verstanden habe, der Analytikerin, wenn man auch Nach-Nachlesen machen würde. Nicht nur bei FPS... Wie früher Herr Merck sie erarbeitet hat, der für so etwas vermutlich gar keine Zeit mehr haben wird. Wegen unserer bescheuerten eitlen, unverhohlen Publikum ersehnenden Kommentarschreiberitis... Mercks Linzer-Befragungen waren aus ostdeutscher Theatergewohnheitssicht gewiss lückenhaft, aber sie waren hartnäckig und werden von Jahr zu Jahr wertvoller! Weil es in diese Richtungen gar keine Befragungen mehr gibt inzwischen, wenn man von Detjes ehrgeizigem - und vom Befragten selbst belächelten - Castorf-Projekt absieht... Warum muss Stegemann sich so in - aus meiner Sicht eher unglücklich geratene - verallgemeinernde Postdramatik verbeißen und macht nicht einfach ein gründliches dickes, fettes Sammelbuch über Neumann, durch das seine dramaturgischen wie kapitalismuskritischen Überlegungen unaufdringlich anregend durchscheinen? Warum macht Frau Emcke kein Buch über ihre Erfahrungen und ihre sehr persönlichen Sichten als Philosophin auf ihre Gespräche, die sie kuratiert. Die ja Teil einer Berliner Haus-Dramaturgie sind über Jahre. Da wird sie das doch einmal in eine sehr persönlich gehaltene Übersicht bringen können für Leser mit großem Gewinn! Wie sieht Frau Müller am DT auf beinahe 20 Jahre Autorentheatertage?? Nicht Ulrich Khuon, sondern Frau Müller!? Wie sehen ehemalige DT-Schauspieler, die heute noch an kleineren Theatern arbeiten, vom Synchronsprechen leben, als mal hier und da Schauspiellehrer auf Honorarbasis, das heutige DT- Ensemble?? Ist das unstatthaft, diese Fragen zu stellen?? Waren die Fragen von (?)herrmann an FPS so "unstatthaft", dass da nur mit beinahe Entrüstung geantwortet werden konnte: doch nicht hier!, einfach mal so...? Wenn ja, warum genau?
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: keine Goldene Zeit
Die Fragen zu stellen, ist keineswegs unstatthaft, nur ist eine anonyme Kommentarspalte einer vornehmlich der Theaterkritik gewidmeten Webseite nicht der richtige Ort, sie mit der gebotenen Hingabe zu beantworten. Soviel kann ich immerhin sagen: Es war keine „Goldene Zeit“ - wo habe ich etwas von „Goldener Zeit“ geschrieben? Es war die Zeit des Vietnamkriegs, der Notstandsgesetze, der Schahbesuche, der Berufsverbote, der RAF, der Kiesingers und der Filbingers, der Springer-Presse, der Schüsse auf Ohnesorg und Dutschke, der Toten von Stammheim, die Zeit der deutschen Spaltung und der Spaltung des sozialistischen Lagers, die Zeit der atomaren Abschreckung und des NATO-Doppelbeschlusses. Es war die bleierne Zeit.

„Trüb ists heut, es schlummern die Gäng' und die Gassen und fast will/Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.“ (Hölderlin, Der Gang aufs Land)
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: V-Effekt des Medientheaters
Ein gutes Argument, verehrter FPS, aber mit der, dieser bleiernen Zeit angemessen gebotenen Hingabe fragen darf man Sie hier schon? Da ist das Medium gut genug? Kommentarspalten können heute der V-Effekt des Medientheaters sein u.U. Zumindest ließe sich das denken als Analogie zu einem wichtigen Mittel des Epischen Theaters. Sie haben hier Gelegenheit, als Erfindung Ihrer selbst aufzutreten, in Abstand zu sich selbst konkrete Fragen zu beantworten und dabei mit Anonymität zu spielen. Und Sie nutzen hier, soweit ich u.a. das lange beobachtet habe, was unter Ihrem Signum geschrieben wird, die vornehmlich der Theaterkritik gewidmete Website bevorzugt gar nicht für Theaterkritik. Sondern auch oft unabhängig von dieser vor allem für Gesellschaftspolitische Kritik. Da finden Sie offenbar auch, dass dies hier der richtige Ort und die richtige Form dafür sei. Wie geht das zusammen? - Das soll keine Kritik sein, sondern Anregung zum nachdenken und die Bitte darum, der gefundenen und gestellten Frage den Respekt einer mitunter schweren, wenn auch gern angenommenen, anonymen Arbeit entgegenzubringen, die in der Hingabe den von ihnen gern gegebenenfalls gegebenen Antworten eventuell in nichts nachsteht. - Es grüßt Sie damit d.o.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Woran ging all das kaputt?
Lieber Herr Steckel, danke für die Aufklärung. Aber warum nicht hier, wo dann? Nachtkritik ist der meistgelesene deutsche theaterblog, der sich, soweit ich es verstehe, auch zu kulturpolitischen Debatten durchaus verhält, und mit einiger Resonanz. Wenn Sie uns ein paar Häppchen vorwerfen, wie lief das ab mit den Gagenverhandlungen c.p., wie mit den Wahlen der Ensemblemitglieder in die Räte, würde mehr oder weniger intrigiert?
Woran ging all das kaputt, was sich hätte durchsetzen können im Betrieb mit den unverwüstlichsten und unsinnigsten Sitten.

Lieber Stritter, Sie sind ein kluger Mann. Ich würde Sie eher Borges nennen, den Archivar, der aus den weitverzweigten Gängen der perfekten, weil unzugänglichen Bibliothek wunderbare schätze hebt.
Was waren das für Befragungen von Merck.
Ach ja, Frau Emcke, das ist eine perfekte Idee.
Stadttheaterdebatte Reich: Quellenangabe
ad #66: Das war: ""Martin Linzer "Ich war immer ein Oppurtunist..." 12 Gespräche über Theater und das Leben in der DDR, über geliebte und ungeliebte Zeitgenossen, aufgezeichnet von Nikolaus Merck"", Theater der Zeit, Reihe Recherchen 7, hrsg. Literaturforum Brecht-Haus Berlin, 2001(?) (Zeitpunkt der Herausgabe in dem mir vorliegenden Mängerlexemplar nicht korrekt vermerkt). Nennen Sie mich wie Sie wollen, das bin ich gewöhnt, dass jeder mich nennt, wie es ihm in den Sinn kommt und es gibt darunter schlimmere Namen als Borges :) -
Stadttheaterdebatte Reich: Problemzonen aufzeigen
Danke Stritter, ich werde mir das Material besorgen und einlesen, möglicherweise ist es ohnehin interessanter, als die fünfzehn Minuten Berühmtheit die kleinste Teile des westdeutschen Stadttheaters im Züge ihrer Sehnsucht nach Demokratie hatten.
Ein Theater strukturell neu Denken, ohne den Ballast einer bleiernen Zeit scheint mir angebrachter.
Stritter, was denken Sie, welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten drei Problemzonen des deutschen Theaters?
Stadttheaterdebatte Reich: fünf Antworten
1. bis 3. Eine ihm immantente selbstgerechte Haltung gegenüber Publikum als zuschauende Gesellschaft.
4. Eine der Zeit hinterherhinkende und der von App's bestimmten Wissenschaftlichen Forschung nichts entgegensetzende Ästhetik als philosophische Disziplin - übersetzt fürs Theaterfach: eine gegenüber den Geisteswissenschaften unkritische Theaterkritik
5. Eine sich als eigenständiges Theater ausgebende Werbung für das Theatererlebnis, die die Grenzen der Aktionskunst/Performances als Genre der Bildenden Kunst tangiert und deshalb als Werbung und an sich kunstloses Design nicht korrekt benannt und beschrieben wird. (Jemand deutete es kürzlich an: es gibt einen Unterschied zwischen Abramovics Performances und der Mini-Villen-Ausstellung in München. Man muss sehr genau sein, wenn man weder Kunst der einen noch der Kunstfertigkeit des Ausstellens schaden möchte. Das will man doch nicht als Kritiker! Man liebt doch die Kunst und will sie befördern durch seine Kritik...) - Danke, Ihre Nachfrage ehrt mich und ich hoffe, ich war nicht zu ungenau und ausschweifend (das ist eine persönliche Problemzone:))beim Antworten. - MfG d.o.
Stadttheaterdebatte Reich: Lob der GDBA
Wo ist Rechner geblieben? Ihr Gedankenaustausch sollte fortgesetzt werden. Wo waren Sie stehen geblieben, mit all den anderen KollegInnen. Mehr Transparenz, mehr Gerechtigkeit, mehr Teams in der Leitung, flachere Hierarchien, Einheitstarifvertrag, Kürzung der Intendantengehälter, Anhebung der Mindestgagen im NV Bühne.

Ich möchte darauf hinweisen, das sehr oft auf den GDBA eingeprügelt wird, weil er nicht gut genug verhandelt hat. Aber das ist nicht korrekt. Der GDBA hat nicht so viel Geld wie der DOV oder verdi, das sind Gewerkschaften, die sich große Büros in Berlin und bei verdi, in den Bezirken, leisten können. Der GDBA lebt vom Engagement der Ehrenamtlichen in den Theatern. Er wäre zu stärken, denn er könnte der Kern für die Einheitsbühnengewerkschaft sein, die wir benötigen, um den neuen Einheitstarifvertrag auszuhandeln. Ansonsten müssten die Theater in den Haustarifvertrag und könnten von dort aus einen Einheitstarif verhandeln, der die meisten im Theater besser stellt. Die Reise wird in diese Richtung gehen. Warum, dazu in späteren Folgen.
Nun noch einmal zu den niedrigen Gagen der Schauspieler. Wenn Intendanten jammern, dass es unverschämt sei, dass die Schauspielergagen so niedrig sind, oder der Bühnenverein von prekären Situationen in den künstlerischen Bühnenberufen spricht, dann ist das schon eine Unverschämtheit, weil diese, zumeist Herren, ja selbst in den Tarifausschüssen des Bühnenvereins sitzen. Der Druck, sagen wir einmal, von 30 Intendanten, würde ausreichen, um die Mindestgage im NV-Bühne auf eine Höhe zu heben, die den realen Mindestlohn abdeckt, der bei knapp über 2000 Euro liegt. (Ich gehe dabei von durchschnittlich zehn Arbeitsstunden an den Wochentagen, und jeweils 4 Stunden an jedem Samstag, und an zwei Sonntagen im Monat aus, was ein Minimum abdeckt.)
Der Bühnenverein geht von 48 Arbeitsstunden in der Woche aus, was viel zu niedrig ist. Entweder will er ignorieren, dass ein Schauspieler oder ein Assistent eigentlich mehr arbeitet, oder er weiß es nicht. Beides schlimm genug. Die andere Unverschämtheit, Hochschulabsolventen, die sich in jahrelangem Studium qualifiziert haben, die Gage anzubieten, die in allen anderen Umfelder unqualifizierten Arbeitskräften ohne Berufsausbildung angeboten werden. Die Janusköpfigkeit ist enttäuschend.
Stadttheaterdebatte Reich: keine Rückmeldungen
Sehr geehrte Analytikerin, es freut mich sehr, dass jemand an den einst lebehaften Austausch erinnert und in gewisserweise dadurch mahnt. Der Stand der Dinge ist so, dass es keine einzige Gründungs-Mitarbeits-Rückmeldung auf die dafür angegebotene E-Mail-Adresse gab, A. Contard offenbar keinen außerelektronischen, direkten Kontakt mit mir wünschte und auch der GDBA offenbar kein Interesse daran hat gestärkt zu werden. Auch kein einziger für Theater arbeitender Autor meldete sich, dabei könnte ich mir vorstellen, dass diese Autoren sehr viel besser sich organisieren könnten, als über den SV, der der verd.i angeschlossen ist. Ich bin, was die Intendanten und ihr Engagement für ein gerechteres Tarifgefüge im Theater-/Bühnenbetrieb betrifft ebenfalls Ihrer Ansicht, allerdings habe ich so viele Intendanten noch nicht sich bedauernd äußern gehört/gelesen, als dass ich eine "Unverschämtheit" da unterstellen wollen würde. Vielleicht ist es auch grobe Unaufmerksamkeit, die Intendanten nicht unterlaufen sollte als Führungsfehler und ihrer Bestallung nach Berufung nicht angemessen ist. Eventuell bildet es aber auch nur nach außen nicht kommunizierte, medial gedeckelte, Uneinigkeit in der Intendantengruppe des Bühnenvereins ab, bei der die stärkere Macht auf Seiten der Nichtjammerer ist, die das alles nicht korrekturbedürftig finden solange ihr Einkommen mit ihrem Selbstwertgefühl sich deckt? Auch hat sich herausgestellt, dass ich selbst wohl im konkreten Bühnenbetrieb und der Kenntnis sowohl des bestehenden Tarifgefüges als auch sehr vieler rechtlichen Grundlagen bisher ungenügend qualifiziert bin, als dass ich ohne eine sehr intensive Zusammenarbeit mit jemandem, der dort kompetender ist als ich auf die erforderliche Kompetenzhöhe käme, um Veränderungen sinnvoll konkret zu planen und politisch wirksam einzufordern. -So ist der Stand aus meiner sicht im Moment, ich teilte Ihnen gern Erfreulicheres in dieser Sache mit -
Stadttheaterdebatte Reich: korrekter Artikel
"Die" GdBA, nicht "der".
Stadttheaterdebatte Reich: der Ton macht die Musik
Zu #68: "...möglicherweise ist es ohnehin interessanter, als die fünfzehn Minuten Berühmtheit die kleinste Teile des westdeutschen Stadttheaters im Züge ihrer Sehnsucht nach Demokratie hatten. Ein Theater strukturell neu (d)enken, ohne den Ballast einer bleiernen Zeit scheint mir angebrachter." - Das ist der Ton, der mich veranlaßt, auf Ihre Fragen hier nicht zu antworten.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Orthographie und Plaudereien
#72 - Eine korrekte Korrektur. Wollen Sie nicht als (Ton)Korrektor/Lektor bei der Sache mitmachen?? - Seit 8/2006 schreibt man korrekt auch "veranlasst": nach kurzem Vokal Doppel-s, nach langem bleibt "ß". Autoren dürfen das selbstverständlich umgehen, aber man muss ihnen die gestalterische, literarische vollste Absicht anmerken dabei.
Es gibt seit dem o.e. auch Wahl-Optionen unter Beibehaltung der orthografischen Richtigkeit, wie z.B. die der Groß- oder Kleinschreibung in der persönlichen Anrede. Für mich fiel die Wahl wegen des Beharrens auf einem - unabhängig vom Inhalt der Schrift - achtungsvollen Umgang mit einem Du/Ihr/Sie-Gegenüber auf die Großschreibung. Wenn ich gefragt werde nach der neuen deutschen Rechtschreibung und Grammatik, das kommt mitunter vor, dann lehre ich das als überlegenswert für eine persönliche Entscheidung in dieser Sache. Meist wird dieses - also, dass man die Wahl hat in Umgangsformen - heute gar nicht gelehrt. Weil man bei dem allgemein schlechten Status der Schreibkompetenz heutzutage von Seiten der Lehre froh ist (und möglicherweise sein kann), dass wenigstens der Umstand über Anreden nachdenken zu müssen, wegfällt: Wenn das kleingeschrieben werden darf, dann macht das halt ohne den lästigen Umstand, darüber nachdenken zu müssensollenwollen, was das Gegenüber euch bedeutet. Oder darüber, was Wahlfreiheit bis in die Kulturtechnik des Schreibens und Lesens hinein überhaupt bedeutet... Sie können sich vorstellen, verehrter Frank Patrick Steckel, dass ich mit meiner Haltung zum Freiheit-Lehren und zur Achtung vor Kindern (Du), Schülern und Studenten (Sie, Du bei Vereinbarung) in dieser Sache unter den heutzutagigen Lehrern im Moment nicht besonders wohlgelitten bin. Und so ist das hier sehr entspannend für mich. - Es grüßt Sie sonntäglich, wie man sagt "aufgeräumt" - d.o.
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: Antworten
An Rechner und an Stritter
Ich habe einige Jahre als Assistentin an einem Festival und später an einem Produktionshaus gearbeitet, bevor ich mich im Moment mit meiner Diss beschäftige. Ich kann nur sagen, ich hatte in der Zeit viel Kontakt mit Stadttheaterintendanten, die auf meine Frage hin, warum Schauspieler weniger als eine Putzfrau verdienen, immer nur jammerten, der Tarifvertrag und die knappen Finanzen seien Schuld.
Das hat mich enttäuscht. Da standen diese mächtigen Männer, die jeder Kooperation noch Geld hinterhergeschmissen haben, und waren nicht in der Lage, ihren Spielern das einzuräumen, was ihnen gebührt. Eine ordentliche Gage.
Lieber Stritter 1-3 kann ich folgen, erklären Sie bitte 4 und 5 beispielhaft und gerne länglich.
Lieber Rechner, ärgern Sie sich nicht. Offensichtlich ist die Not nicht, noch nicht groß genug. Material ist gesammelt, und das ist sehr viel wert, und dahinter kann jetzt auch niemand mehr zurück.
Ich bin leider nicht die richtige Partnerin wirtschaftlich oder rechtlich substanziell beizutragen. Aber wir sollten jetzt nicht aufhören nachzudenken, sonst geht es hier die ganze Zeit nur noch um Ruch und Co.

Lieber FPS, nehmen Sie eine Entschuldigung an. Lassen Sie uns doch gelegentlich übers Ziel schießen. Wir brauchen hier Ihren Input, Ihr Wissen und Ihre Erfahrung. Und ja, natürlich, der, die, das,
Die GdBA, eine Genossenschaft.... Immerhin ein spannendes kollektives Modell!
Stadttheaterdebatte Sabine Reich: selber anfangen!
Es heisst:"Die Regisseure, die gut im Geschäft sind, hetzen von Probebühne zu Probebühne, stehen alle zwei Monate einem neuen Ensemble gegenüber und starten den ersten Probentag oftmals mit minimaler Vorbereitung – wie sollte es auch anders sein, wenn ihre Kalender übervoll sind, weil sie den kurzen Moment des Erfolgs und der finanziellen Sicherheit dringend mitnehmen müssen für die schlechten Zeiten, die ihnen jederzeit drohen"
Da bitte ich aber ganz dringend um mehr "Eier" der Regieleute als auch der Verfasserin und natürlich der Theater selbst... Kunst oder die Menschen, die Kunst möglich machen wollen, haben und werden immer dafür kämpfen und sind dasehalb oft unbequem und unbeugsam... Diese Leute werden persé ausgeschlossen vom Theatersystem und das sehen wiederrum diese "Younster"-Regileute, kirgen Angst, weil sie eigentlich keinen Kunst amchen wollen, sondern Kohle und Erfolg... Dann muss ich scho auch sagen liebe Frau Reich: Wenn sie wirklich von dem,w as Sie schreiben überzeigt sind, warum agieren Sie denn nciht etwas "radikaler" und glaubwürdiger, denn auch jetzt würde ich SIe genauso beschreiben, wie Sie das System beschreiben, es tut mir leid! Aber wo bitteschön sind SIe denn anders? Wo bitteschön entscheiden Sie anders als es diese Stadttheater tun??? Jemand wie Sie in der "freien Szene" ist der verlängerte Arm des Stadttheaters im Freien... Und zu guter Letzt die Stadttheater: Wenn das System sich cniht mehr für Kunst intereesiert, dann muss sich unst udn die Möglichkeit nach Kunst eben einen neune Ort suchen, einen Ort der Möglichkeiten und keinen festgefahren Ort, wo es nur um einen Theatermarathon geht...
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