Tolle Abwechslung, klasse Hotelidee, jederzeit wieder

von Steffen Becker

München, 12. September 2015. Shabby Chic bezeichnet Dinge, die bewusst abgeranzt dargeboten werden. Die zusammengestöpselten Möbel, die zerrissenen Jeans sind jedoch so kunstvoll angegriffen, dass dem Betrachter klar ist: Das ist ein hippes, kostbares Produkt. Nach dem gleichen Prinzip verfahren das Büro raumlabor und die Münchner Kammerspiele bei ihrem urbanen Experiment "ShabbyShabby Apartments". Für maximal 250 Euro Materialeinsatz sollten im öffentlichen Raum temporäre Schlafplätze entstehen, über die man redet, weil sie cool und außergewöhnlich sind.

Bei der Premierenfeier mit den beteiligten Teams wird das Prinzip mustergültig umgesetzt: Zwei Abbruchcontainer funktionieren als Wasserfälle, Gartenschläuche machen Spritzspiele, die man aus einer Pressholz-Sauna beobachten kann. Münchner Schickeria-Clubs würden sich den Effekt teuer bezahlen lassen. Bei "ShabbyShabby Apartments" kostet der Cocktail drei Euro, das Essen nichts. Ein Traum von Stadtleben – abseits der eingetretenen Pfade der Konsumgesellschaft. Darum soll es bei dem Projekt gehen. "Was wäre, wenn alle ihre Wohnungen verließen und sich an den unwahrscheinlichsten Orten der Stadt Buden bauen?", fragt der Programmflyer. Darauf gibt es eine intellektuelle und eine, nun ja, emotional-wahrhaftige Antwort.

Benjamin Foerster-Baldenius von raumlabor Berlin gibt zur Auftaktführung entlang an Hochbauten auf Verkehrsinseln, Liebesnestern in der Winterverkleidung eines Brunnens und eines Schrottbootes im Autokreisel beide: Man suche nach einer größeren Vision für München, wünsche sich einen Impuls zur Mitgestaltung der Stadt durch ihre Bürger, wolle eine Lagerfeuergesellschaft von Meinungsbildung und -austausch schaffen, et cetera.

ShabbyShabby 560 SteffenBecker uDas Shabby Shabby Apartment "Yellow Submarine" auf der Schwindinsel mit erwachtem Nachtkritiker  © Steffen Becker

Das klingt gestanzt und nach Zeug, das man halt so in Anträge zur Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung (die das Projekt fördert) schreibt. Die realistischere Antwort folgt aus der Exegese des Projekts. Zum Start der Intendanz von Matthias Lilienthal suchten die Kammerspiele nach einem Ur-Münchner Thema. Foerster-Baldenius erzählt, dass man hier auf keine Party gehen kann, ohne dass das Gespräch schnell darauf kommt, wer wie wohnt und wie man sich das alles in der teuersten Stadt Deutschlands überhaupt noch leisten kann.

Ohnmachtsgefühl der gebildeten Mittelschicht

Kern dieser Partygespräche ist aber nicht der Impuls, nach völlig neuen Wohnformen zu suchen. Das merkt man an sich selbst, wenn man dann im Bett liegt: im "Yellow Submarine", einer Konstruktion aus elf knallgelben Badewannen, platziert auf der Praterinsel in der Isar. Eine Nacht im öffentlichen Raum fühlt sich an wie ein Abenteuer, prickelnd, tolle Abwechslung, klasse Hotelidee, jederzeit wieder. Wir pinkeln mit Blick auf das Maximilaneum, also quasi Horst Seehofers Hilfstruppen in den Vorgarten. Coole Sache, aber dauerhaft als Künstlernomade die Grenzen zwischen privatem und öffentlichen Raum austesten? Die Vision wird sich in den Köpfen der Teilnehmer an der Shabby-Führung (junge Männer mit Bart und junge Frauen mit Dutt) eher nicht festsetzen. Fürs Leben will man das gewohnte – eine schicke Wohnung in guter Lage, nur halt für weniger perverse Preise, als sie in München aufgerufen werden.

Aus diesem Ohnmachtsgefühl der kulturell gebildeten Klasse, sich das gute Leben in der gewünschten Umgebung nicht leisten zu können, speist sich die Faszination der "ShabbyShabby Apartments". Die tatsächlich sehr kreativen Ideen bieten ihren Nutzern ein Vehikel um den wirklich Reichen symbolisch einen Haufen vor die Tür zu setzen. Viele der Behausungen finden sich in der Maximiliansstraße, DER Nobel-Shopping-Meile. Foerster-Baldenius weist bei seiner Führung extra darauf hin, dass die Apartments den Nobelkarossen die Parkplätze wegnehmen (HäHä). Beim Zimmer vor dem Gucci-Store redet er über die "ästhetische Kohärenz" der beiden Objekte. Die Sachen des Apartments wurden aus der Erbmasse einer Oma zusammengestellt und sähen oft ähnlich aus wie die X-Tausend Euro Stücke in den Schaufenstern der Umgebung (Ätsch – und tatsächlich hängt im Apartment ein Leoparden-Bademantel, der einem 4.900 €-Teil von Dior sehr nahe kommt). Die Shabby-Behausungen geraten so zur künstlerischen Rache dafür, dass andere über Ressourcen verfügen, die man selbst gerne hätte.

ShabbyShabby1 280h SteffenBecker uNoch im Dienst: Nachtkritiker Steffen Becker
© Steffen Becker

Nichts für Penner

Das raumlabor irritiert den Luxus-Kosmos aus der Perspektive der Mittelschicht. Eine Auseinandersetzung mit der Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich findet weniger statt. Es gibt zwar Apartments mit einer tieferen Geschichte – etwa die Erdhütte vor der Oper. Die Arbeiter, die diese Pracht vor Jahrhunderten schufen, hausten dafür in mit Moos überzogenen Kabuffs – was das "ShabbyShabby"-Projekt wieder ins Bewusstsein ruft. Foerster-Baldenius erzählt in diesem Zusammenhang von Gesprächen aus der Jury, in der auch Vertreter der Stadt saßen. Dort ist das Phänomen von "Waldmenschen" bekannt, die arbeiten, aber ohne genug Auskommen für eine Wohnung. Sie hausen wieder so wie ihre Vorfahren, die die Residenz erschufen. Aber das bleibt Randnotiz.

So wie der Obdachlose in der Unterführung mit Apartment. Die Bewohner trinken ihr Bier und genießen die parallel stattfindende Vernissage des Maximilianforums. Der Penner schläft. Für ihn kommt das Angebot eines Shabby Apartment ohnehin nicht in Frage. Fragt man Obdachlose am Bahnhof, erfährt man, dass eine Übernachtung im städtischen Asyl nur ein Fünftel kostet. Unser Apartment auf der Praterinsel ist aus Sicht der Straßenprofis eh ungünstig gewählt. Abends ist da niemand, ergo schläft man da nicht. Dazu braucht es belebte Orte, die das Risiko minimieren, ausgeraubt zu werden (bei "ShabbyShabby Apartments" gibt es allerdings auch Vorhängeschlösser und eine Sicherheitspatrouille).

Zu dieser Wirklichkeit haben die Apartments wenig Bezug. Spaß machen sie trotzdem. Als abgefahrene Übernachtungsalternative, entworfen und gebaut mit viel Liebe und witzigen Einfällen. Einen Diskurs über Architektur, Stadtsoziologie und Lebensqualität werden sie eher nicht auslösen. Wer unbedingt dauerhaft in München leben will, wird weiterhin zahlen und nicht im Yellow Submarine den Sound der Isar genießen.

 

ShabbyShabby Apartments
von raumlabor Berlin
bis 13.10. - 35 Euro, erm. 28 Euro pro 2-Personen-Apartment pro Nacht (inkl. Frühstück), Ermäßigungen gelten für IKEA FAMILY Mitglieder sowie alle anderen Ermäßigungsberechtigten.

raumlabor.net
www.muenchner-kammerspiele.de

 

Kritikenrundschau

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (14.9.2015) hat sich Patrick Bahners auf ein Boot begeben und reflektiert nach einer weitestgehend ungestörten Nacht: "Von der allerhöchsten Dringlichkeit, die das Thema der Notunterbringungen bekommen hat, müssen Lilienthal und seine Leute nicht sprechen. Ohne didaktische Umbauten regen die aus Europaletten zusammengenagelten Nachtquartiere die politische Phantasie an." Die kritische Einschätzung steuert ein anderer Performanceteilnehmer bei: "Ein solches Schiff müsse auf jedem Platz aufgestellt werden, fordert mit bewegter Stimme und Gestalt gegen halb acht in der Früh der letzte Gast, der sich dankbar die Tür weisen ließ; für die Flüchtlingshilfe sei es das perfekte Symbol."

Von einem "möglicherweisen nutzlosen, tollkühnen, mindestens aber revolutionären" Experiment berichtet Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung (14.9.2015). Mit der Einmietung in eines der Appartements werde man zum "Teil einer Inszenierung, die man als Theaterkritiker vielleicht verreißen müsste; als Stadtmensch muss man sie sich wünschen. Zumal in München." In einem Brunnen nächtigend hat der Kritiker "in die Stadt hineingehört" wie "in einen Dschungel voller wilder Tiere. Sonst ist die Welt einem ja nicht so nah, sonst bleibt sie hinter dem Zaun in der Vorstadt weggesperrt." Konsequenz der Erfahrung: "Man kann sich die Welt auch anders vorstellen."

Für den Bayerischen Rundfunkt BR2 (14.9.2015, hier im Podcast) übernachteten Katharina Altemeier und Joana Ortmann im Fortuna-Brunnen und berichten im Gespräch mit Knut Cordsen von einer überraschend gemütlichen Behausung: "Die Stadt rückt einem auch akustisch ganz nah auf den Pelz." Viele Besucher*innen hätten sie in dieser Nacht am Brunnen getroffen. Die Journalistinnen stufen die Arbeit mithin als gelungenes soziales Experiment ein. 

In der Münchner TZ (13.9.2015) stellt Matthias Bieber eine ganze Reihe der ShabbyShabby Apartments vor und urteilt im Anreißer zu seinem Bericht (dem auch ein Interview mit Matthias Lilienthal beigestellt ist): Das Projekt sei ein "Paukenschlag" und weise "ebenso witzig wie nachdenklich auf den Miet-Wahnsinn hin."

K. Erik Franzen erlebte einen "krassen Fall von Diskurswohnen", er berichtet darüber in der Frankfurter Rundschau (15.9.2015): wegen eines als Kunst getarnten Hammer-Spiels nebenan heißt seine Qual "Ich wache immer wieder auf, schlafe ein, wache auf". Die meisten Shabbyshabby Apartments orientierten sich an einer "prekären Paar-Struktur: zwei Matratzen auf engem Raum, kein Wasser, keine Toilette, kein Strom". Kein Komfort, aber "Erlebnisse". "Fremde und befreundete Menschen kommen", klopfen oder rufen, "möchten sich die Unterkunft ansehen". Ein "wenig abenteuerlich" sei das, manchmal beängstigend. Franzens Apartment ist vergleichsweise luxuriös, abschließbar, mit Strom, Stühlen und Besen. Die Anweisung der Kammerspiele laute, man solle Gäste empfangen, das geschieht. Vor der Türe mache sich derweil ein "Tango-Flashmob für die einsamen Stadtseelen" breit, "geredet wird hauptsächlich über zwei Themen: über bezahlbares Wohnen in München, das für viele immer schwieriger wird, und über die in München am Hauptbahnhof ankommenden Flüchtlinge". Die Kraft der Aktion liege in "ihrer kommunikativen Positionierung". Lilienthals Einstieg mit "Shabbyshabby" sei ein Eindringen in das "soziale Gewebe der Stadt". "Listig" habe er "die Münchner mit ins Boot gezogen".

"'Shabby Shabby Apartments' ist eine absurd-liebenswert-anarchische Aktion, eine gelungene Mischung aus DIY-Kunst, Weltverbesserungs­idealismus, Zeltlager und Selbsterfahrung", schreibt Annette Walter zum Schluss ihrer Reportage über das "Stadtraumexperiment" in der taz (30.9.15). An den horrenden Mieten in Deutschlands teuerster Stadt und der häufig monatelangen Suche nach einer Wohnung werde das leider nichts ändern. Was "ShabbyShabby" aber wohl bewirke: "Wildfremde kommen miteinander ins Gespräch, Jung und Alt, Reich und Arm, Konservativ und Alternativ."

 

Presseschau vom 14. Oktober 2015

Scheitern an den eigenen Ansprüchen

München, 14. Oktober 2015. Künstlerisch sei das Projekt ShabbyShabby Apartments "genial", indem es "den Finger in die Wunde der Münchner Selbstgefälligkeit" lege, leitet Antonia Goldhammer ihren Beitrag für den Bayerischen Rundfunk (Bayern 2, 12.10.2015) ein. Damit habe sich der neu gestartete Kammerspiel-Intendant Matthias Lilienthal gleich zu Beginn "als sozial und gesellschaftskritisch" positioniert. Leider scheitere allerdings "an der Erfüllung seiner eigenen politischen Ansprüche". So wären die 120 Künstler, die die Apartments bei dem Projekt "ShabbyShabby Apartments" entworfen und gebaut haben, "unbezahlt beschäftigt" gewesen. Sie seien "als Ehrenamtliche verpflichtet" worden und hätten weder Aufwandsentschädigung noch Fahrtkosten erhalten.

Bedauerlicherweise sei außerdem der Sponsor Ikea "in der öffentlichen Darstellung" präsenter gewesen als diejenigen, die die Apartments geschaffen haben. "Künstlern, die notgedrungen dauernd unbezahlte Jobs annehmen, drohen Verarmung, soziale Selektion und letztlich Altersarmut. Übrigens alles Probleme, um die sich 'ShabbyShabby' dreht. An den Systemfehler 'Nichtbezahlung' aber, der im Kulturbetrieb gern 'Praktikum' oder 'Ehrenamt' genannt wird, hat man sich an fast allen Häusern gewöhnt." Und auch Medien und Publikum fragten nicht nach den Produktionsbedingungen.

Das Künstlercamp, in dem die "ShabbyShabby"-Künstler während der Aufbauzeit untergebracht waren, habe aus einem "Massenlager" aus "Europaletten und Matratzen" bestanden, das, auf einem Baugerüst befindlich und lediglich von einer Folie umgeben, keinen Schutz vor Kälte geboten hätte –"Davon wurden Künstler krank." Das sei vor allem "inkonsequent": "Die sozialen Missstände, die Lilienthal anprangert, führt er selbst mit herbei." Dabei könnte er es anders machen, "zum Beispiel, sich nicht mit unfinanzierbaren, nur durch Ausbeutung zu realisierenden Projekten zu übernehmen, sondern kleinere zu machen, die aber fair." Weniger "öffentlichkeitswirksam, aber dafür wirklich sozial" wäre es, "in einem Kulturbetrieb (...) Leistung, die erbracht wird, zu bezahlen."

(ape)

 

Twitter MueKa Shabby"Ist das richtig: Künstler arbeiten an @M_Kammerspiele unbezahlt, keine Reisen, keine Unterkunft?", fragte @PavelKrok1 am 15. Oktober via Twitter. Hier die Antwort-Tweets der Kammerspiele.

Antwort von Benjamin Foerster-Baldenius und Matthias Lilienthal

Wir haben für eine Atmosphäre gesorgt, in der es Spaß macht ...

München, 15. Oktober 2015. "Das Projekt Shabbyshabby Apartments spricht Studenten und junge Kollektive an, die nach einer Möglichkeit suchen, ihre Ideen umzusetzen und damit unzufrieden sind, wie Wohnarchitektur in der Öffentlichkeit und in der Fachwelt diskutiert und praktiziert wird. Ein Ideenwettbewerb sammelte Vorschläge, wie man in der Stadt München Wohnen anders verstehen kann. Im Anschluss boten raumlaborberlin und die Münchner Kammerspiele an, die Umsetzung in der Stadt möglich zu machen. Wir füllen so eine Lücke, die es in der Ausbildung zum Designer, Architekten oder Künstler gibt: das direkte Experimentieren in der Stadt. Die Leute vom raumlabor sind zudem selbst Architekten und wissen, wie schwer es ist, erste Arbeiten so zu platzieren, dass diese und die Haltung dahinter wahrgenommen werden.

Statement Kammerspiele ShabbyFür die elf Tage der Umsetzung in München haben wir den Teams sowohl alles Material und Werkzeug zur Verfügung gestellt, als auch professionelle Unterstützung, beste Arbeitsbedingungen und Genehmigungen für alle Bauten. Uns war wichtig, dass man bei Shabbyshabby Apartments dazulernt: so gab es Vorträge zu Statik, Stadt und Produktionsbedingungen im öffentlichen Raum sowie künstlerische und szenische Beratung für alle Teilnehmer. Wir haben für eine Atmosphäre gesorgt, in der es Spaß machte zu arbeiten, in der sich Gleichdenkende kennenlernen konnten und neue Netzwerke entstanden. Deshalb gab es die Bar, tolles kostenloses veganes Essen und eine super lustige kostenlose Unterkunft. Eine Unterkunft, wie eine riesige Almhütte, mit Spaßbad und kollektivem Zähneputzen. Das war kein Hotel Vier Jahreszeiten, kein Motel One, keine Jugendherberge oder sonst eine sterile, lustlose Bettenburg, sondern ein Camp mitten in der Stadt neben der teuersten Straße Deutschlands. Und das in einer zwar nicht perfekten und gegen jedes Wetter gewappneten aber einzigartigen Architektur, gestaltet und gebaut von Architekturstudenten der TU München.

Dass die Künstler nicht genannt werden stimmt übrigens nicht, sowohl an den Apartments als auch auf unseren Websites, in den Videos von Arte creative und auch unter allen Fotos finden sich die Namen der Entwurfskollektive. Jeder Übernachtende bekam außerdem eine Informationsbroschüre mit den Namen überreicht."

 

Presseschau vom 17. Oktober 2015

Robin Hood als Sheriff von Nottingham?

"Hören sich so Geschundene an?" springt Gerhard Matzig für die Süddeutsche Zeitung  (16.10.2015) Kammerspiel-Chef Matthias Lilienthal und Raumlabor-Macher Benjamin Förster-Baldenius zur Seite, und präsentiert einige O-Töne der "Elenden", also der unbezahlten Architekt*innen, die bei der Realisierung der ShabbyShabby-Apartments mitgewirkt haben: "Völlig lächerlich, absurd", findet einer die Vorürfe. Ein anderer sagt: "Alles war total okay." Sei  "großartig" gewesen.

Auch aus der Ausschreibung wird zitiert, in der folgende Warnung schon enthalten gewesen sei: "im Fall, dass Ihr den Wettbewerb gewinnt, übernehmen Raumlabor und die Kammerspiele München Eure Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Werkzeuge und Baumaterialien, aber keine Reisekosten." Hernach macht der SZ-Text eine Rechnung auf: Weil Matthias Lilienthal "sich gern (und gut auch im PR-Sinn) als Rächer der Entrechteten" inszeniere, als "Utopist einer besseren Welt", müsse der BR auf eine interessante Idee gekommen sein: "Was wäre, wenn sich Robin Hood als Sheriff von Nottingham entlarven ließe? Als jemand, der genau jenes Prekariat schafft, dem er im Theater eine Stimme gibt? Das wäre ja ein Skandal!" Im Bayrischen Rundfunk hatte Antonia Goldhammer vor einigen Tagen in einem Beitrag zuerst auf die Widersprüche des Projekts aufmerksam gemacht.

Matzig sieht ein großes Missverständnis sowie "die virtuelle Empörungsbereitschaft und Prangerkultur der Gegenwart" am Werk. Tatsache sei, so Matzig weiter: "Lilienthal arbeitet schon lange mit einem partizipativen, öffentlichen Format, dessen ausdrückliche Lowbudgethaftigkeit konstitutiv ist." Den Teilnehmern sei das bekannt gewesen, "sie willigen ein, sie sind ein Teil dieser Verabredung. Benjamin Foerster-Baldenius von Raumlabor sagt: 'Niemand hat sich je darüber beschwert. Niemand.'"

(sle)

Kommentare  
ShabbyShabby Appartments, München: Neidfestspiele?
Da wird München gerade von Flüchtlingen überrollt und die ach-so-politische neue Kammerspiel-Intendanz veranstaltet Neidfestspiele für den verarmten Mittelstand. Auch schön.
ShabbyShabby Apartments, München: Ironie?
"Ermäßigungen gelten für IKEA FAMILY Mitglieder sowie alle anderen Ermäßigungsberechtigten."- ist das Ironie oder kann das weg?
ShabbyShabby Apartments, München. wie weiter?
Reiche ärgern, und dann?
ShabbyShabby Apartments, München: borniert
Die Arbeit ist arrogant und borniert.
Theater ohne Schauspieler.
Ich hoffe, dass die weiteren Arbeiten weniger sarkastisch sind,
und dass Lilienthal endlich einmal beweist, dass er zu Unrecht aus der Volksbühne verdammt worden ist.
Und ich hätte mir mehr Mut vom Kritiker gewünscht, die Arbeit einzuordnen, zu bewerten, ein Urteil zu fällen. Kleine Fotos einer in lustigen Gefäßen verbrachten Nacht???
ShabbyShabby Apartments, München: neues Schickimicki
ShabbyShabby ist das neue Schickimicki.
ShabbyShabby Apartments, München: gut eingeordnet
#4
Wieso mehr Mut vom Kritiker? Hat er doch super eingeordnet.
ShabbyShabby Apartments, München: zielgruppenspezifisch
theater fürs esthablishment
ShabbyShabby Apartments, München: Entfernung
Wie weit kann sich das Theater von der Gesellschaft entfernen?
Da fällt einem nichts mehr ein. Zynismus pur.
Auch ein Weg sich selbst abzuschaffen.
ShabbyShabby Apartments, München: auf die Gegenwart reagieren
Manchmal muss Theater auch auf die Gegenwart schnell reagieren. Und Herr Lilienthal, Sie hätten eine solche Aktion aufgrund der Münchener Situation kurzfristig absagen müssen. (...)
ShabbyShabby Apartments, München: viele Fragen offen
"Einen Diskurs über Architektur, Stadtsoziologie und Lebensqualität werden sie eher nicht auslösen" schreibt Becker. Der Link am Fuß des Artikels zu den Kammerspielen funtioniert leider nicht. Unter http://www.muenchner-kammerspiele.de/shabbyshabby-apartments ist aber ein umfangreiches begleitendes Diskursprogramm gelistet. Beckers Kritik lässt viele Fragen offen. Wer sind die Entwerfer der Behausungen, woher kommen sie, warum nehmen sie teil? Ist außer unreflektiert wirkendem shabbychic Designzeug noch was anderes zu sehen? Was? Nicht einmal von wem das "Yellow Submarine" stammt, wird erwähnt.
ShabbyShabby Apartments, München: pränatales Gefühl
Ich dachte erst, der Herr Erdmann von der BM hat es erfunden, aber es waren Dunning und Edelmann und ihre ganze Bagage - Wollten die SO einen Diskurs auslösen? Ich denke, die wollten für Kritiker ein pränatales Gefühl erzeugen, damit sie von ihnen zukünftig zwanghaft mutterliebend bedacht werden...
ShabbyShabby, München: Charakter der "apartments"
hallo online-kommentarschreiber_innen,
ich habe selbst mit einer Gruppe von Freunden und Kolleginnen ein shabby apartment entworfen (im März) und selbst in der letzten Woche vor Ort gebaut.

Die shabby apartments sind nicht alle nur "Wohnkapseln" es gibt auch einige, welche öffentliche Bereiche beinhalten, auf die Gegebenheiten der Nachbarschaften reagieren und einen Treffpunkt für Austausch / Aktion bieten. Es geht auch darum, gefundene Materialien weiter zu verwerten, welche sonst in den Müll wandern würden.

Ich persönlich kann nicht so richtig nachvollziehen, warum hier die mit dieser Aktion bezweckte Kritik an den hohen Miet-/ Wohnungspreisen und einem offeriertem Diskurs mit allen zum Thema "wie leben wir die Stadt" so kritisch gesehen wird? Dieser Diskurs kann doch einhergehen mit Themen wie "sollten alle öffentlichen Plätze für Flüchtlingsunterkünfte genutzte werden" und ähnliche Fragestellungen... Es geht nicht nur darum ein fancy-design-ding zu machen (auch wenn designer und Architekten nun mal dazu neigen zu designen nech)
ShabbyShabby, München: Oktoberfest kritisieren
wenn hier schon eine Kunstaktion so kritisiert wird, sollte dann nicht viel eher das ach-so-politische-Oktoberfest genauer unter die Lupe genommen werden?! ;-)
ShabbyShabby, München: Ist das Theater?
Warum nicht einfach Budenbauen und Zelte im öffentlichen Raum aufstellen und bewohnen gegen Miettreiberwahnsinn??? Nein, designed muss schon sein - wegen die Kunscht als Politik-Kritik-Alibi... Warum kann das nicht einfach Ausstellung von erfundenem, knapp bemessenen und gleichzeitig schönen, nutzbaren Räumen im immer enger werdenden urbanen Raum sein und deshalb auch so heißen? - WAS hat das mit Theater zu tun? - Es ist eine gute Theaterwerbung. Das freilich. Aber Theater??
ShabbyShabby, München: Geld macht frei
Das ist Botox-Kunst. Geglättet, ohne Ausdruck, sieht gut aus. Der Schönheitschirurg Dercon hat das Skalpell auch für Berlin bereits im Anschlag. Besonders unappetitlich dabei ist, dass Lilienthal immer den Anschein von freier Gruppe erwecken will, dabei ist er Intendant von einem der reichsten Schauspiel-Theater der Welt. Geld macht frei.
ShabbyShabby, München: freiheitsliebend und lernfähig
Ja, und deshalb ist es sehr einträglich, sich den Anschein von Freier Szene zu geben. Was auch nur beweist, dass Matthias Lilienthal ein freiheitsliebender und sehr lernfähiger Mann ist. Und dass die Münchner (Kammerspiele) sehr genau wissen, was sie wollen vom Theater.
ShabbyShabby Apartments, München: Link
http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/kulturwelt/kommentar-shabbyshabby-100.html
ShabbyShabby Apartments, München: pseudopolitisch sozial unterwegs
Danke an Nummer 17.
Diese Arroganz von "erfolgreichen" Künstlern, festgefahren in ihrem persönlichem Luxus, pseudopolitisch sozial unterwegs, ist wirklich inzwischen unerträglich.
ShabbyShabby Apartments, München: neoliberales Adressbuchtheater
@17: das ist eben das neoliberale adressbuchtheater von lilienthal ! alle künstlerInnen unbezahlt, viele krank geworden, ausgebeutet, aber groß von ikea gesponsert. das ist nur noch (...) und zynisch.
ShabbyShabby Apartments, München: konsumfreundlich statt shabby
habe erst hier erfahren, dass die shabbyshabby appartments von ikea gesponsort wurden. das wirkt ja wirklich wie ein witz! und danke auch an #17 für den weiterführenden br-beitrag zur thematik.

als ästhetische provokation im öffentlichen raum fand ich die hütten schon sehr interessant, aber ich bin dankbar, dass ich durch die reflexion hier im forum einen erheblich kritischeren blick darauf gewonnen habe.

so bleibt die aktion doch eher harmlos, konsumfreundlich und schicky statt shabby.
ShabbyShabby Apartments, München: hinwegsehen
#18 und #19 machen die Sache leider wieder klein. Und ich denke, letztendlich wird man wieder genauso darüber hinwegsehen wie über die Preiskandidaten für die "unverschämtesten Vorkommnisse in der Darstellenden Kunst" die artbutfair verleiht. Es bringt leider nichts. Die Politik ist leider mit dem einverstanden, was Lilienthal "anstellt" und hat ihn deswegen auch eingesetzt. Und er ist eben kein Künstler, liebe #17.
ShabbyShabby Apartments, München: Entzauberung
Danke für die klaren Worte vom BR! Was für eine Entzauberung von Matthias Lilienthal! Der sich vor allem um sich selbst dreht. Bis jetzt kein Theater an der Kammer, stattdessen Ausbeutung und Seminararbeiten. Sozial und gesellschaftskritisch! Weiter so!
ShabbyShabby Apartments, München: Doppelmoral
@17: wunderbarer Fund. Diese Mißstände gibt es vermutlich an allen großen deutschen Stadttheatern und sind ein richtiger Skandal. Gehört eigentlich nicht ins Feuilleton, sondern in den Wirtschafts- oder Politikteil. Die Doppelmoral im Vergleich mit den häufig gesellschaftskritischen und "weltverbessernden" Themen und Projekten ist unerträglich. Ein invertierter kategorischer Imperativ. Champagnersozialisten.
ShabbyShabby Apartments, München: Sehnsucht nach dem Theatermessias
Es ist schon bezeichnend, dass so ein klarer Beitrag "nur" im br läuft und niemand aus der ganzen Theaterjournalistenriege das jemals beschrieben hat. Man sehnt sich offenbar so dermassen nach einem Theatermessias, der "politisch" und "sozialkritisch" ist, und möchte das gerne in Lilienthal sehen. Einfach verlogen.
ShabbyShabby Apartments, München: Theaterjournalistenriege
Liebe #24. Die "Theaterjournalistenriege" sieht in dem, was der br-Beitrag aufzeigt, genauswenig ein Problem wie Lilienthal selbst. Theaterkritiker mögen es eigentlich ganz gerne, wenn Künstler nicht bezahlt werden.
ShabbyShabby Apartments, München: Nichtbezahlung gleichgültig
#25: Ja, solange sie selbst auch nicht bezahlt werden. Wenn doch, ist ihnen die Bezahlung oder Nichtbezahlung der Künstler hingegen eher gleichgültig und wird höchstens pro forma erwähnt - je nach Gefallenslage der Kunst: bei Nichtgefallen mit einem negativ geladen Geschmäckle-Teilchen und bei Gefallen mit einem podsitivusw.
ShabbyShabby Apartments, München: Kulturbetrieb als Schweinesystem
Super Beitrag. Habe mich gefreut, dass da mal klar gestellt wurde und somit auch das old-school- "Schweinesystem" -hier als Kulturbetrieb inszeniert-in Erinnerung gebracht wurde. Kammerspiele nunmehr als HAU Ersatz (...)
ShabbyShabby Apartments, München: keiner fragt
Und, typisch München: allen ist es egal. Nicht eine Zeitung nimmt das auf und fragt einfach mal bei ihm nach. Aber ob dieses Ausbeutungsprinzip langfristig gerade das hippe, junge Künstlerpublikum an die Kammerspiele binden kann darf nun zumindest angezweifelt werden. Vielleicht trägt das Lilienthal-Theater doch eher einen Chris Dercon-Schal als shabby chic?
ShabbyShabby Apartments, München: gibt es eine Reaktion?
Gibt es von den Kammerspielen oder Herrn Lilienthal schon eine Reaktion auf diese Beschreibung der Zustände? Oder heissen Praktikum und Ausbeutung jetzt einfach "Ehrenamt" und alles bleibt beim alten?


(Lieber Peter, wir haben gestern eine Anfrage an die Münchner Kammerspiele geschickt und warten auf Antwort. Herzliche Grüße aus der Redaktion, Esther Slevogt)
ShabbyShabby Apartments, München: nüchterner Blick auf die Perfidität
Lilienthal macht seit Jahren Aktionen, bei denen Künstler nicht oder fragwürdig bezahlt werden. Er nutzt da sehr gescheit die Marktsituation. Und Künstler, die mit wenig Budget und Geld bei ihm produzieren können, bleiben dann auch klein, weil in der Produktion dann naturgemäß alles wackelt. Damit zementiert er die Grenzen noch weiter, die er vorgibt aufzuheben. Und entwickelt ein Netz von Abhängigkeiten, jenseits von Gewerkschaften.

Die Fachpresse und die Hauptstattpresse haben diesen Menschen jahrelang gefeiert. Das jetzt der Bayrische Rundfunk (vielleicht als erstes Medium) einfach mal mit nüchterndem Blick die Perfidität der Angelegenheit beschreibt, ist eigentlich unglaublich. Ich hoffe sehr, daß der Beitrag Denkanstöße provoziert, die weit über die konkrete Aktion hinausgehen. Ich wage zu behaupten, dass die Vermischungen von "freier Szene" und institutionellem Theater, so wie sie in den letzten Jahren mit beinahe naiver Euphorie praktiziert wird, oft nicht funktioniert, nicht auf Qualität und Tiefe beruht, sondern auf einem oberflächlichen und manchmal lächerlichen Aktionismus. Der verkauft sich als politische Aktion, während gleichfalls die kleine politische Einheit der Theatermacher zerfällt. Und dafür ist diese Shabby-Aktion paradigmatisch.
ShabbyShabby, München: Anfrage?
Was ist denn aus der Antwort auf die nk-Anfrage geworden, Frau Slevogt? Vielleicht können wir ja jemanden ehrenamtlich für das Lilienthal-Büro nach München schicken?

(Liebe/r Stritter, noch keine Antwort – beste Grüße aus der Redaktion, Sophie Diesselhorst)
ShabbyShabby, München: schade um das schöne Projekt
wo der br-beitrag recht hat, da hat er recht. zumindest riecht das ganze schon ziemlich faul. und mal als frage: haben die reichen Kammerspiele plötzlich so wenig geld, dass die, die eh wenig verdienen, jetzt gar keines bekommen (können)? und was ist mit den sponsorengeldern von ikea gekauft worden? irgendwie schade um dieses schöne projekt! zumal ja der erkenntnisgewinn auch nicht sonderlich hoch ist: dass in münchen die mieten teuer sind, das ist ja jetzt keine wirkliche Enthüllung. schön war aber, wie menschen plötzlich miteinander reden und sich über alle schichten und nationen hinweg unterhalten. jetzt wahrscheinlich auch über die ausbeutung des kunstprekariats. wieviel verdient eigentlich herr lilienthal?
ShabbyShabby, München: Doppelmoral
Was ist eigentlich mit den Hospitanten und Praktikanten an den anderen Stadttheatern in Deutschland? Bekommen die Mindestlohn? Nein. Werden die kritisiert? Auch nicht. Weil es gerade keinen Hype gibt. Der BR-Bericht trieft vor Doppelmoral. Ausbeutung ist ja vollkommen akzeptiert in unserer Gesellschaft, solange man kein gutes politisches Theater macht. Dann werden nämlich die Zeigefinger erhoben. Der BR ist der sprungbereite Speichellecker der CSU. Das ist die Ecke aus der die Kritik kommt.
ShabbyShabby: Kurator, kein Theatermacher?
Lilienthal ist ein Kurator, kein Theatermacher. Er war nie Teil der konzeptionellen Prozesse der Gruppen die im HAU Station gemacht haben, und dennoch hat er sich zu ihrem Sprecher berufen lassen. Und die hörigen Fonds und Geldgeber waren ergeben. Und so wurde aus großer Vielfalt Monokultur.
Es ist lächerlich, einen Kurator seiner Art ans Stadttheater zu holen, das in einem strukturellen, nicht in einem künstlerischen Reformstau steckt. Wir wollen dort die ungerechte Bezahlung der Künstler auflösen, und müssen nun mit ansehen, wie der Kurator den Keil der Ungerechtigkeit weiter in seine kleine Phantasiewelt treibt. Es ist ungeheuerlich.
ShabbyShabby: Antwort Münchner Kammerspiele auf Twitter
Antwort der @M_Kammerspiele auf Twitter: "Die Teilnehmer an der Shabbyshabby-Ausschreibung bekamen Essen, Unterkunft, Material & Werkzeuge an den elf Tagen umsonst.
Dazu gab es Workshops & Beratung. Organisation, Öffentlichkeitsarbeit & Beschaffung der Genehmigungen durch uns & raumlabor."
ShabbyShabby: Alles auf Linie?
Ach Pippi, Lilienthal und die CSU sind doch voll auf Linie.
ShabbyShabby Apartments: Münchner Kammerspiele antworten
Die Münchner Kammerspiele übersandten heute um 19:54 Uhr einen Text von Benjamin Foerster-Baldenius und Matthias Lilienthal zum Thema Shabbyshabby Apartments:

"Das Projekt Shabbyshabby Apartments spricht Studenten und junge Kollektive an, die nach einer Möglichkeit suchen, ihre Ideen umzusetzen und damit unzufrieden sind, wie Wohnarchitektur in der Öffentlichkeit und in der Fachwelt diskutiert und praktiziert wird. Ein Ideenwettbewerb sammelte Vorschläge, wie man in der Stadt München Wohnen anders verstehen kann. Im Anschluss boten raumlaborberlin und die Münchner Kammerspiele an, die Umsetzung in der Stadt möglich zu machen. Wir füllen so eine Lücke, die es in der Ausbildung zum Designer, Architekten oder Künstler gibt: das direkte Experimentieren in der Stadt. Die Leute vom raumlabor sind zudem selbst Architekten und wissen, wie schwer es ist, erste Arbeiten so zu platzieren, dass diese und die Haltung dahinter wahrgenommen werden.

Für die elf Tage der Umsetzung in München haben wir den Teams sowohl alles Material und Werkzeug zur Verfügung gestellt, als auch professionelle Unterstützung, beste Arbeitsbedingungen und Genehmigungen für alle Bauten. Uns war wichtig, dass man bei Shabbyshabby Apartments dazulernt: so gab es Vorträge zu Statik, Stadt und Produktionsbedingungen im öffentlichen Raum sowie künstlerische und szenische Beratung für alle Teilnehmer. Wir haben für eine Atmosphäre gesorgt, in der es Spaß machte zu arbeiten, in der sich Gleichdenkende kennenlernen konnten und neue Netzwerke entstanden. Deshalb gab es die Bar, tolles kostenloses veganes Essen und eine super lustige kostenlose Unterkunft. Eine Unterkunft, wie eine riesige Almhütte, mit Spaßbad und kollektivem Zähneputzen. Das war kein Hotel Vier Jahreszeiten, kein Motel One, keine Jugendherberge oder sonst eine sterile, lustlose Bettenburg, sondern ein Camp mitten in der Stadt neben der teuersten Straße Deutschlands. Und das in einer zwar nicht perfekten und gegen jedes Wetter gewappneten aber einzigartigen Architektur, gestaltet und gebaut von Architekturstudenten der TU München.

Dass die Künstler nicht genannt werden stimmt übrigens nicht, sowohl an den Apartments als auch auf unseren Websites, in den Videos von Arte creative und auch unter allen Fotos finden sich die Namen der Entwurfskollektive. Jeder Übernachtende bekam außerdem eine Informationsbroschüre mit den Namen überreicht."
ShabbyShabby Apartments, München: vom Ruhm leben
@33 Und was ist mit XYZ...? Nice try. Nur weil hier beim BR besonders gut auf eine eindeutig hochtrabende, sehr peinliche Selbst-Entlarvung Lilienthals und seiner Dramaturgen an einem konkreten Fall hingewiesen wurde, heißt das noch lange nicht, dass alle anderen Misstände keine wären oder automatisch auch im selbigen Artikel bearbeitet werden müssten. Außerdem richtete sich der OpenCall nicht an Hospitanten oder Praktikanten, die sich zumindest in der Ausbildung befinden sollten (immernoch ungerecht ohne Bezahlung), sondern an schaffende KünstlerInnen, die von einer internat. ExpertInnen-Jury begutachtet werden (u.a. Chris Dercon). Die "Doppelmoral" ist hier leider nur auf einer Seite zu finden. Besonders süffisant: Ein Einleitungssatz des OpenCalls lautet: "Kaum ein Künstler kann ein Studio bezahlen." Woran das wohl liegt? Ja, an ImmobilienPREISEN und der Tatsache, dass Menschen wie Lilienthal, von Blomberg und Team denken, es sei in Ordnung, wenn sie selbst für ihre Arbeit bezahlt werden und andere Menschen nicht. Die könnten dann vom Ruhm leben, sich in ihrer Nähe und Eröffnung und auf ARTEs Website aufhalten zu dürfen. Absolut verrückt diese Leute.

Ebenso wurde mit A. Giesche zunächst einer von einigen (sehr fähigen!) Hausregisseuren verlautbart - ein Luxus den man sich mit gut augestattetem, städtischen Millonen-Budget leisten kann. Bei der nächstbesten externen Fördermöglichkeit wurde dieser dann als "Freie Szene" umdeklariert, um ihn und sein Team doch besser von der Kulturstiftung des Bundes bezahlen zu lassen. Damit wurde der eigentlichen Freien Szene ein bestens dotierter Posten vorenthalten.

Das ist dann wohl wirklich (kultur-)politisches Theater, nur leider kein gutes.
ShabbyShabby Apartments, München: Satire?
#37 Das ist Satire, oder?
ShabbyShabby Apartments, München: Feststellung
@ 37: Now the shit hits the fan!
ShabbyShabby Apartments, München: denkt doch ein bisschen
"Wir haben für eine Atmosphäre gesorgt, in der es Spaß machte zu arbeiten, in der sich Gleichdenkende kennenlernen konnten und neue Netzwerke entstanden" heisst es in dieser Erklärung. Nur: Was sind das für nur für Netzwerke, in denen man "Gleichdenkende" kennenlernt? Lernt man "Gleichdenkende" wirklich kennen? Kennt man "Gleichdenkende" nicht bereits, bevor man sie kennengelernt hat? Ach... denkt doch ein bisschen nach, bevor ihr solche Rechtfertigungen veröffentlicht.
ShabbyShabby Apartments, München: München?
Ja,ja, ein Müncher Problem! https://www.youtube.com/watch?v=5ICFt4dtSc0
ShabbyShabby Apartments, München: zynisch
Ist das die Währung, in der die Kammerspiele jetzt ihre Schauspieler und Regieteams zahlen?
"Wir haben für eine Atmosphäre gesorgt, in der es Spaß machte zu arbeiten, in der sich Gleichdenkende kennenlernen konnten und neue Netzwerke entstanden. Deshalb gab es die Bar, tolles kostenloses veganes Essen und eine super lustige kostenlose Unterkunft. Eine Unterkunft, wie eine riesige Almhütte, mit Spaßbad und kollektivem Zähneputzen."
Und das sagt jemand, der eine sechsstellige Jahresgage bekommt?
Kein Sozialneid! Aber das ist zynisch.
ShabbyShabby Apartments, München: abgeranzte Rechtfertigungsübungen
#37 ist wirklich super. "Denn sie wissen nicht, was sie sagen." Glauben die im Ernst, diese Managementtexte wären unbekannt, und jemand würde solch abgeranzten Rechtfertigungsübungen noch für nachvollziehbar halten. Ich hielt die schon für dreist, aber dachte niemals, dass sie es auch zugeben.
ShabbyShabby Apartments, München: echt?
Liebe Kollegen von nachtkritik, habt ihr bei der Nachricht von den Kammerspielen die ip-Adresse geprüft? Das kann doch nicht echt sein! "mit Spaßbad und kollektivem Zähneputzen"??? Auf diesem Niveau macht sich auch ein Herr Lilienthal nicht lächerlich.

(Werter Peter,

die Information erreichte uns auf unsere Anfrage per Mail von den Münchner Kammerspielen.

MfG, Georg Kasch / Redaktion)
ShabbyShabby Apartments, München: Aufwandsentschädigung?
Das Statement ist völlig nichtsagend, da es mit keinem Wort auf die Frage der Bezahlung eingeht, sondern abermals die ewig gleichen Geschichten von Erfahrung, Experiment und Chance wiederkäut. Stattdessen wird betont, wie cool es doch für alle war. Peinlich. Wieso gab es denn zusätzlich zur Erfahrung nicht wenigstens eine Aufwandsentschädigung, also z. B. die Erstattung der Fahrtkosten (die Chris Dercon sicher erstattet bekam, als sich die Jury zur Urteilsfindung zusammenfand)? Denn womit die Teilnehmer ihre horrenden Mieten bezahlen sollen, die das ganze Projekt diskutiert und anprangert, verschweigen die beiden Herren. Gerade in München sind Erfahrungen und Chancen kein akzeptiertes Zahlungsmittel!
@38 Kulturstiftung des Bundes ist ein interessanter Punkt, die hat doch auch Shabby Shabby gefördert? Gibt es von denen ein Statement oder kann man einsehen, wie viel Geld die (wofür?) bezuschusst haben und wie hoch die Gesamtausgaben waren?
ShabbyShabby Apartments, München: Zweifel
Seid ihr sicher, dass das Statement tatsächlich von Lilienthal ist? Auf ihrer Facebook-Page schreiben die Kammerspiele, es handle sich um ein Statement von Förster-Baldenius. Oder sollte Lilienthal selbst keine Meinung zu dem Ganzen haben und nur seine Unterschrift irgendwo drunter setzen?

(Werte(r) @Nachtkritik,

in der Mail der Kammerspiele heißt es zum Statement: "ein Text von Benjamin Foerster-Baldenius und Matthias Lilienthal".

MfG, Georg Kasch / Redaktion)
ShabbyShabby, München: Problem lösen
Sehr geehrter Herr Lilienthal,
bitte geben Sie den jungen Menschen eine anständige Bezahlung.
Wir können Sie sonst nicht mehr ernst nehmen.
Wer auch immer diese Pressemitteilung geschrieben hat,
ist eine große Zynikerin oder muß noch mal nachsitzen.
Wir alle hier würden uns freuen, wenn Sie das Problem bald lösen.
Mit freundlichen Grüßen A. Perliger
ShabbyShabby, München: besonders drastisch
#38 Der Beitrag betont doch ausschließlich, dass man sich an "den Systemfehler Nichtbezahlung der gerne Ehrenamt oder Hospitanz genannt wird an den meisten Häusern gewöhnt" hat und kritisiert genau das. Dass Lilienthal da ein besonders drastisches Beispiel dafür ist, liegt halt daran, dass er im Gegensatz zu anderen das Soziale so vor sich herträgt. Aber klar, es müsste noch viel mehr über Ausbeutung berichtet werden, aber da kann sowas ja ein guter Startschuss dafür sein.
Naja und das Statement macht's halt nicht besser - ich kenne wen, der mitgemacht hat und die Studierenden der TU die das Camp gebaut haben, wurden halt auch nicht bezahlt und das vegane Essen gabs einmal am Tag...
ShabbyShabby, München: Spaßbad mit Schnorchelbar
Nun, vielleicht entwerfen die findigen Nachwuchsarchitekten aus Dankbarkeit für die Stadt München nun ein Spaßbad mit Schnorchelbar auf dem Grund, das einen treppenartigen Rundumeinstieg hat und deshalb als Gelegenheitstheater bestens geeignet ist! - Sie können dann die Münchner CSU und Arte davon überzeugen und in der Folge die Kammerspiele mit den - schon wegen ihrer Herkunft! - schwer durchschaubar zu bezahlenden Schauspielern und Herrn Lilienthal als feste Größe abwickeln und ihm die Theatersparte des Spaßbades als Kurator anbieten. Herr Dercon wird die Stadt bestimmt gerne beraten bei der Vergabeentscheidung - alles auf dem Weg - HAUt hin und rein - zeigt was die neuen Netzwerke guter alter Bekannter auszurichten im Stande sind!
ShabbyShabby, München: Regelungen für Praktika
Schlimm.

Natürlich gibt es Zusammenhänge in denen ein unbezahltes Praktikum kein Problem ist. Und die sind mittlerweile im MiLoG abschließend geregelt:
"§22 (...) Praktikantinnen und Praktikanten (...) gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie
1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,
2. ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten,
3. ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, (...)
Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung
auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, (...)."

Ich halte das für sinnvoll. Denn so wird die gern geübte Praxis verboten, jemanden als Hospitanten anzustellen (und nicht zu bezahlen) und ihn/sie die Arbeit der Assistenten machen zu lassen. Auch die gern gesehenen Kettenhospitanzen sind nicht mehr möglich und die furchtbaren (unbezahlten) Jahrespraktika in den Marketingabteilungen / Dramaturgien ebensowenig.

Aber hier geht es ja eigentlich nicht um Hospitanzen, sondern um sowas wie eine Residence. Und auch sowas lässt sich ordentlich organisieren, sei es über die beschriebenen Aufwandsentschädigungen (Tagegelder), Paten, Stipendien etc. Nur es muss eine Form der Anerkennung der geleistetetn Arbeit geben, die über einen feuchten Handschlag und "kollektives Zähneputzen" und eine Foto-Op mit dem Intendanten hinausgeht.

Aber bleiben wir fair. Die Kammerspiele sind jetzt aufgeflogen, aber ich bin mir sicher, dass fast jedes Festival und eine große Zahl der Theater ähnliche Beschäftigungsverhältnisse anbieten. Da hilft nur eins: Hinschauen, Benennen und die einen Rechtfertigung der Verantwortlichen verlangen.
ShabbyShabby Apartments, München: so funktioniert Kapitalismus
Man beachte den Hinweis in der Antwort, dass die Kunst-Sklaven das Privileg hatten "neben der teuersten deutschen Straße" in einem lustigen Lager zu wohnen.

Näher werden sie an eine Innenstadt-Adresse nicht herankommen, diese veganen Prekariats-Flexiblen die auf unbezahlbaren Bauplätzen Häuser aus Müll bauen.
Damit demaskiert der Kurator das ganze Projekt. So funktioniert Kapitalismus. Marktwert hat die Aktion in dem Fall nur für den Intendanten, den Kurator und die Social und Cultural Compliance Abteilung von IKEA - aber nicht die Künstler.
ShabbyShabby, München: gescheit gewirtschaftet + nachzahlen
@38 und KULTURSTIFTUNG + DOPPELPASS
Ich stimme Langstrumpf zwar in allen Punkten zu und viele haben sich über die Münchner Doppelpass-Volte geärgert, aber fairerweise muss man wirklich sagen, dass die Doppelpass-Jury hier die Entscheidungen fällt. Lilienthal hat "nur gescheit gewirtschaftet". Das ist ein Unterschied. Und es gibt viele große gut ausgestattete Häuser, die diese Förderung bekommen haben. Außerdem ist Giesche zumindest in seiner Ästhetik im Gegensatz zu anderen geförderten Gruppen sicherlich kein Stadttheater, sondern sehr viel innovativer, auch wenn er in Bremen und kurz (vielleicht in der Vorbereitung) in München strukturell als "Hausregisseur" gehandhabt wurde. Besser als kein Doppelpass in München.

Und zu Lilienthal und Förster-Baldenius möchte man sagen:

NACHDENKEN - ENTSCHULDIGEN - HAUPT NEIGEN - AUFWANDSENTSCHÄDIGUNG NACHZAHLEN - NÄCHTES MAL BESSER MACHEN - FERTIG
ShabbyShabby, München: nicht in der Ausbildung
Der Hinweis von Benjamin Foerster-Baldenius und Matthias Lilienthal auf "Studenten und junge Kollektive" sowie die Behauptung "wir füllen so eine Lücke, die es in der Ausbildung zum Designer, Architekten oder Künstler gibt", ist eine Mär. Sieht man sich die Teilnehmerliste an den "Shabbyshabby Apartments" genauer an, wird deutlich, dass diese weder durchgehend "jung" noch in Ausbildung befindlich sind.
ShabbyShabby, München: Hoffen auf den Hack
Ich hoffe immer noch auf die Mitteilung der Kammerspiele, das ihr Mailserver vom Zentrum für Politische Schönheit gehackt wurde und die diese Erklärung im Namen von Foerster-Baldenius und Lilienthal verschickt haben.
ShabbyShabby, München: großes Kino
Sam! Ganz großes Kino! Für den Post sollte man ihnen einen Preis verleihen!
ShabbyShabby Apartments, München: Produktionsbedingungen ignorieren
http://www.sueddeutsche.de/kultur/theaterprojekt-die-elenden-1.2695169 nett, dass die SZ das Fass jetzt zu macht. Wir haben mit paar Leuten gesprochen, die fandens gut, also hat die deutsche Kulturlandschaft kein Problem und Lilienthal auch nich. Und wir können wieder ins Theater gehen, einpennen und die Produktionsbedingungen ingnorieren.
ShabbyShabby Apartments, München: Jetzt kommt Inhalt dazu
Die kritische Diskussion um Arbeitsbedingungen im Nachgang des Projekts ist weit erhellender als Lilienthals Versuchsanordnung selbst. Erst in diesem Zusammenhang bekommt "Shabbyshabby Apartments" überhaupt Relevanz. Vorher war das mehr oder weniger gelungener Design-Schnick-Schnack. Jetzt kommt Inhalt dazu.
ShabbyShabby Apartments, München: Chance zum Dialog
Es geht bei der ganzen Thematik doch nicht nur um Lilienthal und München. Viel mehr sollte der BR-Beitrag als auch die beginnende Diskussion hier und woanders als große Chance und erster Schritt einer umfangreichen Systemkritik und eines entsprechenden konstruktiven Dialoges verstanden und genutzt werden.

Natürlich sind die Umständen an anderen Häusern auch nicht besser! Und natürlich ist ein Projekt in der Dimension der Teilnehmerzahl und im öffentlichen Raum, das sich darüber hinaus an junge Menschen in der "Ausbildung" (und sich als wertvoller Beitrag dazu versteht) adressiert dazu prädestiniert wenig bis gar nichts zu zahlen. Aber nicht mal die Reisekosten? Srsly?

Vor Jahren war ich Teil des Organisationskomitees eines kleinen studentischen Theaterfestivals. Wir alle haben ehrenamtlich gearbeitet, die eingeladenen internationalen Künstler (die sich ebenfalls bewerben mussten) haben bei uns zwar auch keine Gage erhalten, aber wir haben sie in richtigen Gebäuden untergebracht, sie verpflegt und tatsächlich ihre Reisekosten erstattet. Wieso sind die Kammerspiele nicht zu Leistungen in der Lage, die selbst ein kleines studentisches Theaterfestival erbringen kann?! Und unser Budget lag damals bei einem Bruchteil von den 300.000 € die von der SZ als Budget genannt werden.

Lilienthal und die Kammerspiele bekommen es jetzt voll ab. Natürlich wird da zu Beginn der Intendantentätigkeit schnell der Verdacht einer Kampagne wach. Aber wer das denkt, der macht es sich zu einfach. Oder er will, ob Profiteur oder nicht, den status quo möglichst erhalten. Tatsache ist doch, dass dies eben ein so krasser Fall ist, gerade weil hier Extreme aufeinander prallen: Lilienthals gesellschaftlicher Anspruch an seine Arbeit und sich selbst, die widrigen Umstände der Künstlerwertschätzung, München als Spielfeld, die Flüchtlingskrise, etc.

Dies bietet eine großartige Angriffsfläche und eben diese wurde vom BR (so überraschend es ist, dass dies vom konservativen BR und nicht von der eher linken Presse aufgegriffen wurde) genutzt. Ähnlich wie VW im Abgasskandal oder Armstrong im Doping: vermutlich tun es viele, aber hier wurde ein Prominenter erwischt.

Die Frage ist, was davon übrig bleibt: sollte die Kritik Lilienthal tatsächlich weh tun, so liegt es auch an ihm, ausbeuterische Umstände, die es in der deutschen Theaterlandschaft zweifelsohne gibt, zu thematisieren und zu ändern.
ShabbyShabby Apartments, München: Lügen?
"Niemand hat sich beschwert. Niemand." ist schon mal eine Lüge, mit der uns die sz eindieselt und "Alle machen es." auch.
ShabbyShabby Apartments, München: wütend
Dass die SZ in diese Verteidigungslinie einstimmt, macht mich wütend! Würde mich interessieren, ob es der Autor auch in Ordnung fände, wenn jüngere Journalisten dort kein Honorar für ihre Beiträge erhalten würden. Die hätten ja immerhin die Chance, mal in der Süddeutschen zu schreiben... Da ist es nur noch der Gipfel der Dreistigkeit, von den Ausgebeuteten zu verlangen, dass sie sich jetzt noch unbeliebt machen, in dem sie ihrer Situation hinterherweinen.

Es ist ja alles schon gesagt - die Subventionen für die Kammerspiele, das dämliche Ikea-Sponsoring, die Diskrepanz zwischen einem Intendantengehalt und der Ausbeutung des Fußvolks, die regelrecht peinliche neoliberal und ironisch daher kommende Erklärung... aber auch wenn alles gesagt ist, ist der Skandal zu groß, als dass man zur Tagesordnung übergehen dürfte.
ShabbyShabby Apartments, München: Versuch einer Rechnung
Der SZ-Artikel ist ja ziemlich niedlich. Dem BR wird "J'accuse-Rhetorik" vorgeworfen ... und die Anklage wird mit gleicher Münze zurückgezahlt. (Kampagne und Gegenkampagne?)
Aber Matzig hat leider den Grund für die Kritik nicht verstanden ... Die Aussage: "Den Teilnehmern ist das bekannt, sie willigen ein, sie sind ein Teil dieser Verabredung." verdeutlicht das. Es gibt "Verabredungen", die offensichtlich nicht zwischen gleichberechtigten Partnern geschlossen werden. "Ich will deine Kreativitität, und ich biete dir dafür ein kollektives Zähneputzen." Das ist nicht wirklich ok. Außerhalb des Theaters nennt man das "sittenwidrig" - innerhalb des Theaters nennt man das ???

Kleiner Versuch einer Rechnung mit Schätzungen:
Materialkosten: 6.000 EUR (250x24)
Werkzeug / Transporte / Genehmigungen: 20.000 EUR (großzügig geschätzt)
Verpflegung: 15.000 EUR (großzügig geschätzt für 1x veganes Essen am Tag)
Bau/Betrieb "Camp": 50.000 EUR (großzügig geschätzt für Matratzen und Europaletten)
Betrieb "Bar": 10.000 EUR (5 Leute * 12 Stunden * 12 Tage * 8,5 EUR + Nebenkosten)
Das wären dann bis hierher: 101 TEUR ... (was habe ich vergessen???)
Wenn das Gesamtbudget wirkl. 300 TEUR betrug, bleiben also 2/3 noch für alles andere, aber was war das?
Das Rahmenprogramm kann so teuer nicht gewesen sein (vor allem Stadtführungen und Podiumsdiskussionen). Marketing? Gagen/Honorare?
Aber wahrscheinlich sind ist das Stellen dieser Frage auch Teil einer Kampagne, bzw. Ausdruck meiner "virtuelle(n) Empörungsbereitschaft".

Noch ein Hinweis: wenn 300 TEUR für ein Projekt Ausdruck der "Lowbudgethaftigkeit" (ist das eigentlich ein Wort?) sind, kann ich Matzig wirklich nur attestieren, dass er keine Ahnung von Theater hat.
ShabbyShabby Apartments, München: drei Anrufe
Der BR blickt kritisch hinter Lilienthals PR-Fassade und die Jubelperser der SZ werfen dem BR im Ernst Kampagnenjournalismus vor? Das ist wirklich der Witz des Jahres. Wo doch gerade die Süddeutsche Herrn Lilienthal bereits seit seiner Berufung den roten Teppich ausrollt, ihn zu jeder zweiten Podiumsdiskussion einlädt, das SZ-Magazin Medienpartner der Kammerspiele ist und ihn bereits Monate vor Intendanzbeginn hochjubelt und aufs Cover des SZ-Magazins bringt, sogar das Jahresheft der Kammerspiele in der SZ-Druckerei gedruckt wird und Feuilleton-Redakteur Alex Rühle ein Duzfreund von Lilienthal ist. Dass dieser Herr Matzig zudem das Grundproblem des Vorwurfs nicht verstanden hat, ist umso ärgerlicher für eine Zeitung wie die SZ! Woher hatte Matzig die Kontakte, die er befragt hat? Die Nummer des Studenten? Sicher von den Kammerspielen… Drei Anrufe reichen für ein Stimmungsbild und sein Fazit? Das ist kein ausgewogener Journalismus und obendrein üble Nachrede gegen die BR-Kollegen, die er so lächerlich und damit mundtot machen will.
ShabbyShabby Apartments, München: Schmiermittel
"Niemand hat sich je darüber beschwert. Niemand." Unsicherheit und Angst sind die Schmiermittel des Kapitalismus.
ShabbyShabby Apartments, München: kein Problembewußtsein
Die sz hat vielleicht überhaupt kein Problembewusstsein (Vergleiche Dössels Begriff von Repräsentation). Das macht es natürlich äußerst arg. Journalismus oder Demagogie?
ShabbyShabby Apartments, München: Licht ins Dunkle
Vielen Dank an Klaus M. für den Versuch, mit Zahlen Licht ins Dunkle zu bringen. In der Tat würde man gerne mal die Abrechnung dieses 300.000-Euro-low-budget-Projektes sehen.
Zahlen würden insgesamt der ganzen Diskussion um Bezahlung / Nichtbezahlung, auch an anderen Häusern, gut tun. Lächerlicherweise ist es ja quasi die öffentliche Hand, die einerseits etablierte Künstler und gewerkschaftlich-organisierte Mitarbeiter relativ gut, andererseits den Nachwuchs und die künstlerische Mittel- und Unterschicht relativ schlecht bezahlt. Die sozialdemokratische Initiative eines Mindestlohns hat sicherlich in vielen Theatern zu größeren Herausforderungen bei der Abrechnung von Praktikanten, Hospitanten, etc. geführt. Wenn nicht gleichzeitig die Banner von Kapitalismus- und Neoliberalismus-Kritik stramm wehen würden, wäre das noch irgendwie zu ertragen. Mit Primark und Kinderhand-genähten Fußbällen kommen wir ja auch klar. So aber eher nicht. Schön, daß die SZ ebenfalls Stellung bezieht.
ShabbyShabby Apartments, München: naiv
Erschreckend naiv, wie manche Journalisten sich die Theaterwelt vorstellen. Was glaubt denn die SZ, wie solche Produktionen funktionieren? Denkt die SZ, dass sich die in solchen Verhältnissen engagierten Leute auch noch beschweren könnten, damit sie sich sicher sein können, dann erst recht nie wieder engagiert zu werden? Glaubt die SZ, dass es bei solchen „Vereinbarungen“ auch nur die geringste Verhandlungsmasse gäbe? Friss-oder-stirb ist eben keine Vereinbarung.
ShabbyShabby Apartments, München: Reflex Beitrag
Die Architekturstudenten sind keine Theaterschaffenden, die eine Karriere im Theater planen. Und die SZ rollt Lilienthal alles andere als den Teppich aus, die vermisst ja den roten Vorhang, das Repräsentationstheater und die Gefühle, lesen Sie doch mal die Kritiken. Der Thread hier bestätigt den Text von Matzig leider - reflexhafte Behauptungen, Empörungston, kaum Hintergrund, geschweige denn O-Töne. Wie ein BR-Beitrag derart durchsichtig auf der Klaviatur des Skandals spielt, ohne nur eine Stimme zu nennen, ist journalistisch nicht haltbar, das sollte hier jeder wissen und ich finde, das gehörte auch zu einer gestalterischen Moderation der nachtkritik-Moderation, darauf aufmerksam zu machen. Passen Sie auf, dass viele der Diskussionen hier nicht so marginal werden, wie es sich manche im Betrieb und in den Redaktionen wünschen.
ShabbyShabby, München: falsche Grundannahme
@#68: Hintergrund ist ein gutes Stichwort. Von welchen "Architekturstudenten" sprechen Sie? Studieren Sie die Namen der prämierten Teilnehmer und Sie stellen fest, dass Ihre Grundannahme bereits falsch ist. Es geht hier auch nicht um einen außerordentlichen Skandal. Schließlich ist das Geschehene durchaus häufige Praxis im Kulturbetrieb. Daraus aber abzuleiten, es dürfe darüber gar nicht erst gesprochen werden und falls doch, könne es sich dabei nur um "reflexhafte Behauptungen" und "Empörungston" handeln, wirkt in der Argumentation nicht minder durchsichtig.
ShabbyShabby, München: eingeübtes Wunschdenken
Sanfter Ton, Superjuror! Aber eher kein Journalist würde ich sagen, mehr so der Managertyp. Die rüde Vor-Lilienthal-Variante. Und wahrscheinlich arbeiteten Sie einmal im Theater, was man an ihrem eingeübten Wunschdenken ablesen kann, mit dem sie hier Theaterbetrieb und Zeitungsredaktion einhellig als Gegner von nachtkritik aufstellen. In den Printmedien kommt Theater kaum noch vor, und ich schätze, bei der schwindenden Nachfrage ist es selbst für das sz-Feuilleton wenig ermutigend, sich endlich in die Themen einzuarbeiten, um die es in der Debatte hier geht. Anders bei nachtkritik. Deren Kompetenz erscheint mir persönlich transparenter.
ShabbyShabby, München: BR-Kommentar bestätigt
Ich weiß eigentlich gar nicht, warum #68 und die SZ und die Kammerspiele und das Raumlabor dringend nen Beteiligten brauchen, der sich beschwert.

Das BR-Stück is ein Kommentar, ein Meinungsbeitrag (in der Sendung als solcher angekündigt) Da gehts aus journalistischer, medienrechtlicher Sicht die Meinung des Autors. Nicht um die Meinung Beteiligter.

Und die im Text genannten Fakten (Keine Bezahlung von 120 Leuten, das Camp und Lilienthals Anspruch) sind ja von den Kammerspielen in deren Antwort sogar bestätigt worden - das geht medienrechtlich also alles durch. (der Hinweis der Kammerspiele und der SZ, die Künstler seien erwähnt worden, ist nebenbei keine Berichtigung des Kommentars, der sagt nämlich nur, Ikea sei "präsenter" gewesen und nicht, keiner sei erwähnt worden...)
ShabbyShabby, München: durchgerechnet
@superjuror: na Sie haben sich im radical chic schön eigerichtet, wa ? wenn die sz das ausgelutschte kabaretttheater von stemann oder uralte eingekaufte peaches gastspiele oder eindimensionale videoreferate nicht top findet, vermisst sie noch lang keine gefühle, na das hätten Sie wohl gerne, aber hey, die 90er jahre sind vorbei. das problem ist ja eher die unterforderung, banalität und unterkomplexheit der bisherigen arbeiten, aber zurück zu den shabbyshabbygeschichthen: lilienthal macht ein projekt "extra" für münchen, das er schon einmal für mannheim/theater der welt gemacht hat, die künstlerInnen werden kaum erwähnt, prominent sind vor allem kammerspiele, raumlabor und ikea (das mit der ikea aufmerksamkeit hat der br bericht kritisiert und nicht dass die künstlerInnen nicht erwähnt werden, eine lüge der sz und von lilienthal btw), die künstlerInnen dürfen im regen und in der kälte in zwei wochen in einem "lustigen" und "nicht perfekten und gegen jedes Wetter gewappneten" und von der TU münchen gebauten lager schlafen, bekommen einmal pro tag eine portion essen, bekommen keine gage, keine aufwandsentschädigung und nicht mal die fahrtkosten erstattet, das kopierte projekt wird nochmal von der bundeszentrale für politische bildung gefördert, die übrigens pro tag und teilnehmer bis zu 50 euro bezuschusst, dazu gibt es förderungen der stadt münchen, der hans sauer stiftung UND des IKEA konzerns, das alles in den kammerspielen münchen, die über ein budget von 32, 8 millionen euro verfügen. zusätzlich kostete eine übernachtung 35 euro. das entspricht einer monatsmiete von 1050 euro für 5-10 m2 und bei 24 appartments einnahmen für die kammerspiele um die 20 000 euro, materialkosten beliefen sich auf 6000 euro, insgesamt ! Die fahrtkosten zb wären ca. 10 000 euro gewesen. und jetzt die alles entscheidende frage an den superjuror: wieso können bei diesen luxuriösen subventionen und sponsoringunterstützungen keine reisekosten bezahlt werden ?
ShabbyShabby, München: keine Stellungnahme
Als was haben raumlabor und kammerspiele eigentlich das Projekt bei den Förderern bezeichnet? Als persönliche Fortbildung der Teilnehmenden? So wird das ja dargestellt und bezeichnet, es fülle angeblich eine Lücke der Ausbildung. Das mag für die TU-Studierenden vielleicht noch zutreffen, auch wenn es auf merkwürdige Weise in seinem Resultat (Camp) dem shabbyshabby zuarbeitet. Es geht hier also nicht nur um 120 "ehrenamtlich" arbeitende Leute, sondern noch mehr. Und die shabbyshabby-Teilnehmerinnen und Teilnehmer gingen auch noch in Vorleistung, investierten sie doch Zeit und wahrscheinlich auch Geld in die Konzeption ihrer Entwürfe. Und anstatt nun zu all den Vorwürfen, die faktisch richtig sind, Stellung zu nehmen, wird versucht, sie zu diskreditieren. Ich nenne das unehrlich. Und was ist diese Fortbildung wert, die Wissen über das Arbeiten im öffentlichen Raum vermitteln soll, wenn bei dem Bau des Camps widrige Wetterbedingungen kaum Beachtung fanden?
ShabbyShabby, München: Systemkritik größer ansetzen
Alles super Argumente, tolle Diskussion, schön dass sich Menschen über Arbeitsbedingungen im Kultursektor wieder zunehmend echauffieren können. Ganz ohne Ironie: Weiter so, fleissige Kommentator*innen!

Was mir bloss nicht einleuchtet: warum kommt in jeder Debatte ein - sagen wir mal - inkonsequenter Reformer, der in den Strukturen festhängt, die er zu ändern vorgibt, soviel schlechter weg, als ein sich wegduckender Zyniker, der alles (schlimmstmöglich) beim alten belässt. An der Doppelmoral allein kann das nicht liegen, eher an der im Raum stehenden Unverschämtheit, dass der eine offenkudnige Fehltritt nachher noch das ganze System erodieren lassen könnte. Diesen Fehler macht der zynische Duckmäuser alias Intendantenmanager, wie er allerorten an den großen Häusern regiert, nämlich nicht.
Ich würde mir einen ähnlichen Aufschrei wie dem hier wünschen, und zwar über das im konkreten Umgang weitaus miesere Verhalten diverser Spitzenintendanten ihren Untergebenen gegenüber. Oder bezüglich der Vermietung von durch Steuergeldern subventionierten Produktionen zu Schleuderkonditionen an Firmenevents, so etwa gängige Praxis unter O. Reese am Schauspiel Frankfurt. Genau analysiert hat das S. Kirsch in Theater der Zeit: "Sekt in der Panoramabar" (TdZ 09/2015). Vom satten Reingewinn dieser tatsächlichen Eventbuden (bald am BE!) dürften weder die unbezahlten Praktikant*innen noch die Schauspieler*innen was sehen.
Wie? Das gehört nicht zur Debatte? Ganz was anderes? So machen es doch alle? Nein, wenn man einmal mit Systemkritik anfängt, kann man eben nicht beim Business-as-usual inklusive Premierenumtrunk wieder die Klappe halten. Aber dass eben die traute Gewohnheit hier einigen der Komentator*innen dann doch so lieb ist, dass sie diese trotz lautstarken Echauffierens über ShabbyShabby/Lilienthal nicht opfern wollen würden, wird schnell ersichtlich.
Wer die Debatte außerhalb von Nachtkritik und über die Kammerspiele hinaus weiterführen will, der sollte sich an Kommentar #51 halten: "Hinschauen, Benennen und [...] Rechtfertigung der Verantwortlichen verlangen." Lilienthal steht nach wie vor in der Bring- und Zahlschuld, aber es wäre lächerlich, ihn angesichts der herrschenden Verhältnisse als Einzigen in die Mangel zu nehmen.
ShabbyShabby, München: Additionslogik
Na, da haben sie ja einen zweiten gefunden. Wer liefert noch?
Arbeitsbedingungen: kein Feierabend, niemals
Im Berliner Ensemble kennen die künstlerischen Mitarbeiter keinen Feierabend. Da arbeitet man gerne mal mehr als 12 Stunden pro Tag und Wochenenden durch. Und hat man doch einen Tag frei darf man Berlin nicht verlassen (nur mit Urlaubsschein) und muss das Handy dabei haben. Ich denke, diese Zustände sind allseits bekannt, Jan Fleischhauer machte sich schon in seiner Spiegelkolumne drüber lustig.

(Hinweis der Redaktion: Hier der Link zum Text von Jan Fleischhauer: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/lob-der-monarchie-kolumne-von-jan-fleischhauer-a-1028453.html)
Arbeitsbedingungen: 12h sind Gesetzesverstoß
12 Stunden Arbeit am Tag sind ein Gesetzesverstoß. Warum wehrt man sich nicht dagegen?
ShabbyShabby Apartments, München: "Gesetzlose"
Es gibt genug "Gesetzlose" die an den Theaterproduktionen mitarbeiten. Und solange sie keinen Arbeitsvertrag ihr eigen nennen, gelten keine Arbeits- und Ruhe-Gesetze für sie.
Habe eben eine öffentliche Ausschreibung für eine Theater-Hospitanz eines rennomierten Hauses gelesen: 300 Euro gesamt für zwei Monate Vollzeitarbeit. Mit genau bezifferten Arbeitszeiten.
Apropos wehren - es gibt keine Berufs-Vertretung für diese gesetzlos Beschäftigten. Das ist der Sinn von
Arbeitsbedingungen: Arbeitszeitgesetz NV-Bühne
@76-77
Hier geht es ja eigentlich um etwas anderes, aber nun gut.
Es ist ganz praktisch, dass im NV-Bühne für die Beschäftigten in der Tarifgruppe SOLO (Darsteller, Assistenten, Dramaturgen etc.) die wöchentliche Arbeitszeit nicht festgelegt ist. In §5 heißt es "Die Arbeitszeit ergibt sich aus der Dauer der Proben und der Aufführungen oder der Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit." (Das ist klasse, oder?)
Das bedeutet, dass für diese Mitarbeiter allein das Arbeitszeitgesetz gilt. Und damit ist es in Aussnahmefällen möglich ein Wochenarbeitszeit von 70 Stunden zu erreichen. Eigentlich ist eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden vorgeschrieben, allerdings kann sie auf 10 Stunden am Tag verlängert werden, sofern im Durchschnitt von sechs Monaten die acht Stunden nicht überschritten werden. Natürlich überprüft das niemand ...
Es ist außerdem möglich einen Mitarbeiter 19 Tage ohne Unterbrechung zu beschäftigen (Arbeit an einem Sonntag muss in den auf diesen Sonntag folgenden 14 Tagen ausgeglichen werden) ... Arbeit an einem Feiertag innerhalb der folgenden acht Wochen. Außerdem: die acht "festen freien Tage" im NV-Bühne dienen dem Ausgleich von Sonn- und Feiertagsarbeit.
Eine tägliche Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden ist nicht zulässig. Allerdings vorsicht: Pausenzeit ist ungleich Arbeitszeit. Vier halbe Stunden Stunden Pause erhöhen die Anwesenheitszeit im Betrieb auf 12 Stunden ...
Nebenbei: Kein Arbeitgeber darf eine längere Arbeit anordnen. Falls ein Mitarbeiter "selbst entscheidet" länger zu bleiben ...
Noch eine Kleinigkeit, die gern vergessen wird: Der Sonnabend ist ein Werktag. Eine sechs-Tage-Woche ist völlig unproblematisch: 48 Wochenstunden sind ohnehin die Regel im Theater.

Die schönste Bestimmung gilt übrigens für leitende Angestellte: Für sie findet das Arbeitszeitgesetz gar keine Anwendung - (und mit ganz ganz wenig argumentativer Verrenkung ist jeder Dramaturg ein leitender Angestellter. vgl. §18 ArbZG iVm §5 BetrVG)

@78
Auch für Praktikanten gilt das Arbeitszeitgesetz nutzt aber nicht viel, s.o.

Damit wären wir mal wieder beim Unvermögen des NV-Bühne, die Interessen der Beschäftigten zu wahren.
Arbeitsbedingungen: Wille zur Durchsetzung
Sowohl das Arbeitszeitgesetz, als auch dementsprechend der NV-Bühne gehen von einem freien Tag pro Woche, dem vorstellungs- und probenfreien Sonntag, aus. Zwar erlaubt das Arbeitszeitgesetz, also auch der NV Bühne, dass am Theater an einem Sonntag für Vorstellungen gearbeitet werden darf, aber für diese Arbeit gibt es den Anspruch auf einen Ersatzruhetag. Das heißt, es gibt trotz 7 Tagen Mitwirkungspflicht grundsätzlich eine 6 Tage Arbeitswoche.

Das Problem ist eher der Wille zur Durchsetzung dieser Ansprüche.

Und deshalb gilt auch: Da § 3 Satz 2 Arb­ZG ei­ne vorüber­ge­hen­de Verlänge­rung der werktägli­chen Ar­beits­zeit auf bis zu zehn St­un­den er­laubt, ist ausnahmsweise ei­ne Ar­beits­wo­che von (6 x 10 =) 60 St­un­den er­laubt. Vor­aus­set­zung ist hier al­ler­dings wie schon erwähnt, dass in­ner­halb des ge­setz­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums (sechs Ka­len­der­mo­na­te oder 24 Wo­chen) im Durch­schnitt acht St­un­den werktäglich nicht über­schrit­ten wer­den.
Arbeitsbedingungen: deutsche Arbeitsgesetze
wg. 78: Genau. Dabei bräuchte es an sich nur 2,3 Leute, um das ein für alle mal zu klären. Ein halbes Jahr Arbeitszeiten aufschreiben und dokumentieren, dann den Weg durch alle Instanzen antreten. Macht aber keiner. Meine Vermutung ist, daß das nie wirklich vor Gerichten geklärt wurde. Jeder kleine Handwerksbetrieb muß sich an deutsche Arbeitsgesetze halten, an den Bühnen wird das mit einer Mischung aus Zynismus/eigenem Kapitalsimusverständnis auf der einen und Esprit de Corps/Lust an der Selbstausbeutung/Lust an der Selbstdarstellung als Leiden Christi auf der anderen Seite einfach ausgehebelt.
Da ich selber nicht an Theatern arbeite habe ich leicht reden. Dennoch: shit or get off the pot.
ShabbyShabby, München: fehlende Kenntnis
Ad Klaus M.
Definitiv nicht, ein Dramaturg ist kein leitender Angestellter, nicht einmal ein Chefdramturg. Der Intendant und der Verwaltungsdirektor sind es.
Über die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten für NV Bühne wurde bereits viel gerechtet. Es gilt der aktuelle Tagesplan als Dokumentation der täglichen Arbeitszeit. Wenn eine Kritik nach der Probenzeit angesetzt wird oder eine "freiwillige" Probe am Sonntag, die dem Arbeitszeitgesetz widerspricht, schenkt der Schauspieler oder Assistent dem Theater Zeit, die er ihm nicht schenken müßte.
Den KBB und den jüngeren Regisseuren fehlen oft die banalsten rechtlichen Kenntnisse und einigen Intendanten die Empathie für Ihre Künstler.
ShabbyShabby Apartments, München: nur unzureichend
@82
Natürlich lässt sich die Tätigkeit eines Dramaturgen so beschrieben werden, dass sie leitenden Angestellte sind: gem. §5 (3) Satz 3: "(Leitender Angestellter ist, wer) regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere auf Grund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein."
Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass man dieser Argumentation folgen sollte. Und natürlich ist die Behauptung, dass die Tagespläne die Arbeitszeit von Dramaturgen oder Assistenten dokumentierten schlicht eine (gelungene) Täuschung.
Aus Ihrem Post ist das Missverständnis zu lesen, dass nur die Geschäftsführer leitende Angestellte seien, das ist nicht der Fall.

@80
Stimmt alles. Ich dachte das auch so geschrieben zu haben. Und sorry, mir ist ein Fehler unterlaufen, denn an Sonntagen ist die Verlängerung auf 10 Stunden nicht zulässig. Also können es max. 68 Stunden werden.
Auch hier ist natürlich die Krux: Arbeitszeiten werden nicht, bzw. nur unzureichend dokumentiert.
ShabbyShabby Apartments, München: nächstes Kunstprojekt
Jetzt betreiben Kunststudenten in den Kammerspielen für drei Monate eine Bar.

http://www.muenchner-kammerspiele.de/bar

Ein ernstgemeinter Recherchewunsch an nachtkritik.de: Herauszufinden, was die Studenten dabei verdienen. Oder ob es auch wieder l'art pour l'art ist bzw. ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich schon mal auf eine Zukunft in der brotlosen Kunst vorzubereiten und mit einer "Arbeitsprobe" als Barkeeper vielleicht auf sich aufmerksam zu machen...
ShabbyShabby Apartments, München: aufschlussreich
Wirklich aufschlussreich, sich dieses Thema nach einem Jahr Kammerspiele unter den Intendanz Lilienthal noch einmal ins Gedächtnis zu rufen vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse.
ShabbyShabby, München: abschließende Bilanz?
Hallo Nachtkritik, seit ihr dem Wunsch #84 nachgekommen mal nachzufragen? Und wie wäre es mit einer Nachfrage, wie Lilienthal in den seiner weiteren Amtszeit mit dem Thema Bezahlungen verfahren ist? Jetzt wäre doch ein guter Zeitpunkt für eine abschließende Bilanz seiner Kammerspiel-Zeit...`

(Lieber Salvan, wir haben die kritische Diskussion um die Shabby Shabby Apartments seinerzeit aufgenommen, nachgefragt, und die Antwort der Kammerspiele ist ja in der obigen Stellungnahme auch wiedergegeben. Wir verstehen, dass es ein berechtigtes Interesse gibt, die Arbeitsbedingungen der Theater und eben hier der Kammerspiele weiter auch im Detail kritisch zu beleuchten. Aber leider fehlen uns für eine ganze Reihe von Recherchen zu diesem Komplex die Kapazitäten. Die Arbeit der Kammerspiele haben wir abseits unserer Rezensionen und der kulturpolitischen Berichte etwa auch in Bezug auf die Freie Szene Münchens diskutiert (siehe: https://bit.ly/2SUlH57). Ob es noch einmal eine Schlusseinschätzung der Gesamtleistung dieses exponierten Hauses unter Matthias Lilienthal geben wird, werden wir diskutieren. Eigentlich machen wir solche Resümees eher nicht. Aber Ihren Anstoß nehmen wir gern auf und bedenken ihn. Herzliche Grüße aus der Redaktion, Christian Rakow)
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