Der Minister und seine Gedankenspielkameraden

von Frauke Adrians

24. September 2015. Anfang Juli 2006 lud der Thüringer Kultusminister Jens Goebel (CDU) die Presse ins Erfurter Restaurant "Museumskeller". Auf den Tisch des Hauses kam ein Blatt Papier mit der Überschrift "Modellrechnung“. Tabellarisch war darauf zusammengefasst, wie viel Geld die Thüringer Theater und Orchester seinerzeit vom Land bekamen und wie viel weniger die CDU-Landesregierung ihnen in der nächsten Finanzierungsperiode zugestehen wollte. Einsparungsziel: 10 Millionen Euro.

Die "Modellrechnung" hätte das Aus für drei Theaterhäuser und vier, fünf Orchester bedeuten können. Aber sobald sich die Journalisten – denn sie und nicht etwa die Betroffenen waren die Ersten, die Goebel von den Sparplänen unterrichtete – ans Telefon hängten und den Intendanten die schlechte Nachricht überbrachten, formierte sich der erste Protest. Am Ende musste die Regierung ihr Einsparungsziel still beerdigen. Alle Thüringer Theaterhäuser existieren bis heute, das Landestheater Eisenach allerdings ist nur noch eine bessere Dependance des Meininger Theaters.

Geschichte wiederholt sich: das Erfurter Spar-Kaffeekränzchen

Am 10. August 2015 lud der Thüringer Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) die Presse ins Erfurter Café "Kaffeeland". Auf den Tisch des Hauses kam ein langer Solovortrag des Ministers, angereichert mit Präzisierungen durch seine Staatssekretärin Babette Winter. Hoff stellte in einem "Hintergrundgespräch", aus dem laut Vereinbarung nichts an die Öffentlichkeit dringen sollte, einen "Plan künftiger Theater- und Orchesterstrukturen" vor, der sich in vertrauensvollen Gesprächen mit den Intendanten, der Orchesterkonferenz, kommunalen Trägern und anderen Beteiligten entwickelt habe. Ein Einsparungsziel gebe es nicht, betonte der Minister, im Gegenteil, man werde mehr für die Theater und Orchester ausgeben müssen.

DNT Weimar 560 Thomas Mueller uTraditionsreiches Weimar: "Zeigen Sie mir mal den Ort in Thüringen, wo Goethe, Schiller, Bach, Luther oder Telemann nie waren!" (Minister Hoff) © Thomas Müller

2006 waren die Fronten klar. Gegen die Landesregierung und ihren Sparbeschluss gingen, mit sehr wenigen Ausnahmen, alle auf die Barrikaden: die Theaterhäuser und Orchester vom Intendanten bis zum Bühnenarbeiter, das Publikum, die Kulturverbände, die Gewerkschaften. Die kommunalen Träger der Theater und Orchester, also Städte und Landkreise, die sich zum Teil sogar bereit erklärten, mehr als bisher in ihre Kultureinrichtungen zu investieren und sie auf diese Weise zu retten. Und die Oppositionsparteien, SPD, Linke, Grüne, die die Kulturkahlschlag-Politik der CDU einhellig verdammten.

2015 bilden diese drei Parteien die neue Thüringer Landesregierung und haben längst festgestellt, dass die Ausgaben für Theater und Orchester steigen, selbst wenn man sie nur auf dem gleichen Level erhalten will. Im gemeinsamen Regierungsprogramm steht denn auch kein flammendes Bekenntnis zur unbedingten Erhaltung aller Kultureinrichtungen; stattdessen heißt es dort vorsichtig, die Landesregierung strebe den Erhalt aller Thüringer Theater und Orchester "in ihrer bestehenden Form, Struktur und Bandbreite" an. Das klingt nach gutem Willen, aber nicht um jeden Preis. Bei den kommunalen Trägern scheint eine ähnliche Stimmung zu herrschen. Dem Vernehmen nach wollen fast alle ihre Kultureinrichtungen behalten und sind bereit, sie weiter zu fördern. Aber mehr für sie ausgeben, das können oder wollen die meisten Träger nicht.

Die klaren Frontlinien sind passé

Eine klare Linie – hier die Kulturabwickler, dort die Verteidiger des Status quo – gibt es 2015 nicht. Stattdessen gibt es Pläne für eine Umstrukturierung, vorgestellt von einem Minister, der die Betroffenen in ihre Entstehung einbezogen hat: Hinterher soll keiner sagen, er sei überrascht und überrollt worden. Vorteile der angestrebten Neustrukturierung seien "mehr Planungssicherheit, die Schließung der Gerechtigkeitslücke, größere tarifvertragliche Sicherheit" für die Häuser und ihre Mitarbeiter, so Hoff. Die Nachteile sind: Stellenabbau, weniger Orchester, wahrscheinlich auch weniger Theatervielfalt. Die erste rot-rot-grüne Landesregierung in Deutschland will keinesfalls Kündigungen von Theaterpersonal und Orchestermusikern zu verantworten haben, aber sie will den Bestand an Stellen über die nächsten zehn Jahre abschmelzen. Frei werdende Stellen sollen unbesetzt bleiben. Die Verbleibenden aber sollen, so der Plan, endlich nach Flächentarif bezahlt werden.

Das wäre vor allem für die Musiker der Landeskapelle Eisenach ein Gewinn, die seit Jahren ganz ohne Tarifvertrag arbeiten. Nur wird es die Landeskapelle nach Hoffs Plänen ab 2017 nicht mehr geben. Die letzten 24 Musiker des über die Jahre bis zur Unkenntlichkeit verkleinerten westthüringischen Restorchesters werden dann auf die Orchester im südostthüringischen Rudolstadt und im nordthüringischen Nordhausen verteilt. Einen großen Teil ihrer Dienstzeit werden sie künftig also für die Fahrten zu ihren künftigen Einsatzorten aufwenden müssen – falls die kämpferische Musikergewerkschaft DOV bei Hoffs Musikerverteilungsplänen mitspielt. Nach Berichten der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) ist sie dazu wenig geneigt.

theater erfurt 560 c Theater erfurt xDer Neubau des Erfurter Opernhauses wurde 2003 eröffnet © Theater Erfurt

Die TLZ war es auch, die zehn Tage nach dem "Hintergrundgespräch" erstmals über die Strukturpläne berichtete. Hoff und seine Mitarbeiter hatten zu der Geheimrunde zwar nicht weniger als acht Thüringer Print-, Agentur- und Rundfunkjournalisten eingeladen, die TLZ aber blieb außen vor – und damit ausgerechnet diejenige Zeitung, die beim Reizthema Theaterstruktur traditionell am lautesten aufschreit. Hoffs Empörung über ein "TLZ-Leak" kann sich also eigentlich nur gegen ihn selbst richten, denn er hat das Leck selbst verursacht. Sobald die TLZ Wind von den Plänen bekam, konnte sie in aller Ruhe berichten, denn sie brauchte sich an keinerlei Verschwiegenheits-Absprachen gebunden zu fühlen. Die Veröffentlichung kam so zwangsläufig, dass man auf die Idee kommen könnte, der Minister habe das Ganze genau so geplant.

Geplant oder nicht: Nun sahen sich auch die Intendanten gedrängt, Stellung zu nehmen. Ein beredtes "kein Kommentar" aus den Theatern in Weimar und Erfurt verriet, dass die Intendanten Hasko Weber und Guy Montavon nicht nur in die Entstehung des Theaterstruktur-Entwurfs eingebunden waren, sondern auch gern so weiterverhandelt hätten, ganz im Geheimen. Weber befand sich in einer besonders ungemütlichen Lage, denn Hoffs Pläne sehen die Schließung der Weimarer Musiktheatersparte vor. Erfurt dagegen, das in Vorbereitung auf eine Theaterfusion beider Städte schon 2002 sein Schauspiel abgewickelt hat, soll keine weiteren Einbußen erleiden. Vorgesehen ist eine klare Aufgabenteilung: Das Staatstheater Weimar produziert Schauspiel, die künftige Staatsoper Erfurt Musiktheater; die Produktionen werden untereinander ausgetauscht. Erste Schritte auf dem Weg dorthin haben die beiden Intendanten bereits gemacht, beispielsweise war die jüngste Weimarer "Faust"-Inszenierung auch in Erfurt zu sehen.

Protest gegen den Abbau der Musiktheatersparte in Weimar

Schauspielmann Hasko Weber, der in Weimar erstmals ein Haus mit Opernsparte und einem – noch dazu höchst eigenständigen und selbstbewussten – Orchester übernommen hat, könnte den Verlust der Weimarer Musiktheatersparte persönlich wohl verschmerzen. Unter dem Druck der Ereignisse, des aufgeschreckten Publikums und seiner Mitarbeiter jedoch musste er sich von der eigenen Distanz zu dieser Sparte distanzieren. Hatte er sich zunächst nur über die Indiskretion der Presse geärgert und laut Thüringer Allgemeine (TA) beklagt, "separate Aspekte" seien "falsch, im Sinne realer Fakten, in die öffentliche Debatte überführt worden", duldete er wenige Tage später betont wohlwollend eine Unterschriftensammlung der DNT-Mitarbeiter für die Erhaltung der Opernsparte. Beim Weimarer Theaterfest am ersten Septemberwochenende rief er nach Angaben der TA dreimal aus: "Unsere Oper bleibt!" und ließ dieses Motto als Transparent am Balkon des DNT aufziehen. Minister Hoff stimmte via Twitter ein: "Stimmt. Sie bleibt."

Etwas anderes als Zurückrudern bleibt ihm wohl gar nicht übrig, wenn er die Theaterdebatte in halbwegs ruhigen Bahnen weiterführen will. "Unterschriftensammlungen vor der Staatskanzlei" wie zu Goebels Zeiten will er nach eigenem Bekunden unbedingt vermeiden. Folgerichtig werden die Strukturpläne jetzt als mehr oder minder unfertige Entwürfe, Gedankenspiele oder bloße Möglichkeiten unter vielen anderen hingestellt. Aber das ergibt wenig Sinn. Wenn sich der Minister und seine Gedankenspielkameraden noch im Stadium der Ideensammlung befänden, warum sollte Hoff dann überhaupt die Presse informieren? Warum sollte er den Journalisten dann nur diese eine Variante als Ergebnis präsentieren, ohne Hinweis auf die Varianten B, C und D?

Lohengrin 560 karl bernd karwaszWagners "Lohengrin" am Ort seiner Uraufführung  1850 durch Franz Liszt  in Weimar, wo es demnächst kein eigenes Musiktheater geben soll. Hier ein Foto aus der Weimarer
Inszenierung 2013 (Regie Tobias Kratzer, Dirigat: Stefan Solyom) © Karl-Bernd Karwasz

Auf jeden Fall hat der Minister nun die Wasser zwischen den Theaterhäusern Erfurt und Weimar getestet und feststellen müssen, dass sie schwer schiffbar sind; das hätte er allerdings schon vorher wissen können. An Plänen für eine Kooperation oder Fusion der Theater Erfurt-Weimar sind schon gefühlte Generationen von Kultusministern gescheitert. Im Weg steht nicht zuletzt die historisch gewachsene Abneigung zwischen den beiden nur 25 Kilometer voneinander entfernt liegenden Städten, dort stehen aber auch ganz praktische Hindernisse. So ist es, das weiß auch Hoff, vollkommen unmöglich, die Staatskapelle Weimar, Thüringens einziges und allseits hochgelobtes A-Orchester, mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt – oder überhaupt mit einem anderen Klangkörper – zu fusionieren.

Die Variante mit der Orchesterfusion Erfurt-Gotha

Da aber Hoff wie die meisten seiner Amtsvorgänger offenbar von der Annahme ausgeht, in Thüringen gebe es immer noch zu viele Orchester – obwohl die Orchesterlandschaft des Landes seit der Wende nahezu halbiert wurde –, kommt eine andere Orchesterfusion auf den Strukturplan: Erfurt und Gotha. Beide Städte haben B-Orchester mit etwas über 50 Musikern; für große Sinfoniekonzerte und Opernproduktionen leiht sich Erfurt regelmäßig Streicher aus Gotha aus. Zudem trennen auch diese beiden Städte bloß etwa 25 Kilometer. Ein neues, über 100 Mann starkes Fusionsorchester Erfurt-Gotha soll, so der Plan, die Erfurter Opernproduktionen spielen, wenn die Aufführungen in Erfurt stattfinden.

Gesetzt den Fall, die Weimarer Oper bleibt NICHT, würde bei den Weimarer Vorstellungen (mit Bühnenbild und Sängern aus Erfurt) wohl die Staatskapelle im Graben sitzen, die sonst nur noch Konzerte spielen würde. Zwei benachbarte Orchester müssten also zeitgleich ein und dieselbe Produktion einstudieren: eine unsinnige Doppelarbeit. Ein Nachfolger Hoffs wird unschwer befinden, dass da noch immer ein Orchester zu viel sei, und eines der beiden abschaffen – und das wird nicht die Staatskapelle sein.

Das Orchester Erfurt-Gotha wird, zumindest vorübergehend, allein aufgrund seiner Größe nach A-Kategorie bezahlt werden müssen: eine teure Angelegenheit. Hinzu kommt, dass die Stadt Gotha, die sich auf eine rund 400-jährige Orchestertradition berufen kann, ihre Philharmonie nicht kampflos aufgeben wird. Zumindest müsse das Fusionsorchester in Gotha beheimatet bleiben, fordert Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch. Dann gäbe es in Thüringens Mitte nicht nur ein Staatsschauspiel mit A-Orchester, sondern auch eine Staatsoper ohne Orchester.

"Es ist schwer, Strukturentscheidungen auf Traditionen zu gründen" (Minister Hoff)

"Zeigen Sie mir mal den Ort in Thüringen, wo Goethe, Schiller, Bach, Luther oder Telemann nie waren", sagte Minister Hoff im Hintergrundgespräch: "Es ist schwer, Strukturentscheidungen auf Traditionen zu gründen." Aber kulturpolitische Entscheidungen zu treffen, ohne Tradition und Geschichte im Blick zu haben, ist in Thüringen ein Unding. Vielleicht unterschätzt Hoff die Wirkungsmacht dieser Faktoren – und den Stolz sehr vieler Thüringer auf ihre Theater und Orchester. Den entwickeln selbst diejenigen, die selten oder nie hingehen.

Vielleicht wird Hoff mit vielen seiner Pläne trotz allem durchkommen. Vieles geht er sehr viel geschickter an als weiland Goebel: Er bezieht die Betroffenen früh in seine Überlegungen ein – und zwar nicht immer alle gemeinsam, sondern nach dem Prinzip "Teile und herrsche" auch getrennt voneinander. Den meisten konnte er offensichtlich das Gefühl vermitteln, mitreden zu dürfen und gehört zu werden. Hier kommt kein Sparbeschluss von oben, hier wird – zumindest scheinbar – um eine "vernünftige", "machbare" (sprich: finanzierbare) Lösung gerungen. Und wenn diese Lösung beinhaltet, dass zwei, auf längere Sicht drei Thüringer Orchester abgewickelt werden und das Theater Eisenach auf Ballett, Kinder- und Jugendtheater reduziert wird, scheint das kaum noch jemanden wirklich zu schrecken – schon gar nicht jene, die, wie das Theater Rudolstadt, ganz ohne Blessuren davonkommen könnten.

Die Kämpfer haben resigniert über die Jahre, wohl auch unter dem Druck der finanziellen Zwänge in Land und Kommunen. Goebel hat ihnen allen die Instrumente ja schon vor neun Jahren gezeigt. Wenn dieselben Instrumente jetzt in milder Form angewendet werden, tut es kaum noch weh.

 

adrians kleinFrauke Adrians, geboren 1971 in Mülheim an der Ruhr, studierte Journalistik und Geschichte in Dortmund, war 15 Jahre lang Redakteurin bei der Thüringer Allgemeinen, schreibt heute für mehrere Regionalzeitungen und ist Nachtkritikerin in Thüringen.

 

 

mehr debatten

Kommentare  
Thüringer Debatte: Klassik auf jedem Spaziergang
Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb die Weimarische Staatskapelle nicht abgeschafft werden kann ohne schwerste Verluste für das Land Thüringen: In Weimar gibt es die Hochschule für Musik "Franz Liszt" und in Belvedere ein international offenes Musikgymnasium und da sind Orchester und Hochschule füreinander Kaderschmieden, die dem Land zu internationaler Reputation verhelfen. In Weimar kennt jeder einheimische Spaziergänger, den man zufällig trifft und spricht, gleich welchen Berufes, irgendwelche Goethe-Zitate und hält auch dann etwas auf Bibliothek, Hochschule, Bauhaus und Staatskapelle, wenn er da selbst nie hingeht, weil immer alles von Touristen überlaufen ist - und das wissen die CDU-Politiker da nicht??!! - Da bleibt nur die Frage: Gehen die nie spazieren? - In Erfurt liegt der Fall anders, aber sehr ähnlich anders als in Weimar. Auch in Gotha. Und in Jena, zumindest was die Wissenschaft angeht, da geht ohne Schiller (einst Lehrstuhl Geschichte) gar nichts beim Spaziergang. Ja, sogar in Rudolstadt! Ich gönne der aktuellen Kulturpolitik, die im Geheimen wie abgesprochen mit den verantwortlichen Leitungen scheint, herzlichst ein grandioses Fiasko!
Thüringer Debatte: Bürger*innen haben nicht resigniert
Diejenige, die am schlimmsten betroffenen wären - das sind letztendlich die Bürger und Bürgerinnen - gehören zu den vielen, die keineswegs resigniert haben (das macht auch die Tagespresse deutlich). Und die sind es, auf die die Politik am ehesten hören muss.
Thüringer Debatte: wichtiger denn je
@seth: Genau, die Weimarer werden auch dieses Mal ihre Opernsparte nicht so leicht hergeben. In einem Punkt muss ich dem Artikel leider voll und ganz zustimmen: die "Gegen"front ist nicht mehr so geschlossen wie beim letzten Mal. Herr Märki hat gekämpft und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben geschlossen hinter ihm gestanden. Heute sieht das leider anders aus und das vorbildliche bürgerschaftliche Engagement und die Hartnäckigkeit der TLZ sind damit wichtiger denn je.
Thüringer Debatte: Kultur bedeutet nicht nur lästige Kosten
Leider hat bisher keine Regierung verstanden, dass Kultur nicht nur lästige Kosten verursacht, sondern einen Gewinn im Hinblick auf städtisches Leben, Tourismus, Bildung und gesellschaftliches Engagement darstellt. So wird immer über Fusionen, Abschmelzen und Abbau gesprochen und das würde in 4 oder 10 Jahren wieder so sein. Egal, ob jetzt gespart wird, oder nicht. So ändern sich Standpunkte schnell, sobald man von der Opposition in die Regierungsverantwortung wechselt. Als ob die Finanzierung des kulturellen Erbes, auf das das Land so stolz ist, nicht möglich wäre. Es ist weniger als 1% des Gesamthaushalts. Lächerlich und traurig zugleich!
Thüringer Debatte: bis zum Boden des Glases schauen
Liebe Frau Adrians,
ich möchte mich einfach bei Ihnen für diesen sachlichen, gut recherchierten und ausgewogenen Artikel bedanken!
Nach einigen Diskussionen in der letzten Woche anläßlich eines Besuches in Thüringen muss ich feststellen, dass Sie - wieder einmal - zu den wenigen Stimmen gehören, die noch bis zum Boden des Glases schauen und nach Lösungen suchen bzw. auch Konsequenzen benennen.
Das tut gut! Resignieren Sie bitte nicht auch!
T.H.
Thüringer Debatte: vom Negativ-Beispiel Sachsen-Anhalt lernen
Thüringen sollte doch versuchen aus dem dramtischen Kulturabbau unter Minister Dorgerloh in Sachsen-Anhalt zu lernen. Dieser Abbauprozess in Halle und Dessau war mit Kollateralschäden verbunden, die unheilbar sind. Zum Glück wird in diesem Land bald wieder gewählt....
Thüringer Debatte: Wer Theater will, muss auch Finanzen können
Informativer Text ohne Schaum vor dem Mund, danke!

Es wird greifbar, dass nicht alles solide finanzierbar ist. Vielleicht sollte man die Totalverweigerung wirklich aufgeben und mal mitdenken, wie die großartige Kulturlandschaft in Thüringen künftig finanziert und organisiert werden kann. Vielleicht kommen ja noch ganz andere Ideen, wenn die wirklich kreativen Leute sich in die Debatte einbringen, statt sich dieser grundsätzlich zu verweigern? Gern können die Vorschläge ja auch dahin gehen, in anderen (nicht kulturellen) Bereichen stärker zu sparen. Wer Theater will, muss auch Finanzen können.

Grundsätzlich denke ich, dass es besser ist, dezentrale Strukturen zu erhalten statt diese abzubauen und dafür einige "Leuchttürme" zu schaffen. Dazu müssten dann, wenn das Geld fehlt, die dezentralen Orte verschlankt werden - bis eines schönen, fernen Tages eine gute Wirtschaftspolitik wieder so viel Geld hereingebracht hat, dass wieder aufgestockt werden kann.
Thüringer Debatte: Profil Reformregierung
@Wieland Wieland: Das Problem ist doch, dass Geld da ist. Ich denke es geht eher darum, sich als große Reformregierung zu profilieren und sich damit für Berlin zu empfehlen. Und warum keine "Leuchttürme"? Warum ist dieses Wort so negativ belegt? Ähnlich wie "Status quo"? Ein Land wie Thüringen braucht sie, wir haben nicht viel anderes. Und aus meiner Sicht sollten sich endlich mal die Kaufleute zusammensetzen und richtig ausrechnen, dass der Weg zwischen Weimar und Erfurt mehr ist als nur 25km. Die "kreativen" Leute haben schon genug angerichtet. Und zu guter Letzt: Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass sobald wieder mehr Geld da ist, die Sparten zurückkommen! Was einmal "wegreformiert" wurde kommt nie wieder.
Thüringer Debatte: kleine Häuser statt Bombast in Erfurt
@Sophie: wenn tatsächlich Geld da ist, umso besser. Das kann ich nicht beurteilen. Freuen würd's mich natürlich, wenn Thüringen nicht pleite wäre.

Gegen die Leuchttürme bin ich nur dann, wenn es auf Kosten anderer Strukturen geht. Denn hier stimme ich ganz mit Ihnen überein: wenn einmal etwas weg ist, kommt es so schnell nicht wieder. Deshalb wollte ich gerade für den Erhalt dezentrale Strukturen plädieren. Mir ist immer noch lieber, wenn es viele kleine Theater, Orchester und Opern gibt, als dass es in Erfurt ein Bombast Haus gibt.
Thüringer Debatte: nicht der Sinn
In einem kleinen Land wie Thüringen, mit den Finanzproblemen und der demografischen Ausdünnung durch Abwanderung darf es eigentlich keine Leuchttürme geben. Das kann nicht der Sinn von Kunst und Kultur sein, in Erfurt künstlich eine Staatsoper zu züchten, nur weil man Herrn Bausewein (Oberbürgermeister der Stadt, SPD Vorstandsmitglied Thüringen) und Herrn Montavon, Intendant Erfurt, ein Geschenk machen möchte.

Besser in Erfurt weiter auf dem bisherigen Niveau zu fahren, und wieder etwas mehr für ein völlig inexistentes Schauspiel zu tun.

Ich stimme dem Vorschlag zu: Auch in den anderen Städten Förderung von kleinen Häusern mit Schwerpunkten. Es fehlt gänzlich ein Haus für die Freie Szene, als Aufführungsstätte und Produktionshaus. Und es fehlt ein eigenständiges Haus für den Tanz in Thüringen.

Beides könnte in Erfurt oder Weimar angesiedelt werden, aber dringend eigenständig. Es macht wenig Sinn an die großen, ohnehin unübersichtlichen Häuser noch eine Sparte mehr anzugliedern.
Auch der Umzug der Opernsparte von Weimar nach Erfurt ist Unsinn. Die Oper in Weimar ist, mit kleineren Ausrutschern, über Jahrzehnte zu einem guten Player in der Musikszene herangewachsen. Das kann man nicht nach Erfurt transponieren. In der Kunst und Kultur wächst Klasse über einen längeren Zeitraum.

Siehe Erfurt: Dort wurde es trotz hoher finanzieller Förderung in den letzten 15 Jahren (same amount, wie 2002, als man drei Sparten mehr hatte) nicht geschafft in der Oper etwas zu bewegen.
Lieber Minister, schauen Sie sich dort bitte einmal eine Vorstellung an, und zwar im Repertoire. Es macht keinen Sinn, auf eine Premiere zu gehen, ob eine Inszenierung oder die musikalische Leistung funktionieren, sehen sie erst in der 6. oder 7. Vorstellung, falls in Erfurt überhaupt so viele Vorstellungen gegeben werden.
Thüringer Debatte: Überblick verschaffen
Natürlich stimme auch ich der Einschätzung zu, dass wenn erst einmal ein Theater oder eine Sparte geschlossen ist, es/sie für immer verloren ist.
Ich habe mal ein bisschen im Internet recherchiert, mir war die allgemeine Beschreibung "Thüringen hat Fianzprobleme" dann doch zu allgemein.
Hier mal ein paar Ergebnisse für die Diskussion.
1. Der Landeshaushalt Thüringens beträgt im Jahr 2015 9,2 Mrd EUR. Davon gehen als Landesförderung 65 Mio an die institutionalisierten Theater und Orchester. (Achtung dazu kommt nocheinmal der Förderanteil der Kommunen!) Insgesamt werden 12 Theater und Orchester institutionell gefördert.
(Vgl. NRW: Haushalt 65 Mrd - Landesförderung der Theater 47 Mio)
2. 2019 endet der Solidarpakt II. (vereinfacht: Verteilung des Aufkommens aus dem Solidaritätszuschlag an die neuen Länder). Außerdem wird der Länderfinanzausgleich von den Geberländern (BY, BW, HE) seit einigen Jahren massiv in Frage gestellt. Beide Transfers machen etwa 10% der Einnahmen des Thüringer Haushalts aus.
3. Ab 2020 gilt für die Länder und Kommunen die "Schuldenbremse". In Thüringen scheinen vor allem die Kommunen betroffen zu sein (jedenfalls die eher kleinen mit niedrigem Gewerbesteueraufkommen). Thüringen geht es zwar besser, als bspw. ST oder MV, trotzdem gibt es Städte und Regionen mit vergleichsweise hoher Arbeitslosigkeit und niederiger Wirtschaftskraft.
4. Laut der Bevölkerungshochrechnung (Landesamt für Statistik) verliert Thüringen im Zeitraum 2008 bis 2020 fast 11% seiner Bevölkerung. Schreibt man diese Entwicklung bis 2030 fort, dann werden in Thüringen nur noch etwa 1,8 Mio Menschen leben. Das entspricht der Bevölkerung von Hamburg. Es sind alle Städte und Landkreise mit Ausnahme von Erfurt und Jena betroffen.
5. Die vorherige Regierung hat einen Plan zum Abbau der Kosten für die Landesverwaltung beschlossen, den die aktuelle Regierung zum größten Teil fortsetzen will. Das bedeutet, dass in den Bereichen aller anderen (also ohne Kunst) Ministerien bis 2025 mehr als 5.700 Stellen abgebaut werden sollen. (Einige wenige Stellen z.B. bei der Polizei und in den Schulhorten scheint die Regierung behalten zu wollen).
6. An einem Großteil der Theater und Orchester wird unter einem HTV (oder sogar außerhalb der Tarifsysteme) gearbeitet. Dadurch besteht ein hohes Ungerechtigkeitspotenzial innerhalb des Landes zwischen den Theatern und Orchestern.
7. Es scheint so zu sein, dass der Landesanteil an den Zuschüssen sehr unterschiedlich ist. Ich frage mich deshalb welche Position die anderen Träger (Städte, Kreise, Zweckverbände) einnehmen. Ich habe nichts belastbares gefunden.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich versuche nicht irgendwelche Kürzungen zu rechtfertigen. Es erscheint mir aber immer fahrlässiger die Argumente der Politik einfach zu ignorieren, und sich an den Standpunkten festzubeißen: "Theater muss sein!". "Es war schon immer so, es muss so bleiben!". Es braucht endlich eine Strategie, die den Erhalt der Theater mit ihrem Potential für die Zukunft und nicht mit ihrer Bedeutung in der Vergangenheit begründen kann.

Noch eine Frage an die Community: Ich habe keinen Zugriff auf die Bühnenvereins-Statistik. Kann vielleich mal jemand nachschauen, wie sie die absoluten Zuschauerzahlen von 2008 bis 2014 entwickelt haben?
Thüringer Debatte: Frage
Und wer hatte einst die überdimensionierte Opernhaus-Idee für Erfurt?
Thüringer Debatte: Abbau keine Option
Die Opernhaus Idee war ein Geschenk der Landesregierung an die Stadt Erfurt, die nicht ertragen konnte, dass die immer etwas aufsässigere Stadt Weimar ein größeres, das Nationaltheater hat.
Man hat ein großes museales Opernhaus gebaut, ohne es bespielen zu können. Und als man merkte, dass der Betrieb der Oper soviel Geld kostet wie zuvor der Betrieb von vier Sparten, hat man die Sparten abbauen wollen und dafür einen Intendanten gecastet, der sich dafür hergegeben hat.
Vergleichbar mit dem Rostocker Theater, nur hat in Rostock, nachdem Geschäftsführer Rosinski schon eingelenkt hat, Intendant Latchinian dagegen angekämpft. Hoffen wir, dass er das durchhält.

In Erfurt war von vornherein klar, dass das neue Opernhaus, mit dem man in der Liga München, Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Hamburg mitspielen und singen wollte, zu groß und zu teuer war, aber niemand hat sich getraut, die Bremse zu ziehen.

Zu Klaus M.
Das ist alles korrekt.
Nur der Vergleich der Theaterstruktur mit der von NRW ist nicht ganz korrekt, was NRW betrifft muß man die hohe Kommunale Quote in der Theaterfinanzierung mit einbeziehen.
Das Land gibt knapp 50 Mio, die Städte etwa drei Mal so viel. Dort hat man sich für ein kommunales Finanzierungssystem der Theater entschieden und es gibt auch keine Staatstheater. In Thüringen geben die Stödte nur noch etwa 35 Mio Euro.

Aber man sollte gar nicht in die Falle laufen, das vergleichen zu wollen. Thüringen lebt auch von der Kultur. Wenn die Theater wegbrechen ist nichts gewonnen.

Abbau darf keine Option für Thüringen sein, sonst endet alles in ähnlich katastrophalen Situationen, wie Brandenburg, Sachsen anhalt und Mecklenburg.
Thüringer Debatte: neoliberale Pseudobegründungen
@Frances H.
Hm. Mir scheint gerade weil das Verhältnis Landes-Förderung zu Kommunaler Förderung unterschiedlich ist MUSS man vergleichen. Wäre das Verhältnis gleich machte der Vergleich doch keinen Sinn. (Zur Illustration: Würde NRW die gleiche Theaterförderung pro Einwohner leisten wie TH, betrüge der Landesanteil 393 Mio EUR.)
Und was bringt der Vergleich?
1. Thüringen – anders als NRW (und weitere Bundesländer) – entlastet die Kommunen bei der Finanzierung der Theater und Orchester, indem es rd. 2/3 (wenn die 35 Mio kommunaler Anteil korrekt sind) der Kosten trägt.
2. Es fehlt eine Idee, wie die Kostensteigerungen (Tarifsteigerungen und Sachkostensteigerungen) in den kommenden Jahren finanziert werden sollen, da die Einnahmen des Landes rückläufig sein werden.
3. Der ständige Vergleich mit MV und ST ist nicht berechtigt.

Und wiederum: Ich halte Kürzungen bei den Theatern und Orchestern für falsch. Es müssen die Etats erhöht werden. Und wir müssen den Arsch in der Hose haben, das zu fordern und die Konsequenzen zu benennen: An anderer Stelle wird weniger Geld zur Verfügung stehen. In Thüringen wird es um Lehrerstellen gehen, um Polizistenstellen, um die Eigenständigkeit von Landkreisen, um ein beitragfreies Kitajahr, um Infratrukturmaßnahmen etc. etc.
Alles wird nicht finanzierbar sein. Und es müssen die Akteure der Thüringer Kultur für ihre Institute eintreten und Gründe benennen, warum sie unverzichtbar sind. Warum müssen Theater erhalten bleiben? Das muss doch formulierbar sein. Und zwar anders als: "Thüringen lebt auch von der Kultur!" Das stimmt sicher zum Teil. Weimar und Meiningen haben sicher einen hohen Anteil an Touristen im Publikum... Aber Jena, Nordhausen, Gera und Rudolstadt eher nicht. Da kostet die Kultur Geld. Auch deshalb darf es nicht um die Rechnung: Kosten vs. Nutzen gehen. Die ganzen (neoliberalen) Pseudobegründungen für die Theaterfinanzierung nerven nur noch. In einer Region ohne dynamische Wirtschaftsentwicklung muss man nicht von weichen Standortfaktoren sprechen und in einer Region ohne Tourismus nicht von Umwegrentabilität.
Thüringer Debatte: Haustarifverträge für Orchester
Lieber Klaus,

ja, ich gebe Dir Recht, vielleicht muß man wirklich klar zur Kultur stehen, auch wenn es keine anderen Begründungen mehr gibt.
Pseudobegründungen ist natürlich sehr hart formuliert. Ob es neoliberal ist, weiß ich nicht. Ich würde es eher als betriebswirtschaftlich bezeichnen. Die neoliberale Keule wird in diesem Forum zu oft herausgeholt. (Neoliberal wäre, alle Theater zu schließen und dort nur noch die Übertragungen der MET zu zeigen, oder aus anderen Theaterhäusern. Das will niemand, hoffentlich.)

Kurz zu den Zahlen. Der kommunale Finanzierungsanteil beträgt in Thüringen genau 35,7, zumindest in den Spielzeit 13/14 und 14/15.
Der Anteil in NRW ist also zehn mal höher. Dort gibt es 26 Spielstätten, in Thüringen 7.
Aber der Vergleich führt uns tatsächlich auch nicht an irgend ein Ziel.

Was ist die Alternative:
1 Thüringen bekennt sich begründungsfrei zur Kultur, und darin vor allem zum Theater.
2 Das Land sichert diese Positionen in den Landeshaushalten als unberührbar, einschließlich der Tarifsteigerungen.
3 Die Theaterstruktur wird so umgestaltet, dass die Betriebs- und Personalkosten sich langfristig nicht aufaddieren.
4 Das Land nutzt die Krise, und gestaltet die Landschaft derart um, dass, wie wir ja schon diskutiert hatten, ein Haus für die freie Szene und ein Haus für Tanz dazu kommen, und dafür anderes abgespeckt wird.

Aber das hieße, die Spitzen bei den Betriebskosten zu kappen. Und zu versuchen, mit den teuersten Sparten ernsthaft über Senkungen der Kosten zu sprechen. Unabhängig von den Theatern, in die sie eingebettet sind.
Das sind die Orchester.

In Thüringen 412 Orchestermusiker, dagegen 57 Sänger und 67 Schauspieler (leichte Abweichungen möglich).
Von den 100 Mio Zuweisungen für alle Theater und Orchester erhalten die Orchester/Personal 24 Mio Euro, das ist ein Viertel der Gesamtkosten. Wenn die tariflich eingefroren werden. Sparen Städte und Land etwa ein Drittel der avisierten Tarifsteigerungen.

Im Prinzip hieße das, Haustarifverträge für die Orchester, bis deren Gagen in einem vertretbaren Bereich sind. Die Musiker argumentieren, dass sie dann die Qualität nicht halten können. Aber das Argument ist in Ostdeutschland, wo - bis auf Berlin und Teile Sachsens - alle Orchester Haustarifverträge haben, im Vergleich nicht zugkräftig. Man sollte das probieren. Die Orchester müssen in einer solchen Situation Zugeständnisse machen, sonst sitzen alle Beteiligten in fünf Jahren wieder zusammen.

Ich fürchte nur, die DOV würde sich darauf nicht einlassen. Und das schlimmmste Szenario, das sich daraus ergibt, Thüringen mit drei bis vier finanziell gut ausgestatteten Orchestern, und die Theatersubstanz im Bereich Schauspiel, Oper und Tanz ist völlig angegriffen, weil die Schere zwischen den Orchestergagen und den Kosten für die anderen immer mehr auseinander klafft.

Warum ist der Vergleich mit MV und ST nicht berechtigt?
Mit wem sollte sich Thüringen vergleichen?
Mit Sachsen? Dann sollte man über Finanzierungsformen nachdenken, in denen die Kommunen und die Landkreise stärker in die Pflicht genommen werden.
Thüringer Debatte: was sagt der Bühnenverein?
Werte Frauke Adrians,

ein sehr gut recherchierter Artikel. Bravo!

Haben Sie jemanden vom Bühnenverein erreichen können?
Es wäre interessant, dessen Meinung zu dieser doch krisenhaften Situation zu erfahren. Ich habe in diesem Zusammenhang nicht eine Meldung des Bühnenvereins gelesen. Heißt das, der Bühnenverein wartet ab, bis sich die Wogen geglättet haben, oder begrüßt er die Struktureinschnitte, die kommen sollen. Oder ist er an den Gesprächen gar offiziell beteiligt?
Thüringer Debatte: wer war's?
Eine Idee kann kein Geschenk einer Landes-Regierung sein, sondern höchstens die Umsetzung der Idee oder das "Verkaufen" einer Idee, deren Umsetzung man lobbyistisch oder - besser - mehrheitlich befürwortet. Deshalb nochmals die Frage: WER hats erfunden? WER hat als ERSTER die Idee geäußert??
Thüringer Debatte: Lokalspezifika
Jena hat die Universität, da gibt es auch andere Theater-Wahrnehmungsinteressen als nur touristische. Nordhausen ist ein anderes Thüringen als das Weimarer Holzland (Thüringen ähnelt dem fränkischen Raum in den Altbundesländern, in welchem die Grenzen - vor allem die kulturellen zum Bayrischen, Hessischen und Badischen fließend sind, es wäre schön, wenn das bei der Bezrteilung der Thüringischen Lage von außen mitbedacht würde...). In Rudolstadt hat wohl schon Goethe Anweisung zum Schieben der Kulissenwellen von li. nach re. oder umgekehrt angewiesen - das ist den Weimerer Kultur-Touristen meist nur noch nicht so klar, dabei ist es bis Rudolstadt gar nicht so weit und eine nette, äußerst kinderbesucherfreundliche Burg (die Schwarzburg) haben die in dem Nest auch noch zu bieten... Gera weiß ich nicht.
Thüringer Debatte: Flagge zeigen
An Staatskapelle

Ich weiß es nicht, wer hat den Anstoß gegeben? Die Strukturkommission des Bühnenvereins, unter dem damaligen Präsidenten Everding? Vermutlich. Denn von ihr kam der Vorschlag, die beiden Theater Weimar und Erfurt zusammen zu legen. Nur hatte Erfurt kein adäquates Theater. Und das ging nur mit einer neuen großen Oper, die nun, aufgrund der wenigen Produktionen dort, das halbe Jahr leer steht.
Oder die Landesregierung?
Natürlich kann eine Idee oder ein gedanklicher Vorstoß bereits ein Geschenk sein, wenn er von denen ausgesprochen wird, die die Macht dazu haben.


Zu Klaus M.

Es gibt verschiedene Reaktionen. In Weimar hat sich der OB geäußert, dass die Oper nicht nach Erfurt kommt. Mehr geben kann er auch nicht bzw. die Stadt. In Erfurt hält man still.
In Eisenach gibt es vorerst keine Reaktionen. Mehr konnte ich im Moment nicht finden.

Ich teile A. Cotards Auffassung, dass sich der Bühnenverein melden und äußern muß. Der Vorstand muß doch in einer so brenzligen Situation Flagge zeigen.
Thüringer Debatte: wer wirklich stört
Was stört mich an der ganzen Debatte um die Thüringer Theaterkultur? - Es sind die Kulturjournalisten!

Herr Hirsch publiziert eines von vielen Gedankenkonstrukten. Dadurch werden alle anderen Gedankengänge hinfällig gemacht.... und wenn er schlau wäre, wirklich theatral denken würde, wüsste er: ein Regieteam entwickelt verschiedene Konzepte und einigt sich irgendwann auf eines, welches einer Intendanz vorgestellt wird, dann wird noch einmal beraten und ein drittes Konzept wird dem Ensemble vorgstellt, welches nach allen Eventualitäten gangbar erscheint...
Das angeblich tolle Vorpreschen des Herrn Hirsch hat in der ersten Phase des Denkens bewirkt, dass man nun einem Kurs folgen muss. Das ist vor allem dadurch ärgerlich, dass man nur ein paar Monate recherchieren muss, um zu erkennen, dass Herr Hirsch einfach nur die derzeitige Rehierung Thüringens diffamieren will. (…) Wir, die wir Theater lieben, saugen es auf... aber ist es wirklich vernünftig, was für uns ein Ideal ist? Springen wir nicht vielmehr sofort auf den ZUg auf, der alle beschimpft, die langrfristige Lösungen suchen, die mitunter schmerzhaft sind? Lasen wir angeblich Vernünftigen uns nicht zu gerne einlullen von der Propaganda des Herrn Hirsch, der durch seine vorzeitige Veröffentlichung interner Gespräche Vertrauen zerstört und Stimmung gemacht hat? - Und nun kommt auch noch Frqau Adrians dazu.... Hui... (…) Bei all der Diskussion um Thüringer Theater: Ich hätte große Lust, die Kulturjournalisten zu beschimpfen, welche durch eine eitle, selbstgefällige Berichterstattung die Sachlichkeit und Notwendikeit einer Kulturpolitik verhindern und in meinen Augen dadurch überflüssig sind
Thüringer Debatte: Gehaltsstrukturen neu gestalten
Lieber Pleaux


das denke ich nicht, niemand wird sich am Geschriebenen eines Journalisten in der Umsetzung orientieren. So war das noch nie in Thüringen. Dort hat eine ganze Riege an Journalisten immer wieder Vorschläge über eine neue Theaterstruktur gemacht, von dem keiner umgesetzt wurde.

Ich vermute, im Hintergrund treffen sich die Player mit dem Ministerium in regelmäßigen Abständen. Jetzt ist doch der erste Ärger längst verraucht. Es wird mit großer Sicherheit ein neues Modell geben müssen. Denn das Land wird einfach nicht mehr Geld zur Verfügung stellen. Von 100 Mio Zuwendungen von Stadt und Land sind 90% Personalkosten, die jedes Jahr um durchschnittlich 3% wachsen, die anderen 10% sind Betriebs- und Materialkosten. Die Theater und Orchester benötigen Jedes Jahr 3 Mio Euro mehr, eine ganz einfache Rechnung. In fünf Jahren sind das dann 15 Mio Euro. Entweder das Land wird das bezahlen. Oder es muß ein Modell mit
Haustarifverträgen für die Orchester und einer sehr dezentralen Struktur mit Verlagerung von Sparten ins Zentrum, mit einem neuen Tanzhaus und einem neuen Haus für die freie Szene gestrickt werden.
Wenn man neues schafft, läßt sich saurer Wein besser verkaufen.

Ich bleibe da nach wie vor sehr zuversichtlich.
Nur eines darf nicht passieren, das die seit Jahren besser gestellten Gruppen wieder auf Kosten anderer Gruppen, die gewerkschaftlich nicht so gut sortiert sind, ohne Beitrag zu einem Gesamtkonstrukt geschont werden.

Die an anderer Stelle diskutierte Idee eines Einheitstarifvertrages ist genau die richtige. Wenn sie aber aus formalen Gründen nicht umsetzbar ist, muß man die Gehaltsstrukturen im Rahmen des Möglichen genau so neu gestalten und umsetzen, dass sie in etwa einheitlich sind.
Tendenzielle Senkung der Orchestergagen, tendenzielle Hebung der NV Bühne Gagen. Alles trifft sich in etwa auf dem Niveau der Tarife des öffentlichen Dienstes. Eine studierte Fachkraft in der Verwaltung eines Theaters erhält Entgeltgruppe 9. Das sind rund 1000 Euro mehr als eine studierte Fachkraft im NV Bühne - also ein Schauspieler. Das ist nicht fair, nicht gerecht.
An einem solchen Beispiel kann eine für Gerechtigkeit kämpfende Landesregierung einmal zeigen, was sie will.
Thüringer Debatte: Hinweis
Die Thüringer Allgemeine berichtet heute, dass über eine Schließung der Oper Weimar nicht mehr weiter diskutiert wird.
Thüringer Debatte: höfische Sehnsüchte
Offensichtlich haben die Proteste der Weimarer zum Einlenken geführt.
Aber die Probleme bleiben ungelöst. Das Land wird nicht mehr Geld in den Topf schmeißen und die Städte versperren sich.
Vielleicht sollte man über eine Umlandfinanzierung nachdenken, ähnlich dem Finanzierungsmodell der Kultur, insbesondere des Theaters in Sachsen.

Aber das Ministerium muß sich jetzt verhalten, etwas ansagen. Es kann nicht den Stöpsel aus der Badewanne ziehen, aber vergessen, das Handtuch zu reichen.

Mein Vorschlag, und da bin ich nicht allein, Weimar und Erfurt können strukturell nicht bleiben, wie sie sind. Erfurt muß weiter abbauen, alle Staatstheaterbestrebungen sausen lassen. Und Weimar:
Die Staatskapelle und der Chor müssen in einen Haustarifvertrag gehen, damit sie einen finanziellen Beitrag zur Konsolidierung leistet. Es geht nicht, dass Musiker in Weimar doppelt so viel verdienen, wie Sänger oder Schauspieler, und es geht auch nicht, dass Choristen mehr verdienen als Sänger.
Zudem muß endlich ein Tanzhaus nach Thüringen. das wäre das richtige Signal. Aber in der Krise eine trotz hervorragender finanzieller Substanz schwache Oper in Erfurt noch zur Staatsoper zu machen, das wäre kulturpolitisch fährlässig. Das würde an die höfischen Sehnsüchte der Vorgängerregierungen erinnern.
Thüringer Debatte: Fragen bleiben
Liebe Frances,

ich kann viele Ihrer Gedanken nachvollziehen. Ein paar Fragen bleiben.
1. Staatstheater
Es gibt in Thüringen augenblicklich zwei Staatstheater, die durch die Tradition begründet sind: Meiningen und Weimar. Meiningen hat 21.000 Einwohner, Weimar hat 63.000 Einwohner.
Erfurt ist die mit weitem Abstand größte Stadt in Thüringen (206.000). Das könnte (neben der Funktion als Landeshauptstadt) doch ein Grund sein, die dortige Oper mit besseren Bedingungen zu versehen.
2. "Tanzhaus" / "Haus für die freie Szene"
Es gibt keine professionelle Tanzcompanie in Thüringen (Ballett ja), es gibt keine nennenswerte freie Tanzszene. Es gibt keine entsprechende Hochschule in Thüringen. Es gibt nur ein Tanzfestival (alle zwei Jahre in Jena). Für wen soll ein "Tanzhaus" eingerichtet werden?
die professionelle freie Szene besteht aus dem Stellwerk in Weimar der Schotte in Erfurt und irgendwie immer noch dem Theaterhaus Jena - ansonsten gibt es eine Reihe von Amateurtheatern, studentischen Bühnen, halbprofessionellen Gruppen ... Thüringen ist dann doch nicht Berlin.
Thüringer Debatte: zu verkrampft
lieber klaus,

danke, dass du dich mit meinen gedanken auseinander setzt, es sind ideen, die ich schon seit jahren habe, und die mich immer wieder beschäftigen, wenn ich mich mit der situation der theater im osten deutschlands auseinander setze, wenn ich dort an den theatern arbeite

1. ja, es gibt die beiden staatstheater, aber es muss doch in einem so kleinen land, in dem das geld für die kultur fehlt, nicht noch ein drittes staatstheater begründet werden.

erfurt hat, soweit ich informiert bin, sein schauspiel vor mehr als zehn jahren abgeschafft, sein jugendtheater und das ballett, eine unverschämtheit, nur um eine oper mit mehr finanziellen mitteln auszustatten. wieso soll das nun noch belohnt werden?

2. nein, es gibt keine professionelle tanztruppe und es gibt eigentlich auch keine freie szene in thüringen,
das stellwerk und die schotte sind amateur jugendtheater
und jena ist ein theaterhaus, das wie ein stadttheater gefördert und betrieben wird

aber es gibt hervorragende truppen in ganz deutschland, die nach möglichkeiten suchen, ihre arbeiten zu entwickeln und zu zeigen.

wenn man ein haus für tanz und freie szene (beide gemeinsam) in erfurt oder weimar schaffen würde, dann könnte man residenzen ausschreiben und vergeben, für jeweils 2-5 jahre, für je zwei tanz- und zwei freie gruppen, die dort unter guten bedingungen produzieren und ihre arbeiten zeigen können. zudem können sich freie gruppen ansiedeln.
wenn das haus gut funktioniert, werden die menschen kommen.
wenn im jahr 60-80.000 besucher kommen, und das werden sie, wäre das ein guter anfang.
und es würde das bild der theaterlandschaft in thüringen neu prägen.

die ganze diskussion um die zukunft der theater und orchester ist zu verkrampft, weil sich nichts verändern darf. strukturell ist die theaterlandschaft in thüringen völlig aus dem ruder gelaufen, die gewichtungen stimmen nicht mehr, die verhältnisse zwischen zuschauern und sparten, die gehälter, die differenzen und unterschiede.
es muß sich dort etwas ändern, aber der letzte schritt wäre es, in erfurt eine staatsoper zu errichten, die völlig bedeutungslos ist.
wieder taucht die oper in keiner nennung in den kritikerumfragen auf.

wenn man eine staatsoper in erfurt errichtet, wird das betriebskosten nach sich ziehen, die eines tages dazu führen werden, dass man all die kleinen wichtigen theater in thüringen schließen muß, um ein opernhaus mit nicht einmal 200.000 zuschauern per annum zu fördern.
wenn die stadt erfurt ihre oper besser ausstatten möchte, dann kann sie das tun. das geld für die meines erachtens unsittliche förderung des profi fußballs des drittligisten rot weiß erfurt ist ja auch möglich, neue ausstattung mit flutlichtanlagen, etc.
das sind aufgaben, die von sponsoren übernommen werden müssen, nicht von einer stadt.

im übrigen: um gute oper zu machen, muß man nicht staatsoper sein,
siehe die oper in mannheim und die oper in frankfurt, die sich in diesem jahr den oper des jahres teilen - beides zwei stadttheater.
Thüringer Debatte: kein Konsens möglich
Liebe Frances,

ich wollte die Staatsoperndebatte gar nicht befeuern. Es ist natürlich unerheblich, was vorn dransteht, solange dort gute Oper gemacht wird.
Außerdem, "Staatsoper" würde nur bedeuten, dass die Trägerschaft von der Stadt ans Land wechselt ... Wenn das mit Einschnitten woanders erkauft werden müsste, wäre niemandem geholfen.
Und ich bin auch der Ansicht, dass an der Theaterstruktur in Thüringen etwas geändert werden müsste. Aber wenn ich mir die Diskussiion der vergangenen Wochen ansehe, dann wird das nicht geschehen. Jede ehemalige (Residenz-)Stadt pocht auf den Status quo - egal wie miserabel die Bedingungen gerade sind.
Bestes Beispiel Eisenach. Es scheint so zu sein, dass es an keinem Standort zu Verbesserungen kommen darf, solange nicht alle anderen profitieren. Ader wahrscheinlich würde in Thüringen nicht einmal ein Modell im Konsens beschlossen werden können, in dem alle Theater und Orchester anständig ausgestattet würden. Die Konkurrenz unter den Städten ist wohl zu groß.

Das Haus für die freie Szene/Tanz ... warum nicht, man könnte das versuchen. Nur welches andere Theater soll in seiner bisherigen Form zu existieren aufhören?
Thüringer Debatte: Ressourcen sinnvoll verteilen
Lieber Klaus,

Deshalb sollte kein Haus aufhören zu existieren. Man nehme ein altes, seit zehn Jahren vor sich hin verrottendes Schauspielhaus in Thüringen, renoviere es, statte es mit etwas vernünftiger Technik aus, schon steht das Haus. Und die Mittel nimmt man von den Einsparungen aus den Haustarifverträgen für alle Orchestermitglieder Thüringens. Allein aus geringen finanziellen Umverteilungen wäre ein solches Haus mit zehn festen Stellen und einem Produktionsbudget von 1 Mio Euro zu stemmen.

Ja, darum geht es mir gerade, wenn wir in Weimar schon ein Staatstheater haben, dann brauchen wir nicht noch eine Staatsoper. Erfurt sollte ein Stadttheater bleiben, in der Verantwortung einer Bürgerschaft, die eben vor dreizehn Jahren Schauspiel, Tanz und Kinder und Jugendtheater ohne mit der Wimper zu zucken in die Wüste geschickt hat.

Es geht doch darum, die Ressourcen die bleiben, sinnvoll zu verteilen, und bei all dem noch etwas sinnvolles neues zu schaffen.
Und mehr Gerechtigkeit.
Kommentar schreiben