Schwächung der Kulturlandschaft Basel

23. September 2015. Fünfzehn Kulturinstitutionen der Stadt Basel (darunter das Theater Basel und die Kaserne Basel) protestieren in einer gemeinsamen Medienmitteilung gegen die geplanten Kürzungen der Kulturvertragspauschale durch die Regierung des Kantons Basel-Landschaft. Der seit 1997 geltende Kulturvertrag regelt die Beteiligung des Kantons an Kulturinstitutionen im Kanton Basel-Stadt und setzt eine pauschale Unterstützung von "ein Prozent des in der Staatsrechnung ausgewiesenen Steuerertrags des Kantons Basel-Landschaft der natürlichen Personen" als Berechnungsgröße an, wie es auf der Homepage des Kantons Basel-Landschaft heißt. In den letzten Jahren (2008–2014) lag der Beitrag durch die Kulturvertragspauschale regelmäßig bei rund 10 Millionen Schweizer Franken.

Die geplante Kürzung der Kulturvertragspauschale in Höhe von 50 Prozent ist Teil eines umfassenden Sparvorhabens, mit dem bis 2019 im Haushalt von Basel-Landschaft insgesamt 188 Millionen Franken eingespart werden sollen, wie die Badische Zeitung bereits im Juli berichtete.

In ihrer Protestnote sehen die Baseler Kulturinstitutionen ihre Arbeitsgrundlage gefährdet: "Von einer solch massiven Kürzung der Kulturvertragspauschale ginge eine massive Schwächung dieser Kulturlandschaft aus, die mit der Unterstützung beider Basel seit langem in hoher Qualität gewachsen ist und daher auch symbolisch eine Metapher für ihre Gemeinsamkeit darstellt. Gerade in den heutigen weltpolitisch schwierigen Zeiten sehen wir die Zusammenarbeit auf allen Ebenen – auch und besonders in der Kultur – als ein lebensnotwendiges gesellschaftliches Element. Dieses grossartige Kulturangebot zu zerstören, heisst, jahrelange Aufbauarbeit zunichte zu machen und zu riskieren, dass diese so schnell nicht wieder nachwachsen wird."

Den gemeinsamen Protest unterzeichnen: Basel Sinfonietta, Basler Madrigalisten, Basler Marionetten Theater, Ensemble Phoenix Basel, Gare du Nord, HeK (Haus der elektronischen Künste Basel), junges theater basel, Kammerorchester Basel, Kaserne Basel, Musikwerkstatt Basel, RFV Basel, Sinfonieorchester Basel, the bird's eye jazz club, Theater Basel, Vorstadt Theater Basel.

(baselland.ch / badische-zeitung.de / chr)

Hier kann man sich mit einer Unterschrift der Protestnote anschließen.

 

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Kommentare  
Kulturvertragspauschale Basel-Landschaft gekürzt: Konsens schwindet
Es ist den Basler Kulturinstitutionen zu wünschen, dass möglichst viele Theaterschaffende und kunstliebende Menschen sich gegen dieses Sparvorhaben zur Wehr setzen. Dass gespart werden wird, schwebt seit längerer Zeit in der Luft. Die gleiche Problematik, dass der politisch konservativere Kanton bei der Kultur den Sparstift ansetzt, gibt es auch in Zürich. Dort sollen Gelder der öffentlichen Hand quasi ersetzt werden durch Gelder des Lotteriefonds. Wenn der aber dann mal leer ist, fehlt dieses Geld. Das Problem, dass die ländlichen Kommunen die urbane Kunst nicht mehr so unterstützen wollen, ist also ein Problem, das über Basel hinausweist. An dieser Stelle muss aber - sozusagen unter "uns" auch Selbstkritik geübt werden. In der gemeinsamen Protestnote steht: "Gerade in den heutigen weltpolitisch schwierigen Zeiten sehen wir die Zusammenarbeit auf allen Ebenen – auch und besonders in der Kultur – als ein lebensnotwendiges gesellschaftliches Element." Dies ist eine Standart-Argumentation, erinnert an das legendäre "Theater muss sein" aus anderen Protesten. Leider ist sich die Kunstszene (insbesondere Theaterszene) zuwenig bewusst - oder merkt es nun schmerzlich - dass der Konsens für eine bestimmte Form der subventionierten Kultur am schwinden ist. Nicht nur auf dem Land. Wenn man sich als Theaterschaffender bewegt in Branchen, die weniger subventioniert werden ( u.a. die in den Branchen des Gamedesigns - oder in der Filmbranche ) wird man sehr oft konfrontiert mit einem Groll gegen die hochsubventionierten Institutionen. Dieser Groll hat sehr oft etwas futterneidisches -je nach Grad der Bildschirm-Manie auch was Reaktionäres. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass grad die grossen Theaterinstitutionen zuwenig Zukunftforschung betrieben haben. Seit Mitte der Nullerjahre ist ein Paradigma-Wechsel im Gange. Die Theaterformen des 20.Jahrhunderts verlieren ihre Bindung sowohl ans "Volk" als auch an die junge Avantgarde & sie bauen zuwenig Bindung auf an Migranten und MigrantInnen. Die Dramaturgien sind (zu oft) besetzt von AkademikerInnen aus dem bürgerlichen Mittelstand, die Stücke, die gespielt werden immer noch zu sehr einem Kanon verhaftet, der nur mehr Bildungsbürger anzuziehen vermag. Das ist den Theater natürlich bewusst und sie tun alles, um das zu ändern - doch strukturelle Aenderungen, andere Hierarchie-Formen - neue Synergien u.a mit den elektronischen Künsten, mit anderen Gesellschaftsschichten - werden trotzdem viel zu zaghaft angegangen. Sowohl das bei Nachtkritik vieldiskutierte "Theater der Netzgesellschaft" als auch das "postmigrantische Theater" werden zu oft als Diskurs-Moden belächelt - und bezüglich Struktur wird alles beim Alten gelassen. Branchenheft-Meriten wie "Oper des Jahres" verschleierten grad in Basel den Handlungsbedarf. Eine starke Avantgarde, die sich nun - wenn so massiv gespart wird - schützend vor das Theater stellt -hat man nicht generiert. Mit Petitionen wird man leider nicht viel erreichen ( auch wenn man sie natürlich unterschreiben muss, es sei an dieser Stelle auch auf die ACT-Petition hingewiesen, die man unterschreiben sollte (http://unterschreiben.a-c-t.ch.). Es braucht aber nun in Basel mehr, es braucht jetzt die Kraft der Strasse & es braucht eine Theaterleitung am Theater Basel, die zwei Sachen schafft: Erstens grosse Kunst zu produzieren, zweitens auch strukturelle Aenderungen vornimmt, die einen evtl zusammengekürzten Theaterapparat neuen Formen und jungem Publikum zuführt. Das ist verdammt schwierig. Die junge Avantgarde ist zurückzugewinnen. In diesen Zeiten muss dies eine digitale und postmigrantische Avantgarde sein, denn das Publikum des 20.Jahrhunderts, das auf die Reize des alten Kanons reagiert - ist seit längerer Zeit am aussterben. Nur hochmotivierte junge Leute stellen sich in solchen Fällen mit Erfolg schützend vor die Kunst, die eingekürzt werden soll. Bei den Alten wirken die Protestnoten leider immer nur wie Bewahrung von Pfründen.
Kulturvertragspauschale Basel: kein Protest?
Liebe Schweiz-Menschen,

ich finde das schon irgendwie bedenklich. Klar, hat die Schweiz weniger Menschen als Deutschland und Österreich... aber sind die Theaterschaffenden wirklich so eingeschüchtert? Ich meine, Basel hat eines der (nach Selbstwerbung) wichtigsten Theaterhäuser Europas, nun gibt es eine Sparmaßnahme durch den Kanton, die wirklich einschneidend ist, vor der aber schon seit Jahren gewarnt wird (auch und gerade von der Freien Szene, die natürlich am Ende die ist, die eingekürzt wird) und nichts regt sich?

Alle bleiben stumm in diesen Debatten? Klar unterschreiben alle jetzt die "Petition", aber es gibt keine einzige Stimme aus Basel oder wo auch immer (außer natürlich dem ewigen Sam Schwarz oben), die auch nur irgendwie sich positioniert, außer das Leitmedium kommt und fragt: dann geben aber alle die gleichen Antworten, dass Theater wichtig sei und so weiter und so fort.

Ist das nicht erstaunlich? Ginge es da um die Burg (und für Schweizer Verhältnisse ist das Theater Basel doch fast so etwas wie die Burg, oder?), wäre innerhalb eines Tages der Teufel los. Hier totale Stille. Niemand will aufstehen gegen die SVP, die ja in Wirklichkeit hinter den Streichungen steckt?
Kulturvertragspauschale Basel-Landschaft gekürzt: Protest-Anfang
Ja, vielleicht sollten doch einmal diejenigen den Protest-Anfang machen, die in ihren Biografien Basel als Basis ihrer künstlerischen/theaterfachlichen Entwicklung vermerken konnten. Das wäre doch interessant, welche Stimmungen in diese Kürzungsrichtung vorab zu sehen/bermerken waren. Seit wann und so weiter?
Kulturvertragspauschale Basel-Landschaft gekürzt: gerade im Wahlkampf
@nikolaus merck: Vielleicht muss man den Baslerinnen etwas mehr Zeit geben. Aber natürlich wäre nun eine Auflehnung nötig, aber wir SchweizerInnen stecken grad im Wahlkampf gegen diese SVP und sind etwas abgelenkt. Was mir Angst macht, ist die Tatsache, dass beispielsweise Vorstadt Theater Basel oder das grossartige und erfolgreiche Junge Theater Basel ganz von den Geldern dieser Kulturvertragspauschale abhängig sind. Ich wage zu bezweifeln, dass man die basellandschaftliche Politik nun zu einer Umkehr bewegen kann. Aber man sollte es natürlich versuchen - mit vereinten Kräften. Nur wo soll gekürzt werden? Wer entscheidet das? Und welche Ideologie steht eigentlich hinter den Entscheidungen? SVP-Ideologie? Stimmt das wirklich? Ich bin mir nicht sicher. Aber vielleicht wissen ja andere mehr, die die Zusammensetzung der Baselland-Politik kennen. Wie auch immer: Es wäre wirklich sehr schade, diese wichtigen Institutionen wie Junges Theater Basel oder Vorstadt Theater Basel einzukürzen. Aber ist man wirklich handlungsfähig, bevor man weiss, wo eigentlich eingespart werden soll?
Kulturvertragspauschale Basel-Landschaft gekürzt: Verteilschlüssel
Basel ist eine grossartige Theaterstadt, ich habe viel in Basel gearbeitet. Beängstigend ist die Tatsache, dass seit Jahren vor diesen drohenden Kürzungen gewarnt wird - und das beleibe nicht nur von mir, dem ewigen ( so "ewig" bin ich nun auch wieder nicht, man beachte diese anderen Kommentatoren, die anscheinend den ganzen Tag auf Nachtkritik verbinden - nur weil ich als einer der wenigen Klarnamen brauche, bin ich noch lange nicht ewig, Hert Merck ). Egal, zum Thema zurück: Gewarnt wurde immer vor der fehlenden Dynamik, die diese Schweizer Drei-Spartenhäuser ( insbesondere in Bern und Basel ) haben. Die Intendanten können sich noch so Mühe geben - ja, sie können noch so "gute Intendanten" sein, den Anforderungen des 21.Jahrhunderts ist eine Struktur mit einem solchen Kultur-CEO, der über mehr als 60% des städtischen Kultur-Etats verwaltet, nicht mehr gewachsen. Die Abhängigkeit der ganzen Kulturszene von den Entscheidungen des Intendanten ist zu gross. Die Welt der Künste ist für eine solche Struktur zu komplex geworden. Das mag noch funktioniert haben bei Frank Baumbauer oder bei Michael Schindhelm. Da wurden noch Inszenierungen gemacht, über die man landesweit sprach. Aber das waren andere Zeiten. Die schwindende Bedeutung des Theaters für einen grossen Teil der Bevölkerung erfordert einen anderen Verteilschlüssel der Gelder - und eine ganz anders aufgestellte und organisierte Theaterlandschaft - ja, insbesondere ein Theater Basel von dem die anderen Institutionen viel mehr mitprofitieren können. Andreas Beck ist nun gefordert. Er muss sein Haus öffnen für ganz andere Formen der Kooperation´
( Werkstätten, Spielstätten, Formate müssen mehr Institutionen zuänglich gemacht werden). Nicht nur, aber ganz erst recht, wenn nun eingespart wird. Oder meint das Theater Basel nun etwa, es werde von diesen 5 Millionen Kürzungen verschont bleiben - und andere sollen andere bluten - oder sich auflösen? Wie "Zweiflerin" oben sagt: für die Stadtlandschaft ist ein Junges Theater Basel beispielsweise viel wichtiger als eben jene siebte der acht Opern. Der Verteilkampf ist nun leider eröffnet. Und ich hoffe, dass die Freie Szene ( und die anderen Institutionen wie Haus der elektronischen Künste, Junges Theater Basel, Vorstadt Theater Basel, Kaserne Basel ) nun nicht so naiv oder systemkonform sind, sich nun von dem Theater Basel einspannen zu lassen - im Sinne von: wir müssen nun zusammenhalten & solidarisch sein. Die Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass kurz nach dem Ende solcher "Solidaraktionen" von Stadttheater & freier Szene die freien Tanz- und Theaterkredite gekürzt wurden und kleine Kinos geschlossen wurden, damit die siebte der acht Opern sein durfte. Nein, wenn jemand abspecken muss, dann ist es das Theater Basel - abspecken im Sinne einer Oeffnung, die auch ihm selber zugute kommen wird - es muss sich öffnen für die neue Zeit. Nur dann kann diese gewachsene Theaterfeindlichkeit in der Gesellschaft abgebaut werden - und die Kürzungen erträglich gemacht werden für alle - und das Theater sich vielleicht wieder zu einem wichtigen Themensetzer entwickeln. Denn wenn das Theater relevanter ist, kann man es auch weniger leicht einkürzen, so einfach ist das. Die Verantwortung, die ein Intendant eines solchen 3Spartenhaus auf die ganze Kulturszene hat, ist enorm. Georges Delnon hat das nicht verstanden. Andreas Beck muss das nun verstehen. Er muss seine Macht abbauen, zugunsten des Theaters Basels. Und die Kulturpolitik muss ihm dabei helfen ( denn ich bin mir mir fast sicher, dass man auch Andreas Beck nicht die ganze Wahrheit über diese drohenden Kürzungen erzählt hat, als man ihn angestellt hat ). Man muss es diesem Mann nun etwas schmackhaft machen, dass er sich in Basel anders profilieren muss als ein Intendant an der Burg oder in Hamburg. Er hat das Monopol.
Kulturvertragspauschale Basel-Landschaft gekürzt: Linkhinweis
Die Rettung des Kulturvertrages BL/BS ist die eine unerlässliche Geschichte. Die andere ist, dass der Kanton BL zusätzlich 785'000 Franken bei der Basellandschaftlichen Kultur einspart. Dem gilt der Protest genauso.

http://www.tageswoche.ch/de/blogs/speakerscorner/702173/Warum-die-Kunst-mehr-statt-weniger-Ressourcen-braucht.htm?post_id=1500561736911568_1500561726911569#_=_

http://www.tageswoche.ch/de/2015_39/kultur/699332/Baselland-spart-785'000-Franken-in-der-Kulturförderung.htm
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