Danke, liebe Flüchtende!

von Georg Kasch

27. Oktober 2015. Es ist an der Zeit, danke zu sagen. Danke, liebe Flüchtende! Danke dafür, dass Ihr uns die Augen geöffnet habt: Unsere Konservativen in Deutschland sind gar nicht so, wie wir immer dachten. Sie ehren, schätzen und verteidigen die Frauen- und Homorechte genauso wie wir! Wer hätte das gedacht. Ute Eilig-Hüting etwa fordert: "Allen Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, müssen auch unsere grundlegenden Werte vermittelt werden. Dazu gehört neben Demokratie, Meinungs- und Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und vielem mehr auch das moderne Frauenbild." Die Dame ist Leiterin der Arbeitsgruppe Frauen der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Vermutlich war die Sache mit der Herdprämie nur ein Ablenkungsmanöver, um unter der Hand den Sieg des Weißwurscht-Feminismus vorzubereiten.

Erst Hausordnung, dann Willkommen

Oder Harald Martenstein, der von den Deutschen verlangt, "selbstbewusst, autoritär und auch hart" zu sein. Und zwar, um zu den Flüchtenden zu sagen: "Das sind wir. Das ist unsere Lebensweise. Ihr müsst sie akzeptieren, nur dann dürft ihr bleiben. Was ihr zu Hause über Richtig und Falsch gelernt habt, müsst ihr vergessen. Ihr müsst eure Kultur nicht aufgeben, das nicht. Aber ihr müsst die Gleichberechtigung der Frau akzeptieren, ihr müsst lernen, dass Homosexuelle und Juden Menschen sind wie ihr, ihr müsst Spott und Satire aushalten, sogar, was eure Religion betrifft."

kolumne georgIch stelle mir gerade vor, wie Martenstein seinen Gästen erst mal die Hausordnung hinhält, bevor er sie willkommen heißt. Und dann fragt, wo sie wirklich herkommen. Aber nein, ich will nicht motzen, ich find's ja toll, wie er sich gewandelt hat. War man gar nicht von ihm gewohnt. Neulich fand er es noch eine ziemliche Zumutung, mit der Forderung nach Respekt und Toleranz für sexuelle Minderheiten belästigt zu werden.

Aber gut, was hacke ich auf Martenstein herum, das wird mir nachher wieder nur von wütenden Kommentator*innen als Neid ausgelegt. Noch putziger sind ja die schwulen Berufskonservativen. Wenn CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn vor "importierter Homophobie" warnt, möchte man ihn mal ein Wochenende lang mit seinen Parteifreundinnen Annegret Kramp-Karrenbauer, Erika Steinbach und Birgit Kelle auf eine einsame Insel schicken. Wird bestimmt 'ne dufte Beachparty!

Burka statt Baggern

Wenn aber Mirco Welsch, Bundessprecher der Homosexuellen in der AfD (die gibt's wirklich!), auf Facebook fordert, "homophobe Zuwanderer und 'Kulturbereicherer' konsequent" auszuweisen, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Zum Thema #aufschrei reimte er auf Twitter: "Frauen zieht ne Burka an. Dann lässt das Baggern auch der Mann." Man kann ja schließlich nicht immer alle Werte gleichzeitig verteidigen!

Wenn aber plötzlich die Homo-Ehe zum Maßstab westlicher Werte wird, was ist dann Angela Merkel, die die Ehe-Gleichstellung nach wie vor ablehnt? Eine Terror-Muslima? Ach! Sie hält es lediglich mit der "Interpassivität der Leitkultur", wie Slavoj Žižek das nennt, der Leib- und Magen-Theoretiker aller Programmheft-Dramaturgen: "Sollen die Flüchtlinge sich gefälligst zu den europäischen Werten bekennen – damit wir das nicht tun müssen."

 

Kolumne: Queer Royal

Georg Kasch

Georg Kasch, Jahrgang 1979, ist Redakteur von nachtkritik.de. Er studierte Neuere deutsche Literatur, Theaterwissenschaft und Kulturjournalismus in Berlin und München. In seiner Kolumne "Queer Royal" blickt er jenseits heteronormativer Grenzen auf Theater und Welt.

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Kommentare  
Kolumne Leitkultur: nicht der echte Žižek
Ich vermeide ja normalerweise Kommentare so gut es nur eben geht, aber der Account @Slavojiek ist leider ein Fakeaccount und gehört nicht dem im Profil abgebildeten Herrn.

Das Internet, es ist kompliziert, ich gebe es zu.

Grüße.
Kolumne Leitkultur: dem echten Žižek zur Ehre
Lieber Pflichtname,

vermtlich haben Sie recht, aber: Ist es doch nicht wahr, so ist es doch gut erfunden! Mir kommt es hier aufs Argument an. Und das Zitat ist so prägnant, dass es auch dem echten Žižek zur Ehre gereichte.

Mit freundlichen Grüßen
Georg Kasch
Kolumne Leitkultur: WAS hat es Ihnen gebracht?
Ich erinnere mich, wie fasziniert ich war, als mir das erste Mal ein junger Mann von diesen Fake-Facebook-Profilen berichtet hatte. Ich war fasziniert, von den Möglichkeiten, die das eröffnete für alle Arten von Betrug und Täuschung zu allen möglichen Zwecken! UND von den theatralen Möglichkeiten der artifiziellen Identitäterstellung in all ihren Formen! Das konnte zum Zweck der Informationsabschöpfung genutzt werden. Und zwar der bezahlten wie unbezahlten. Zum Zwecke der Werbung, die den Werbezweck total zu verschleiern imstande ist. Für alle möglichen Sachen! Von der sexuell motivierten Partnerwerbung bis zur Anwerbung von politisch einsetzbaren Kommentaren. Und von der Verkaufswerbung für jedes nur denkbare Produkt – auch Anti-Werbung gegen Konkurrenzprodukte!, bis zur Abwerbung von vertraglich gebundenen Wirtschafts- und Wissenschaftskapazitäten… Nicht zu vergessen auch die so nutzbaren neuen Möglichkeiten der Print- und Sende-Medien, Meinungs- und Informationsverbreitung hinter erfundener, kommentierender Leserschaft zu verbergen. Oder Kommentatoren und Korrespondenten-Identitäten zu erfinden, die in Wirklichkeit sich auf eine Person vereinigten oder auf geringer qualifiziertere oder auch viel höher qualifiziertere Personen als in Profilen angegeben, zutrafen…
Gleichzeitig von diesem Rieseneingangsportal in Umgangs-Betrug und manipulativ nutzbare Täuschung in jedem Lebensbereich war ich fasziniert von der Möglichkeit, dass es Leute geben wird und gibt, die bestrebt sind, sich dagegen zu wehren. Gegen die Fake-Profile, die Betrug und Täuschung bewusst einsetzen, aus den vielfältigsten Gründen. Aus genauso vielen Gründen heraus, wie es welche gab, die Fake-Möglichkeit zu nutzen! Die sehr viel Zeit damit verbringen würden, die Fake-Profile zu entdecken, enttarnen, anzuprangern usw. Mich hat fasziniert die Frage, WARUM Leute das tun. Sich das antun, sich in diesen Internetmoloch aus Betrugs- und Täuschungsabsicht hineinzubegeben. Nur, um Betrug und Täuschung anprangern zu können und in Einzelfällen aufzudecken? – Das war doch ein Kampf gegen Windmühlen! Denn der einen enttarnten Fake-Identität konnte sofort eine nächste erfundene, geschraubte folgen, nichts an der Grund-Absicht hätte sich geändert… Dass es sich lohnen konnte, mit den neuen Betrugs- und Täuschungsmöglichkeiten sich auszukennen und sie ohne Bedenken oder Gewissensbremse zu nutzen, ist schnell klar. Aber welchen- außer durch bezahlten Verrat oder Erpressung der Entdeckten, Absichts-Täuscher undoder Zweck-Betrüger, Verdienst konnte diese mit der Spurensuche nach „echt“ und „gefaket“ eingesetzte Lebens-Zeit einbringen??? Für wen konkret brachte sie etwas ein??? Die Frage fasziniert mich nach wie vor und deshalb gilt Ihnen meine Frage: WAS hat es Ihnen gebracht, den Fake-Account hier zu enttarnen? Was genau hat die Redaktion bewogen, das öffentlich zu machen??
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