Internationalisierung und Projektisierung

Berlin, 10. März 2016. Fünf Stücke wurden für den Stückemarkt des diesjährigen Berliner Theatertreffens ausgewählt:

"Metamorphoses 3° : RETORIKA" von Bara Kolenc / Atej Tutta (Slowenien)

"Eine Version der Geschichte" von Simone Kucher (Deutschland)

"Der (vor)letzte Panda oder Die Statik" ((Pret)posljednja panda ili statika) von
 Dino Pešut (Kroatien)

"A Concise History of Future China" von Pat To Yan (Großbritannien)

"TRANS-" von two-women-machine-show / Jonathan Bonnici 
(Dänemark)

Ausgewählt wurden die Stücke von einer fünfköpfigen Jury, bestehend aus Hans-Werner Kroesinger (Autor und Dokumentartheatermacher, Berlin), Kathrin Röggla (Autorin, Berlin), Árpád Schilling (Regisseur, Autor und Gründer der Theatergruppe Krétakör, Budapest), Simon Stone (Regisseur, Basel) und Christina Zintl (Leiterin des Stückemarktes). Gesucht wurde bei der Ausschreibung des offenen, europaweiten Wettbewerbs nach "zukunftsweisenden Formen der Autor*innenschaft (...), die sich mit der politischen Dimension von Narrativen auseinandersetzen."

Eingereicht wurden 314 Arbeiten, davon 213 Theatertexte und 111 Projekteinreichungen. Erstmals überwogen in diesem Jahr die Einsendungen aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland die aus den deutschsprachigen Ländern. Neben dieser starken Tendenz der Internationalisierung weist die Pressemitteilung der Berliner Festspiele auch auf die Zunahme der Projekteinreichungen hin. Drei der ausgewählten Autor*innen, Simone Kucher, Dino Pešut und Pat To Yan, treten mit einem literarischen Theatertext an, die beim Stückemarkt in Szenischen Lesungen vorgestellt werden. In den Bereich Projekte fallen die Einreichungen von Bara Kolenc / Atej Tutta und two-women-machine-show / Jonathan Bonnici; sie werden als Gastspiele gezeigt.

Eine Neuerung gibt es auch: Erstmals vergibt der Stückemarkt gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung in partizipativem Verfahren einen mit 7000 Euro dotierten Werkauftrag. Dafür werden alle eingeladenen Autor*innen im Rahmen eines "Pitchings" je einen Entwurf für eine neue Arbeit präsentieren. Im Anschluss daran sollen die Zuschauer*innen vor Ort sowie des geplanten Livestreams in Dortmund sowie im Netz über die Preisvergabe abstimmen. Das kooperierende Schauspiel Dortmund wird das ausgewählte Stück in 2017 produzieren.

Ebenfalls zum ersten Mal wird, wie im Oktober bekannt wurde, die Heinz und Heide Dürr Stiftung, die den 1978 gegründeten TT-Stückemarkt seit 2009 unterstützt hatte, die Veranstaltung nicht fördern. Zur Vorgeschichte: In den vergangenen Jahren war das Konzept des Stückemarkts mehrfach geändert worden. Zuerst öffnete sich der Nachwuchswettbewerb 2012 auch performativen Arbeiten, 2014 wurden statt der Jury künstlerische Auswahl-Paten eingesetzt und zwei der drei ausgewählten Beiträge basierte nicht mehr auf einem dramatischen Text bzw. kam in einem Fall ganz ohne Worte aus. Diese Umkonzeptionierung hatte Heinz Dürr in der Presse deutlich kritisiert. Für die Ausgabe 2015 war man zur klassischen Auswahljury zurückgekehrt.

(Berliner Festspiele / ape)

 

Mehr Informationen zu Stücken und Autor*innen gibt es auf der Website der Berliner Festspiele.

 

mehr meldungen

Kommentare  
TT-Stückemarkt 2016: mit Gladiatoren-Finale in Dortmund
Die Stiefmütterlichkeit, mit der die Verantwortlichen der Berliner Festspiele den Stückemarkt strafen findet dieses Jahr einen erneuten Tiefpunkt. Eigentlich wollte man ihn längst abgeschafft und amputiert haben wie einen lange abgestorbenen Zeh, aber die Klagen der großväterlichen Fraktion waren zu vehement. Man hätte vielleicht nicht einfach durchgehen lassen sollen, dass Signa Küster, Simon Stephens und Katie Mitchell vor zwei Jahren ihre besten Freunde für die Preise nominiert hatten. Jedenfalls hat man widerwillig die alte Kiste letztes Jahr abgestaubt und nochmal geöffnet – mit einer Auflagenänderung: „Projekte“ dürfen sich ebenfalls für den Stückemarkt bewerben.
Nun wird schon lange deutlich, dass Oberender sich als dicker Player im internationalen performativen Markt positionieren will und zum Schutz gegen Verleumdungen immer sein Handkebuch als Gegenargument in der Hinterhand bereit hält. Da stört dieser alte Stückemarkt nur.

Drei Texte noch nicht etablierter Autoren (sinngemäß laut dem angestrebten Anforderungsprofil in der Definition) sollen dieses Jahr nominiert sein, doch eine kurze Suche im Netz klärt auf. Eine Autorin hat seit Jahren produzierte Stücke auf den Bühnen, ebenso Hörspiele, Gedrucktes, Preise; ein anderer ist (falls das googlen stimmt) Kopf/Dramaturg/Intendant (?) irgend eines Tanztheaters und der Dritte im Bunde hat auch schon mehrere produzierte Stücke im Köcher. Ab welchem Zeitpunkt ist ein Autor etabliert?

Aber zurück zum Tiefpunkt: Anstatt dass einem der Nominierten ein Werkauftrag zusteht, muss er/sie dieses Jahr in einer Manege (die direkt nach Dortmund verlegt worden ist, damit man das Elend nicht vor der eigenen Abschlussparty-Tür ertragen muss) dem Schwarm via livestream stellen und dort mit verbalen Kunststückchen eine Idee oder ein Konzept zu einer zukünftigen Arbeit so gut verkaufen, dass er die meisten likes generiert.
Um es plastischer auszudrücken: Ein Künstler/Autor muss aus seiner Idee für ein Stück einen Pitch als unterhaltsame Performance fabrizieren und sich zum Idioten machen, wo ihm eine Jury aus tausend Dieter Bohlens an den Rechnern zu Hause den Daumen nach unten zu zeigen droht. Dann doch lieber direkt ein Octagon aufstellen und die Konkurrenten gegeneinander im MixedVerbalArts einen Kampf bis aufs Blut austragen lassen.

Warum gibt es keine Stellungnahmen der Jury zu den einzelnen Texten (so wie das bei den Inszenierungen der Fall war)? Mich würde interessieren, was die Beteiligten dazu bewogen hat so zu entscheiden und vor allem, wie sie zu dem Gladiatorenfinale auf der Dortmunder Bühne stehen.
So kann man den Stückemarkt auch abschaffen. Man behandelt ihn wie das schwarze Schaf der Familie bis er von selbst zu keiner Feier mehr kommen mag.

Es geht auch gar nicht um eine Derconisierung der darstellenden Künste (das wäre nur Wasser auf die Mühlen der Theatertreffer), sondern um die Chuzpe, sich dahinzustellen und zu behaupten, der Autorenbegriff sei faktisch schon lange tot, den einsamen Autor im stillen Kämmerlein gäbe es nicht mehr und Theaterabende seien schon lange das Produkt eines Kollektivs – als ob das jemand behauptet hätte. Die AfD, Pegida und die irren Aluhüte im Netz argumentieren ähnlich, in dem sie einfach mal Positionen der Gegenseite erfinden, gegen die es anzukämpfen lohne.
Die Nominierten können da nichts dafür, denen gratuliere ich natürlich recht herzlich und wünsche ihnen viel Kraft für das Finale im Thunderdome.
TT-Stückemarkt 2016: männlich
Lieber DK! Den Autor (männlich) gibt es nicht mehr. Und das ist gut so.
TT-Stückemarkt 2016: Superlative
Warum Dortmund? Na, na, na: weil dort(MUND) das megageilste supisupi Mediensplattertheater der Welt erfunden wurde (was ausser Nachtkritik und Dramaturgie- und Theaterwissenschaftlerinnen kein Schwanz mehr interessiert). MEGA MEGA MEGASTORE!!!
TT-Stückemarkt 2016: Alle Macht dem Volke
Vielleicht sollten die Verantwortlichen des TT das nächste Mal ihre Ideen der Öffentlichkeit "pitchen" und dann wird entschieden, was gemacht wird.
Kommentar schreiben