O, schmölze dieser allzu Feste

von Susann Oberacker

Hamburg, 5. April 2008. Der Rest ist Schweigen in Shakespeares "Hamlet". Im Thalia Theater in Hamburg ist auch der Anfang Schweigen. Regie-Minimalist Michael Thalheimer platziert zu Beginn seiner "Hamlet"-Interpretation die sechs Hauptfiguren auf einem Podest dicht an der Rampe. Dort hocken sie wortlos mehrere Minuten lang. Eine Besichtigung der Personage – unterbrochen nur vom Husten einiger Zuschauer.

Paula Dombrowski, Victoria Trauttmansdorff, Norman Hacker, Felix Knopp, Jörg Koslowsky und Hans Löw in der Titelrolle – sitzen da und sagen nichts. Und man denkt sich: Was sollen die auch sagen? Das meiste kennt man doch – dieses Aneinanderreihen von Zitaten: "Sein oder Nichtsein", "Schwachheit, dein Name ist Weib", "Ach, armer Yorick", und "Der Rest ist Schweigen" eben. Das bricht Felix Knopp in der Rolle des Claudius. Dessen ursprünglichen Auftrittsmonolog rattert Knopp so schnell herunter, dass die Hoffnung keimt, nach den Thalheimer-üblichen 75 Minuten sei man auch mit diesem Klassiker durch. Ein Irrtum. Und zwar der Art, dass die Inszenierung im ersten Teil auf der Stelle tritt und schließlich knapp drei Stunden dauert.

Shakespeares Personal als Ausstellungsstücke

Das Podest, auf dem die Schauspieler zunächst sitzen und später agieren, hat Henrik Ahr gebaut und es ist das einzige Ausstattungsstück. Hier stellt Thalheimer Shakespeares Figuren aus: den Jammerlappen Claudius, dessen Frau und Hamlets Mutter Gertrud (Victoria Trauttmansdorff), den Hofbeamten Polonius (Norman Hacker) sowie dessen Kinder Ophelia (Paula Dombrowski) und Laertes (Jörg Koslowsky). Und natürlich Hamlet, den Prinzen von Dänemark, Sohn des alten und Neffe des neuen, gegenwärtigen Königs Claudius.

Alle scheinen diese Plattform frei zu wählen, um sich uns – dem Publikum – zu präsentieren. Denn ein jeder verfolgt hier sein Ziel. Löws Hamlet fixiert uns bei seinem Bericht über den Tod des Vaters und die übereilte erneute Heirat der Mutter: "O schmölze doch dies allzu feste Fleisch...". Wieder ein Zitat. Egal. Hamlet will nur eines: Uns zu seinen Komplizen machen. Das funktioniert – aber nur, weil wir ihn sympathischer finden als seine Konkurrenz. Onkel und Stiefpapa Claudius ist ein triebgesteuertes Würstchen. Und Mama Gertrud interessiert sich offenbar auch nur für das, was unter ihrem Rock, halb Unter-, halb Hochzeitskleid (Kostüme: Barbara Drosihn), vorgeht. Ophelia und Laertes fallen im ersten Teil nicht weiter auf. Bleibt noch Polonius – gespielt von Norman Hacker, ein Fall für sich.

Vom Beamten zum Strippenzieher: Polonius

Thalheimer nutzt Hackers schauspielerische Virtuosität und wertet die Rolle des Polonius deutlich auf. Grimmassen schneidend, den Körper verrenkend, wird Ophelias Vater zu einem Darsteller im besten Sinne des Wortes. Einem, der ständig so tut, als ob. Der in viele Rollen schlüpft und nicht zu fassen ist. Der vom kleinen Beamten zum Strippenzieher wird, der dafür verantwortlich ist, dass die Liebe zwischen Hamlet und Ophelia scheitert – und damit auch verantwortlich ist für den Tod seiner Tochter. Er, der einst auf der Universität den Julius Cäsar gespielt hat, ist der größte Schauspieler im Stück – genauso wie Norman Hacker der größte Komödiant der Inszenierung ist.

Dabei spielt doch eigentlich Hamlet Komödie, indem er so tut, als sei er verrückt, um seine Gegner – Mutter und Stiefvater – in Sicherheit zu wiegen. Doch so richtig kommt das bei Thalheimer nicht heraus. Seine Inszenierung ist viel zu gedacht und viel zu wenig gefühlt. Es gibt gute Ideen, manche Rollen sind klug kombiniert: Der nackte Geist von Hamlets Vater (Markus Graf) bekommt am Ende den Anzug von Fortinbras, dem König von Norwegen, der die Nachfolge von Hamlets Vater antritt.

Sein oder Verrückt-Sein

Banal ist die Rolle der Ophelia. Paula Dombrowski muss in der "Wahnsinnsszene" so schreien wie Schauspielerinnen-Generationen vor ihr. Als Gag darf sie – wie auf dem Hamburger "Dom" – Herzchen-Ballons in den Bühnenhimmel schicken. Es ist lustig, ihnen hinterher zu schauen – was uns das soll, bleibt unklar.

So unklar wie die Schluss-Szene: Hamlet und Ophelias Bruder Laertes duellieren sich. Die Degen kreuzen sich wie im Zeichentrickfilm. Entsprechend sterben die Jungs so lustig wie im Comic. Thalheimer stellt in seiner Inszenierung keinen Zeitbezug her, sondern geht den "Hamlet" rein formal an. Diese "Stilübung" gelingt ihm zwar gut, doch die Antwort auf die Frage, warum er das Shakespeare-Stück heute inszeniert, bleibt er schuldig.

 

Hamlet
von William Shakespeare, übersetzt von August Wilhelm Schlegel
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Henrik Ahr, Kostüme: Barbara Drosihn, Musik: Bert Wrede.
Mit: Hans Löw, Felix Knopp, Victoria Trauttmansdorff, Markus Graf, Norman Hacker, Jörg Koslowsky, Paula Dombrowski, Moritz Grove, Andreas Köhler, Jan Dziobek, Peter Per.

www.thalia-theater.de
 


Kritikenrundschau

"Vor allem den Ekel über die mangelnde Selbstachtung politischer Repräsentanten" findet Till Briegleb von der Süddeutschen Zeitung (7.4.2008) in Michael Thalheimers Thalia-"Hamlet" beschrieben. Felix Knopp als überfordertem König Polonius steht Norman Hacker als übereifriger Polonius gegenüber, der den "Konflikt zwischen der Loyalität des Staatsdieners und heimlichem Überlegenheitsgefühl" als Aufzählung von "Posen demonstrativer Lächerlichkeit" feiere. "Mit atemberaubender Virtuosität" verdichte Hacker "das Posenkabinett öffentlicher Selbstdarstellung zu einer einzigen nervösen Karikatur zielloser Politik". Der in allen Figuren spürbare "Hass gegen den modernen medialen Hofstaat" habe Thalheimer "allerdings dazu verleitet ..., die zahlreichen selbstkritischen Betrachtungen verschwinden zu lassen". Bei seiner "Konzentration auf eine Wirkungskritik" bleibe "wenig Raum für Gebrochenheit und Besinnung". Obwohl Hans Löws Hamlet deshalb "relativ unerklärlich in manisch-depressive Stockungen" verfalle, bietet Briegleb diese "etwas unterkomplexe Entzifferung von Posen als Geheimschrift des Versagens immer noch Anreize für geistige Aktivität".

"Keine Idee, die den Abend trägt", hat hingegen Jenny Hoch in Thalheimers "Hamlet" entdeckt. Dieser sei bloß eine "Illustration der bekannten Konstellationen und Mechanismen", "zwar formal perfekt und analytisch treffend", jedoch letztlich "blutleer und langatmig", schreibt sie auf Spiegel online (6.4.2008). Selbst Thalheimer schaffe es nicht, "alle Zitat-Oneliner einfach wegzurationalisieren". Seine typische Kernfreilegungs-Methode habe angesichts der fast drei Stunden "nicht richtig funktioniert", auch wenn mal wieder zu bewundern sei, wie der "Seelenhaushalt der Figuren durch gestische Mittel nach außen" gestülpt und "ins Groteske" übersteigert werde: "großartig". Hans Löw spiele Hamlet "selbst im Zögern groß und klar". Am Schluss wirkt der Abend auf die Autorin dann doch noch "wie ein Kommentar auf die ganze aufreibende Theaterarbeit an sich, eine Reflexion über Kreativität, Wiederholungszwang und angebliche Deutungshoheit".

Mit der trivialen Programmheft-Diagnose des Dramaturgen John von Düffel, der "Hamlet" sei ein tot gespieltes Drama, mag sich Dirk Pilz in der Berliner Zeitung (7.4.2008) nicht zufrieden geben. Bis auf dieses reine "Luxus-, (...) Dramaturgen- und Regisseursproblem" habe die Inszenierung leider keines, weder mit dem Text, der Welt oder dem Theater. Vor allem "ihr Schauspieler-Sein" lasse Thalheimer die Schauspieler ausstellen. Für die individuellen Grillen habe jedoch "keiner einen inneren, äußeren oder sonstigen Grund". Die "Grundsubstanz" der Löw'schen "Mischfigur aus Melancholie-Arien und Wutattacken" sei ein "lasches Irgendwas", Norman Hacker der "schönste Hohl-Spieler in diesem Fimmel-Kabinett", als aufgewerteter Polonius mit Mr. Bean-Qualitäten. Man sehe "zwar förmlich den Dramaturgenschweiß rinnen, nie aber mehr als bloßes Problemchenwürfeln". Für Pilz alles "harm- und belanglos", das Sterben am Ende "nur noch Show". Fazit: "Kunst-Geschäftigkeit, die einem entleerten Ästhetizismus huldigt. Die Welt, das Theater, das Leben als Spielplatz der Selbstgefälligkeiten."

Auch Barbara Villiger Heilig wittert bei Thalheimer in der NZZ (7.4.2008) die Gefahr, "Shakespeare durch übertriebenes Styling den Garaus zu machen": es gelte "das Prinzip 'form follows function'; statt Leben herrscht Design", alles gehorche bei ihm "perfekter Kontrolle". Wo seit Jahrhunderten die Welt aus den Fugen gerät, fügt er sie fest zur "Stilübung". Das Ensemble stecke im "gestischen Korsett" – Effekt: "etwas zwischen Holzschnitt und Comicstrip". Hans Löw, "der jeglichen Humors beraubte Hamlet", zitiere "seine Monologe bloss" und versuche erst gar nicht erst, sich die Texte anzueignen. Die Puppen- und Popanz-Figuren endeten im Grand-Guignol und "rühren uns keinen Augenblick", sondern trügen "die Message ihres Regisseurs überdeutlich vor". Der verenge mit der Streichung Horatios und Fortinbras’ "die politische Dimension des Stücks ins Private", nehme ihm mit den Totengräbern auch "das Existenzialistische". Es gehe nur mehr "um Sex and Crime im Familienkreis", und es fehle dem Abend ebenso "an gedanklicher Grösse" wie "schauspielerischer Emphase".

"Sprachverstopfung", diagnostiziert Gerhard Stadelmaier anfangs bei allen Figuren, gleich darauf jedoch "heftigsten Sprachdurchfall". Thalheimers "verbissenes Konzepttheater" wisse "sofort alles über sie" und treibe dem Stück "das Leben aus". Im "offenbar schwer behinderten Puppenspielakteur im Rollstuhl" sieht der Rezensent der FAZ (7.4.2008) das "Signet einer völlig verrückten, verkrüppelten, künstlichen, gelähmten Leb- und Lieblosigkeitswelt, die nach fünf Minuten derart fix und fertig ist, dass sie gar keine zweieinhalb Stunden weitergehen müsste". Und auch Löws Hamlet ist für ihn ein "hoffnungsloser, lustloser, lebloser, ins geschlossene Kunstwelt-Korsett gepresster Melancholiker", der bereits vorm "lächerlichen Kling-Klang"-Duell längst tot sei.

In der minimalistischen Degenkampf-Schau zweier unbeweglicher Körper und mechanisch gegeneinander geschlagenen Klingen sei alles enthalten, findet Anke Dürr von der Frankfurter Rundschau (7.4.2008): das Wissen um das abgekartete Spiel wie darum, "dass jede erdenkliche Kampfchoreografie für diese Szene schon einmal erdacht worden ist". Vor allem aber zeige der Kampf Thalheimers Lesart von Hamlets Drama: "seine Leidenschaftslosigkeit, seine innere Taubheit". Dieser reflektierte, illusionslose Hamlet, der den "Erkenntnisschock" schon hinter sich habe, sei "ganz bei sich. Nur: Da ist nichts." Den dazu passenden "leeren, fernen, leicht melancholischen Blick" beherrsche niemand so wie Löw, der statt des gestrichenen Horatio das Publikum "zu seinem Verbündeten" mache. Wieder einmal treibe der Regisseur seinen "Thalheimerismus, also die Zeichenhaftigkeit" "auf die Spitze". Für sie "funktioniert" dies dank der "großartigen Schauspieler" durchaus.

Noch begeisterter, wenn auch gerade mit der Schlussfechtszene unzufrieden ("tot stilisiert"), gibt sich Stefan Grund in der Welt (7.4.2008), der einen "Reigen des Gelingens" von Thalheimer-Thalia-Inszenierungen sich schließen sieht. Der Regisseur setze "in seinem klaren, psychologisch ausgefeilten Stil einen wahrlich ausgewachsenen, gewaltigen Hamlet" auf die naturholzfarbene Schachbrett-Spielfläche. Löw, als Dänenprinz "verloren in der Bussi- und Watschngesellschaft des Hofes", banne das Publikum "in seinem ausweglosem Zweifel und in seiner grandiosen Verzweiflung". Thalheimer zeige sich hier "erneut als Meister des Theaters als Kunst des Nötigsten" und gestalte mit dem "großartigen Ensemble glaubwürdige Figuren". Grund macht auch darauf aufmerksam, wie das minutenlange Schweigen am Anfang, mit dem Thalheimers "Liliom"-Inszenierung einst noch für ein "Publikumsbeben" gesorgt hatte, heute "wie selbstverständlich angenommen" werde, und beschließt seine Kritik mit einer Eloge auf die in absehbarer Zeit endende Intendanz Khuon.

Für Armgard Seegers vom Hamburger Abendblatt (7.4.2008) ist dieser Hamlet "kein Zauderer, sondern ein Berserker", was Löw "virtuos und grandios" meistere. Im Gegensatz zu anderen entdeckt sie auch bei ihm "starke Gefühle" und findet es "immer wieder aufregend, diesem talentierten jungen Schauspieler zu folgen". Insgesamt biete der Abend jedoch "trotz großartiger Ensemble-Leistungen nicht genügend neue Deutungsansätze für die Vielschichtigkeit der Figuren". "Kein Seelendrama" sehe man, sondern "zwei zerrüttete Familien", deren Mitglieder "lautstark darum ringen, anerkannt und verstanden zu werden". Diese Lesart, wenn auch "kein ganz großer Entwurf", "überzeugt" Seegers und dürfte ihrer Meinung nach "ganz besonders für junge Zuschauer spannend sein".

Kommentare  
Thalheimers Hamlet: Wo bleiben die Zuschauermeinungen?
"Tot" (wie Gerhard Stadelmeier in der FAZ über Löws "Hamlet" schrieb, d.Red.) ist nur einer, Stadelmeier. Reißt ihm endlich seinen letzten Rollblock aus seinen Händen.
Ich habe diese wunderbare Inszenierung am DT gesehen. Löw ist einfach faszinierend.
Leider hat noch kein Zuschauer was geschrieben. Mit Berliner Inszenierungen geht das schneller.
Vergesst einfach diese blasierten Kritiker. Wofür bekommen die nur ihr Geld? Damit sie uns sagen, was uns gefallen soll?
Löw als Hamlet: Was ist denn hier so faszinierend?
Hallo Olaf, könntest du mal bitte nicht zum wiederholten Male so rumbrüllen, wo's nix zu meckern gibt? Schau dir die Kritiken doch an, ziemlich viele der von dir Beschimpften sind exakt deiner Meinung bezüglich Löw. Ein bisschen zu unrecht übrigens, wie ich finde. Ist ein guter Schauspieler, aber in diesem faden "Hamlet" faszinierend? Warum denn?
Thalheimers Hamlet: nach der Pause löste sich der Knoten
Ich kann nicht anders... - zum Thalia-HH-Gastspiel am DT:
Vor der Pause überwog Irritation bis Ent-täuschung. Vor allem beschäftigte mich die Frage, warum die Figur des Polonius eine so starke Setzung erfährt. Gleichwohl markiert das Spiel von Norman Hacker als übernommener Staatsbediensteter bei wechselnden Machthabern deutlich die gesellschaftliche Notwendigkeit des mimisch-gestischen Scheins/Rollenspiels und die daraus resultierende Verdruckstheit - nicht sagen zu dürfen, was man weiss und denkt. Auch der Beginn hinterliess positive Spuren im Gedächtnis: Im Lachen befreit sich der Körper von seiner "Vergeistigung". Und von dieser ist der intellektuelle Skeptiker Hamlet ganz offensichtlich befallen. Er steht vorn an der Rampe und spricht seine leergelaufenen Worte, während im Bühnenhintergrund die unüberhörbare "ars erotica" freudig praktiziert wird - das freie Spiel der Körper und der Lüste zwischen Claudius und Gertrud. Eine erste Dekonstruktion des ewigen Bühnenklassikers. Schliesslich eine weitere Faszination, die sonst wohl nur Kinder so treffen mag: die mit Puppen gespielte Mausefalle von Jan Dziobek. Warum beeindruckten hier gerade die gesprochenen "toten Puppen"? Vielleicht, weil das Hinhören und die Imagination dadurch in den Vordergrund rückten. Und weil sie unfähig zur Verstellung sind. Das Bewusstsein richtet viel Unordnung in der natürlichen Grazie des Menschen an (Kleist).
Nach der Pause löste sich der Knoten vollends in der wunderbar komischen Fechtszene zwischen Hamlet und Laertes. Wenn ich ins Theater gehe, möchte ich ja an die Illusion glauben, auch wenn ich weiss, dass "alles nur Spiel" ist. Ebenso verhält es sich mit der Liebe. Es ist eine Konstruktion, und trotzdem muss man dran glauben; auch wenn sie zuweilen vom einen zum anderen wandert, was Hamlet an seiner Mutter hasst und auf Ophelia projiziert. Im Theater wie im Leben geht es also um das unaufhebbare Paradox zwischen Schein und Sein. Wer tut nur so als ob, und wer meint es wirklich ernst? Oder sind wir am Ende alle nur Schachfiguren im göttlichen Welttheater? Macht der sich einen Spaß mit uns Ratten? Am Ende überlebt keiner das Leben, und der Tod entzieht sich der Repräsentation. Wir können ihn uns nur vorstellen - oder vorspielen. Ebenso wie das Spiel des Lebens, welches nicht immer verstanden, aber immer gelebt werden muss. Bang bang, du bist tot! *aargh*, *röchel*, *blut* - gerade im Überartifiziellen liegt eine große Schönheit. Ohne Rest.
Thalheimers Hamlet: gute, innovatve Inszenierung
Linda, ich brülle nicht! Und zum wiederholten Male???
Was ich aber nicht mag, sind Kritiker, die unbeweglich sind, nicht in der Lage, auf das zu antworten, was ihnen eine gute, innovative Inszenierung vorsetzt. Ich möchte Kritiken lesen und keine Verrisse. Übrigens hast du recht, es gab viele gute Kritiken, aber die FAZ und der Kritiker im Dirndelnamen sind unseriös. Da darf der Zuschauer schon mal gewaltig widersprechen!
Thalheimers Hamlet: Brüllen im übertragenen Sinn
Olaf, vielleicht habe ich dich mit einem anderen Forums-Olaf verwechselt. Der schien mir ähnlich gepolt wie du. Tut mir leid.
Das Brüllen war im übertragenen Sinne gemeint und auf die Polemik deines Beitrags gemünzt. Der ist nämlich auch ein recht billiger Kritiker-Verriss, oder?
Argumente fänd ich besser. Z.B. was du an Löw nun faszinierend fandst. Bisher stellst auch du bloße Behauptungen auf, die ohne weitere Erläuterungen schwer nachvollziehbar bleiben. Wie wäre es stattdessen mit: vom Abend erzählen, Meinungen begründen? Das, da hast du Recht, sollten ja auch Kritiker tun, wenn sie seriös sein wollen. Tun es teilweise aber auch. General-Bashing finde ich doof, denn, es gibt Unterschiede, auch bei denen.
Begriffstutzig bin ich übrigens, was das Dirdl angeht. Wer soll das sein?
Thalheimers Hamlet: Politisches außen vor
Wieder einmal hat Herr Thalheimer bewiesen, dass er das Sezieren von Theaterinhalten beherrscht. Wieder einmal geriet die Inszenierung sehr stringend, durchdacht und durchaus mit Liebe zum Detail. Jedoch muss ich dieses Mal einigen Rezensenten Recht geben, dass diese Fassung nicht 2 3/4 Stunden lang trägt. Vielleicht liegt es daran, dass das Politische außen vor bleibt, es sich bei Thalheimer eher um eine reine Familientragödie handelt, soll heißen, dass ein bis zwei kleine rote Fäden zu viel gestrichen worden sind? Ich persönlich empfand die Schaupieler, ehrlich gesagt, als wenig überzeugend. Allesamt - außer Herrn Hacker - hatten schwer verständliche Kopfstimmen. Interessant: das Publikum in Hamburg lachte weitaus nachdrücklicher über die (zu) vielen Albernheiten zu Beginn des Stücks. Die Berliner gingen überhaupt nicht darauf ein, sondern ließen es einfach nur geschehen.
Thalheimers Hamlet: Löw wunderbar melancholisch
Liebe Linda,
gemeint ist Stadelmeier, ein Polterer.
Löw war fantastisch, weil er so einen wunderbar melancholischen Hamlet hinlegte. Mit so einem verträumten Blick spielt nur einer. Doch dann bricht es aus ihm heraus. Der kleine Junge kann brüllen und sich wehren. Am Ende das Duell. Klick, klack, die Schwerter berühren sich. Aktualisierte Lustlosigkeit, Verdrossenheit. Wer will das geforderte Spiel noch spielen? Gedankenarmut gesellt sich zur Tatenarmut dazu. Wer hat einen aktuelleren Hamlet inszeniert. Ich bin auf Bosses Hamlet aus Zürich zum tt08, Heiner Müller/Tilmann Köhler (Gorki) und Mayenburg/Ostermeier (Schaubühne) gespannt.
Leute, wer da etwas verpasst ist selber Schuld!
Thalheimers Hamlet: Augen, die Trauer tragen
Kein verträumter Blick bei Löw. Wovon träumte dieser Hamlet? Kein von Träumen voller, eher der leere Blick der Depression, mit Lidern auf Halbmast. Augen, die Trauer tragen.
Thalheimers Hamlet: Löw ein wunderbarer Hamlet
Paula, ich widerspreche in keiner Weise.
Melancholie hat doch etwas mit unerfüllten Wünschen, Träumen, Trauer, unerfülltem Leben zu tun. Lustlosigkeit und Verdrossenheit haben etwas mit leerem Blick zu tun. Doch der, der so ist zappelt noch, bäumt sich auf. Am Ende bleiben diese Augen, die Trauer tragen. Melancholie, Todessehnsucht... ein wunderbarer Hamlet, ein grandioser Schauspieler.
Ich bin auf die anderen Hamlets sehr gespannt.
Thalheimers Hamlet: wieso nur wild gewordene Spießer?
wieso, frag ich mich, kann sich der Regisseur denn die Szenerie immer bloß als einen Haufen wild gewordener Spießer denken? Mich ödet die andauernde Entlarvungsgetue an, bei dem mir wieder und wieder gezeigt werden muss, wie dämlich irgendwelche Leute angeblich wären. Welche ärmliches Bild von Staatsbetrachtung. Mit überheblich tun allein gehts einfach nicht. Da wird nichts gesehen als die Erkennungszeichen durchschnittlicher Modernität - bisschen was Nacktes, bisschen was Gebrülltes, bisschen was karikiert Krasses, eben diese ganze Linea Roset Programm, wir erkennen die Melodie - aber nichts von dem was an Konflikten tatsächlich möglich wäre, nichts was nicht schon brav abgenickt wäre.
Thalheimers Hamlet: Raum für Inspiration und Interpretation
Michael Thalheimer und John von Düffel gelingt ein hervorragender Hamlet am Thalia! Bis auf einige Auslassungen orientiert sich die Inszenierung sehr am Original, das minimalistische Bühnenbild (lediglich ein Holzpodest)läßt Raum für Interpretation und Inspiration und setzt so ganz auf die Schauspieler. Gelungen finde ich auch, den um alles beraubten Vater Hamlets daher als Geist nackt auf die Bühne treten zu lassen. Mein voller Respekt für Markus Graf ...!
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