Feindliches künstlerisches Umfeld

2. April 2016. Der belgische Theatermacher Jan Fabre hat seinen Rücktritt als künstlerischer Leiter des Theaterfestivals Athen und Epidaurus erklärt. Das berichten diverse Medien, darunter das belgische Internetmagazin Lavenir.

"Ich habe das Angebot des griechischen Kulturministers unter der Bedingung angenommen, mir in künstlerischen Entscheidungen völlige Freiheit zu gewähren", zitiert das Internetmagazin Lavenir aus einer Erklärung Fabres. Dies scheine ihm in Griechenland jedoch nicht möglich zu sein. "Ich möchte nicht in einem feindlichen künstlerischen Umfeld arbeiten, in das ich mit offenen Geist und Herz gekommen bin."

Parallel zu Fabres Rücktritt erklärte die Festivalleitung, dass es die Notwendigkeit einer Anreicherung des Programms mit griechischen Produktionen anerkenne und dass die erforderlichen Maßnahmen ergriffen würden. Fabres Entscheidung, die erste Festivaledition Belgien zu widmen, hatte in der griechischen Theaterszene für großen Unmut gesorgt. Seit der Euro-Krise war das Festival eine der wenigen Möglichkeiten für griechische Theatermacher, überhaupt noch im eigenen Land Produktionen realisieren zu können.

(sle)

 

1. April 2016. Der belgische Theatermacher Jan Fabre, der die nächsten vier Jahre lang bis 2019 Leiter des Theaterfestivals Athen und Epidaurus sein wird, hat auf seiner ersten Programm-Pressekonferenz in dieser Woche bekannt gegeben, dass er das Festival internationaler machen will. Allerdings werde er in diesem Sommer ausschließlich belgische Produktionen zeigen und nicht mit griechischen Theatern kooperieren.

Gezeigt werden Arbeiten von Jan Lauwers, Anne Teresa De Keersmaeker, Fabrice Murgia, Anne-Cécile Vandalem, le Groupov, Lisbeth Gruwez und auch Fabres 24-Stunden Spektakel Mount Olympus, berichtet unter anderem Lalibre.be.

Diese Entscheidung sorgt allerdings für großen Unmut bei griechischen Theatermachern. Auf ekathimerini.com heißt es, dass griechische Künstler ein Protestschreiben an den griechischen Kulturminister Aristides Baltas vorbereiten. Prodromos Tsinikoris, künstlerischer Leiter der Experimentierbühne des Nationaltheaters Athen, kritisiert, dass es nicht angehen kann, in einem Land, dessen ökonomische Basis so zerstört ist,  Theatergruppen vor Ort auszuschließen, die sonst keinerlei Chance auf Zuschüsse hätten. Und auf Deutschlandradio kritisiert ein griechischer Schauspieler: "Natürlich ist es für uns beunruhigend, wenn Fabre kommt und in diesem in der Krise steckenden Griechenland das Thema Belgien macht. Warum?"

Das Festival wurde 1955 gegründet, änderte mehrmals seinen Namen. Zuletzt war Giorgos Loukos Direktor, der das Festival ab 2006 sehr ambitioniert neu gestaltet hat. Als im Dezember 2015 bekannt wurde, dass sich die Verluste auf 2,7 Millionen Euro summiert hatten, kündigte ihm der griechische Kulturminister den Vertrag.

(sik)

 

mehr meldungen

Kommentare  
Festival Athen: berechtigte Frage
Ich habe keine Ahnung von Festivals, aber in den letzten zwei Jahren durch u.a. nk den Eindruck gewonnen, dass es immer mehr und immer "internationalere" internationale Festivals gibt. Deshalb ist das doch eine berechtigte Frage - ob einer Zuschusspolitik beunruhigend oder nicht, warum genau ein belgischer Theatermacher als Festivalleiter in Griechenland erst einmal ein beinahe komplett belgisches Programm machen muss. Da mmuss man kein griechischer Theatermacher sein, um diese frage zu stellen.
Festival Athen: Schlag ins Gesicht
Kulturaustausch und Kooperationsprojekte sind zu begrüßen, aber eine derart einseitig ausgerichtete Programmpolitik und Import von belgischen Künstlern und Organisatoren nach Athen ist ein Schlag ins Gesicht für die Athener Künstler, die selbst imstande sind, innovatives und interessantes Theater auch unter schwierigen Bedingungen zu machen. Ihnen jetzt den Zugang zu einer wichtigen Finanzierungsquelle abzuschneiden, ist eine Entmutigung sondergleichen. Vielleicht sollte Jan Fabre versuchen, mit einem belgisch finanzierten Kulturprogramm im Ausgleich griechische Künstler nach Belgien zu holen, um sich dem Vorwurf des Kulturkolonialismus zu entziehen.
Festival Athen: Fabre zurückgetreten
Jan Fabre ist am 2. April als Kurator des Hellenic Festival zurückgetreten.
Festival Athen: das war's
http://www.lavenir.net/cnt/dmf20160402_00805281
das wars
Festival Athen: nur konsequent
Es gibt mittlerweile eine Kaste internationaler Festivalmacher mit einem eigenem Regelkanon. Die männliche Form *macher ist hier Absicht, weil es sich tatsächlich in der großen Mehrzahl um Männer handelt. Was gerne als Internationalisierung gepriesen wird, führt häufig zu Gleichförmigkeit, Beliebigkeit und den immer gleichen teilnehmenden Namen und Profiteuren. Der Ausschluss griechischer Künstler/innen, die ökonomisch mit dem nackten Ar*** an der Wand stehen, ist nur konsequent.
Festival Athen: festgefahrene Strukturen
Fabres geniale Provokation scheucht die festgefranzten Fratzen der Athener Theaterkultur auf. Talentfreie Schauspieler/innen mit reichen Vaetern, die jahrelang als Hofschranzen des nun geschassten Festivalleiters Loukos als Maden im Speck lebten, trafen sich gestern im Athener Theater "Sfendoni" und spielten "bourgeoise Revolution". Da wurde nicht ueber die katastrophale Situation arbetsloser Kuenstler oder ueber Cliquenwirtschaft und grottenschlechte Schauspielschulen gesprochen, sondern ohne jedes Dialogangebot wurde Fabre zur "Persona non grata" erklaert. Bravo, Herr Fabre! Nur durch gezielte Provokation kann man festgefahrene Strukturen aufbrechen. Bin gespannt auf seinen naechsten Clou.
Festival Athen: immerhin
Immerhin gab es kürzlich in der Athener Kunstszene eine weibliche internationale Vertretung: Marina Abramovic im Benakimuseum, die von Santiago Serra gelernt hat und schmerzhafte Selbsterforschung an griechische Subkünstler outgesourct hat.
Festival Athen: ignorant und dreist
"Mit offenem Geist und Herz" sei er nach Griechenland gekommen? Und hat dort dann alles doof gefunden?! Und seltsamer Weise nur seine eigene Produktion eingeladen sowie Produktionen seiner Freunde und Kollegen aus dem eigenen Land? Man mag den Griechen und dem alten Festival Vetternwirtschaft vorwerfen so viel man will - wenn Jan Fabre in der aktuellen prekären und (kultur)politisch aufgeladenen Situation zu diesem für Griechenland so wichtigen Festival keine griechischen Produktionen einlädt und sich nicht einmal um Koproduktionen bemüht, dann ist das einfach ignorant und dreist. @6 Mag sein, dass in Griechenland die Cliquenwirtschaft zu bekämpfen ist, aber diese Methode von Fabre wäre dann ja nur, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben! Und es gibt doch durchaus förderungswürdige junge griechische Künstler, die was wollen und riskieren!
Festival Athen: guter Witz
"Der belgische Theatermacher Jan Fabre (...) hat auf seiner ersten Programm-Pressekonferenz in dieser Woche bekannt gegeben, dass er das Festival internationaler machen will. Allerdings werde er in diesem Sommer ausschließlich belgische Produktionen zeigen."

Habe bereits hier laut auflachen müssen, danke!
Festival Athen: Fragen an Fabre (und Simons)
Ein offener Brief an Jan Fabre von Matthieu Goeury, mit ein paar sehr guten Fragen:
http://www.rektoverso.be/artikel/open-letter-jan-fabre

Z.B.: "Firstly, how can you compile so many jobs? I consider myself a hard worker but I would not be able to run, simultaneously, an international artistic career, a theater company, a venue, a visual arts production house, and, on top of that, accept to curate a large international festival for the next four years. How do you do it? You and Johan Simons have got to share the secret at some point. More seriously, where would you have found the time to reinvent a festival that, to use your own words, "mirrors the world"? Were you not scared that your plans for the Athens festival would mirror only your own world?"
Festival Athen: dumm und unverschämt
Ja. Gute Fragen. Man kann mit der Erfahrung, die man mit unterschiedlichen Aufgaben gesammelt hat sehr gut an eine neue gehen, in der diese Erfahrungen gebündelt Anwendung finden. Aber man kann nicht alle diese Aufgaben gleichzeitig gleich gut betreiben. Es ist aber für diejenigen Politiker/Manager, die die Leute so "einkaufen" einfacher und bequemer ihre Entscheidung zu begründen mit: der macht außerdem dieses und jenes ganz toll. Einfacher, als ausführlicher zu begründen, wenn sie schon begründen müssen, vor wem immer: der/die hat dieses und jenes gemacht und dabei Erfahrungen gesammelt, die er/sie in der Lage ist für unsere zu bewältigende Aufgabe kreativ und zielgerichtet zu bündeln. In der und der Zeit NUR für diese Aufgabe... Das ist allerdings aus der Mode gekommen oder auch nie so gemacht worden. Heute leiten z.B. sehr gute Dirigenten drei namhafte Orchester gleichzeitig - angeblich. Tatsächlich ist das garnicht möglich. Die Leitungsarbeit machen da bei mindestens zwei Orchestern ganz andere, deren Arbeit die Stadt UND der Chef verschweigt. Sie bezahlt den "Chef" also vor allem für die Werbewirksamkeit seines Namens - bis das Publikum das bemerkt hat und sich enttäuscht zurückzieht - das ist mit Neoliberalismus gar nicht korrekt benannt. Das ist einfach nur dumm gegen das Publikum, das man mit Kunst erreichen möchte und unverschämt gegen die sehr guten Leute der zweiten Reihe, die so nie wirklich gute und kulturell inspirierende Entwicklungschancen bekommen.
Festival Athen: dubioses Vernetzungs-Vertrauen
Der Offene Brief von Matthieu Goeury ist wirklich ausgezeichnet: als ob, um es fahrlässig salopp zu sagen, die Griechen nicht schon genug Brüssel an Bord hätten! Und auch der Hinweis auf Johan Simons ist mehr als berechtigt. Noch hat der „Rotterdamer Theaterriese“ („de Volkskrant“ schon 2014) niemandem (außer vielleicht dem Bochumer Kulturdezernenten) erklärt, wie er vier Rotterdamer, ein Genter und ein bundesrepublikanisches Theater gleichzeitig künstlerisch leiten will. Er hat, in Interviews dazu befragt, beschwichtigend erklärt, die in Rotterdam anfallende Arbeit in zwei Wochenstunden erledigen zu können. Ansonsten war von einem „Theater der Kulturen“, einem „europäischen Theater“ die Rede, von dem wir auch nicht mehr erfahren haben, als daß es holländische und belgische Schauspieler nach Bochum und Bochumer Schauspieler nach Holland und Belgien transferieren soll, wobei diejenigen Darsteller, welche die jeweilige Landessprache nicht ausreichend beherrschen, sich ihr dann eben „phonetisch“ nähern (so stand es jedenfalls auch hier zu lesen). Es ist einstweilen nicht erkennbar, welche Vorteile das Schauspielhaus Bochum (ein überaus komplexer, hochempfindlicher Betrieb mit Vergangenheit) von solchen theaterpolitischen „Strategien“ haben soll. Umso verwunderlicher mutet es an, daß offensichtlich allenthalben, von Athen über Berlin und Bochum bis Rotterdam und Gent solchen heutzutage gerne „Vernetzungen“ genannten Konglomeraten von Seiten der Kulturpolitiker ein derart überschwengliches Vertrauen entgegengebracht wird, vor allem dann, wenn „große Namen“ im Spiel sind - während sich auf der andere Seite, der realpolitischen, immer deutlicher abzeichnet, wie wenig Zusammenhalt in der europäischen Politik noch existiert. (Noch dazu arbeiten die belgischen und holländischen KollegInnen, wie wir wissen, unter Bedingungen, die mit denen des Schauspielhauses Bochum nur eingeschränkt vergleichbar sind.) Nach menschlichem Ermessen übernimmt Johan Simons sich. Oder aber er versteht unter „europäischem Theater“ etwas, das an sechs Theatern unter seiner Leitung ebensogut, wenn nicht besser machbar ist, als - mindestens hierzulande - an einem.
Festival Athen: explain it
Dear F.-P.S., please go for it, explain your country colleagues how they are cheated by rural ex-dancers. Explain what it means to run a theatre apart from creating jobs for a whole bunch of semi-professionals who wouldn't exist without you and are even more loyal because of that. Johan Simons should be ashamed, he should resign as soon as possible.
Festival-Athen: Wow-Effekt
Die Ämterhäufung bei celebrities kommt wohl auch daher, dass der Wow-Effekt auf die Kulturpolitiker zurückwirken möge.
Festival-Athen: misunderstanding
Dear Luc
I think you might have missed the point I was trying to make in the comment above. My intention was certainly not to belittle or question the professional qualifications of Mr. Simons or Mr. Fabre. The problem is structural and organizational and not personal.
Festival Athen: Theodoropoulos ernannt
Nun wurde Theodoropoulos zum Direktor ernannt.
Kommentar schreiben