Wer tot ist, geht auf die Nerven

von @regenbericht

4. April 2016. Im Gegensatz etwa zu Redakteuren können Dramatiker ihre Karrieren nicht im jugendlichen Alter von Mitte sechzig beenden. Nein, der Schriftsteller muss weiter arbeiten, unaufhörlich inspirieren, wirken und nachwirken.

Ein oft verwendete Phrase in Theaterkritiken lautet: "Büchner/Lessing/Goethe ist an diesem Abend lebendiger denn je." Wenn Faust also auf psychedelischen Drogen vom Schnürboden baumelt, Woyzeck von der Pharma-Lobby erpresst oder Holofernes von ISIS-Kämpfern enthauptet wird, dann nur um unsere Dramatiker auf der Bühne der Jetztzeit wieder auferstehen zu lassen. Und tatsächlich: Als René Pollesch kürzlich Bert Brecht in Zürich zu einem neuen Leben unter falschem Namen erwecken wollte, meldete dieser sich persönlich zu Wort, aber nicht auf der Bühne.

 

Nicht etwa das Theater, sondern das Netz ist nämlich der Ort, an dem unsere großen Literaten weiterleben. Unaufhörlich twittern sie hier um ihr Andenken. Keine leichtes Los, so ganz ohne Körper.

 

 

Auf Twitter wie im Leben heißt es teilen und geteilt werden, aber Shakespeare lässt sich davon den Spaß nicht verderben.

 

Aristoteles, der große Dramentheoretiker, erfindet sich posthum ganz neu und erwägt den Schritt in die Politik.

 

 

 Was das Selbstbewusstsein angeht ...

 

sind Trump und der Philosoph ohnehin Brüder im Geiste:

 

 

Auch Karl Kraus will den Anschluss nicht verpassen und versucht sich bei coolen Medienschaffenden ins Gedächtnis zu rufen ...

 

... mit mäßigem Erfolg.

 

 

Noch schlimmer: Heinrich von Kleist muss das Andenken an sein Käthchen neben C&A feiern.

 

Keine Frage: Twitter bietet jede Menge Grund für schlechte Laune, weswegen sich Thomas Bernhard durchaus wohl fühlt.

 

Ob im Shitstorm oder in der Filterbubble ...

 

irgendwie muss es ja weiter gehen,

 

denn der Autor ist nicht tot. Er ist auf Twitter. Folgen Sie ihm. Er trendet.