Denkste, Puppe!

von Esther Slevogt

Berlin, 9. April 2016. Einmal flackert auf der Leinwand, die wie eine Schultafel am rechten Rand der Szene steht, für wenige Augenblicke eine ikonografische Szene aus dem Bilderfundus der 1968er-Bewegung auf: Der als Spaßguerilla in die Annalen der Bewegung eingegangene Dieter Kunzelmann, der auch als Initiator eines missglückten Bombenanschlags am Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin im Jahr 1969 gilt, springt im Nachthemd in einem Pappsarg auf und wirft Flugblätter in die umstehende Menge.

Am 9. August 1967 war das, und zwar vor dem Rathaus Schöneberg in Berlin, wo die Regierung der "selbständigen politischen Einheit Westberlin" ihren Sitz hatte (wie das im DDR-Jargon hieß). Anlass war ein Staatsakt für den verstorbenen Reichstagspräsidenten Paul Löbe. Für die damalige aufbegehrende Jugend war der prominente Politiker der Weimarer Republik eine Mumie aus der Vorzeit. So wie wahrscheinlich Kunzelmann und seine Ko-Kommunarden für Leute, die heute jung sind. Doch wer in den 1970er oder 1980er Jahren aufwuchs, dem kamen sie lange wie Helden und Befreier vom Muff der Adenauer-Jahre vor; von der Erstarrung der Gesellschaft unter einer Oberfläche aus Konsum und gesellschaftlicher Konvention; und vor allem von der Verdrängung der Nazi-Verbrechen.

Porträt des Titelhelden

Von solchen klimakritischen Bedingungen einer westdeutschen Nachkriegsjugend handelt Frank Witzels Achthundertseitenroman (Titel siehe unten), den in der Schaubühne nun Armin Petras mit der Dramaturgin Maja Zade auf gute zwei Stunden Aufführungsdauer kondensierte. Irgendwann bauen die Schauspieler vor der Leinwand auch einmal nackt das berühmte Kommune-1-Bild nach. Ohne Kind. Aber das war's dann auch schon fast mit den historischen Reminiszenzen in der Schaubühne, die nur ein paar hundert Meter von dem Ort entfernt liegt, wo Rudi Dutschke 1968 niedergeschossen wurde – noch so ein Name aus dieser versunkenen Zeit, die lange als die eigentliche Geburtsphase der alten Bundesrepublik galt.

erfindung der raf 560a cthomasaurin uTilman Strauß, Julischka Eichel, Paul Grill, Jule Böwe © Thomas Aurin

Im Übrigen schauen wir fünf Spielwütigen dabei zu, wie sie einige Brocken aus dem Motivdschungel des Romans herauspicken, aus denen sich ein fragmentarisches Bild des namenlosen Dreizehnjährigen ergibt, den Frank Witzel zum tragischen Helden und Medium seines Romans gemacht hat. Aus dessen (nur scheinbar verwirrtem) Geist beschwört Witzel kunstvoll wie verschlungen die alte Bundesrepublik herauf, die 1989 ebenso wie die DDR untergegangen ist. Nur vom Rest der Welt so gut wie unbemerkt.

Psychedelic Soundcloud

Die Szenerie ist erst mal gespenstisch: Die Bühnenbildnerin Katrin Brack hat fünfunddreißig Schaufensterpuppen auf der Bühne verteilt, Kinder und Jugendliche in erstarrten Posen und im Stil der Zeit um 1970 gekleidet. Das anspielungsreiche Bild will viel erzählen – von den Frankfurter Kaufhäusern, wo die RAF-Gründer Andreas Baader und Gudrun Ensslin als Protest gegen den Vietnamkrieg Brandsätze legten, von der erstarrten Gesellschaft und auch dem Geisterreich, durch das wir Heutigen nun noch einmal geschickt werden sollen.

Die Stuttgarter Indieband Die Nerven taucht live alles in eine herzzerreißend existenzialistische Soundcloud aus Postpunk und Nineteensixties-Hard-und-Blues-Rock-Reminiszenz. Das ist ein atmosphärischer Kunstgriff, um die psychedelische Schraube des Wahnsinns im Laufe des Abends immer weiter zu drehen, von der Witzels Buch anhand der Geschichte seines Protagonisten aus schwierigen Familienverhältnissen Zeugnis ablegt, der eines Tages in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wird.

Milde Karikaturen

Dies alles ist wunderbar gespielt und performt: Peter René Lüdicke und Jule Böwe unter anderem als Eltern, aber auch als Mitglieder der hessischen Provinz-Jugendgang, die sich bei Witzel ebenfalls RAF nannte. Julischka Eichel glänzt vor allem als dominahafte wie überdrehte Caritas-Frau, wie sie sich der manisch-depressive Teenager als Pflegekraft für seine kranke Mutter fantasiert. Paul Grill und Tilman Strauß legen mit viel Aberwitz die inneren Abgründe des jungen Mannes frei. Von einem rosa Schulpult auf der Szene projiziert eine Live-Kamera immer wieder, wie er malt oder seine dunklen Seelenzustände ins Spiel übersetzt.

Allein, die alte Bundesrepublik und ihre Pathologie bleiben einigermaßen unterbelichtet. Ihr repressiver Geist, der Muff und auch der Naziuntergrund kommen allenfalls in milden Karikaturen und verzappelten Comicfiguren noch als Echo vor. Die Gewaltverhältnisse, die den Wahn produzieren, an dem Witzels Protagonist leidet, mit dem er spielt und aus dem sich auch seine subversive Kraft speist, gewinnen bei Petras keine plausible Gestalt. So werden auch Katrin Bracks Kindergeister nie wirklich gefährlich und bleiben im Grunde Staffage.

Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969
von Frank Witzel
Uraufführung
Theaterfassung von Armin Petras und Maja Zade
Regie: Armin Petras, Bühne Katrin Brack, Kostüme: Annette Riedel, Video: Rebecca Riedel, Dramaturgie: Katrin Spira, Maja Zade, Licht, Erich Schneider, Live-Musik: Die Nerven.
Mit: Jule Böwe, Julischka Eichel, Paul Grill, Peter René Lüdicke, Tilman Strauß.
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, keine Pause

www.schaubuehne.de
www.schauspiel-stuttgart.de

 

Kritikenrundschau

Tobi Müllers Beitrag in Fazit vom Premierenabend steht auf der Website von Deutschlandradio: Leider stecke in der Textfassung von Petras und Zade wenig von der Mischung aus "Theorie, Theologie, Beichte und Therapie, auf dem Fotohintergrund von zitronengelben Autos" drin. Im Theater zu sehen und zu hören gäbe es "oft vor allem den Fotohintergrund" und Oberflächen. Die zwei "wohl wichtigsten Fragen des Romans" würden gar nicht gestellt. "Warum wählt der Erzähler den Wahnsinn?" und "welchen Status hat dieser Wahnsinn"? Eine Freude sei es allerdings, den fünf Schauspielern zuzuschauen. Die spielten "so frei, wechseln superschnell die Figuren, ohne ein Brimborium draus zu machen". Und Erwachsene, die Teenager spielen, seien eh ein "wunderbares Ding" (genauere Begründung würde hier zu weit führen, bitte nachlesen).

Wolfgang Höbel schreibt auf Spiegel Online (10.4.2016): Angesetzt gewesen sei eine "Theaterversion des Riesenromans", zu besichtigen aber sei "eine Rauminstallation" von Katrin Brack, in der fünf Schauspieler und eine dreiköpfige Rockband "nettes, aber kreuzbraves Schaufenstertheater" spielten. Petras, sonst ein Fachmann für die "Beschwörung vergangener Zeiten" und für "atmosphärische Finesse", setze gegen die "wilde Komplexität" von Witzels Erzählkunst "stocknüchterne Reduktion". Fünf "hochmotivierte Schauspielkünstler" trügen Szenen und Sätze aus dem Buch vor, spielten sie aber nicht. "Sehr vergnüglich und leider auch ein bisschen egal". Während es in Witzels "wüstem Verhau von Markenkunde, Strukturalismus-Seminar und Terrorismus-Geschichtsschreibung" um "Genauigkeit" gehe, ginge es bei Petras nur "ums Ungefähre".

Auf den leider fragmentierten Online-Seiten der taz (11.4.2016), die Zeitung braucht wieder Geld, sie macht heute eine Spendenkampagne, schreibt Katrin Bettina Müller: "Überzeugend" werde die Inszenierung immer dann, wenn die "einzelnen Erzählebenen, die Sprache des Textes, die Sprache der Körper, die Energie der Musik und die Collage der Bilder, auseinanderlaufen". Der Abend sei "gut komponiert", das "facettenreiche Bild der BRD Ende der Sechziger und ihrer kollektiven Leistung der Verdrängung des Faschismus", das der Roman zeichne, käme allerdings zu kurz. Doch müsse man die Inszenierung nicht am Roman messen, man könne sie auch neben Petras' andere Stücke aus DDR und Nachwende-Deutschland stellen, dann sei sie "in ihrem Witz und in ihrer spielerischen Leichtigkeit" ein "gelungener Versuch, ein weiteres Kapitel der Geschichte anzugehen".

Christine Wahl schreibt im Berliner Tagesspiegel (11.4.2016): Die "Teenie-Fantasiewelt, mit der Witzel den Status quo zur Kenntlichkeit entstellt", biete Petras’ Schauspieler-Quintett die "üblichen Steilvorlagen für Figuren-Karikaturen", wie man sie schon oft in Petras-Inszenierungen gesehen habe.
Die "zurzeit gängigste Romanadaptionspraxis" gelte "prinzipiell" auch hier: mehrere Akteure teilten sich in den epischen Text und bastelten zwischen diversen (Nach-)Erzählpassagen "hier und da mal eine längere dramatische Spielsituation draus". Das sei "unzäher" als viele andere Berliner Abende, auch wegen der Rockband Die Nerven. Allerdings: je länger das Ganze ging, desto mehr fühlte sich Wahl an frühere Petras-Abende erinnert.

Ulrich Seidler rezensiert auf der Webseite der Berliner Zeitung (11.4.2016) das erste Wochenende des schaubühneneigenen Festivals für internationale neue Dramatik, F.I.N.D. En passant diagnostiziert er der Gattung der Dramatik die Selbstabschaffung und fragt, ob es wirklich eine gute Idee sei, die "episch-monumentale Psychoanalyse eines bundesrepublikanischen pubertierenden Provinzlings" in den "Zusammenhang mit den Beiträgen aus den Krisenherden der Gegenwart" zu stellen. Trotzdem sei der Abend für sich genommen ein "großartiger Augen- und Herzöffner: rührend, albern, pathetisch, verspielt, kraftvoll, schonungslos und trostreich". Die Schauspieler*innen seien alle fünf "umwerfend", die Stuttgarter Punk- und Postpunkband "Die Nerven" desgleichen. Das Bracksche Bühnenbild eigne sich hervorragend als "Spielwiese mit unzähligen Auftritts- und Abgangsmöglichkeiten". Dramatisch im "herkömmlichen Sinne" sei die Inszenierung nicht, auch nicht neu, man kenne Petras' Begabung, den Pubertätskosmos nachzuempfinden und vermisse diese Fertigkeit in Berlin.

Roland Müller fragt in den gerade mit der Stuttgarter Zeitung redaktionell und inhaltlich zusammengelegten Stuttgarter Nachrichten (11.4.2016) wieder einmal, wenn auch nur rhetorisch: Soll man Romane auf die Bühne bringen, und antwortet: Ja, wenn sie sich für eine Dramatisierung eignen, Witzels Wälzer eigne sich dazu nicht. Petras habe sich die Rechte am Roman übrigens bereits vor dessen verkaufsfördernder Auszeichnung gesichert. Aus Interesse, immerhin erzähle Witzel die alte BRD wie Fritz Kater die alte DDR: aus der Perspektive von Jugendlichen. Die "brachiale Frische" des Krachs der Band "Die Nerven" rette die Uraufführung vor der "inszenatorischen Routine". Das Problem sei, dass die Inszenierung, anders als ihre Vorlage, den "Anspruch einer triftigen Zeitdiagnose nur im bescheidenen Maße einlösen" könne. Natürlich wisse Petras, wie man "epische Stoffe im blitzschnellen Hin und Her zwischen Erzählen und Spielen" auffächere. Der "fade Beigeschmack": Petras mache aus dem Roman ein "munteres Jugendtheater".

Für Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (12.4.2016) ist dies "die lockerste und gleichzeitig konzentrierteste Petras-Inszenierung seit längerer Zeit. Neben Witzels Roman, der Erinnerungssplitter, Verhörprotokolle, Traumreste, Teenager-Einsamkeit, Bibel- und Beatles-Exegesen montiert und dabei verwirrend Erzählperspektiven, Zeit- und Wirklichkeitsebenen wechselt, wirken selbst die gefürchteten Assoziationskünste von Petras harmlos. Also verzichtet Petras auf seine Umwege und türmt keine zusätzlichen Einfälle auf das Romangebirge, sondern macht das einzig Richtige, indem er ganze Erzählstränge kappt, vor allem den retrospektiven des erwachsen gewordenen Ministranten und RAF-Schwärmers Bernd."

Für Irene Bazinger von der FAZ (12.4.2016) ist die Hilflosigkeit offensichtlich, "mit der sie hier alle zusammen Witzels 'Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969'  nicht in den Theatergriff kriegen und stattdessen wie wild an der Oberfläche des Romans herumkratzen." Die fadenscheinige Inszenierung von Armin Petras nehme den Mund ziemlich voll, habe aber wenig zu sagen. "So jongliert sich das Ensemble gelegentlich durchaus amüsant durch die Windungen der Geschichte, die ihr Regisseur auf das Niveau eines exzessiven Pennälerscherzes heruntergebrochen hat."

"Armin Petras misstraut wie stets großen Parolen und politischen Wahrheitsansprüchen und ironisiert sie. Aber an diesem Abend gelingt es ihm, emotionale Nöte und gesellschaftliche Zwänge eindrücklich zu inszenieren." So berichtet Nicole Golombek in der Stuttgarter Zeitung (18.12.2016) von der Stuttgart-Premiere dieser Arbeit. "Ein bisschen jugendvernarrt" dürfe man den Abend "finden, dennoch oder genau deshalb entzieht man sich nicht dem Charme der Verwandlungs- und Improvisationslust des Ensembles. Zudem ist der Abend auch musikalisch ein starkes Stück."

 

Kommentare  
Die Erfindung der Roten Armee Fraktion..., Berlin: der undramatische Konsens
Ja, so ähnlich habe ich es auch gesehen. Vor allem aber frage ich mich, warum immer so gern undramatische Texte in der Dramatisierung so undramatisch bleiben müssen - Aufsagetheater, Monologe in erster Person-Perspektive ("Ich gehe in..."), kaum Interaktion, nicht mal unter den Jugendlichen: stehen nebeneinander und sprechen Text. Der große Konsens von Ronen über Petras bis Stemann. Schade eigentlich. Da freue ich mich manchmal über das angloamerikanisches well-made-play, z.B. Akhtars "Geächtet" oder so. Warum fragt ihr Starregisseur_innen nicht mal die zeitgenössischen Dramatiker_innen, ob die euch ein Stück machen? Warum müssen die Dramaturginnen euch den neuesten Roman eben nicht-dramatisieren? Ich verstehe es nicht.
Die Erfindung der Roten Armee Fraktion..., Berlin: negative Überraschung
Sicher: Wenn man einen 800 Seiten-Wälzer auf einen knapp zweieinhalbstündigen Theaterabend eindampfen will, geht zwangsläufig viel von der ausuferenden Detailverliebtheit der Vorlage verloren.

Aber ein so schwaches Ergebnis, wie es Armin Petras bei seiner Co-Produktion der Berliner Schaubühne und des Schauspiels Stuttgart ablieferte, ist dann doch eine negative Überraschung.

(...)

Zwischen den dichten Schwaden aus Qualm und Trockeneis turnen die Darsteller über die Bühne, die ansonsten noch mit einer ganzen Armada aus Schaufensterpuppen zugestellt ist. Die in einem Aggregatszustand zwischen zähflüssig und dünnsuppig vorgetragenen Witzchen erreichen nicht das Format der Roman-Vorlage.

(...)

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2016/04/10/viel-qualm-und-laerm-um-fast-nichts-frank-witzels-die-erfindung-der-raf-an-der-schaubuehne-adaptiert/
Erfindung der Roten Armee Fraktion..., Berlin: vermisse nicht
Armin Petras ist müde geworden. Ich vermisse das in Berlin nicht (mehr). Weder als Regisseur noch als Intendant.
Erfindung der Roten Armee Fraktion..., Berlin: aggressiv, anarchisch, infantil und lustvol
Hier liegt der Kern von Stückfassung und Inszenierung: das Porträt eines ganz normalen Teenagers in einer überhaupt nicht normalen Zeit. Die Welt, die er erlebt verschmilzt mit jener, die er erschafft, das Finden des Selbst verirrt sich im Labyrinth der Möglichkeiten, im Spannungsfeld zwischen Ausbrechen und Sich-Zurückziehen, zwischen Hinausgehen in die Welt und Rückzug in eine Welt, in der Andreas Baader ein strahlender (Spielzeug-)Ritter und Gudrun Ensslin eine langweilige (Plastik-)Indianerin ist. So lange der Abend bei seiner Hauptfigur bleibt ist er ein aufregend einfallsreicher, immer wieder anarchistisch ausbrechender wie ausufernder Parforce-Ritt durch eine Jugend, in der es nicht nur um die erste Liebe geht, sondern eben auch um die Frage, ob Gewalt der richtige Weg ist, aus der erfahrenen gesellschaftlichen Enge herauszukommen. Jede Pubertät ist ein Ausnahmezustand, für eine in den 1960er-Jahren stattfindende potenziert sich das noch. Angetrieben vom lauten, aggressiven Spiel der jungen Stuttgarter Band Die Nerven, die der Verwirrung und Rebellion des namenlosen Jungen einen passenden Soundtrack verleihen, rast der Abend atem- und rastlos durch eine Welt, die angst macht, verwirrt, keinen Halt gibt. Ein starkes, eindringlich, immer wieder hochkomisches kaleidoskopisch aufgespaltenes Porträt einer auch kollektiven Selbstfindung.

Problematisch wird der Abend nur, wenn er sich daran versucht, der alten Bundesrepublik analytisch wie atmosphärisch nahezukommen, wenn er versucht, das Bild einer erstarrten Gesellschaft zu zeichnen, ihren (Un-)Geist spürbar zu machen. Hier bleibt er Stückwerk, trocken, akademisch. Ist die Nachstellung ikonischer Bilder wie der Kommune 1, dem Platten-Cover von “Abbey Road” der Beatles oder dem Black-Panther-Protest bei Olympia 1968 noch überaus unterhaltsam und erzählt etwas darüber, wie wichtig Inszenierung und Ikonografie im politischen Kampf sind, so ist die Einblendung von historischem Material per Video – der extensive Video-Einsatz, gern auch live, ist eine zentrale Leerstelle der Inszenierung – wie seine Vorlage an einer Analyse oder das einstreuen von Fremdtexten, vor allem Ulrike Meinhofs Artikel über Warenhausbrandstiftungen (nachzulesen im Programmheft), aufgesetzt, blutleer und wirft Sand ins dramaturgische Getriebe. Funktioniert die Mischung aus epischem Erzählen und angedeutetem, oft lustvoll augenzwinkerndem Spiel, meist sehr gut und ohne die Längen vieler Romanadaptionen, wirkt die mechanisch zwanghafte Erweiterung des Blickfeldes bremsend und wenig erhellend. Hier wäre eine radikale Konzentration auf die Hauptfigur zielführender gewesen. Wo das geschieht, ist der Abend voller Leben, aggressiv, anarchisch, infantil und lustvoll. Starkes Theater eben.

Komplette Kritik: https://stagescreen.wordpress.com/2016/04/12/erste-liebe-und-andreas-baader/
Erfindung der Roten Armee Fraktion..., Berlin – Die Nerven!
Krass, Schorsch Kamerun kannte die Band Die Nerven schon, der hat gesagt, die sind gut. Machen so Power Chords. Die SZ hat einfach immer die besten Kanäle. Stand das auch in den Panama Papers?
Erfindung der Roten Armee Fraktion..., Berlin: 3sat-Kritik
Philipp Rimmele für 3sat Kulturzeit: "Armin Petras' Inszenierung changiert irgendwo zwischen Kindergeburtstag und Familienaufstellung. Für den Ich-Erzähler endet der Sommer 1969 in der Psychiatrie, für die alte Bundesrepublik im wiedervereinigten Deutschland - Ähnlichkeiten nicht ausgeschlossen. Das Stück gehört nicht zu Petras' stärksten Arbeiten. Doch wann hat man je ein Ensemble erlebt, das so lustvoll im Nebel der jüngeren Vergangenheit herumstochert?"

Link: http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=58302
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