Drohende Blamage

Weimar, 23. April 2016. Das Kunstfest Weimar steht vor dem Aus. So teilt das Kunstfest, das 1990 gegründet wurde und seit 2014 als eigenständige Abteilung des Deutschen Nationaltheaters Weimar unter der künstlerischen Leitung von Christian Holtzhauer geführt wird, in einer Presseaussendung mit.

Weimar Innenstadt chr uAbriss geplant? Ansicht aus Weimars Innenstadt
© chr
Der Weimarer Stadtrat beabsichtige am kommenden Mittwoch, 27. April 2016, die städtischen Zuschüsse von jährlich 250.000 Euro ab 2019 zu streichen. Da die Landeszuschüsse Thüringens in Höhe von 650.000 Euro an diese kommunalen Mittel gekoppelt sind, hätte der Wegfall des städtischen Zuschusses den Wegfall der Förderung durch den Freistaat zur Folge.

Das Kunstfest Weimar hat sich über die Grenzen der Stadt eine Aufmerksamkeit erspielt und ist ein regelmäßiger Kooperationspartner im internationalen Kulturbetrieb. nachtkritik.de besprach beim Kunstfest zuletzt die Uraufführung von Adolf Hitler: Mein Kampf, Band 1 & 2 von Rimini Protokoll und die Uraufführung des Musiktheaterwerks Der Triumph des Todes von Frederic Rzewski nach Peter Weiss' "Die Ermittlung".

"Die Einstellung des Kunstfests gerade im Jahr 2019 wäre für Weimar und für ganz Thüringen nicht nur ein großer Verlust, sondern eine regelrechte Blamage – jährt sich dann doch die Verabschiedung der Weimarer Verfassung sowie die Gründung des Bauhauses in Weimar zum 100. Mal", so Christian Holtzhauer in der Pressemitteilung. "Weimar wird dann erneut im Fokus einer weltweiten geschichts- und kulturinteressierten Öffentlichkeit stehen. Als international ausgerichtetes und genreübergreifend arbeitendes Festival wäre das Kunstfest Weimar wie kaum eine andere Kulturinstitution in der Lage, mit künstlerischen Arbeiten die Bedeutung dieser historischen Ereignisse für unsere Zeit zu untersuchen."

Update 24. April 2016. Mittlerweile hat sich auch Hasko Weber geäußert, Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters und in dieser Funktion auch Geschäftsführer des Kunstfests: "Das Kunstfest Weimar ist das wichtigste künstlerische Festival des Freistaats Thüringen und hat sich auch auf Bundesebene eine feste Position erarbeitet. (...) Kooperationen und genreübergreifende Experimente zeichneten das Festival vor allem in der jüngeren Vergangenheit konzeptionell aus. Die Erfahrungen und Erfolge, wohlgemerkt auch im Hinblick auf den Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel, die zudem maßgeblich durch zusätzliche Mittel ergänzt werden konnten, sind beachtlich. (...) Als Geschäftsführer des Kunstfestes Weimar möchte ich daher alle an der Vorbereitung der Haushaltsentscheidung beteiligten Stadträte und den Oberbürgermeister der Stadt Weimar, Herrn Wolf, bitten, ihre Pläne zu überdenken. Trotz komplizierter Haushaltslage und vieler offenen Fragen, sollte die Förderung und zukunftsfähige Entwicklung aller prägenden und richtungsweisenden Elemente der vielschichtigen Weimarer Kultur zentrales Ziel bleiben.  In vielen anderen Bereichen wurden und werden in Thüringen heftige Diskussionen um die Bedeutung bestehender Kultureinrichtungen geführt. Es herrscht allgemeiner Konsens, dass es in allen Fällen nur um den Erhalt im progressiven Sinne gehen kann. Eine Stadtratsentscheidung ohne Debatte wäre auch vor diesem Hintergrund fatal unzeitgemäß und riskant."


(Kunstfest Weimar / chr)

 

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Kommentare  
Kunstfest Weimar vor Aus: kein eigenständies Profil
Niemand wird weinen,
denn das Kunstfest Weimar hat es nicht geschafft, ein eigenständiges Profil zu erarbeiten. So ungern ich das sage, unter Nike Wagner war das Profil geschärfter, und das streng auf Musik ausgerichtete Programm deutlich interessanter. Es reicht heute nicht mehr, nur Kooperationspartner zu sein und Geld in aufgeblähte Produktionen zu schießen, die später, wenn sie durch das Land touren, nicht einmal einen Hinweis darauf geben, dass Weimar der eigentliche Produzent war.
Wenn dadurch das Theater gerettet werden kann, ist eine Kürzung der Mittel hier zu verkraften.
Kunstfest Weimar vor Aus: Kooperationen sind billiger
Lieber Andre, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Dass das Kunstfest oftmals "nur" Kooperationspartner ist, und dadurch zu wenig überregionale Aufmerksamkeit bekommt, liegt ja vor allem daran, dass es zu wenig Geld hat, um eigenständig produzieren zu können. Folgerichtig müssten sie für eine Erhöhung des Etats plädieren. Andersherum wird es absurd!
Kunstfest Weimar vor Aus: unter Erwartungen
Es wäre natürlich schade, wenn das Kunstfest Weimar gestrichten werden sollte. Leider bin ich aber auch wie @1Andre der Meinung, dass die künstlersiche Ausrichtung des Festivals unter den Erwartungen geblieben ist. Ich reise gerne zu Theaterfestivals wie Bregenz, Salzburg oder zur Ruhrtriennale. Das Weimarer-Programm hat mich aber bis jetzt noch nicht angelockt. Das heißt aber nicht, dass man das Festival deswegen streichen sollte, sondern sich vielleicht mehr Gedanken um die künstlerische Strahlkraft des Festivals machen sollte und der damit verbundenen aufstockung der finanziellen Mittel.
Kunstfest Weimar vor Aus: was will man mehr?
Natürlich hat das Kunstfest überregionale Ausstrahlung - die Medienaufmerksamkeit der letzten Ausgabe war enorm hoch. Stimmt einfach nicht. In der Kunstszene hat Weimar nicht zuletzt des Kunstfests wegen einen sehr guten Ruf. Und wer letzten Sommer vor Ort war weiss auch, dass es ein tolles, hochkarätiges, gleichzeitig aber auch volksnahes Festival ist, das sich regionalen Themen genauso stellt wie anderen politisch brisanten. Dem Kunstfest gelingt, was vielen Festivals nicht gelingt: nämlich ein Fest für eine Stadt UND künstlerisch anspruchsvoll, provokativ und geistreich zu sein. Was will man mehr?
Kunstfest Weimar vor dem Aus: die Signatur?
Liebe Frau Julie, das klingt alles wenig überzeugend, was Sie das schreiben. Können Sie das denn belegen, mit Rezensionen und Zuschauerzahlen. Ich lebe in der Region und bin seit Gründung des Kunstfestes regelmäßiger Besucher. Ich hatte mich gefreut auf die neue Ausrichtung, nach dem Weggang Nike Wagners nach Bonn, bin aber sehr enttäuscht worden. Was ich im letzten Sommer zu sehen bekam, war austauschbar, das konnte ich mir im Hau, oder auf anderen Festivals auch anschauen. Wo ist die Signatur?
Zudem kamen an den Abenden die immer gleichen Zuschauer, viel zu wenig junge Leute. Ich hätte mir eine klare Ansage gewünscht. Entweder weiterhin ein Musikschwerpunkt oder einen Schwenk auf Tanz, aber ein off-Festival braucht es in Weimar nicht, und nicht in Thüringen, in einem Bundesland, in dem die Freie Szene ausgewandert ist, quasi nicht existiert, wo es also auch keinen künstlerischen Widerhall gibt. Das ist alles fremd und befremdend.
Das Geld sollte für das Nationaltheater verwendet werden, dort wird es dringend gebraucht. Auf dass es sich in Zukunft wieder ein wenig stärker wehren mag, gegen die Feindlichen Übernahmeversuche aus Erfurt. Oder wie will man das den Menschen erklären, die Oper abzuwickeln, das Orchester nach Erfurt abzugeben, aber ein Kunstfest weiter finanzieren?
Das macht keinen Sinn, oder?
Kunstfest Weimar vor dem Aus: macht so weiter
Streichen wir weiter die Kunst... AfD wird es danken. Ihr Stadträte, Betonköpfe in Weimar, Rostock und anderswo... macht so weiter... Steckt den Kopf in den Sand und spart an der Kultur, kulturlos war dieses Land schon einmal. Deutschland mir grauts vor dir und deinen bornierten Machern.
Kunstfest Weimar vor dem Aus: nicht so toll
Wie bitter: da läuft ein Festival (angeblich) mal nicht so toll, und sogar hier auf nachtkritik rotten sich Leute zusammen und befürworten dann gleich die Abschaffung.

Mit der gleichen Logik ließe sich bei einer schlechten Spielzeit auch jedes Theater eben mal schließen.

Glaubt denn wirklich jemand, dass das eingesparte Geld auf andere kulturelle Projekte verteilt wird?

In diesen Zeiten, in denen gerade in Ostdeutschland, aber auch andernorts, Kulturlosigkeiten zunehmen, würde ich mir doch gerade von einem theaterfreundlichen Publikum erhoffen, dass sie die Gefahr erkennen, die im Abschaffen solcher Plattformen und -foren entsteht...
Kunstfest Weimar vor dem Aus: AfD-Forderungen
Die Abschaffung von Thüringens wichtigstem Ort für innovative Theater-Experimente greift auf fatale Weise zentrale kulturpolitische Forderungen der AfD auf. Und das ausgerechnet zum 100. Jahrestag der Verabschiedung der Weimarer Verfassung! Das politische Signal, das da gesendet wird, ist eindeutig - und es ist eine Katastrophe.
Die freundlichste Lesart wäre, dass Haushaltspolitiker nicht über ihre Zahlen hinausgucken. Aber sie tun das in einer Zeit, in der es mehr als zuvor und gerade in Thüringen auf starke, selbstbewusste Bürgerschaften ankäme, die Meinungsvielfalt fördern und gerade jetzt Formenvielfalt und Innovation in der Kunst offensiv propagieren und verteidigen müssten.

Zudem verliert die Stadt viel Geld: Es werden ja nicht 250.000 Euro "gespart". Sondern die Stadt verliert 650.000 Euro, die andernfalls in die Stadt gekommen wären - und das berechnet die Umwegrentabilität noch nicht einmal ein, die 30.000 Zuschauer bedeuten. Haushaltskürzungen sind doch kein Selbstzweck!
Kunstfest Weimar vor Aus: Lob Bernd Kauffmanns
Als Bernd Kauffmann vor beinahe einem Jahrzehnt das Kunstfest gründete, stand seiner hochgradig ausgeprägten, gebildeten und weltgewandten Großzügigkeit ein krudes, ungestaltetes, freiflächiges Weimar zur Verfügung, in das hinein er die richtigen Aufführungen setzen konnte. Unabhängig der Tatsache, dass er damit gleichwohl eine Art Gentrifizierung einleitete, die in kleineren Städten schlicht nicht so umkämpft ist, haben seine Nachfolger keine gleichwertige Idee der Stadtbezogenheit entwickeln können, die ebenbürtig der Leistung von Bernd Kauffmann Aufbrüche organisiert hätte. Unabhängig auch der Tatsache, dass Kauffmann über ein aufreizendes Ego verfügte, muss man doch feststellen, dass seine Nachfolger leider nicht über viel mehr als ein Ego verfügten. Kauffmann kannte auf seltsame Weise die Stadt, seine Nachfolger dachten immer sie müssten die Stadt quasi gegen die Stadt erobern. Man kann der Kulturpolitik alle möglichen Vorwürfe machen, auch den im Schatten großer Namen (Wagner) oder redegewandter Dramaturgen-Manager selbst glänzen zu wollen. Aber einen Instinkt haben sie, die Stadtpolitiker, sie wissen, was "funzt", wo der Funke entsteht. In Weimar sind das,das mag man ja kaum für sich genommen bedauern, seit Jahren das Spiegelzelt und eine auf eigene Ressourcen bauende Politik zwischen Literatur- und Bibliothekspflege und seit Jahren mit vollem Bewusstsein von Welthaltigkeit agierende Kinos und Galerien. Deren Kraft finanziell zu unterstützen sollten sich die Verantwortlichen vornehmen, wenn es darum geht, in das zu investieren, was wirklich wichtig ist.
Kunstfest Weimar vor Aus: Kauffmanns Vorteil
#9 ich kann Ihnen in den meisten Punkten beipflichten, jedoch ist Ihnen ein wenig die Zeitrechnung abhanden gekommen. Bernd Kauffmann hat das Kunstfest 1993 übernommen, es wurde 1990 gegründet. Mit Perspektive auf das Kulturstadtjahr 1999 hatte Kauffmann einen unglaublichen Etat zur Verfügung, mit dem er die wichtigsten internationalen Künstler nach Weimar holte. Allein die Gastspiele im Tanzbereich waren allererste Liga. Nike Wagner hatte schon einen bedeutend geringeren Etat, der später noch mehr reduziert wurde, man möchte sagen, gen Bedeutungslosigkeit.


(Anmerkung der Redaktion: Mehr Informationen zur Geschichte des Kunstfests Weimar hier http://www.kunstfest-weimar.de/ueber-uns/kunstfest/#jostartdatum)
Kunstfest Weimar vor Aus: Spiegelzelt-Kleinkunst
#9
Wobei man ehrlicher weise sagen muss, dass das Spiegelzelt Kleinkunst aus dem düsteren Herzen beflissener Spiessbürger macht, die von einem ebenfalls redegewandten, selbsternannten Intendanten nach Weimar gebracht wurde, der sich vergeblich um die Leitung des Kunstfestes beworben hat (und vor kurzem auch in seiner Bewerbung um das Oberbürgermeister- Amt scheiterte). Dass dieser Mann gleichzeitig jahrelang im Stadtrat, im Kulturausschuss der Stadt, im Aufsichtsrat des Nationaltheaters etc. pp. saß, zeugt davon, dass in Weimar nur überleben kann, wer sich mit der Politik verquickt.
Daran hat Kauffmann gelitten, der wohl das beste Kunstfest machte, auch Nike Wagner, die ebenfalls ein klasse Programm mit den Schwerpunkten klassischer Musik und Tanz machte..... Dass es jetzt mit dem Kunstfest nicht klappt und dass es bei den Menschen der Region nicht funkt, liegt eben daran, dass etwas wiederholt wird, was überall im Lande stattfindet, ein austauschbares Freie Szene Repertoire.....
Im übrigen ist die Causa Kunstfest im Stadtrat erst einmal vertagt worden. Was wiederum heisst, dass auch die Debatte um mögliche Kürzungen des Nationaltheaters noch einmal aufgemacht werden wird..... In Weimar wird eines gegen das andere aufgewogen, so war es schon immer. Und die Stadträte dort geben den Kulturinstitutionen ständig das Gefühl, sie müssen selbst ihr eigenes, letztes Hemd hergeben.
Kunstfest Weimar vor Aus: Präzisierung
Lieber Peer,
wie unsere Thüringen-Korrespondentin auf Nachfragte präzisieren konnte, war Martin Kranz bei der OB-Wahl 2012 angetreten, hat sich danach aber weitgehend aus der Politik zurückgezogen. Das Kunstfest Weimar hat Kranz ein Jahr lang geleitet, 2003, zwischen Kauffmann und Nike Wagner.
Mit besten Grüßen, Anne Peter / Redaktion
Kunstfest Weimar vor dem Aus: Es lebe die Thüringer
Liebe Anne Peter,

das ist fast richtig.
Richtig ist, dass sich Kranz 2012 vergeblich um das Oberbürgermeisteramt beworben hat.
Nicht richtig ist, dass er sich aus der Politik ganz zurückgezogen hat, er bleibt einflussreiches Mitglied der "Bürgerpartei" Weimarwerk. Zurückgezogen hat er sich nach der verlorenen Wahl aus dem Stadtrat.
Nicht richtig ist, dass er die Intendanz des Kunstfestes inne hatte,
interimistisch hatte sie Hellmuth Seemann, der Chef der Klassikstiftung, der sie Kranz zur Organisation und Durchführung übertrug. Das Programm hat Seemann gemacht.
Richtig ist auch, dass er, Kranz ein Kleinkunstfest mit einem Zelt in der Stadt veranstaltet, und sich darin zum Intendanten (ohne Theater und Ensemble) ernannt und - für die gesamte Stadt Weimar peinlicherweise - in einem goldenden Rahmen abgelichtet hat.
Richtig ist, dass Theater zu erhalten und die Staatskapelle und sie nicht einer Fusion mit Erfurt zu opfern. Deshalb sollten die Mittel auf das konzentriert werden, was wichtig ist.
Das Kunstfest wird vergehen und in einigen Jahren wird sich niemand mehr daran erinnern, ausser vielleicht an Bernd Kauffmann, dem von wildgewordenen Weimarer Fleischern eine Wagenladung Würste ins Büro geschüttet wurden, weil er die Reichweite der Bratwurststände drastisch einschränken wollte. Das gefiel weder den Fleischern, noch der Stadt. In Weimar gilt noch immer das Leitmotiv: Bratwurst für alle.
Nike Wagner hat sich später girliehaft mit einer Bratwurst abfotografieren lassen und das Bild zu ihrem Label gemacht. Dabei träumte sie bereits von den Häppchen in Bayreuth. Statt dessen ist sie jetzt in Bonn und kümmert sich statt um Wagner um Beethoven, Bernd Kauffmann ist in Wolfsburg (Movimientos) und richtet mit Mitteln eines kriselnden Autokonzerns ein Tanzfestival aus, Hasko Weber, der Dresdner Schauspieler, ist über einen Umweg in Stuttgart (mit einer Faust dem Dach) endlich im Nationaltheater angelangt um dort den Faust auf die Bühne zu bringen (die Montage der Faust auf dem Dach hat die obere Denkmalbehörde, oder war es die untere? nicht gestattet) und Herr Kranz ist immer noch im Spiegelzelt und serviert Schnitzel und Bratkartoffeln der eigenen Catering-Firma zu leicht verdaulichen Kleinkunst-Häppchen. Denn letzteres wird es in zwanzig Jahren noch geben, während von Kultur sicher nichts mehr übrig sein wird.
Es lebe die Bratwurst!
Und natürlich das Schnitzel auch.
Kunstfest Weimar vor dem Aus: Dank
Lieber Peer,
vielen Dank für die Richtungstellung in Sachen Leitung des Kunstfestes 2003, die in der Tat – unser Fehler – Hellmut Seemann inne hatte.
Beste Grüße, Anne Peter / Redaktion
Kunstfest Weimar: Männerwirtschaft
Liebe Anne, lieber Peer,
was hat das alles mit dem eigentlichen Thema zu tun?
Hier steht ein Kunstfest zur Debatte, das mit großen Start- und Identifikationsproblemen zu kämpfen hat. Wenn der jetzige Leiter des Kunstfestes und dessen Intendant, Hasko Weber, es nicht geschafft haben, das Kunstfest ordentlich zu platzieren, so dass es nicht in Frage gestellt wird, dann kann das doch nur zwei Gründe haben.
(...)
Das Kunstfest abbauen, oder besser: den Leiter des Kunstfestes durch einen neuen Leiter ersetzen, besser noch eine Leiterin, weil es in der Weimarer Männerwirtschaft: Intendant: Mann, Operndirektor: Mann, Generalmusikdirektor: Mann, Leiter des Kunstfestes: Mann, die Riege der Hausregisseure: alles Männer.
Warum auch anders: der Kultusminster und Aufsichtsratsvorsitzende, ein Mann, und dessen Stellvertreter, der Weimarer OB, ein Mann.
Bereits Hasko Webers Vorgänger: Märki und Schmidt - in Weimar sind immer nur Männer an der Spitze.
Bitte ändern oder streichen!
Kunstfest Weimar: Prioritäten
Liebe Hannah Ricardo,
was ist die Alternative? Alle Stellen mit Frauen zu besetzen doch sicher nicht. Aber ich verstehe ihre Argumente. Wobei man das Modell Märki/Schmidt nicht mit dem jetzigen am Theater Weimar verwechseln darf.
Soweit ich mich erinnere, haben damals im Schauspiel und zu großen Teilen in der Oper fast nur Frauen inszeniert, wenn man einmal von den grandiosen Regiearbeiten Thomas Thiemes (Baal, Dirty Rich) und Tilman Köhlers (Der Drache, Othello, Faust und Krankheit der Jugend) absieht. Das waren Arbeiten, die - wenn nicht zum Theatertreffen eingeladen - immer auf den Shortlists für große Theaterpreise standen.

Das Theater muss ohne Zweifel gestärkt werden. Es geht um den Erhalt des Ensemblebetriebes, um eine Art kulturelles Gedächtnis, und natürlich auch um Stellen. Das Kunstfest ist ein Kunstfest. Es kann in einigen Jahren wieder aus dem Boden gestampft werden, wenn mehr Geld da ist. Im Moment geht es um andere Prioritäten, oder?
Ein Theater muss erhalten werden, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Jede Stelle, die verloren geht, ist für immer verloren. Nie wieder ist in Deutschland eine Sparte wiederaufgebaut worden, nachdem sie einmal abgewickelt war.
Kunstfest Weimar: gehört beides zusammen
Hier geschieht doch gerade genau das, was geschehen soll... man spielt die Finanzierung des DNT und die des Kunstfestes gegeneinander aus und sagt stumpf - wie im ARD Herzblatt-: "Nun liebe Susie, jetzt musst du dich entscheiden..."

Aber ich will mich überhaupt nicht entscheiden... ich bin seit Weber wieder begeisterter Theatergänger in Weimar! Ich sehe ein tolles Ensemble, gut inszenierte Klassik (Maria Stuart, Faust II, Sommernachtstraum), aber auch Uraufführungen, die überraschen ("Nashorn", "Luft nach oben", "Kain"), was ich in der Mischung großartig finde!

Das Kunstfest bietet einmal im Jahr all das, was ein Stadttheater zumeist gar nicht leisten kann... zeitgenössische Tanzproduktionen, Performatives, Internationale Co-Produktionen ("Mein Kampf", She She Pop, GöteborgsOperans Danskompani, ...)

Kunstfest und DNT gehören seit ein paar Jahren zurecht zueinander, bilden sie doch zwei Seiten ein und derselben Medaille...

Kultureinrichtungen nur zu erhalten ist schon schwierig, aber ich bin sicher, dass in fünf Jahren niemand im Stadtrat oder sonst wo sagen wird: Lass uns doch ein paar Hunderttausend Euro für ein neues Festival ausgeben...
Was jetzt gestrichen wird kommt nicht wieder zurück!

In der ganzen Debatte wird außerdem ständig über die Finanzierung der "Hochkultur" geredet... Entschuldigung, aber das impliziert doch wirklich den Klassenkampf in der Gretchenfrage sämtlicher Haushaltsdebatten: "Freibad oder Theater... nun liebe Susie, jetzt musst du dich entscheiden".

Ich habe keine Lust mehr auf diese stumpfsinnigen Neiddebatten. Um das Kunstfest zu stärken sollte man ihm mehr Budget einräumen, um mehr Künstler mit internationaler Strahlkraft zu verpflichten... das Kunstfest ganz zu streichen verschafft ihm, Weimar oder Thüringen nicht wirklich mehr Strahlkraft, oder irre ich mich da?
Kunstfest Weimar: Musiktheater gehört in die Stadt
Herr Finn Nolting,
Sie vergessen die Oper und die Staatskapelle, haben Sie denn vergessen, dass die Oper gestrichen wird und die Kapelle verkleinert, wenn der Stadtrat keine Lösung finden wird, die Finanzierungsfrage zu klären. Das Kunstfest ist das kleinste Opfer, weil es niemandem wehtut, niemanden, glauben sie mir, ich lebe in Weimar, und ich weiß auch nicht von welcher Medaille sie reden, ich sehe hier keine.

Und solche Produktionen, wie Mein Kampf, die können Sie sich doch in Weimar schenken, das hatte doch keinen Exklusivitätscharacter, man konnte sich die teure, viel Geld verschlingende Produktion dann schon kurze Zeit später in berlin und sonstwo anschauen. Unter Nike Wagner hat Weimar geglänzt. Es gab so wunderbare Musik zu hören, die Menschen sind gekommen.

Und wo ist die Oper in ihrer Argumentation, die ist endlich deutlich besser geworden, seit dem Weggang von Wiegand, der die Weimarer Oper in den letzten Jahren vor dem Wechsel hat vor sich hindümpeln lassen. Da gab es keine großen Produktionen von Format, wie bei Wiegands Vorgänger, der den Ring produziert hat.
Während ich beim Schauspiel Ihren Punkt nicht sehe, weder der Faust, schon gar nicht Wallenstein sind dort angekommen. Das waren nicht die Vorzeigeproduktionen die man angekündigt hat.
Unter der Intendanz von Webers beiden Vorgängern gab es doch einen Faust von Tilman Köhler (Herr Peer hat dies angedeutet), der atemberaubend war.

Es geht um den Erhalt unseres Theaters in Gänze, unser Musiktheater gehört in diese Stadt Weimar, wie auch unsere Kapelle, die sich überregional große Meriten verdient und zu einem Kulturbotschafter wird. Das Schauspiel muss allerdings endlich besser werden. Einen so einseitigen Spielplan hatten wir selbst unter Beelitz nicht.
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