Ein deutliches Zeichen gegen Rechts

Bautzen, 19. Mai 2016. Am gestrigen 18. Mai gab der Landesverband Sachsen im Deutschen Bühnenverein bekannt, sich anlässlich der Eröffnung des 9. Sächsischen Theatertreffens in Bautzen explizit von Fremdenhass zu distanzieren und "für den humanistischen Auftrag der Kunst" einstehen zu wollen.

In der sogenannten "Bautzener Erklärung" heißt es: "Die Stadt (Bautzen) hat als Hauptort und Sitz der nationalen Minderheit der Sorben wie keine andere in Deutschland Erfahrung im Miteinander unterschiedlicher Kulturen und gelungener Integration ohne identitätsverlustige Assimilation. Die Stadt hat durch einen riesigen Flüchtlingsstromzur Zeit der Reformation und Gegenreformation eine historische Erfahrung im Miteinander von Kulturen."

Im weiteren Verlauf der Erklärung geht der Landesverband auch auf den unlängst in Bautzen stattgefunden habenden Brandschlag durch Neonazis und die darauffolgende Antwort des Sorbischen Volkstheaters ein, das "noch im Brandgeruch Frischs 'Biedermann und die Brandstifter' spielte und damit den aufrechten Bürgern eine ermutigende Stimme gab". Ebenfalls geht der Landesverband auf die diversen eindeutigen Positionierungen der sächsischen Theater gegen die mutwilligen Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte, gegen Pegida und gegen Fremdenfeindlichkeit im Allgemeinen, ein. Dieser Abschnitt der "Bautzener Erklärung" endet mit einem aber: Obwohl jede dieser Bekenntnisse, Wortmeldungen, Zeichen oder Aktionen auf eine unveränderte Position der Kunst für Menschenwürde und gegen Ausgrenzung (..) zurückzuführen ist, scheint es dringend geboten, dass sich diese Gemeinsamkeit auch konzentriert deutlich und klar artikuliert." 

Ihr gemeinsames Anliegen formulieren die Theater Sachsens zum Abschluss der Erklärung in neun Punkten, die wir hier in voller Länge präsentieren:

 

  1. Die Theater und Orchester stehen mit ihrer Kunst für eine offene Gesellschaft, in der die Achtung und Wahrung der Menschenwürde nicht nur für den Staatsbürger sondern auch für Menschen Gültigkeit hat, die aus anderen Kulturkreisen kommend hier leben oder die Rettung und Hilfe suchend vor Krieg und Verfolgung fliehen.

  2. Die Theater und Orchester stehen mit ihrer Kunst für eine humanistische Grundposition ein, durch die der Mensch als Mensch und nicht als durch Vorurteile geprägter Träger von angeblich fremden Weltanschauungen, Dogmen und Moralvorstellungen angesehen wird.

  3. Die Theater und Orchester geben durch ihre Kunst ein Beispiel für das Glück, das unserer Kultur durch die Aufklärung geschenkt wurde, und stellen deren ästhetische Ausprägung als Beispiel dar, wie unterschiedliche Religionen oder Weltanschauungen im Lessing'schen Sinne über duldende Toleranz hinausgehend ihre gemeinsamen Schnittmengen finden und nutzen können.

  4. Die Theater und Orchester werden ihre besondere Aufgabe erfüllen, gerade in einer für lange Zeit durch eine geschlossene und weitgehend zwangshomogene nationale Struktur geprägten Gesellschaft dafür zu sorgen, dass Interesse und Neugier an dem jeweils Anderen wachsen, durch Vorurteile potenzierte Angst und durch Ignoranz bedingtes Misstrauen zurückgedrängt und beseitigt werden und die Chance zu neuer Offenheit endlich umfassend genutzt wird.

  5. Die Theater und Orchester betrachten die Forderung nach Integration nicht als Einbahnstraße, wobei das Erlernen der Sprache, in der auch die Kunst zum Mit- und Nachdenken einlädt, eine von den Neubürgern zu leistende Grundvoraussetzung ist. Integration wird nur durch die Bereitschaft des Interesses für die Kultur des anderen und durch die Möglichkeit ihrer Ausübung und Durchdringung mit der unseren sinnvoll.

  6. Die Theater und Orchester verstehen sich als Initiator, Impulsgeber und Performer künstlerischen Erlebens, das ausgehend vom kleinsten gemeinsamen Nenner – Toleranz – Anstand und Würde im Umgang miteinander als Grundprinzip der Begegnung von Kulturen anmahnt, beispielhaft vorlebt und fördert. Sie sehen sich als Laboratorium, in dem sich Leben und Visionen auf der Bühne widerspiegeln und zum Ausgangspunkt der Diskussion über ästhetische Prozesse und ihre Wirkung werden.

  7. Die Theater und Orchester verteidigen die Freiheit der Kunst als demokratische Auseinandersetzung und mutigen Meinungsstreit, dessen Vielfalt und Schärfe weder zensiert noch behindert werden darf - weder durch Selbstzensur noch durch hinzukommende Wertvorstellungen, Dogmen und Moralnormen. Die Bühnen setzen ihr Freiheitsprinzip mit Respekt und Achtung, mit Selbstbewusstsein als Träger der durch die Aufklärung geadelten hier tradierten Moralnormen und mit vorurteilsfreier Neugier auf Neues um.

  8. Die Theater und Orchester wenden sich mit aller Entschiedenheit gegen jene PEGIDA-"Spaziergänger", die sich hinter der Maske der Sorge versteckend bereits jetzt dafür gesorgt haben, dass man über den Freistaat nicht mehr staunend als Kulturland spricht sondern ihn als Synonym für dumpfe, brutale, gehässige und vor allem mitleidslos egoistische Positionen versteht, deren primitives Vokabular sich über die Medien vor allem in sächsischer Mundart verbreitet. 

  9. Die Theater und Orchester unterstützen Initiativen, den Dialog zu brennenden Fragen demokratisch zu führen und auf der Grundlage der Akzeptanz der Würde des Menschen auch auf den Bühnen oder in den Räumen der Kultureinrichtung zu ermöglichen. Sie werden es aber nicht zulassen, ihre Räume, ihre Gebäude, ihr Umfeld und ihr Image zu antidemokraischen und inhumanen Propagandazwecken zu nutzen. Sie fordern nachdrücklich, die Unerträglichkeit zu beenden, den Kunst- und Kultureinrichtungen zuzumuten als Kulisse für Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Rassismus und Menschenverachtung missbraucht zu werden.

  10. Die Theater und Orchester stellen die große Potenz und Kraft ihrer Kunst in den Dienst der dringend notwendigen ästhetischen Bildung, die nicht nur die zu uns kommenden Menschen mit unserer Sprache und Kultur in Berührung bringen, sondern auch den "Einheimischen" jene Horizonte öffnet, die für ein aufeinander Zugehen zum Kompass und Impuls werden könnten. Sie fordern eine gesetzliche Regelung der Integration, in der die verwachsenen und einseitig fordernden Interpretationen in Richtung wechselseitiger Verantwortung konkretisiert werden. Die kulturelle und ästhetische Unterstützung der Kunst und ihrer Zugangschancen soll dabei durch unsere konzeptionelle Mitsprache verpflichtend angeregt werden.

(Deutscher Bühnenverein – Landesverband Sachsen/ sae)

 

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