Im Kulturkampf

29. Juni 2016. Der Streit tobt erbittert. Chris Dercon soll im kommenden Sommer die Volksbühne am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz als Intendant übernehmen. Dercon, ein Museumsmann, ein polyglotter Elegant, den sogenannten Panzerkreuzer am Luxemburg-Platz, irgendwie das Bollwerk der Theaterlinken, auch wenn der Kapitän gelegentlich im Keller Ernst Jünger liest und die Antisemiten Carl Schmitt und Louis-Ferdinand Céline zitiert. Kulturkampf-Stimmung in Berlin, Berlin-Bashing im bundesdeutschen Feuilleton.

Von Esther Slevogt, Christian Rakow, Sascha Ehlert, Elske Brault, Nikolaus Merck, Dirk Pilz, Sophie Diesselhorst, Wolfgang Behrens, Falk Schreiber, Thomas Rothschildt, Esther Boldt, Katrin Ullman und Alexander Kohlmann.

"Verkauft" bannert die Volksbühne am Rosa-Luxemburgplatz © Nikolaus Merck

29. Juni 2016. Es gibt Gründe genug, sich herauszuhalten. Aber die Widersprüche treiben um. Dabei hat die Redaktion von nachtkritik.de überhaupt keine einheitliche Meinung, wie auch bei elf Redakteur*innen und vielen, vielen prägenden Autor*innen-Persönlichkeiten. Aber natürlich gibt es Positionen, einige werden hier präsentiert. 

Sehnsucht nach dem ganz Anderen | 25 Jahre, ein Wimpernschlag | Eine Position, die fehlen wird | Frank Castorf weine ich nicht nach | Die Befreier | Unsere Sowjetunion | Die reine Dialektik | Involution Kategorischer Imperativ | ZornesröteAm Jägerzaun | Ein Hauch von Cool | Für immer Punk? | Die Legende braucht keinen Ort

 

Sehnsucht nach dem ganz Anderen

von Esther Slevogt, Berlin

29. Juni 2016. Ich mag von Debatten nicht in Geiselhaft genommen werden, und diese Debatte ist hysterisch und teilweise verleumderisch. Ein Intendantenwechsel nach einem Vierteljahrhundert, das ist doch kein Skandal. Das denke ich einerseits. Und doch finde ich die Debatte in ihrer Pathologie bezeichnend. Denn an diese Debatte scheinen sich auch jede Menge allgemeiner Ängste vor Zukunft und Identitätsverlust anzudocken. Dies mit "German Angst" abzutun, wie es die künftige Programmdirektorin Marietta Piekenbrock vor einem Jahr im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung tat, verkennt wohl nicht nur diese Ängste selber, sondern auch die Bedeutung der Volksbühne für diese noch immer verwundete Stadt. Wo nix zusammen wuchs, weil nichts zusammen gehörte, und nur eine Geschichte über die andere gestülpt worden ist. Wo irgendwie die trostlose Geschichtslosigkeit der Bonner Republik sich ausbreitete, und es am Ende wesentlich die Volksbühne war, die eine "Sehnsucht nach dem ganz Anderen" bewahrte, um mal den Titel eines berühmten Interviews mit dem Philosophen Max Horkheimer kurz vor seinem Tode auszuleihen. Denn von dieser Sehnsucht lebt nicht nur das Theater.

Warum gerade dieses Theater?

So sieht, was sich hier in Berlin gerade ereignet, nach einer Tragödie aus, wie sie in der Volksbühne so ironiefrei niemals auf die Bühne gekommen wäre: so nackt, traurig, trostlos und ohne reflexive Schleife. Wie es scheint, erleben wir hier nämlich gerade, wie einer Stadt ein Theater aus dem Herzen gerissen wird. Wohin man kommt, prägen Sorgen um die Zukunft dieses Theaters auch viele Privatgespräche. Selbst meine jüngste Tochter, die noch gar nicht geboren war, als Frank Castorf Intendant am Rosa-Luxemburg-Platz wurde, sagt: "Warum dieses Theater, das einzigartig ist? Das einzige, das glaubwürdig und authentisch ist und wo auch junge Leute hingehen. Warum haben sie sich für Dercon kein langweiliges Theater ausgesucht?" Nun könnte man natürlich sagen: alles nur Theater. Stellt euch doch nicht so an. Mit dem Slogan "Gebt uns ein Leitbild!" hatte die Volksbühne in den 1990er Jahren die Stadt plakatiert. Um dann mit ihrer Kunst vorzumachen, wie man zu sich selber kommen und sein eigenes Leitbild werden kann.

Die Bildende Kunst ist längst tot, vom Markt ausgesogen und um ihren existenziellen Kern gebracht. Das Theater erstickt sich selbst zunehmend mit Pädagogik und Sozialarbeit. Die Volksbühne hat lange gezeigt, dass Kunst auch transzendentale Dächer bauen kann. Jetzt fürchtet man Ruhrtriennale-Ästhetik-Bombast, unendlichen Kunstspaß, Salzburger Festspielpomp und Circumstance. Darüber mag sich vielleicht die Kreativwirtschaft freuen. Ich freue mich nicht.

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25 Jahre, ein Wimpernschlag

von Christian Rakow, Berlin

29. Juni 2016. Früher oder später, wenn Gespräche über die Volksbühne so richtig in die Sackgasse geraten, fällt dieser Satz; ich hörte ihn erst unlängst wieder in München: "Weißt du, nach 25 Jahren muss auch mal Schluss sein." Mich wundern solche Pauschalismen. Nicht nur, weil sie auf alle möglichen Belange passen ("Weißt du, nach 43 Jahren muss auch mal Schluss sein." #brexit). Sondern weil ich das Gefühl habe, dass mit Intendanzen wie mit Institutionen Schluss sein sollte, wenn sie nicht mehr gut sind.

von einem der auszog 280 leonoreblievernicht hMartin Wuttke, Lilith Stangenberg und der Wal in René Polleschs und Dirk von Lotzows Oper "Von einem, der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte" © Leonore BlievernichtZum Guten der Volksbühne gehört, dass man von ihr lernen kann, das reale Leben nicht durch abstrakte Begriffe zu deckeln. Wer von "Seele" oder "Geist" spricht, der verliert die Arbeitsbedingungen aus dem Blick, unter denen der Mensch sein "Selbst" produziert. "Seele" ist "Mehrwert", so lehrt es René Pollesch, einer der Protagonisten des Hauses. In der Volksbühnen-Debatte aber vernehme ich plötzlich nur noch abstrakte, geistlich-gespenstische Begriffe: Der Aufschrei einiger Intendanten um Claus Peymann und Ulrich Khuon im letzten Frühjahr diente vielen Kommentator*innen zur groben Schematisierung: Alt gegen Jung, Ancien Regime Castorf gegen neue Flexibilität Dercons. Das war schon mit Blick aufs Alter der Protagonisten empirisch nicht haltbar. Machte aber nichts. Die globale Gegenüberstellung besorgte immerhin, dass die Debatte um die Leistungsfähigkeit des Repertoire- und Ensembletheaters gegen Produktionshäuser schnell narkotisiert wurde.

Die dürren Zeiten sind vorbei

Inzwischen erscheint mir der Begriff des Alten gegen den des "Museums" getauscht. Castorf wird als Monument weggelobt. Mitunter, wie in der Süddeutschen Zeitung, winkt man noch seinem "Piratenschiff" Volksbühne zu, das irgendwo in der untergehenden DDR abgelegt habe und dann durch die zunehmend glatten Gewässer der Berliner Republik schipperte. Once upon a time, so die Message, wir lauschen den Kamin- oder Kantinenstories from the good auld days. Die charmierende Erzählung vom wackeren Störtebecker-Dissidententum verhindert erneut die konkrete Strukturdebatte ebenso wie die Frage, welchen Ort die Volksbühne eigentlich im intellektuellen und ästhetischen Koordinatensystem Berlins einnimmt.

Es hätte Zeiten gegeben, irgendwann nach 2003, als ich bedenkenlos einen Schlussstrich unter der Ära Castorf akklamiert hätte. Es waren die Jahre, als ich mit Freunden im Rang ganze Aufführungen wie "Meine Schneekönigin" durchschwatzte, weil sich das Geschehen unten auf den Brettern in aggressiver Hermetik in sich selbst verkapselt hatte. Die dürren Zeiten sind seit 2009 vorbei, seit Castorf mit Der Spieler zu Dostojewski zurückkehrte. Es folgten René Polleschs Neujustierung seines Theaters mit den Fabian-Hinrichs-Solos (Ich schau dir in die AugenKill your Darlings), das stilbildende Gesamtkunstwerk John Gabriel Borkman von Vegard Vinge / Ida Müller, die Entdeckung der konkreten Bühnen-Poesie in der Tradition der Wiener Moderne durch Herbert Fritsch, und – um mal den Blick von der Regie wegzurücken – zahllose Auftritte einzigartiger Schauspielerinnen wie Lilith Stangenberg oder der unvergessenen Maria Kwiatkowski. Fünfundzwanzig Jahre ebenso wie sieben Jahre können eine lange Zeit sein. Oder ein Wimpernschlag.

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Eine Position, die fehlen wird

von Sascha Ehlert, Berlin

28. Juni 2016. Die Diskussion um die Volksbühne ist eine, die ich aus zweierlei Hinsicht nicht objektiv-distanziert betrachten kann. Erstens: Ich bin gebürtiger Berliner, also ohnehin sensibilisiert für jene Aufwertungsprozesse, die prekären und anti-bürgerlichen Existenzen zunehmend die Luft abschneiden. Logisch, für diese Feststellung wird ein Münchner nur ein müdes Lächeln übrig machen, auf der Maximilianstraße ist ein Leben außerhalb des engen Korsetts des gesellschaftlich Gewünschtem eben kaum mehr denkbar. Was für ihn nach Utopie klingt, war hier allerdings jahrzehntelang die Regel – weshalb auch nicht theateraffine Berliner verstehen, warum es einen persönlich angeht, was über die neue Volksbühnen-Leitung verlautet wird.

PK Dercon 280 chr uPressekonferenz zur Vorstellung Chris Dercons
im April 2015, links Berlins Kultur-Staatssekretär Tim Renner © chr
Ich verstehe auch gut, warum sich außerhalb der Stadt mancher sogar freuen wird, wenn einer der letzten Anarcho-Spielplätze in Berlins Mitte endlich geplättet und in die Zukunft gebracht, ergo: schick gemacht wird. Die Hauptstadt-Fixierung der kulturellen Sphäre nervt natürlich. Letzten Endes ist das nichtsdestotrotz eine CSU-Position.

Katharsis durch Zerstörung

Was den drohenden Verlust dieses angesifften Hauses und verschworenen Haufens für mich persönlich noch schmerzlicher macht: Ohne diese Leute, die jetzt noch da arbeiten, würde ich diesen Text hier nicht schreiben. Ja, natürlich ist es so, dass ich linker Journalisten-Heini mich aufgrund dieses Hauses ins Theater verliebt habe. Welches Haus sollte es auch sonst sein? Die Zitat-getränkten Pop-Collagen von Pollesch als Einstiegsdroge, die langen Castorf-Nächte als heilsame Exzesse, die einen vor der Kunst- und Mut-Losigkeit dieser Zeit retten. Beide prägten für mich auch das Verständnis dessen, was ich im Theater suche: Katharsis durch Zerstörung. Bei Pollesch sind es die Sprache, die Wehwehchen der schönen Berliner und die Liebe, bei Castorf die Zeit, die Konzentration, das Zerpflücken der großen Romane der Weltliteratur. All das ist längst so cool geworden, dass es schon beinahe wieder cool ist, diese Volksbühnen-Kunst als altbacken und auserzählt abzutun und kurz vor dem K.O.-Schlag ein letztes Mal in die Ring-Ecke zu schicken. Aber ich gönne Castorf und seiner Mannschaft gerne, dass sie heute oft schon bekannte Motive auf die Bühne schicken, das sei ihnen gegönnt, machen ja eh seit jeher gut 90 Prozent aller großen Künstler nicht anders. Dass sie deshalb nichts mehr zu erzählen hätten, sehe ich anders. Künstlerisch wie inhaltlich ist die Volksbühnen-Position eine, die fehlen wird.

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Frank Castorf weine ich nicht nach

von Elske Brault, Baden-Baden

25. Juni 2016. Also, ich wohne nicht in Berlin, sondern in Baden-Baden, ins Theater gehe ich demzufolge in Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe und Freiburg. Ich habe die Volksbühne und ihre legendäre Kantine auch nur ein einziges Mal von innen gesehen, als Dimiter Gotscheff dort "Das große Fressen" inszenierte. Seine Ehefrau Almut Zilcher saß rauchend in eben jener Kantine und rief mit einer wegwerfenden Handbewegung: "Ach ne, ich hab jetzt kein Bock auf ein Interview." Das fand ich großartig, denn eine wegwerfende Handbewegung von Almut Zilcher ist mir allemal mehr wert als eine einstündige Radioaufzeichnung mit Til Schweiger.

Untergang der Theateravantgarde?

Aus meiner fernen Provinz scheint das Gewese um den Führungswechsel an der Berliner Volksbühne wie eine Politposse aus China, und meine Informationen darüber entnehme ich einem Artikel der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung. Da steht, mit Ende der kommenden Spielzeit würden die Inszenierungen von René Pollesch, Christoph Marthaler, Herbert Fritsch und Frank Castorf abgesetzt. Ganz so, als wenn Chris Dercon dann nichts mehr zu senden, Verzeihung, zu spielen hätte und überhaupt der Untergang der Theateravantgarde bevorstünde. Nun ja, René Pollesch bringt alle sechs Wochen an einer Bühne im deutschsprachigen Raum ein neues Stück heraus, und auch Christoph Marthaler bespielt alle Bühnen von Zürich bis Hamburg, wenngleich mit ungleich geringerer Frequenz. Das schlimmste, was den Berlinern blühen könnte, wäre also, dass sie mal die anderthalb Stunden Zugfahrt bis Hamburg auf sich nehmen müssten, um einen neuen Marthaler oder Pollesch zu sehen. So wie ich oft die anderthalb Stunden Fahrt bis Stuttgart mache.

span flie2 8681 thomas aurin uVolksbühne 2011: "Die (S)panische Fliege" von Herbert Fritsch animiert, besagtes Trampolin im Hintergrund  © Thomas AurinHerbert Fritsch und Frank Castorf sind tatsächlich untrennbar mit der Volksbühne verbunden, deren Inszenierungen wird man in naher Zukunft nur noch selten bis gar nicht von Berlin aus erreichen können. Ich weiß bloß nicht, wo da der Verlust für die Theaterlandschaft sein soll. Herbert Fritsch lässt prinzipiell bunt barock kostümierte, grell geschminkte Schauspieler auf ein Trampolin hüpfen, vorzugsweise, bis einer sich ein Bein bricht, dann gibt es nämlich schon VOR der Premiere große Berichterstattung, und Fritschs Inszenierungsstil wirkt GEFÄHRLICH, er kann behaupten, er würde seinen Schauspielern ALLES abverlangen. So was lieben alternde dickbäuchige Theaterkritiker, die nicht mehr hüpfen können und für die im eigenen Leben die größte Gefahr darin besteht, dass der Automatik-Mercedes Baujahr 97 nicht mehr durch den TÜV kommt. Ich für mein Teil weiß jetzt, wie Fritsch-Inszenierungen gehen, sie sehen alle gleich aus, und ich könnte durchaus eine Weile darauf verzichten.

Die größte Gefahr

Die Mammut-Inszenierungen von Frank Castorf versteht außerhalb Berlins keiner mehr. Sie dauern mindestens vier Stunden, haben irgendwie die Russische Revolution zum Thema, sofern es nicht um die Geschichte der Volksbühne geht, was für Castorf, die umwälzende historische Kraft betreffend, ja das Gleiche ist, und es wird auf der Bühne auf jeden Fall kräftig geschrien und mit Blut und Exkrementen rumgeschmiert, damit mausgraue Historientheaterverteidiger wie Daniel Kehlmann einen Grund haben, gegen das "moderne Regietheater" zu wettern. Für den Berliner, der jeden Tag Blut und Scheiße auf seinen Bürgersteigen ertragen muss, ist es bestimmt ganz toll, wenn sich an der Volksbühne die Darsteller darin wälzen, denn der Berliner kann sich dann sagen, dass er lebensbejahend mit diesen Ausflüssen umgeht, sein Berliner-Sein beweist sich in der Art, wie er Gestank und Kot als Teil des Großstadtlebens akzeptiert. Der dumme Stuttgarter Provinzler hingegen mit seinen in der Kehrwoche blank geputzten Bürgersteigen erwartet bei seinem abendlichen Theaterbesuch doch tatsächlich, inhaltlich irgendetwas zu verstehen, und da ist bei Frank Castorf Fehlanzeige. Fazit: Für Berlin ist ein Ende der Castorf-Inszenierungen ein Verlust, für den Rest der Republik nicht.

Der Reporter der Süddeutschen hat aber mit der Warnung vor dem Ende aller Castorf- und Fritsch- und Pollesch- und Marthaler-Abende in Berlin noch nicht sein Pulver verschossen. Denn das Herzstück jedes Theaters ist bekanntlich – na? – jaaa, die Kantine, und die größte Gefahr für die Volksbühne besteht darin, dass Chris Dercon dort das Rauchen verbietet. Oder die Kantine – Zitat: "deprimierendes DDR-Design", vom verstorbenen Bühnenbildner Bert Neumann "mit Bedacht über die Zeit gerettet" - umdekoriert. Ach nein, so blöd ist der Mann doch nicht. Er wird nur die eine Hälfte streichen. Das nennt man Dialektik. Oder Dia-paint-ik. Jedenfalls nicht Weltuntergang.

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Die Befreier

von Nikolaus Merck, Berlin

28. Juni 2016. Die erste Begegnung mit dem Castorf-Theater kann ich genau datieren. Am 30. April 1990 sahen wir "Das trunkene Schiff" von Paul Zech im 3. Stock der Volksbühne. Die Inszenierung stammte aus dem Herbst 1988, gut ein Jahr vor Mauerfall handelte es sich um Frank Castorfs Sieg über die müd' gewordene DDR, die ihn jahrelang in der Provinz eingesperrt hatte. Auch die Bundesrepublik (alt) lag ihm in diesem Frühjahr 1990 bereits zu Füßen, Wolfgang Höbel besang Castorfs erste Skandalinszenierungen (West) mit Henry Hübchen und Silvia Rieger in einer Spiegel-Story, Peter Iden, Theaterkritiker der sozialliberalen Frankfurter Rundschau, hätte ihn damals am liebsten aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Henry Hübchen, Cornelia Schmaus und Axel Wandtke pampten mit Mehl und Schlamm und ich notierte mir: "dieses Theater macht Spaß." Was offenbar so bemerkenswert war, dass es lohnte festgehalten zu werden in den Hochzeiten von Luc Bondy, Claus Peymann und kurz nach den späten Tschechow-"Kirschgarten"-Kulminationen des Peter Stein. Die Mauer war gefallen, in Ostberlin herrschte Zwischenzeit und im Theater triumphierte mit Castorf der Rock'n Roll. Castorf Frank 280 c Thomas Aurin xLeicht angegrauter Theaterrevolutionär: Frank Castorf © Thomas AurinIch glaube, die Beatles, Musik meiner Kindheit, hatte ich vor 1990 noch auf keiner Stadttheaterbühne gehört. In Castorfs "Miss Sara Sampson" am Münchner Residenztheater sang Herbert Fritsch 1989 "Why don't we do it in the road", und die Leutchen auf der Bühne stiegen aus ihren Rollen aus und fragten: "Was mache ich hier eigentlich?", genau die richtige Frage angesichts der weitgehend intakt gebliebenen vierten Wand, die im deutschen Stadttheater den Zuschauerraum von der Bühne trennte.

Das Literaturtheater in die Luft gesprengt

Vielleicht erklärt diese Erinnerung ein wenig die Schockstarre, die heute viele Kritikerinnen und Theaterleute befällt bei der Aussicht Ende Castorf-Volksbühne nächstes Jahr. Wie jede Generation ihre Regie-Helden inauguriert, die gemeinsame biographische Erfahrung und Zeitempfinden auszudrücken vermögen, so besingen die (grob gesagt) zwischen 1960 und 1970 geborenen Theater- und Kritikmenschen Frank Castorf. Da nahezu alles, was sich heute auf deutschsprachigen Bühnen abspielt, in krummer oder gerader Linie von Castorfs Ekstasen abstammt, die das bis dahin hegemoniale Literaturtheater in die Luft sprengten, dreht sich der aktuelle Kampf um die Berliner Volksbühne AUCH um eine Generationenerfahrung.

Natürlich hatte es zuvor die Avantgarden gegeben, die Schleef und Karge / Langhoff, Heiner Müller, Pina Bausch, das Living Theatre, you name it, viel früher Erwin Piscator, auf den sich Castorf gerne beruft. Aber bei ihren Theaterkämpfen hatte es sich um Vorhut-Gefechte gehandelt. Um Scharmützel, Castorf brachte die Revolution. Mit ihm endete die Herrschaft des Als-ob-Theaters. Er verlieh dem Lebensgefühl der um 1960 Geborenen endlich auch im Theater Ausdruck. Blockübergreifend in Ost und West. Und gerade darum drehen sich heute die Kämpfe. Das anti-kapitalistisch angehauchte, auf einer namenlosen Utopie beharrende, sich, wenn es sein muss, auch Asphaltboden-und-Sitzkissen-Strapazen der Kunst willig unterwerfende Publikum der 50-Jährigen und die dazugehörigen Kritiker*innen halten fest zu ihrem Helden und dessen Leuten, die sie, ob zu Recht oder Unrecht, als letzte Widerständler betrachten gegen die im Zeichen des hoffnungslosen "Neoliberalismus" strahlende Gegenwart.

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Unsere Sowjetunion

von Dirk Pilz, Berlin

28. Juni 2016. Mit der Volksbühne fing es an, ja. Ich war nie vorher im Theater, dann geriet ich in "Murx den Europäer" von Christoph Marthaler und Castorfs "Clockwork Orange". Die DDR war verschwunden, das geeinte Deutschland nicht begriffen. "Das Theater muss Fehler machen, wenn es mehr sein will, als funktionsloses Anhängsel umlaufender Ideologien", hieß es aus der Volksbühne 1993. Davon spielten sie. Theater, das auf Belehrung verzichtete, das nicht so tat, als wüsste es über alles und alle Bescheid. Rotziges, verstiegenes Theater, Jubel- und Klageschrei gleichermaßen. Castorfs "Frau vom Meer", "Die Nibelungen", "Pension Schöller: Die Schlacht", böse, komische, alberne Abende.

Endstation Amerika 560 Thomas AurinHenry Hübchen, Kathrin Angerer, Bernhard Schütz und Matthias Matschke in "Endstation Amerika" aus dem Jahr 2000  © Thomas Aurin

Was bleibt, was schmerzt

Das entsprach dem Lebensgefühl, meinem Lebensgefühl: endlich der DDR entkommen, doch im Westen nicht zu Hause. Es wohnte in einzelnen Szenen, Stimmlagen. Kathrin Angerer, wie sie die Sätze wippen lässt, als wären es verloren gegangene Sterne. Das Hocken von Henry Hübchen, als ließen sich die Verhältnisse wegsitzen. Das Grinsen von Herbert Fritsch, die Silbenspitzen von Sophie Rois. Die Zeit in Töne gefasst. Es klingt bis heute nach, und noch jetzt schreibe und denke ich über die Volksbühne in anderer Temperatur als über jedes sonstige Theater.

Zur Erinnerung gehören Schmerzen, sie kommen wieder. Es gab an der Volksbühne auch vieles, das weder befreiend noch lustig oder sonst irgend klug war, sondern plump, aufdringlich. Die mit Hakenkreuzen abgeklebten Brüste in "Hotel Lux" von Johann Kresnik (1998), Kathrin Angerer als Pommes-Tüte in Castorfs "Weber" (1997), in seiner "Vaterland"-Inszenierung (2000) sang Silvia Rieger das jüdische Lied "Es brennt, Brüder, es brennt". Davon wollen die Legendenerzählungen über die Volksbühne heute kaum etwas wissen, die Verklärungskräfte versetzen Berge. Demnächst erscheint das Buch "Republik Castorf", Gespräche mit Castorf, Fritsch, Hübchen undsoweiter: durchweg Seligsprechungen der Vergangenheit, Herabsetzungen der Gegenwart. Das genaue Gegenteil dessen, was Volksbühne einmal war.

Die Wende findet in den Köpfen statt

Castorf sagte Mitte der Neunziger: "Die Hoffnung der Volksbühne: weiterarbeiten und hoffen, dass sich diese unsere Sowjetunion nicht zu früh auflöst." Man schmunzelte, man nickte, ich nahm es nicht ernst. Das war ein Fehler. Die Volksbühne ist tatsächlich: Sowjetunion, ideologisches Einheitsgebiet, dogmenfest, leider nicht wendesicher. Sie soll jetzt fallen. Das ist ein Drama für alle Theatersowjetbürger, böses Erwachen, erhofft und befürchtet gleichermaßen.

Wieder ist die Volksbühne damit aber das Symbol und der Ausdruck ihrer Zeit: Die Wende findet in den Köpfen jetzt statt, 27 Jahre danach, in der Volksbühne wie sonst im Land auch. Das Begreifen hinkt den Ereignissen hinterher.

Am 17. Juli wird Castorf 65 Jahre, Rentenalter. Das hätte ich damals nicht für möglich gehalten: Castorf Rentner, die Volksbühne von ihrer eigenen Geschichte eingeholt. Sie träumt jetzt davon, überholen zu können ohne einzuholen. Das wird, vermutlich, nicht gelingen.

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Die reine Dialektik

von Sophie Diesselhorst, Berlin

29. Juni 2016. Ich habe mal eine denkwürdige lange Nacht in der Kantine der Volksbühne verbracht, die damit endete, dass Birgit Minichmayr mich mit einer Bierflasche bewarf, natürlich ohne mich zu meinen. Ich fühlte mich aber doch gemeint und fand das gar nicht lustig. Das lag daran, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt, als die Nacht schon fortgeschritten war, akut entfremdet fühlte von der illustren Posse, die sich hier selbst feierte. Allen voran Dimiter Gotscheff, der als spiritus rector in regelmäßigen Abständen seinen großen Gefallen an der allgemeinen Enthemmung kundtat.

Iwanow Volksbuehne 280 Thomas AurinBenebelt: Birgit Minichmayer und Silvia Rieger in Dimiter Gotscheffs "Iwanow" von 2005
© Thomas Aurin
Die Schauspieler*innen stimmten immer neue Lieder an und zweckentfremdeten immer neue Gegenstände zu Trommeln. Als Gotscheff zum gefühlt hundertsten Mal den Geist dieser "echten großen Kunst" beschwor und – auch zum wiederholten Mal – hinterherschob, dass ihm das Publikum sowieso scheißegal sei, sagte ich trotzig, dass mir die Musik nicht so gut gefiele. Worauf er mich ins Visier nahm, was in einen längeren, nur aus den Worten "Nein – doch – nein – doch" bestehenden Schlagabtausch mündete.

Wir hatten alle schon einige Biere intus, versteht sich von selbst. Mir war klar, dass ich argumentativ schwächelte, aber ich hielt mich trotzdem für heldenhaft meinungsstark. Ich bot dem Großregisseur die Stirn! Während sich mein Freund neben mir über mich lustig machte, der aber ja auch total korrumpiert war davon, dass Gotscheff gerade von seinem "wunderbaren Bariton" geschwärmt hatte.

Der Geist: immer schwerer zu greifen

Ein paar Jahre älter und weiser und Volksbühnen-Zuschauerraum-(nicht Kantinen-)erfahrener finde ich es an der nach Castorfs Absägung und Dercons Ernennung immer wieder auftobenden Debatte seltsam bis unheimlich, wie ein "Volksbühnen-Geist" beschworen beziehungsweise geleugnet wird und genau durch diese hochemotionalen Annäherungen aus allen Richtungen immer vager, immer durchsichtiger, immer schwerer zu greifen ist – als wollten ihn alle, auch die hartnäckigsten Beschwörer, eigentlich zum Verschwinden bringen, bevor sein Haus neu bezogen wird. Nein – doch – nein. Die reine, sinnentleerte Dialektik. Aber natürlich denke ich auch – oftmals als liebende Volksbühnen-Zuschauerin – an diese Kantinen-Situation zurück und dass sie vielleicht sehr viel mehr mit diesem überwältigenden "Geist" als mit mir zu tun hatte.

Damals bin ich übrigens nach dem Bierflaschenwurf nach Hause gehumpelt und war sauer, beworfen worden zu sein und vielleicht noch mehr darüber, nicht gemeint gewesen zu sein. Diese pubertäre Wut, die mich auch nach so manchem Castorf-Abend auf dem Heimweg stärker in die Fahrradpedale hat treten lassen. Ein gutes Gefühl.

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Involution

von Wolfgang Behrens, Berlin

28. Juni 2016. Benno Besson – der Held eines anderen Goldenen Zeitalters der Volksbühne – hat einmal gesagt, die Zeit einer Truppe am Theater währe sieben Jahre. Dann sei das kreative Potential aufgebraucht, die Truppe brauche neue Impulse oder werde auseinandergehen. Folgerichtig verließ Benno Besson die Volksbühne 1977 – nach (ungefähr) sieben Jahren, die er dort in leitender Position verbracht hatte.

ruehle bundesarchiv bild 183 d1005 0016 008 berlin proben moritz tassow bessonBenno Besson (2. v. r.) 1965 bei Proben zu Peter Hacks' "Moritz Tassow" in der Volksbühne. Links daneben sein Assistent Christoph Schroth.
© Christa Hochneder, Bundesarchiv
Wenn Frank Castorf 2017 gehen wird, wird er mehr als drei mal sieben Jahre Intendant der Volksbühne gewesen sein. Er und seine Truppe hatten also alle Zeit der Welt zu ermatten. Und wirklich: Es gab ja immer wieder diese Phasen, in denen die Castorf'sche Volksbühne wie tot wirkte. Aus der Theater-Revolution der 90er Jahre schien da – um einen Begriff des Anthropologen Alexander Goldenweiser zu verwenden – eine Involution geworden zu sein: das starre Festhalten an einem Habitus, der in einem veränderten Umfeld sinnlos geworden war. In solchen Jahren wiederholte die Volksbühne nur krampfhaft das Gestern.

Arbeit an der Verwechselbarkeit

Das eigentlich Sensationelle der Castorf'schen 24 Jahre aber ist, dass sich sein Haus aus diesen Lethargien immer wieder herausstrampeln und der Involution entkommen konnte. Durch ein ständiges Unterlaufen der eigenen Selbstgerechtigkeit – für das paradigmatischer noch als Castorf wohl die großen Toten einstehen können: Christoph Schlingensief und Bert Neumann – zapfte man nach Jahren des Dahindämmerns plötzlich wieder neue revolutionäre Energien an. Weswegen das große Theater oft genug und manchmal überraschend an die Volksbühne zurückkehrte.

Die Angst, die mit dem anstehenden Intendantenwechsel verbunden ist, ist wohl die, dass da keine weitere Revolution kommen, sondern von Vornherein der Geist der Involution Einzug halten werde. Dass ein Produktionsmodell, das anderswo mal revolutionär und erfolgreich war, nun auf ein Haus übertragen werden solle, das dazu vielleicht gar nicht geeignet ist. Dass aus der 24-jährigen Arbeit an der Unverwechselbarkeit nun eine Arbeit an der Verwechselbarkeit (im großen internationalen Maßstab) werde. Wie begründet diese Angst ist, wissen wir nicht, da letztlich von Chris Dercons Plänen zu wenig Konkretes bekannt ist. Wenn aber die Volksbühnen-Mitarbeiter bereits mehr wissen sollten – was nicht auszuschließen ist –, dann mag ihr Aufschrei durchaus seine Berechtigung haben: Denn Verwechselbarkeit braucht's an diesem Haus nicht – und im Grunde nirgends im Theater.

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Kategorischer Imperativ

von Thomas Rothschild, Stuttgart

2. Juli 2016. Es gab Zeiten, da kämpften Unzufriedene, mit und ohne Waffen, gegen genau definierte Missstände, für bestimmte Ziele: gegen Diskriminierung und Verfolgung, für mehr Gerechtigkeit oder für Meinungsfreiheit. Heute wird meist nur vorgegeben, dass solche Ziele angestrebt würden. In Wahrheit geht es um die partikulären Interessen eines größeren oder kleineren Kollektivs. Der Lobbyismus ist an die Stelle des Einsatzes für die Allgemeinheit getreten, der Gruppenegoismus hat das politische Engagement ersetzt. Kants kategorischer Imperativ ist zu einem lächerlichen Relikt einer moralisierenden Vergangenheit verkommen: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."

Chris Dercon Istanbul 2015 280 Daizafu89 CC BY SA 4 0Wohin will die Kulturpolitik mit Chris Dercon als Intendanten für die Volksbühne?
© Daizafu89 CC-BY-SA 4.0
Die Kampagne für den Erhalt der bisherigen Volksbühnen-Konzeption könnte für sich einnehmen, wenn sie nicht so überdeutlich einem Prinzip huldigte, das man sogleich zu verraten bereit ist, wenn andere als die eigenen Belange zur Disposition stehen. Was immer man von Frank Castorf halten mag: einen Klon wird es für seine Nachfolge nicht geben, und gerade, wer Castorfs Einmaligkeit betont, muss das als Bestätigung begrüßen. Was aber nachkommen soll, ist eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Wer für die Volksbühne beansprucht, worauf er anderswo großzügig verzichtet, macht sich der Doppelzüngigkeit oder eben des Lobbyismus verdächtig.

Worüber man sich Klarheit verschaffen muss

Will sagen: nicht um die Volksbühne geht es, sondern um allgemein politische und speziell kulturpolitische Entscheidungen, die sich, beispielsweise, für einen Matthias Lilienthal an den Münchner Kammerspielen nicht generell anders stellen als für einen Chris Dercon in Berlin. Will man ein Ensembletheater, oder will man ein Haus für vazierende Gruppen? Soll die Erhaltung von Arbeitsplätzen höchste Priorität haben, oder sollen sie einer wie immer verstandenen Effizienz geopfert werden? Will man an einem überlieferten engeren Verständnis der Eigen-Art von Theater festhalten, oder will man es öffnen, im Extremfall bis zur Verwechselbarkeit mit Installationen bei Kunstmessen oder Filmfestivals? Will man sich in erster Linie an der Auslastung orientieren oder an ästhetischen Positionen, die auch sperrig sein können und sich erst durchsetzen müssen? Will man die Kopie des vom Fernsehen geprägten Unterhaltungsbegriffs oder eine radikale Gegenposition dazu?

Darüber sollte man sich Klarheit verschaffen, ehe man sich darauf festlegt, was – unter anderem – für Berlin und für die Volksbühne gut ist. Alles andere ist unglaubwürdig.

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Zornesröte

von Andreas Wilink, Düsseldorf

3. Juli 2016. "Und mag ein Teil auch missgestaltet sein, die Wahrheit ist das Ganze." Hat Christoph Schlingensief gesagt. Das ist mein Satz für die Volksbühne der Castorf-Ära. Es blieb in den zweieinhalb Jahrzehnten nach der Wende das einzige Theater, dem es gelang, etwas herzustellen, was für 'Unternehmenskulturen' corporate identity heißt und heute und vielleicht erst recht 2017 als Marketingstrategie verstanden wird. Ansonsten gilt vielerorts, von Düsseldorf bis Wien, dass die Parlamente gleichzeitig mit den Theatern veröden, wie Walter Benjamin schrieb. Das Haus am Rosa-Luxemburg-Platz arbeitet (womöglich auch dank des Namenszaubers) gegen die kollektive Versteppung.

Revolte in unendlicher Spiegelung

Aus dem alten tiefen Westen kommend, roch für mich dieser Osten fremd und auch wiederum gar nicht so fremd. Nicht nur der in Oberhausen aufgewachsene Ralf Rothmann spürte das verwandte Klima. Auch Leander Haußmann, der in Bochum etwas Ähnliches versucht und sein Herz daran gehängt hat. Ohne mir dessen bewusst zu sein, wirkte, gut freudianisch, bei den Besuchen in der und meiner Haltung gegenüber der Volksbühne das Verfolgen eigener Wünsche im Anderen mit. Die Revolte in unendlicher Spiegelung, so dass Spaß und Ernst sich ineinander und aneinander brachen. Indes war es eine gar nicht so ideale Projektion, wenn ich an Castorf selbst denke, mit dessen rotziger Männlichkeit ich nur etwas anfangen konnte, wenn sie sich durch die Maske des Henry Hübchen veredelte. Der Potenzverschleiß, das Unschärfeprinzip, die Mischung aus Authentizitätsbegehren und Fiktionalitätsbewusstsein, die Blockmentalität und ihre Unterwanderung, die riskante Preisgabe der Kontrolle über eigene Gewissheiten – wo gab es das sonst?

Es geht nicht um Verklärung

Wäre Marthalers "Murx" anderswo denkbar gewesen? Der Gotscheff der Volksbühne war anders, als der Gotscheff des DT, obwohl doch Finzi, Koch und Zilcher hier wie dort dabei gewesen sind. Schlingensief konnte nur hier die Erfahrung proben, sich aufs Spiel zu setzen, Fritsch nur hier zu seinen Spielen ohne Grenzen finden. Ich bin in einem Alter, 'Damals' zu sagen – damals, als ich noch eine Telefonzelle aufsuchte, um nach einer Volksbühne-Premiere aktualisierend etwas an die Heimat-Redaktion durchzugeben.

Es geht nicht um Verklärung des Vergangenen, nicht um Verweigerung einer wie auch immer gearteten Zukunft, sondern um den Zorn über das Negieren eines noch nicht (sich selbst) historisch gewordenen Projekts. Als Sartre verhaftet werden sollte, dekretierte General de Gaulle: "On n’arrête pas Voltaire". In sehr locker und weit gebundener Schleife und Ideenassoziation heißt das: Einen Castorf entlässt man nicht.

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hangar flughafen tempelhof 560 fotocommunity AndreasLembke Volksbühne 5:0? Unter einem Intendanten Chris Dercon käme der Flughafen in Berlin-Tempelhof als Spielort dazu. © Fotocommunity.de / Andreas Lembke

 

Am Jägerzaun

von Falk Schreiber, Hamburg

3. Juli 2016. Man darf sagen, dass man es schade findet, wenn die Ära Frank Castorfs an der Volksbühne kommendes Jahr endet.

Man darf sagen, dass man es schade findet, aber, mal ehrlich, nach 26 Jahren Intendanz ist auch mal gut. (Zumal nur eine Intendanz endet, nicht aber die Karriere eines sehr, sehr wichtigen Theatermachers. Die besten Castorf-Inszenierungen sah ich übrigens zuletzt nicht an seinem Stammhaus, sondern in Wien und in Hamburg.)

Man darf sagen, dass man es eine eigenartige Entscheidung findet, Chris Dercon zum Volksbühnen-Chef zu ernennen, einen Ausstellungsmacher, der praktisch keine Theatererfahrung mitbringt.

Man darf fragen, welche Entscheidung denn die bessere gewesen wäre? Einen verdienten Intendanten aus der sogenannten Provinz zu holen, Kay Voges vielleicht, der dann in viel zu großen Schuhen gestanden hätte? Oder eine interne Lösung, René Pollesch als Volksbühnen-Intendant? Die langweiligste, uninspirierteste Lösung überhaupt? Nichts gegen René Pollesch.

Man darf sagen, dass es nervt, wenn Dercon in allen Verlautbarungen, was er denn nun mit der Volksbühne anstellen möchte, unkonkret bleibt.

Man darf fragen, seit wann designierte Intendanten eigentlich lange vor Amtsantritt mit konkreten Plänen an die Öffentlichkeit zu treten haben. Man darf fragen, ob das nicht Zeit hat bis zur ersten Programmpresssekonferenz. Ach ja, die Programmpressekonferenz. Ja, es war doof von Dercon, dafür in seinem Vorbereitungsetat 100 000 Euro zu veranschlagen.

Was man aber nicht darf: eine Diskussion wie die aktuelle führen. Eine Diskussion, geprägt von Ressentiments, Unterstellungen, Dummdreistigkeiten.

Glaubt tatsächlich jemand, ein Kommunikationsprofi wie Dercon würde sich bei René Pollesch einschleimen, indem er ihm mit dem Ausruf "Ich mach' dich weltberühmt!" Honig um den Mund schmiert?

Fragt irgendjemand, was Dercon sich dabei denkt, Englisch zur zentralen Bühnensprache zu machen?

Sieht irgendjemand, dass Beiträge wie "Festivalmist", "Kunstscheiße" und "Eventbude" keine Argumente sind, sondern das Gemotze verunsicherter Spießbürger, deren Horizont am theatralen Jägerzaun endet?

Frank Castorfs Volksbühne war mir immer wichtig. Ein Theater aus dem Geist des Punk, ein Theater, das Grenzen einreißen konnte, ein Theater der Verausgabung, des Exzesses. Ein Theater, auf das ich Jochen Distelmeyers Songtext "Wir sind politisch / und sexuell anders denkend" anwenden konnte. Ein Theater, das es nicht verdient hat, dass jetzt Kleingeister für es streiten, Kleingeister, die weder politisch noch sexuell denken. Sondern nur geifern.

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Ein Hauch von Cool

von Esther Boldt, Frankfurt

7. Juli 2016. Ich habe nie in Berlin gelebt. Ich lebte immer in der sogenannten Provinz. Als ich in Gießen Angewandte Theaterwissenschaften studierte, war Frank Castorf einer der Godfathers, deren Geister über die sogenannte "Wilsonstraße" spukten, unseren Flur. Einige Kommilitonen kamen "von der Volksbühne". Einer lief sein gesamtes erstes Semester im Volksbühnen-T-Shirt herum, was ein bisschen peinlich war, und dennoch wehte ein Hauch von Cool hinter ihm her.

Scheitern ist erlaubt

Heute nun erreichen mich Anrufe erregter Berliner Freunde, die den Untergang des Theaters beschwören. Es erreicht mich das nervöse Rascheln der Feuilletons, das seit über einem Jahr nichts Geringeres als Weltuntergangsszenarien entwirft. Und ich denke, was für Luxusprobleme Berlin mal wieder hat, diese unsere Hauptstadt, die zu den lässigsten auf Erden gehören soll und sich doch so wichtig nimmt. Es soll – nach 25 Jahren – einen Intendanzwechsel geben. Seitdem ich hauptberuflich über Theater schreibe, habe ich im Rhein-Main-Gebiet acht Intendanzwechsel miterlebt, und im kommenden Jahr wird auch Schauspiel-Intendant Oliver Reese gehen – nach Berlin. Warum also die Aufregung? Veränderungen gehören zum Leben, und gescheitert werden darf auch. Wenn nicht im Theater, wo dann?

Castorfs ehemaligen Dramaturginnen und Dramaturgen haben heute ihre eigenen Häuser, Matthias Lilienthal die Münchner Kammerspiele, Matthias Pees den Frankfurter Mousonturm und Bettina Masuch das Tanzhaus NRW in Düsseldorf. Irgendwas Zukunftsträchtiges müssen sie da also gelernt haben in den 1990er Jahren. Nun aber ist 2016, und wenn es nach mir geht, dürfen die alten Herren auch mal gehen. Es darf sich eine neue Generation breit machen im deutschen Theater, die weniger patriarchal denkt und mehr kollaborativ und emanzipiert arbeitet, die es nicht für notwendig hält, das Haus ständig mit interdisziplinären Dauerfestivals unter Volldampf zu setzen, um die eigene Relevanzbehauptung hoch zu halten.

Rufschädigung und Schuldzuweisung

Doch die Person Dercon, über die man so wenig weiß, scheint zur perfekten Projektionsfläche zu werden, denn in ihr soll sich all das diffuse Unbehagen an der globalisierten, hochkapitalisierten Gegenwart manifestieren. Man kann sich natürlich mit Rufschädigung und mit voreiligen Schuldzuweisungen aufhalten. Aber wäre es nicht viel grundstürzender und wesentlicher, darüber zu sprechen, wie wir uns ein Theater vorstellen, das dieser unbehaglichen, beängstigenden, unüberschaubaren Gegenwart gerecht wird – oder das ihr meinetwegen den Kampf ansagt und herausfindet, welche Rolle die Linke einnimmt zwischen Brexit, Kriegen und Geflüchteten?

Denn natürlich ist es hochproblematisch, dass Politiker derzeit kaum Visionen für "ihre" Theater an den Tag legen, und allerorten weniger Künstler als kluge Geschäftsführer in Leitungspositionen heben, die sich auf Fördermittelakquise und auf einen gewissen Populismus verstehen. Das wird sich aber nicht ändern, wenn sich auch der öffentliche Diskurs weiterhin auf Personen einschießt, anstelle über Inhalte und Strukturen zu sprechen.

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karamasow4 560 Thomas AurinAlexander Scheer in Castorfs Dostojewski-Inszenierung "Die Brüder Karamasow"
© Thomas Aurin

 

Für immer Punk?

Katrin Ullmann, Hamburg

7. Juli 2016. Ich habe die Volksbühne immer geliebt, aber ich gehe nicht mehr hin. Warum, frage ich mich. Berlin ist nah. Die Zugfahrt kurz. Jetzt, denke ich, jetzt müsste ich mal wieder in die Volksbühne gehen. Erinnerungen aktivieren, die Rest-Aura atmen, noch einmal all das intravenös. Jetzt, da das Ende dieser Volksbühne scheinbar beschlossene Sache ist. Jetzt, da eine Ära zu Ende geht. Eine, die mit Eintrittspreisen begann, die man heute mit dem hässlichen Wort "niedrigschwellig" bezeichnet. Für fünf Mark kam man Anfang der Neunziger in dieses Theater. Das war verrückt, das war anders. Und dort war alles anders. Dort war das Theater Punk. Wild und nahbar. Der rote und grüne Salon. Das waren dunkle, verrauchte Orte, in denen es nach nassem Hund roch und schlecht geputzten Toiletten. Oft spielten Bands. Irrsinnig laut. Hier war man mittendrin im Umbruchsgefühl der frühen Neunziger.

Alles war anders

Auch die Inszenierungen waren anders. Sie waren im Jetzt. Politisch. In der Gegenwart. Frank Castorfs "Die schmutzigen Hände", seine "Endstation Amerika", Marthalers "Murx den Europäer" und überhaupt Johann Kresniks "Rote Rosen für Dich", später "Picasso". Wir sind hingefahren. Zu vielen in einem Ford Fiesta. Oft nur für einen Abend. Eine Inszenierung. Nachts wieder zurück. Dieses Theater da in Berlin war politisch und pulsierend. Mit all seinen prägenden Protagonisten von Castorf bis Pollesch. Von Fritsch bis Marthaler. Von Gotscheff bis Schlingensief. Von Henry Hübchen bis Sophie Rois. Mit all seinen guten und schlechten Tagen. Mit seinen besonderen Schauspielern und seinem speziellen Publikum. Diese Haus war fast wie ein Kollektiv.

Noch immer Kult

Dieses Theater war Kult. Und ist es noch immer. Sogar so sehr, dass man bestimmten Menschen schon fast wieder abrät, dorthin zu gehen. Da ist so viel Geschichte, sind so viele Insides. Bald soll diese Ära ein Ende haben. Eine Entscheidung ohne tatsächliche Not. Ich nehme es hin und stelle fest: Ich war lange nicht mehr dort. Ich habe die Volksbühne eine Zeit lang geliebt, aber ich gehe nicht mehr hin. Habe ich mich satt gesehen? An dieser Überdrehung, diesem Hochkultur-Trash, diesem Kult, der schon längst deutschlandweit exportiert wird?

Alles soll anders werden. Und Veränderung macht Angst. Das Ensemble schreibt einen Brief. Gegen Dercon und seine vermeintlichen Pläne. Gegen die Veränderung. Sicher, diese kulturpolitische (Be)Setzung hat vielleicht die Wucht, einen taumelnden Stein ins Rollen zu bringen. Einen, der das Ensembletheater per se in Frage stellt. Und: Sicher, dieses massive, zentrale, nach Osten gerichtete Haus, diese Festung ist der falsche Ort für einen Kurator wie Dercon. Der falsche Ort für noch ein international ausgerichtetes Schauhaus. Und doch: Die Ensemblemitglieder des Hauses schreiben einen Brief. Ich hätte gedacht, sie besetzen es.

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Die Legende braucht keinen Ort

von Alexander Kohlmann

8. Juli 2016. Wer erinnert sich noch an das Centraltheater in Leipzig? Wer sieht ihn noch vor sich, den geschwungenen Schriftzug am umbenannten Schauspielhaus? Wer erinnert sich noch an die Hartmann-Premieren, in denen ein sehr junges Publikum wie in einer Messe trinkend und johlend fünf Stunden "Der nackte Wahnsinn" ertrug? wasihrwollt1 280 david baltzer h"Nackter Wahnsinn / Was ihr wollt", inszeniert
von Sebastian Hartmann  2011 am Leipziger Centraltheater  © David Baltzer
Das Centraltheater ist immer noch da, es ist eine Theater-Legende geworden wie Leander Haußmanns Bochumer Theaterjahre oder die Intendanz von Kurt Hübner in Bremen. Und wie bei allen Legenden braucht es dafür keinen konkreten Ort. Für die kollektive Erinnerung ist es vollkommen nebensächlich, was heute in Leipzig passiert. Oder in Bochum. Oder in Bremen, wo die derzeitige Leitung mit dem alten Hübner-Logo eine Art Geisterbeschwörung versuchte, aber natürlich kaum ankommt gegen die Legende, in der jede Inszenierung viel größer, jedes längst vergangene Haus viel essentieller erscheint als die dröge Gegenwart.

Bayreuth des Sprechtheaters

Vieles spricht dafür, dass es genauso auch mit Castorfs Volksbühne kommen wird. Wie auch sonst? Mindestens so unklar wie Chris Dercons Ideen bleibt, was sich die Castorf-Gralshüter allerorten eigentlich als dessen Nachfolge wünschen? Eine Art Bayreuth des Sprechtheaters, in dem der Hausherr auch in hundert Jahren unheimlich präsent ist und sich eine ergraute Schickeria trifft, um des großen Künstlers zu gedenken? Einen Nachfolge-Intendanten, der mit dem alten Ensemble und denselben Gästen das Kunstverständnis und den Geist der Castorf-Zeit fortführt, am besten mit regelmäßigen Gast-Inszenierungen des Ex-Hausherren? Einen Stellvertreter-Intendanten, der wie im Diadochen-Reich nach Alexander dem Großen stets einen leeren Stuhl für den Hausherren bereit hält? Und sich am besten regelmäßig bei der Berliner Volksbühnen-Avantgarde darüber informiert, was an diesem Haus geht – und was nicht?

Nein, ein radikaler Schnitt und ein Neuanfang ohne Wenn und Aber ist auch an der Volksbühne die einzige Option, die nach legendären 25 Jahren bleibt. Er wird den Eintritt des alten Tankers in das Reich der Legenden kaum verhindern – wo der Mythos weiter wachsen wird –, während der Neue im Hier und Jetzt in der Berliner (Kultur-)Schlacht bestehen muss.

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Sehnsucht nach dem ganz Anderen | 25 Jahre, ein Wimpernschlag | Eine Position, die fehlen wird | Frank Castorf weine ich nicht nach | Die Befreier | Unsere Sowjetunion | Die reine Dialektik | Involution | Kategorischer Imperativ | Zornesröte| Am Jägerzaun | Ein Hauch von Cool | Für immer Punk? | Die Legende braucht keinen Ort

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Kommentare  
Volksbühnen-Debatte: doppelbödige Lesart
Ein Konvolut zum Schmausen und Denken und Sprechen und Streiten, merci.

Dirk Pilz bietet eine großartige doppelbödige, gedankenüberholspurtreue Lesart an, die über den feinen Unterschied von Entität und (eigener) Geschichte erzählt:
"Das hätte ich damals nicht für möglich gehalten: Castorf Rentner, die Volksbühne von ihrer eigenen Geschichte eingeholt. Sie träumt jetzt davon, überholen zu können ohne einzuholen. Das wird, vermutlich, nicht gelingen."

Sie, die Geschichte! So sagt es uns die deutsche Grammatik. Die Geschichte der VB holt die VB ein und träumt gleichzeitig davon, die VB eben ohne jenes Einholen zu überholen.

Wer ist überholt? Wer wird überholt? Wer wird überholt sein? Wer wird überholt werden? Wer wird überholt worden sein? Wer ist überholt worden? Wer wen? Wer ist sie? Wer ist "sie"?
Volksbühnen-Debatte: auf Droge
Eine ganze Redaktion fast geschlossen auf der Droge Castorf. Ich breche zusammen und gebe auf. Berlin, die große Wunde, und ihr einziges Heilmittel die Volksbühne. Da haben Dercon und Piekenbrock wohl keine Chance, außer sie erfinden eine neue (Designer) Droge. Ich sehe schon die ganze Redaktion und mit ihr die Volksbühnengemeinde 2017 mit dem Cold Turkey Syndrom durch die Stadt irren, auf der Suche nach einem neuen Dealer, der dann wahrscheinlich BE heißt. Keine Angst, sie müssen nur drei Häuserecken weitergehen, dort wird die Party und der Rausch fortgesetzt. Aber die Angst vor dem Entzug ist so groß, da wird schon mal im Vorübergehen der ein oder andere niedergeschlagen. Gut, dass ich nicht mit einer Volksbühnenprägung aufgewachsen bin und meine Fixierung auf Zadek, den frühen Peymann und Pina Bausch schon lange abgelegt habe. In Berlin hingegen werden die Suchttherapeuten Hochkonjunktur haben. Ich empfehle einigen schon jetzt einen Sparvertrag abzuschließen für kommende Therapien und Aufenthalte in Suchtkliniken.
Volksbühnen-Debatte: Narrenfreiheit
Ich mag Kritiker, die mögen, was sie kritisieren. Wenn das allein schon Droge ist, sind die nicht mehr zurechnungsfähig, wenn die dann auch noch kritisch betrachtet gut finden, was sie mögen! Ergo: Kritiker sind ein hoffnungsloser Fall an sich. Da hilft auch keine Therapie, nur Narrenfreiheit. Lasst Euch bitte nicht beeindrucken von meckernden Kommentatoren und sagt einfach weiter wat ihr wollt!
Volksbühnen-Debatte: was ehrlicher ist
Sie sagen es, Herr Baucks. Designer-Drogen und Bausparvertrag. Manche finden halt Kartoffelsalat und Würstchen ehrlicher. :-)
Volksbühnen-Debatte: differenziert
Absolut lesens- und nachdenkenswert, wie differenziert die Nachtkritiker Stellung bezogen haben. Und wirkungsvoll - wenn es hoffentlich nicht nur ein leeres Versprechen ist, dass Herr Baucks aufgibt. Danke!
Volksbühnen-Debatte: willkommen
Willkommen in der Suchtklinik der Neuerungsfantasten, der Avantgardeblinden, der rückwärtsgewandten Zukunftssüchtigen, der Globalisierungsschüler und der Kunstgeschichtsunwissenden.
Volksbühnen-Debatte: Münchner Erinnerung
beim Wechsel Dorn/Baumbauer an den Kammerspielen schrieb Christine Dössel in der SZ: ... ein guter Mann geht, ein guter Mann kommt. Wo ist das Poblem?
Volksbühnen-Debatte: nachtkritik-unwürdig
Ich finde es ja immer süß, wenn in der Diskussion die Behauptung aufkommt, die Volksbühne sei das letzte wirklich politische der großen Theater Berlins (wann war die VB nochmal zuletzt explizit politisch außer in eigener Sache?) und das einzige Haus, das junge Leite anzöge. war eigentlich irgendjemand hier in den lethzten 3 Jahren mal im Gorki? Beide Positionen werden ja nun wirklich seit längerem vor a allem am Festungsgraben besetzt. Obwohl, in die Volksbühne kommen ja jetzt auch Schulklassen.

Ansonsten finde ich die reflexiosarme und weitgehend auf wunderbaren Erinnerungen einer fernen Vergangenheit basierende Nostalgie, die in den meisten Beiträgen – spannenderweise auch der Jüngeren – hier mitschwingt (und wenig mehr ist als verbrämter Konservatismus) recht erschreckend und nachtkritik unwürdig.
Volksbühnen-Debatte: Zuschauer-Petition
Zuschauer-Petition "Volksbühne"

Hier der Link:
https://www.change.org/p/der-regierende-b%C3%BCrgermeister-von-berlin-michael-m%C3%BCller-gegen-die-abwicklung-der-strukturen-und-kapazit%C3%A4ten-der-volksb%C3%BChne-am-rosa-luxemburg-platz-63f4b45a-dae2-466b-89a2-dcdd108b399d?recruiter=563398943&utm_source=share_petition&utm_medium=email&utm_campaign=share_email_responsive
Volksbühnen-Debatte: schon Nostalgie?
Die Texte sind schön, vielleicht zu schön. Auch ich finde auffallend, wie viel Biografisches ausgebreitet wird. Ist das noch historisches Bewusstsein oder schon Nostalgie? Merck trifft es daher wohl am besten.
Volksbühnen-Debatte: zur Zuschauer-Petition
Das die Petition auf Change.org ist ist ja ein bisschen lustig.
Volksbühnen-Debatte: Wünsche und Empfehlungen
#10: Ich finde es angenehm und nur zu natürlich, dass in Kritiker-Stellungnahmen zu Debatten biografisch argumentiert wird. Eindeutige Subjektivität ist ein ungeheurer Überwindungsakt für Kritiker! Das möchte man doch als persönliches Mut-Potential angesichts dieser Beiträge bedenken!!
Ich bin irgendetwas zwischen entsetzt bis vollkommen überrascht gewesen davon, dass für Herrn Merck die Beatles, im Theater wiedergehört, ein erweckendes Element unverbrüchlicher Castorf-Verbundenheit sein konnten. Allerdings kann man von jemandem, der an Weihnachten "Adele" in allen Varianten zu verschenken empfiehlt, nichts anderes erwarten, als dass er wohl auch sonst ein von Romantik hoffnungslos getriebener Mensch sein wird. Und Frau Diesselhorst möchte man trotz ihres Wohlfühlens mit pubertären Empfindungen empfehlen, dass sie nicht mehr unter Theaterleute geht ohne eine Bierflasche im Handgepäck, die sie notfalls auch hemmungslos zurückschmeißen kann ohne Rücksicht auf Verluste unter Großschauspielerinnen...
Hingegen möchte man einmal gemeinsam mit Frau Slevogt und ihrer Familie in gemeinsamer angenehmer Abgeklärtheit hinsichtlich dieser Debatten vor einem Tatort einschlafen, und wenn da noch so herumgeballert wird. Und außerdem muss man das dreckige Berlin vor dem Stuttgarter Fegedienst verteidigen: auch in Berlin selbst kann es 1 1/2 Stunden dauern, um in ein Theater zu kommen! Es ist nämlich relativ groß. Trotz U- und S-Bahnen! Deshalb gibt es auf dem Weg ins Theater auch relativ mehr Dreck, den man lieben muss. Jawohl: MUSS! - Wenn nicht, muss man ihn nämlich wegmachen. Wer will das schon!?
Volksbühnen-Debatte: Unterlassung und Salat
Thomas Rothschild schreibt "Darüber sollte man sich Klarheit verschaffen, ehe man sich darauf festlegt, was – unter anderem – für Berlin und für die Volksbühne gut ist. Alles andere ist unglaubwürdig."

Recht hat er. Und weil wir sehen, dass dieser ganze Kuddelmuddel weder für Berlin, noch die jetzige und eine kommende Volksbühne gut ist, ist Tim Renner unglaubwürdig. Denn das haben RBm Müller und er unterlassen, das "sich Klarheit verschaffen". Jetzt haben wir den Salat.
Volksbühnen-Debatte: raus
Falk Richter hat hier recht. Und ich bin raus aus der Debatte, ist nämlich ansteckend.
Volksbühnen-Debatte: Korrektur und Zustimmung
@14 Es ist Falk Schreiber. Und Recht hat er trotzdem.
Volksbühnen-Debatte: Schall und Rauch
Echt jetzt, Richter gleich Schreiber?
Volksbühnen-Debatte: leger und laiehaft
@ Sascha, hat er nicht. Es ist mir schleierhaft wie leger und laienhaft Kollege Schreiber aus Hamburger Sicht über Berliner Angelegenheiten referiert. Ich lasse mich auch nicht in dieser Art zur Elbphilharmonie oder zu Intendanzgedöns in der Hansestadt aus. Moin.
Volksbühnen-Debatte: konkrete Angaben?
Die Debatte geht weiter - und sollte weitergehen! Aber es ist schade, dass man so wenig konkrete Angaben und so viele Deutungen bekommt. Nach dem massiven Druck, der durch den offenen Brief der Belegschaft entstanden ist, immerhin heute endlich erste Zahlen. In der Berliner Zeitung und im Spiegel heißt es zunächst, 50 Mitarbeiter seien entlassen worden, dann das Dementi, es seien bisher "nur" 25. Kann Nachtkritik für Aufklärung sorgen, wie viele Entlassungen es wirklich gibt und um wen es sich handelt? Die Berichte klingen so, als ob bisher das gesamte Schauspielensemble und die Dramaturgie entlassen worden sei. Kein unübliches Verfahren bei einem Intendanzwechsel. Aber bei der Volksbühne ist das doch etwas anderes. Zumal man nicht genau erfährt (auch auf der Volksbühnen-Seite nicht), wer die sogenannten Festen sind. Hat man also wirklich Sophie Rois entlassen (die meines Wissens nie gekündigt hat und im Ensemble ist)? Man stelle sich das vor: die ROIS ENTLASSEN!! Lilith Stangenberg? Max Brauer? Silvia Rieger, die ja auch als Regisseurin und als eine treibende Kraft beim Jugendtheater P14 tätig ist? Und Jeanne Balibar? Güldenberg? Ist das großartige Jugendtheater damit abgeschafft? Wenn diese großartigen Darsteller freiwillig gehen würden, weil man ihnen keine guten neuen Regisseure und Projekte in Aussicht stellt, wäre das natürlich verständlich. Aber gäbe es einen Intendanten der Welt, der so unklug wäre, ausgerechnet diesen Schauspielern, die fraglos zu den besten gehören, zu kündigen? Bitte, Nachtkritik-Redaktion, schaffen Sie Fakten! Z.B. mit einem Porträt des Volksbühnenensembles. Wenn Dercon es schaffen würde, zumindest einige dieser Darsteller nach Gesprächen mit ihnen am Haus zu halten, wäre der gesamte Konflikt ja schon viel weniger prekär.


(Der Bericht in der Berliner Zeitung beruhte auf falschen bzw. missverstandenen Informatione und wurde seitens der der Senatsverwaltung dementiert. Dort hieß es heute, es werde zur Zeit über maximal 25 Nichtverlängerungen gemäß des Tarifvertrages NV Bühne entschieden, das betrifft etwa 10 % der Mitarbeiter der Volksbühne. Betroffen sind damit nur künstlerische Mitarbeiter*innen. Sophie Rois und Silvia Rieger sind bereits über 15 Jahre im Ensemble und damit unkündbar. In den Werkstätten des Theater seien keine Kündigungen geplant. Mehr können wir zur Zeit auch nicht sagen. Viele Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt)
Volksbühnen-Debatte: benennen
Liebe Frau Slevogt, besten Dank für diese interessanten Informationen. Das bedeutet dann offenbar, dass allen Schauspielern außer Rieger und Rois gekündigt wurde? Wenn das Schauspielensemble der Volksbühne wirklich komplett entlassen ist (soweit das eben rechtlich möglich war), dann sollte man das in der Berichterstattung auch so benennen. 25 Mitarbeiter klingt nicht viel. Das könnten ja ganz marginale Verwaltungsposten sein, die man als Außenstehender gar nicht nachvollziehen kann. Aber wenn alle Schauspieler an einem der bedeutendsten Sprechtheater der Welt entlassen worden sind - das hätte dann schon eine andere Tragweite. Und macht fraglich, was Dercon mit seinem Wahlspruch "Kooperieren oder Scheitern" meint… Da wüsste man natürlich gern, welche zukünftigen Regisseure meinen, auf diese tollen Darsteller verzichten zu können.


(Das Ensemble besteht aktuell aus zehn Personen, wenn wir hier richtig informiert sind. Näheres im Laufe des Tages. Grüsse aus der Redaktion, sle)
Volksbühnen-Debatte: Platz sparen
Liebe Redaktion, spart Platz!: Ihr und Eure Kritikerkollegen habt alle ganz wundervolle Sachen geschrieben. Aber Ihr könnt das jetzt alles zusammenstreichen, weil Frau Ullmann das Wesentliche an dieser ganzen Sache in zwei Sätzen geschrieben hat, die eine semantische Einheit bilden: "Die Ensemblemitglieder des Hauses schreiben einen Brief. Ich hätte gedacht, sie besetzen es." Es bleibt nur eine einzige Frage als Wunsch nach Beantwortung offen: HÄTTE es Frau Ulllmann gedacht? Oder dachte sie dies, bevor sie es aufschrieb?...
Volksbühnen-Debatte: Kommunikationsprofi?
Herr Scheiber, wie kommen sie zu der Einschätzung, Chris Dercon sei ein Kommunikationsprofi? Haben Sie sich schonmal mit ihm unterhalten? Ich habe da einen anderen Eindruck. Wem es am laufenden Band geschieht, dass sich seine Worthülsen, Binsenweisheiten und Phrasen als solche enttarnen, dem gelingt es doch gerade nicht Informationen, Meinungen und Erfahrungen auszutauschen. Oder etwa nicht? Besonders skurril, dass man hier gegen Ressentiments, Unterstellungen, Dummdreistigkeiten in der Debatte mit Hilfe eines ebenso großen Gerüchts argumentiert und besonders ärgerlich, dass Dercons Befähigung zu einer Theaterintendanz ebenfalls nicht zuletzt mit dieser vermeintlichen Stärke begründet wird. Wenn aber "Kommunikationsprofi" eigentlich meint, dass man kann wahnsinnig viel reden kann, ohne etwas zu sagen, dann haben sie natürlich vollkommen recht.
Volksbühnen-Debatte: den Salat aussitzen
Werter Herr Kohlmann,

das sind berechtigte und klar formulierte Fragen. Ich erlaube mir - ohne jeglichen Vertretungsanspruch - kurz und persönlich zu antworten; auch wenn ich mich nicht als "Castorf-Gralshüter[in]" verstehe, aber so doch als angesprochen.

1) Lasst Leute arbeiten, die arbeiten wollen.
2) Die castorfsche Volksbühne wollte bis Frühjahr 2015 arbeiten, fraglos.
3) Gegenfrage: Würden Sie die Frage nach der Verbayreuthisierung auch Daniel Barenboim und der Staatskapelle stellen?
4) Und wie lange bekommt eigentlich Sasha Waltz samt Compagnie schon öffentliche Förderung? Braucht es hier auch einen "radikalen Neuanfang"? (Vielleicht erkennen Sie, dass schon die Begründung "25 Jahre sind lang" kunstfeindlich ist.)
5) Die Nachfolgefrage hätte sich gestellt, früher oder später, fraglos.
6) Die Nachfolgefrage ist eine gewichtige, weil wir nicht über irgendein Haus sprechen.
7) Wenn die Nachfolgefrage eine gewichtige ist, wäre auch ein profundes Verfahren dafür am Platze gewesen.
8) Ein profundes Verfahren hätte vielerlei Formen haben können: Findungskommission, Expertise der Akademie der Künste, Beteiligung der Zivilgesellschaft, offene Ausschreibung und Sichtung der Vorschläge.
9) Das schließt einen Umbau der Berliner Theaterlandschaft nicht aus, aber hätte eine souveräne Haltung bewiesen, die der Geschichte und dem Gewicht der Landschaft wie auch des Hauses, der Volksbühne, gebührt hätte.

Einen Chris Dercon kann man nach Berlin holen, fraglos. (Diesen Schritt kann man in vielerlei Richtungen wollen und nicht wollen.) Dies unter Zerschlagung der castorfschen Volksbühne zu tun, kann wohl kaum als Fahrlässigkeit gelten. Die dann aber mutwillige Zerschlagung ist dreist, anmaßend, neunmalklug. Genau weil es nicht dem Maßstab des Hauses, seiner Geschichte, seiner Intendanz entspricht.

Nachfolgemöglichkeiten hätte es vielerlei gegeben:
- jemand aus dem Haus
- jemand aus Berlin
- jemand aus der Republik
- jemand aus dem Ausland.
Wer welche Vorzüge hätte, darüber ließe sich trefflich streiten; hätte ein Tim Renner nicht genau diese Tür krachend zugeschlagen. Das jetzt zu debattieren, ist müßig und passiert aus diesem Grund nicht. Dass es jede Menge zukunftsweisender, geschichtsbewusster, inspirierter, kluger, Berlin gerecht werdender, wohlbegründeter, reizvoller Lösungen gegeben hätte, ist fraglos.

An der fortlaufenden Debatte können wir erkennen, dass Tim Renner eine solche nicht gewählt hat und Chris Dercon dies ebensowenig (an)erkennt und damit die strukturell und prozedural falsche Wahl Renners mitträgt. Das ist auch unklug von Dercon, denn er spielt mit. Es läge nicht zuletzt an ihm, Größe zu beweisen und diesen Salat nicht auszusitzen. Die Volksbühne und Berlin haben mehr (Respekt) verdient. Sich jetzt verwundert die Augen zu reiben und zur Ordnung zu mahnen zeugt von der Verblendung des Sichseinersachesicherseienden.

Fehlende Demut könnten die weise bestellten Nachfolgeintendanzen gegenüber der Volksbühne unter Beweis stellen. Ein Kulturstaatssekretär hat genau diese Demut an den Tag zu legen. Und nicht andersherum.

Einer Debatte zugeneigt,

Hanz Zisch
Volksbühnen-Debatte: Mauser-Dramaturgie
Der Kultur-Defätismus, den sie hier betreiben, Herr Zisch, ist erschütternd, geradezu ätzend. Die Wahl Dercon´s ist fraglos eine zukunftsweisende, geschichtsbewusste, inspirierte, kluge, Berlin gerecht werdende, wohlbegründete, reizvolle Lösung. Und mit Piekenbrock und Dercon gibt es sowohl eine Nachfolge aus der Republik, wie aus dem Ausland. Eine Nachfolge aus dem Haus wäre mehr als fragwürdig, denn dann würden einige Herren nur die Sessel tauschen und alles andere bliebe beim Alten. Wenn sie wenigstens Barbara Mundel zur Diskussion stellen würden oder konkrete Gegenkandidaten ins Feld führten. Aber nein, sie maulen nur und versuchen den Eindruck zu erwecken, alles wäre mit dieser Wahl schon verloren.

Woher nehmen sie das?!

Sehen sie nicht, dass es, alle zusammengenommen, bisher nur 2000 Unterzeichner für ihre Interessen gab. Das ist eindeutig zu wenig. Und das bei einem Konflikt, der weit über die Republik bekannt wurde. Sie sind in der absoluten Minderheit.

Nun lassen sie denjenigen, die sich auf Dercon freuen, auch einmal ihre Freude und zeigen ihrerseits einmal etwas Demut. Man sollte den Zeitpunkt spüren, an dem man verloren hat. Sie richten mit ihrer fortgesetzten Kritik mehr Schaden an, als sie je wieder reparieren können.

Sicherlich wäre es wünschenswert gewesen Piekenbrock und Dercon hätten sich an der Debatte beteiligt. Haben sie aber nicht. Und zwingen kann man sie eben nicht. Sich zum jetzigen Zeitpunkt zum Programm zu äußern, wäre grundfalsch. Von Chris Dercon zu erwarten, dass er selber einsieht, er sei der Falsche, dass ist so sehr in einer „Mauser“ Dramaturgie gedacht, es könnte einem übel werden, so defätistisch erscheint eine solche Haltung.
Volksbühnen-Debatte: kein Mangel und ein Mangel
PS: Beispielsweise wäre jemand jüngeres sicher interessant gewesen. Daran sollte es nicht mangeln.

PPS: Warum gibt es eigentlich quasi keinen englischsprachigen Wikipedia-Eintrag zu Chris Dercon? Der bestehende, drei Sätze lange Artikel ist bezeichnenderweise vom 28. April 2015. Kurz nach der Pressekonferenz der Ernennung.
Volksbühnen-Debatte: German Angst
German Angst

These: Wer Castorf und den Panzerkreuzer Volksbühne (der ohne seinen Chefeinheizer Bert Neumann kaum mehr richtig Fahrt halten dürfte) primär für ein „Bollwerk der Theaterlinken" nimmt, verpasst den wesentlichen Agon dieses Theaterdampfers in falschem Diskurs - verpasst dessen Unlustprinzip vom Guten, Schönen und Wahren, das sich „politisch" gibt, aber nicht ist.

(An-)Trieb(s)theoretisch ist das Volksbühnenhafte noch kaum beschrieben worden, u.a. weil Kapitän Castorf keine Bordchronisten duldet, die seinen Kurs auslesen wollen. Die Arbeit des langjährigen Chefdramaturgen Hegemann interessierte ihn nie. Und die beiden bundesdeutschen Cheftheoretiker Hans-Thies Lehmann und Erika Fischer-Lichte verweigern dem Regieberserker von sich aus ihr prominentes Augenmerk, Postdramatik hin oder her.

Woher diese Theorieabsenz (die sich cum grano salis auch an den Redaktionsbeiträgen zeigt)? Eine mögliche Erklärung: Wer an der Volksbühne arbeitet, weiß sich als Teil einer Familienpsychose, deren intellektuelle Rationalisierung keine Befreiung ist. Therapie scheint zwecklos, denn die Paranoia ist deutsches Erbe und Hypothek vieler Generationen: als unselige, äußerst vielschichtige „Bedienstetenmentalität" (Friedrich Engels), die sich seit dem Dreißigjährigen Krieg zuverlässig in den historischen Konstellationen je spezifisch adaptiert. Auch an der Berliner Volksbühne.

Der Clou dabei: Die (nahezu sexuelle) Lust an der Destruktion, die Freude an der Unlust, die paranoide Wut zur Verschwörungstheorie erzeugen mit ihrer Antriebskraft allemal mehr Furor auf der Bühne als der letzte Schrei politischer Theorie (tatsächlich ist Castorf theoretisch im Historischen Materialismus hängengeblieben; Lenz, Goethe, Büchner werden immer noch mit Hans Mayer gelesen - but who cares, wenn die Überbautheorie schon bei der ersten Probe faktisch keine Rolle mehr spielt?). Castorfs Theater zeigt keine Mut-, sondern Wutproben: Alles muss zerstückelt, klein gehauen, brüskiert, verletzt, beleidigt werden. Die verwundeten Seelen der Weltliteratur sind die Paten - darum der wunderbare (von Walter Benjamin als politisch ergebnislos abgelehnte) Céline, darum Dostojewski oder Hamsun. (Nebenbei: Die Komik ist keine Meisterin aus Deutschland, und diesbezüglich bilden Castorf und Marthaler mit dem Artistisch-Grotesken ihrer Humoreinsätze eine rühmliche Ausnahme; deren Quellen dürften sich freilich aus ähnlicher Wutdisposition speisen.)

Im Außen wie im Innen: Den Familienkosmos Volksbühne beherrscht das unentwirrbare Knäuel gegenseitiger Abhängigkeiten und Beziehungsnotstände. Die argwöhnische Konkurrenz zwischen den Großkünstlern Gotscheff, Schlingensief, Pollesch, Marthaler, Fritsch und dem Intendanten ist legendär. Für all sie hat der Meister kaum ein gutes Wort, der Besuch ihrer Premieren ist ihm eine Qual. Kehren sie dem Haus den Rücken, wird ihnen das Schlechteste hinterhergerufen (insofern findet sich Chris Dercon durchaus in einer bemerkenswerten Tradition wieder). Eine Theatertheorie braucht man für all das kaum, sie ginge am Wesentlichen so vorbei wie das Ich am Es. Der tiefenpsychologisch verwurzelten Produktionsästhetik der schon in ihren Keimbahnen Beleidigten und Erniedrigten käme man vielleicht mit einer Familienaufstellung bei. Doch der Wuthunger Castorfs, seine Maßlosigkeit ist ein Kreativitätsprinzip, das ihn berühmt und reich gemacht hat - warum sollte er sich ändern wollen?

Bleibt das eingeschworene Publikum, die „Co-Alkoholiker" der trunkseligen Kunstpsychose. Also diejenigen, die ihre Lust an der öffentlichen Unlust erleben: den herausgebrüllten Triebaffekt als Befreiung; die Regression der Schauspieler in ihren Figuren als Symbiose mit der Bühne; und richtig: die Prinzipien wie „Potenzverschleiß, das Unschärfeprinzip, die Mischung aus Authentizitätsbegehren und Fiktionalitätsbewusstsein, die Blockmentalität und ihre Unterwanderung" als Begehren eines Fremdbegehrens. Die Kehrseite dieses im Lacanschen Sinne enormen Realitätsverlustes sind die mit hohen Verschleißkosten gefahrenen ästhetischen Radikalinterventionen: eine aus der Fassung geratene, immer wieder verblüffende Szenenphantasie, die Ordnung usurpiert und den Ort des Geschehens als Dispositiv für die „immer kommende Gemeinschaft" (Nancy) ebenso sichtbar werden lässt wie für eine Szenerie vom „Menschen ohne Inhalt" (Agamben). Aufregende Brandsätze einer Radikalität ohne Schonung für alle.

Die Volksbühnen-Theaterfamilie findet ihre Identität in einer Orgie der Selbstauflösung; in der verwirrenden Dialektik einer Apologie des Unterganges, die nichts, aber auch gar nichts mit dem wohlfeilen Begriff des „Heterotopischen" (Süddeutsche) zu tun hat. Die Szenen Castorfs, Schlingensiefs, Marthalers oder Gotscheffs spielen allegorisch immer auch im Führerbunker der Wilhelmstraße: mit aus der Spur geratenen Kleinbürgern, die viele Meter unter der Erde von Weltbeherrschung träumen und gleichzeitig wissen, dass sie kurz vor der Hinrichtung stehen. Das ist - tatsächlich - „German Angst": nicht etwa vor Veränderung als "Changemanagement" eines Staatssekretärs; sondern als eine Angst, die fähig ist, jedes ästhetische Risiko einzugehen; ganz nach dem Motto „morgen sind wir tot - oder berühmt!". Mir scheint, es gibt kein deutscheres Theater als die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

Von hier aus betrachtet wäre das Verstörende, ja Skandalöse an Chris Dercon wohl dieses: dass er - mit allen Implikationen - so verdammt britisch ist.
Volksbühnen-Debatte: nicht britisch
Chris Dercon ist nicht britisch. Mit britischem Understatement hätte er längst höflich auf diese Position - zu der er nicht passt - verzichtet.
Volksbühnen-Debatte: Wo bleibt die Pro-Dercon-Petition?
Lieber Martin Baucks.
Bevor Sie 2000 Unterzeichner diffamieren, starten Sie doch ein eigene Umfrage pro Dercon.
Volksbühnen-Debatte: Frage
#27 Wieso eine Pro-Dercon-Umfrage? Er ist ja zum Glück schon ernannt.
Volksbühnen-Debatte: Zahl verniedlicht
#28
Die Frage ist berechtigt, aber wenn 2000 Stimmen verniedlicht werden, dann wäre es ja spannnend, wie viele hinter der allgewaltigen Entscheidung einzelner Politiker stehen. Ob es zur Versachlichung der Diskussion beiträgt ist fraglich, aber dann soll man die 2000 doch auch einfach stehen lassen.
Volksbühnen-Debatte: MoMA-Vergleich
Eben im MoMA in New York gewesen. Magritte, Beuys, Dali, Duchamps, Ruhrgebietsförderturmfotos, Roth, etc. pp. Totally overcrowded und prima "been there"-Stimmung samt Selfie vor Picasso. Funktioniert wie H&M und Starbucks. Egal in welcher Metropole: Ich weiß, dass ich das bekomme, was ich woanders schon sah. Fiel mir erst jetzt auf, weil sich das gleiche Gefühl einstellte wie in der Tate Modern letztens.

Und nun: Berlin goes global.

Die Werke an sich mögen scharfsinnig sein. In dieser Art Menü wird aber eine Rezeptionshaltung gefördert, die die beste Kunst zerstört. Klatschen, fotografieren und nichts kapieren. Kenn ich doch aus Wikipedia, wow. Als Denkanstoß genügt ein Audioguide. Selten so wenig von den Werken gehabt.

Ich hoffe, dass es anders kommt, an der VB. Bislang war es jedenfalls anders, originär, unverdaulich, spezifisch, unverkennbar, substanziell-rücksichtslos, intensiv, lang nachhallend, tiefgründig-erschöpfend.

Aber: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist die Volksbühne?
Volksbühnen-Debatte: Namen
Frau Mundel wäre eine interessante Variante. Was ist mit Luk Perceval? Oder Jonathan Meese. Karin Beier. Bernd Stegemann! Sebastian Hartmann. Armin Petras. Wilfried Schulz. Rainald Goetz. Martin Wuttke. Wolfram Lotz. Mark Lammert. Boris Groys. Zizek. Sloterdijk. Patrick Wengenroth. Vladyslav Troitsky. Alain Platel oder John Neumeier. Kornel Mundruczó. Robert Borgmann. Über( oder unter-)gangsweise Vegard Vinge und Konsorten. Krzysztof Warlikowski. Johan Simons. Thomas Oberender!! Christoph Hein. Latchinian. Rodrigo García. Piotr Pawlenski. Nur als Andeutung, wie breit der Möglichkeitenraum ist, anhand dessen man *ausloten* könnte, wohin es gehen kann. Und da sind noch jüngere Kolleginnen und Kollegen, auch von außerhalb des deutschsprachigen Raums kaum mitgenannt. Ein Kernkriterium wäre meiner Meinung nach jedenfalls, dass der- oder diejenige/n geschichts- und theaterbezüglich eine Relation zu diesem Haus haben. Nicht im Sinne einer vorherigen Arbeit dort, sondern in Hinblick auf die spezielle Rolle der Volksbühne im deutschsprachigen Theater. Und diese Rolle ist eben nicht: marktgängig.

Der Brief von Kuratoren und Architekten zeigt doch eben, wie weit weg das Netzwerk (vgl. dazu "Kill your Darlings") von dem ist, was die Volksbühne ausgemacht hat - auch vor den 24 Jahren Castorf-Intendanz. Aus dem Feld der Theaterverständigen (und dazu zähle ich jetzt mal die Mitarbeiter der VB, Uli Khuon, Thomas Oberender, Flimm, Ostermeier, in Teilen auch jede Menge Kritikerinnen und Kritiker, unzählige Kommentator/inn/en) und der wachsenden Zahl an Petitionsunterzeichner/inne/n lese ich nicht, dass es sich um eine Minderheit handelt. Im Gegenteil. Die überwältigende Mehrheit kritisiert sowohl die Art und Weise als auch die Entscheidung selbst, die Tim Renner gefällt hat und Chris Dercon charmant mitträgt. (By the way: Hat er sich eigentlich über den Gegenbrief hinaus an die Mitarbeiter/innen gewandt??)

Dass die Wahl Dercons an die Volksbühne "zukunftsweisend" ist, hängt von der Art der Zukunft ab. Ich habe oben Vorschläge für eine Zukunft angedeutet, die dem Haus eher gerecht werden könnte, dem Theater insgesamt und der Stadt. Ein "radikaler Neuanfang" à la Renner ist vor allem: marktgängig.
Volksbühnen-Debatte: neoliberaler Präsentationswahn
#30 Im übrigen betrifft das nicht die Ausstellung von Kunst allein. Auch die Ausstellung von Kunsthandwerk, Geschichtszeugnissen oder konservierten Natur-Exponaten. Man sieht mittlerweile in Museen immer mehr Leute vor den "interaktiven Erklärungs-Bildschirmen" mit Kopfhörern über den Ohren hocken und sich auf das Hin- und Herschieben der Bildchen konzentrieren, als sich vor den eigentlichen Exponaten aufhaltend, vor- und zurückgehend, denkend, versunken auf etwas starren, das sie eben in dem Moment "nicht loslässt", usw. ... Die Präsentation ist wichtiger geworden als das zu Präsentierende und nimmt sich - zumindest im Fall der exponierten Kunst - heraus, sich als die vergleichsweise größere Kunst zu verstehen. Mir ist ein schlecht ausgeleuchteter Picasso oder die leere Stelle eines gerade ausgeliehenen Caravaggio, den ich mir dann da angestrengt hindenken muss, jedoch allemal lieber als die perfekt ausgeleuchtete perfekte Kopie einer Kopie, die mir als Original weisgemacht wird von einer perfekten Ausstellungsplanung. Und jedes kleine Heimatmuseum, in dem ich allein oder mit noch zwei anderen über Stunden bleiben kann, ohne, dass mich jemand führen möchte, ist mir lieber, als von Menschenmassen an Sachen, die ich schon immer einmal in halbwegs echt sehen wollte, vorbeigeschoben zu werden... Und ich denke wirklich, dass nicht nur mir das so geht. Vielleicht kann einmal jemand einen Gide machen über alle die Sachen, die vom neoliberalen Präsentationswahn noch verschont geblieben sind. Der Gide muss dann seeeehr teuer sein und darf nur gegen eine abgelegte Zuschauer-Prüfung überhaupt zum Verkauf zur Verfügung stehen. Bitte nicht Tim Renner sagen - hat der gleich eine neue Kultur-Geschäftsidee! Dann kommt der Dercon nie dazu zu kommen, weil der Renner schon vor ihm da ist-
Volksbühnen-Debatte: Bluten
Lieber Zisch, lieber DR,

man könnte jetzt eine Hymne auf das MoMA anstimmen, aber das tut nicht Not. Die Beweislast, der wichtigsten Sammlung der Moderne, gegen sie ist erdrückend. Und am Ende würden sie doch nur sagen: Sie haben Recht, aber ich finde meine Meinung besser.

Sie bieten keine Gesprächsgrundlage an. Das Heimatmuseum Volksbühne gegen den Rest der Welt ist eine so in Inhaltslosigkeit getunkte, destruktive Permanenz, ich habe nun begriffen, warum Dercon nicht auf sie zugehen kann und darf.

Sie wollen , dass die Volksbühne zerschlagen wird. Sie sehnen sich geradezu danach. Es ist ihr letztes Schlachtfest, während dem sie den finalen Beleg dafür erhalten wollen, dass die "Konterrevolution " grausam und dumm ist.

Ihnen das Gespräch zu verweigern, ist ein notwendiger Akt, um ihre irrationale Beweissführung zu zerrütten.

Dercon lässt sie bluten und das ist gut so.

Darüber hinaus, die Unterzeichner bilden nicht einmal 0,1 Prozent der Berliner Gesamtbevölkerung ab. Das ist eine absolute Minderheit , die ich keineswegs diffamiert habe, aber, wenn ihre beispiellos kunstfeindliche Haltung tatsächlich repräsentativ für die Volksbühne ist, wäre ihre Zerschlagung geradezu eine Pflicht. Die Volksbühne ist zu einem gordischen Knoten verkommen, denn man mit einem Hieb durchtrennen sollte, reinigend für eine gesamte Theaterlandschaft.
Volksbühnen-Debatte: Über "Mitverschwörer"
@ 25
lieber stefan rosinski,

sie wurden geholt und wieder gegangen.
sie passten einfach nicht, in den von ihnen klar und wahr beschriebenen familie der volksbühne.

sie hat sich ihre mitverschwörer immer selbst ausgesucht,sie ausprobieren lassen,und wenn es nicht gepasst hat,rausgekauft.
damit hat sie ihren erfolg gehabt und ihre niederlagen selbst bewerkstelligt.
sie passten 2009 nicht ins engstirnige konzept dieses verschworenen haufens.

geändert hat sich an diesem haufen nicht viel,er bleibt ein eigener kosmos,der sich damals auch von ihnen, nicht reinreden lassen wollte,wie es besser,vor allem aber weitsichtiger gehen könnte.schade

wenn ich jetzt ihren kommentar lese,frage ich mich schon,ob es eine anbiederung auf eine stelle in der von dercon/piekenbrock geleiteten volksbühne sein soll.
aber warum hier,und warum erst jetzt ?

ich freue mich über antworten,die jeder lesen kann.

MfG
Volksbühnen-Debatte: Zukunft
@Hans Zisch: sie unterschätzen den Paradigma-Wechsel, den jemand wie Tim Renner wahrnimmt. Tim Renner - das konnte man zuletzt sehen im Interview mit dem Berner Bund - beschäftIgt sich stark mit Zukunftsforschung, mit den Konsequenzen der Veränderungen, die durch die Digitaliserung entstehen. Die meisten der von ihnen genannten Personen sind Menschen, die geprägt wurden durch Produktionsweisen des 20.Jahrhunderts. Ich persönlich finde es richtig und erfrischend, dass ein Kulturbeamter wie Tim Renner aus seiner Generation heraus argumentiert und handelt - und nicht nur das Erbe der 68'er verwaltet. Auch wenn er vielleicht Fehler macht, er macht "seine" Fehler und zwingt uns zu "unseren" Fehlern. Wir können ja nicht bis ans Ende unserer Tage gut gemachte Inszenierungen produzieren und konsumieren, die die Traditionen des 20.Jahrhunderts reproduzieren. Ich persönlich hätte es nur noch konsequenter gefunden, wenn er eine/n unter 30ig jährige erkoren hätte als NeugestalterIn de Volksbühne. Grau durch grau zu ersetzen... Mann des Esthablishment durch Mann des Esthablishment - das macht mich auch skeptisch... Nicht aber der Wille zur Veränderung. Aber diese Neoliberalismus-Kritik hier ist sehr heuchlerisch. Das Hype-System Stadttheater war immer schon Speerspitze des Neoliberalismus. Dass sich hier nun viele als Schutzpatrons des Wahrhaftigen und Guten gegen den bösen Neoliberalismus aufspielen ist einfach nur peinlich. Die lächerliche Figur des "Schauspielintendanten" ( von dem Role Model Richard wagner geprägt - d.h der Intendant mit genialer Pose )war immer schon Vorbild und Muster für den CEO des Konzerns. Lasst uns über neue Systeme reden. Aber bitte nicht den "Intendanten" und sein "Genie" gegen den bösen "Chris Dercon" ausspielen. Wenn ihr so arguemntiert, habt ihr verdient, dass man euch auslacht.
Volksbühnen-Debatte: Service-Kommentar
Die Berliner Morgenpost weiß mehr und meldet u.a., dass Dercon sich am 21. Juli in einer Diskussionsrunde "Über die Zukunft der Kulturmetropole Berlin" im Berliner Rathaus öffentlich präsentieren wird. An der volksbühne geplant sei ein Nebeneinander von "Repertoirebetrieb und En-suite-Spielweise". Zum Vorbereitungsteam gehörten derzeit neben Dercon und Programmdirektorin Marietta Piekenbrock ein Dramaturg, ein Kurator, eine Autorin und eine Produktionsleiterin.
http://www.morgenpost.de/kultur/berlin-kultur/article207828087/So-will-Chris-Dercon-die-Berliner-Volksbuehne-umkrempeln.html
Volksbühnen-Debatte: das Schicksal großer Kunst
Bayreuth des Sprechtheaters
Wir waren im letzten Jahr in der Diskussion eigentlich schon weiter als die hier präsentierten „Abgesänge“, aber leider verschwinden die Kommentare ja im Nirwana.
Schön, dass sich Esther Slevogt (bekehrt durch ihre jüngste Tochter ?) zu einer Volksbühnen-Verteidigerin (auf verlorenem Posten ?) entwickelt hat.
Große Kunst nimmt das Geld der Mäzene, das diese als Investition in die Pflege ihres Images verstehen, und demontiert damit eben dieses Image. In diesem Sinn ist Frank Castorf ein großer Künstler, wie es auch Friedrich Schiller oder Richard Wagner waren.
In Berlin haben wir lange dem Schiller-Theater nachgetrauert. Grandios war der Faust von Einar Schleef in der Eiseskälte vor dem geschlossenen Haus. So brennt sich das Schicksal großer Kunst unvergesslich ein.
Erst wenn es die Volksbühne so nicht mehr gibt, werden wir den Verlust spüren. Erst wenn sie unwiederbringlich sind, werde ich mit Wehmut die überlangen Castorf-Inszenierungen in mich aufsaugen. Ich kann nur hoffen, dass es alle auf Youtube oder sonstwie geben wird. Vielleicht ja sogar (doch nicht unwiederbringlich) in einem „Bayreuth des Sprechtheaters“.
Volksbühnen-Debatte: Zukunft offen
@36: "by invitation only", wie das Rathaus mitteilt. Noch so ein exklusives Publikum wie beim Museumskongress.

Wir halten fest, bis jetzt:
- Renner und Müller mauern weiter. Flotte Sprüche ("Amerikanisierung") statt Podium zum Austausch. (Gegenbeispiele würden mich freuen.)
- Dercon spricht lieber vor ausgewähltem Publikum denn auf offener Bühne. (Gegenbeispiele würden mich freuen.)

Vier Parteien um 19%. Diese Abgeordnetenhauswahl wird spannend. Grüne und Piraten hinterfragen die VB-Causa öffentlich. Die SPD deckt ihre Kultursenatoren und -kretäre.

Zeit, eine vernünftige Lösung zu finden. Eine, die Stadt und Haus gerecht wird. Dercon an die Festspiele beispielsweise. Wäre auch für Frau Grütters interessant.

Wie lang ist Dercons Vertrag eigentlich?
Volksbühnen-Debatte: Elfmeter-Bild
@38 Keine Ahnung, für wie lange der Vertrag abgeschlossen wurde. Hier lesen doch immer mal Abgeordnete mit, Leute aus dem Kulturausschuss oder dem Hauptausschuss. Oder die Redaktion weiß vielleicht was?

Die Veranstaltung am Donnerstag würde mich auch interessieren. Aber da kommt man wohl nicht rein.
Dercon zuzuhören ist ja für einen wachen Menschen kein reines Vergnügen. Zur EM ging in FB ein Gif herum, ein Fußballer läuft beim Elfmeter auf den Ball zu, schießt aber nie, läuft immer wieder von vorn an. Frustrierend! Dercons Sätze enthalten ja selten etwas Belastbares.
Vielleicht bringt ja der RBB kleine Schnipsel. Man wird so demütig.
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