Poesie des Stillstands

von Sascha Westphal

Mülheim, 10. Juli 2016. Wenn WOYZECK die offene Wunde ist, die sich, wie Heiner Müller einmal schrieb, einfach nicht schließen will, dann ist FATZER der Bruch, der einfach nicht verheilt. Und sollten die Knochen gelegentlich doch einmal zusammenwachsen, dann nur so schief und falsch, das sie von Neuem gebrochen werden müssen. Heiner Müller, der 1978 die wohl bekannteste Bühnenfassung dieses zerklüfteten Fragments erstellt hat, beschrieb seine Arbeit an "Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer" als "Puzzle-Spiel". Nur passen die Teile natürlich nicht zusammen. Es bleiben immer und überall Lücken. An anderen Stellen wieder scheinen sich die Puzzlestücke ineinander zu verkanten. So heben sie die Brüche, die durch den Text gehen, noch einmal hervor. Wie sollte es auch anders sein, wenn der Einzelne, der eigensinnig auf seine Unabhängigkeit beharrt, auf eine Gruppe trifft, die alles gleich machen will.

Die Herrschenden und die Beherrschten

Form und Inhalt ergänzen sich perfekt. Mit jedem neuen Blick auf das "Fatzer"-Fragment werden weitere Frakturen sichtbar. Dieses Ineinander der Gegensätze prägt auch die Mülheimer Fatzer Tage, die in diesem Jahr zum fünften Mal im Ringlokschuppen stattfinden, eine Mischung aus Festival, Symposium und Laboratorium, das Bertolt Brechts Fragment szenisch und wissenschaftlich untersucht. Die Geschichte der Soldaten, die im Kriegswinter 1917/18 von der Front desertieren und in Mülheim unterkommen, ist fest in der Zeit vor der deutschen Revolution 1918/19 verankert und zugleich zeitlos. Sie ist hier, in der Stadt der Kräne und Eisenhütten, verwurzelt und kann sich doch überall auf der Welt zutragen.

Also kann in Alexandra Holtschs freier "Fatzer"-Bearbeitung vom Saarländischen Staatstheater nach der Pause mit größter Selbstverständlichkeit auch ein "Fatzer Talk" über die Widerstände gegen Großprojekte im heutigen Deutschland stattfinden. Die in trashigen Ganzköperkostümen steckenden Spielerinnen und Spieler gehen dabei mit eben der Verbohrtheit aufeinander los, die man aus unzähligen Fernseh-Talkshows zu Genüge kennt. Der Jargon ist ein anderer, nun wird über "Standortvor- und Nachteile" schwadroniert und von Spaltungsstrategie gesprochen. Aber die Konflikte verlaufen nach dem gleichen Muster wie bei Brecht. Die "herrschende Art" der Menschen sorgt immer noch dafür, dass die "beherrschte Art" nichts an den Verhältnissen ändert. Schließlich war schon bei Brecht die Vorstellung von der großen, unbesiegbaren Masse eine Illusion. Immer schert ein Fatzer aus, und das nicht einmal zu Unrecht.

Auch der kleine Krieg kennt nur Verlierer

Holtsch greift in ihrer "großen Fatzer-Untergangsshow", in der ein roter Samtvorhang die Bühne und mit ihr den gesamten Raum in zwei Hälften zerschneidet, zwar Heiner Müllers Bearbeitung auf. Aber die Puzzle-Teile will sie keineswegs mehr zusammenlegen. Sie wirft sie stattdessen immer wieder in die Luft und schaut dann, wo sie liegen bleiben. Das Fragment wird zum Material für ein Polit-Varieté. Hier ist niemand mehr Fatzer, oder, was letzten Endes auf das Gleiche herauskommt, alle sind Fatzer. Die Verweigerung des großen Krieges führt zu einem kleinen Krieg, der auch nur Verlierer kennt. Die Revolutionen scheitern, aber das Lachen bleibt. Es ist die Waffe des Anarchisten Fatzer, der in jedem der fünf Varieté-Stars steckt. Der Bruch, von dem Holtsch erzählt, geht durch unser aller Bewusstsein. Zwei Sehnsüchte wohnen, ach, in des Menschen Brust, die, einzig zu sein, und die, Schutz in der Gemeinschaft zu finden.

Chiten2 560 Hisaki Matsumoto u"Fatzer" vom Theaterkollektiv Chiten © Hisaki Matsumoto

Von Brechts "Fatzer" geht eine Fremdheit aus, die noch überwältigender ist, wenn die Texte nicht im vertrauten Deutsch gesprochen werden, sondern auf Japanisch erklingen. Das in Kyoto ansässige Theaterkollektiv Chiten hat für seine Produktion Brechts Texte extra übersetzen lassen und nähert sich ihnen auf eine extrem verfremdende Weise. Tradition und Avantgarde fließen in Motoi Miuras Inszenierung, in der Sprache und Bewegung immer wieder auseinanderbrechen, konsequent zusammen. Während die Band kukangendai mit ihrem rhythmisierten Trommel-Feuer und ihren an Schüsse erinnernden Riffs das Geschehen taktet, geraten die sechs Chiten-Performer fortwährend außer sich.

Nichts ist wieder zusammengewachsen

In artistischen Choreographien drängen und drücken sie sich an die hintere Wand, verbiegen ihre Körper oder stürzen hin. Der Text kreist weiterhin um den Egoisten Fatzer und die anderen Deserteure. Aber die Bewegungen, die meist eher Verrenkungen sind, erzählen von der japanischen Gegenwart, die von der Last einer unbewältigten Vergangenheit niedergedrückt wird. Nur Fatzer, der sich nicht anpassen will und es auch gar nicht kann, hat noch einen Rest Kontrolle über seinen Körper und muss dafür sterben. Wie Alexandra Holtsch verabschiedet sich auch Motoi Miura konsequent von jeder Linearität. Seine Inszenierung dreht sich kunstvoll im Kreis. Dreimal setzt die Erzählung an, dreimal endet sie in der Katastrophe. Aber jedes Mal zeigen sich andere Facetten des Kampfs zwischen dem Individuum und der Masse. Eins wird dabei nach und nach offensichtlicher: Diese Inszenierung über die verdrängten Brüche in der japanischen Gesellschaft konfrontiert uns mit dem eigenen Verdrängten. Nichts ist wieder zusammengewachsen. Nur ist der Krieg heute ein anderer als 1918.

objektice1 560 NilsBroeer u:objective:spectacle: – vor oder nach dem Gig? © Nils Bröer

Eine simple, aber sinnfällige Transformation markiert den Scheitelpunkt von „F++++R Live“, dem Performance-Konzert, das das Berliner Kollektiv :objective:spectacle: eigens für die Fatzer Tage konzipiert hat. Die Deserteure sind eine zweiköpfige Band. Irgendwann verlässt Paul Matzke, der Fatzer-Frontmann, einfach die Bühne. Männer wie er gehen ihre eigenen Wege. Aber das ist nur ein Aspekt der Situation. :objective:spectacle: greift in diesem Moment Fatzers Rundgang durch Mülheim auf und ersetzt ihn durch einen kleinen, spiegelverkehrt projizierten Videofilm. Statt der Stadt sehen wir ein Warenhaus, einen Discount-Tempel. Hier werden die heutigen Schlachten geschlagen. Nicht mehr der Krieg frisst die Menschen auf, sondern der Konsum.

Wie Chiten arbeitet auch :objective:spectacle: mit Wiederholungen. Die Worte kehren genauso beharrlich zurück wie die Akkorde dieser bis ins Äußerste stilisierten Inszenierung eines von Brecht inspirierten NDW-Konzerts. Das Fragment als Endlosschleife, die schließlich in einem bizarren Mantra endet: "Explosion im Festspielhaus". Wieder und wieder singen Paul Matzke und Christoph Wirth diese drei Worte, während ein Arbeiter die Scheinwerfer abbaut. Auch das kann "Fatzer" sein: ein Akt der Zersetzung, eine Poesie des Stillstands, die den Keim revolutionärer Aktionen sät.

 

Fünfte Mülheimer Fatzer Tage

www.ringlokschuppen.de

Fatzer
von Bertolt Brecht
Regie und Musik: Alexandra Holtsch; Bühnenbild und Kostüme: Gregor Wickert; Video: Sonja Bender; Dramaturgie: Nicola Käppeler:
Mit: Christian Higer, Roman Konieczny, Klaus Meininger, Robert Prinzler, Nina Schopka:
Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, eine Pause

www.staatstheater.saarland

Fatzer
von Bertolt Brecht, ins Japanische übersetzt von Masayuki Tsuzaki
Regie: Motoi Miura; Musik: kukangendai; Bühne: Itaru Sugiyama; Lichtgestaltung: Yasuhiro Fujiwara; Licht: Megumi Yamashita; Ton: Toshihiro Dooka; Kostüm: Kyoko Domoto; Produktion: Yuna Tajima:
Mit: Satoko Abe, Dai Ishida, Yohei Kobayashi, Saki Kohno, Shie Kubota, Koji Ogawara:
Dauer: 1 Stunde 10 Minuten, keine Pause

chiten.org/en

F++++R Live (UA)
von :objective:spectacle:
Konzept: Paul Matzke, Christoph Wirth; Regie: Christoph Wirth; Visuals, Raum, Bühne: Clementine Pohl: Mit: Paul Matke (Gitarre Gesang), Christoph Wirth (Snaredrum, Synth), Florian Mattil (Elektrobaum, Soundflächen)
Dauer: 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause

objective-spectacle.net

 

 

Kritikenrundschau

"'Fatzer', flott versampelt und versimpelt", fasst Andreas Rossmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Gastspiel aus Saarbrücken zusammen, das den Text konventionalisiere. Das Gastspiel aus Japan hingehen sei "nicht Deklamation, sondern Demonstration; nicht Allotria, sondern Analyse". Die Fragmentierung werde zur Spielweise und Ausdrucksform: "furios und furchteinflößend. Verfremdung der Verfremdung. Standbilder, die zusammensacken und wieder aufstehen, den Protagonisten viele Bühnentode sterben lassen und den Text quicklebendig machen". Kurz: "'Fatzer' als Experiment und als Energiequelle".

Kommentare  
Fatzer-Tage, Mülheim: vor Müller
Lieber Herr Heeg -

ich muß es irgendwo loswerden - Sie sind, als Vortragender der nächsten Fatzer-Tage in Mülheim, mein Schuttabladeplatz: lese ich doch im Programm zum soundsovielten Male etwas von "in der Fassung von Heiner Müller"…

Die Müller-Fassung unterscheidet sich nur geringfügig und zudem dramaturgisch problematisch von der 1975 von Wolfgang Storch und mir erstmals konstituierten Textgestalt und würde ohne sie nicht existieren. Die Geschichte der Uraufführung des Fragments an der Schaubühne am Halleschen Ufer ist nicht ohne Reiz, was die Haltung der Brecht-Erben angeht (die eine Aufführung für unmöglich hielten). Storchs und meine in wochenlanger Fußbodenkrabbelei (die Blätter waren auf dem Boden ausgebreitet und wir krochen dazwischen herum und suchten Szenenfolgen, Anschlüsse, Übergänge) führte auch nur deswegen zum Erfolg, weil Reiner Steinweg das gesamte im Archiv lagernde und bis auf Bruchteile unveröffentlichte Material gesichtet, gesammelt und wunderbarer Weise kopiert hatte.

Ich will nicht sagen, daß ich es Müller übelnehme, sich unsere Fassung so sang- und klanglos unter den Nagel gerissen zu haben, aber wenn die Nachwelt das dann nachplappert und selbst wissenschaftliche Auslassungen mit keiner Silbe auf diesen doch eigentlich unübersehbaren Gang der Dinge zu sprechen kommen (die Uraufführung fand immerhin statt, bevor Müller sich überhaupt mit dem Text beschäftigt hatte!), allenfalls in einer Fußnote darauf verweisen, dann ärgerts mich doch. Denn es war auch von der Schaubühne doch ganz tüchtig, das Dingens aus seinem dornröschenhaften Archivdasein zu erlösen, obwohl es so gut wie nichts davon vorab zu lesen gab. Stein vertraute mir, der ich steif und fest behauptete (bei Weitem nicht alle Texte kennend), FATZER sei, wie Schleef sich ausdrückte, "ein Hit". Stein spielte dann, bei der Eroberung der Rechte, eine entscheidende Rolle. Aber das erzähle ich Ihnen wann anders.

Fest steht, daß Heiner weder die Zeit, noch die Geduld, vermutlich auch nicht die Lust gehabt hätte, aus den hunderten von Zetteln und Zettelchen, getippten und gekritzelten, ohne Frau Ramthun überhaupt nicht entzifferbaren Notizen ein aufführbares Gebilde zu montieren. Insofern wurmt es mich immer wieder, wenn dieser in der Tat mühsame Arbeitsgang völlig in Wegfall kommt.

Ich hoffe auf Ihr Verständnis.

Herzlich -

Steckel.
Fatzer-Tage, Mülheim: Fragen an Steckel
Fragen an FPS:
Gibt es dazu keine Dokumentationen an der heutigen Schaubühne?
Sie haben das Müller echt nicht verübelt? Kein winziges kleines bisschen? Sind Sie ein Heiliger oder so ähnlich? Solches sang- und klangloses küntlerisches Benutzen bereitet ungenauen wissenschaftlichen Auslassungen, Nachbereitungen und dergleichen, immerhin den Boden. Es kostet nicht viel, zu sagen oder kurz schriftlich festzuhalten: "Das habe ich als Autor im Grunde da und dort geklaut - vielen Dank für die Inspiration bzw. motivierende Vorarbeit"
Ist das denn noch nie auf einer Heiner-Müller-Tagung, beispielsweise in FaM, thematisiert worden? Wo allgemein bekannt ist, dass die Fatzer-Fetzen für Müller der eigentlich anregendste Text von Brecht war? Aus mehreren Gründen: wegen des an Büchner erinnernden Fragmentarischen UND wegen des dramatischen Konfliktes, der irgendwie etwas Baal-haftes auf einer neuen dramaturgischen Ebene hatte aus meiner bescheidenen und gewiss wenig kompetenten Sicht auf Brecht undoder Müller und die Fatzer-Figur.
Fatzer-Tage, Mülheim: Fassungsfragen
Werter Herr Steckel, würden Sie mir recht geben, wenn ich behaupten würde, das Spielen des "Fatzer-Fragments" "in der Fassung von Heiner Müller" hat erst mit der Veröffentlichung der Müller-Version nach 1994 bei Suhrkamp begonnen? Oder ist es tatsächlich so, wie Jan Knopf in seinem Brecht-Handbuch (S. 175) schreibt: „Müllers Fatzer-Fassung diente als Grundlage für fast alle weiteren Inszenierungen“. Ein Ausgangsjahr ist leider nicht angegeben. Mit der Veröffentlichung bei Suhrkamp war die "Bühnenfassung von Heiner Müller" ja als eigenständig legitimiert. Spätestens, oder je nach dem frühestens da hätten Sie bei Suhrkamp intervenieren müssen. Hat Suhrkamp Ihre Arbeit ignoriert? Wo kann man Ihre Fassung lesen? Auch Heiner Müller müsste ja einen Zugriff darauf bekommen haben. Wenn sie nicht veröffentlicht ist, bleibt sie eine einfache Bühnenfassung unter vielen, wie die letzte von Manfred Karge, der für seine Zweitregie 2014 am BE mit Hermann Wündrich eine eigene Fassung erarbeitet hat. Nichts für ungut, eine „wochenlange Fußbodenkrabbelei“ durch einen Wust von losen Zetteln ist sicherlich eine enorme Fleißarbeit, der sich Heiner Müller wohl schlau entzogen haben mag. Wirklich beweisen kann man das aber nur, wenn man beide Textfassungen nebeneinander legt. Zudem wird Ihre Fassung in den damaligen Kritiken als Verschnitt aus zwei frühen Brecht-Fassungen bezeichnet, während Heiner Müller nach Jan Knopf thematische Blöcke montiert hat, was Sie vermutlich für dramaturgisch problematisch halten. Oder wie verstehe ich diesen Hinweis? Müller behält die kommentierenden Chöre bei und fügt eigene Texte ein. Sie lassen eine Art Erzähler am Tisch kommentieren. Knopf: „… wurde zugleich der Werkstattcharakter durch Einbau eines Kommentators betont, der die Arbeit als (Gerichts-)Prozess sowie als Prozess der Textdeutung auswies.“ Müllers Fassung stellt den Fatzer konkret in den Kontext des RAF-Terrors. Koch ist der Terrorist, Fatzer der Anarchist, Koch/Keuner die Verbindung von Disziplin und Terror. „Keuner der Kleinbürger im Mao-Look“ (HM: FATZER ± KEUNER). Hierzu muss man noch wissen, dass Koch bei Brecht in späteren Fassungen erst zu Keuner wird und letztlich zu K. Kafka lässt grüßen. Spielt diese Ambivalenz Koch/Keuner bei Ihnen auch eine Rolle?
Fatzer-Tage, Mülheim: Archiv-Schichten
Ich habe noch etwas weiter recherchiert. In Heiner Müller: Gesammelte Irrtümer I, S.54 gibt es ein Gespräch mit Wend Kässens und Michael Töteberg über Terrorismus und Nibelungentreue sowie das »Fatzer«-Fragment, in dem einer der Interviewer in einer Frage sagt: "Sie haben das ganze Material im Ostberliner Brecht-Archiv einsehen können..." usw. Müller dementiert das nicht und antwortet: "Wenn man das Material durchschaut, kann man sehr genau verschiedene Schichten feststellen..." usw. Also für mich schließt sich daraus schon, dass Müller seine Fatzer-Fassung aus dem Archivmaterial erstellt hat. Oder wie interpretieren Sie das, Herr Steckel?
Fatzer-Tage, Mülheim: Materialfragen
Daraus, dass Müller im Brecht-Archiv das Fatzer-Material einsehen bis studieren konnte, ist nicht zwangsläufig zu schließen, dass er seine Fatzer-Fassung von suhrkamp 1994 aus diesem Material erstellt hat. Die Fassungen anderer, die man wahrnehmen kann, können sehr motivierend sein, wenn man durch sie plötzlich kritische Vergleiche mit eigenen interpretatorischen Vorstellungen ermöglicht bekommt. Möglicherweise ist auch das "Fatzer-Material" von Müller bereits ein anderes als das archivierte Fatzer-Material Brechts auf dessen Grundlage u.a. Müllers Material zu "Fatzer" sich heranbildete? Die Frage in dem o.e. Interview kann das spezielle Brecht-Material gemeint haben. Müller kann antwortend aber durchaus auch sein eigenes, also u.a. Brechts Fatzer-Material gemeint haben.(?) Wir kennen den Umgang Müllers mit dem Material-Begriff, der sich bereits philosophisch völlig anders orientierte als Brecht. Das war einer seiner Kritikpunkte an brecht. Ein anderer, auffälliger Widerspruch in dem Fragment-Problem, welches Müller immer wieder versucht auf seine Weise durch sprachlich immer stärkere, bis in gedichtete Prosa hinein, Segmentierung zu bewältigen einerseits. Und andererseits gleichzeitig versucht, als von Theater nicht zu bewältigen zu manifestieren. Dass er dies einerseits als einzigen Weg sieht, Theater in Veränderung zu zwingen. Und zwar aus gesellschaftspolitischen Gründen. Andererseits schreibt er in "Fatzer+/-Keuner" 1979 "Die Angst vor der Metapher ist die Angst vor der Eigenbewegung des Materials. Die Angst vor der Tragödie ist die Angst vor der Permanenz der Revolution." Er bemüht sich demzufolge die Sprachsegmentierung und die Auflösung des Dialoges in Theatertexten als einzig mögliche Tragödie darzustellen. Was der historischen Wahrheit jedoch nicht entspricht. In der DDR war für Müller Tragödie nicht möglich wie für Brecht nicht möglich war, ein DDR-Thema zu dramatisieren. Heiner Müller konnte weit vor und zurück denken. Aber das Ende der DDR konnte er merkwürdigerweise nicht denken. Seine Entscheidung für "Verkommenes Ufer" ist ebenso paradigmatisch gewesen wie "Goethes bewusste Entscheidung gegen die hungernden Weber und für die Jamben der Iphigenie..."(ebd.) Er ist nicht allein mit der Ansicht, dass das "vielleicht folgenreichste Unglück in der neueren Geschichte(...) das Scheitern der proletarischen Revolution in Deutschland und ihre Abwürgung durch den Faschismus"(ebd.) gewesen sei. Weniger Zustimmung dürfte er erfahren haben mit der Ansicht, das die schlimmste Konsequenz des Faschismus die Isolierung des sozialistischen Experiments in der Sowjetuonion auf ein Versuchsfeld mit unterentwickelten Bedingungen." (ebd.) gewesen sei. Eine 1979 jedoch äußerst merkwürdige Einschätzung für einen Mann mit Müllers internationalen Kontakten und Lektüreerfahrung ist diese: "Die Amputation des deutschen Sozialismus durch die Teilung der Nation gehört nicht zu den schlimmsten. (Konsequenzen, meint er, B.v.m.) Die DDR kann damit leben." Mag der erste Satz noch stimmen. Der zweite stimmte in einer Welt mit den technischen Errungenschaften und einem mittlerweile globalisierten Kapital 1979 garantiert nicht. Und man hätte das wissen können. Wenigstens so ahnen, dass man das sich nicht mehr so zu eher privaten Zwecken notieren musste. Was daraus folgt, ist: Möglicherweise ist auch der erklärte Tod des Dialogs auf dem Theater nur eine Angst vor einer Veränderung des Theaters gewesen? Und auch eine Angst vor einer Tragödie, die dialogisch erneut bis in die Sprache reicht?? Und die in eine beruhigte, isolierte DDR-Gewissheit die Permanenz einer Veränderung gebracht hätte???
Fatzer-Tage, Mülheim: aus den Archiven
Deutschlands Theater Nummer eins, die Schaubühne am Halleschen Ufer, West-Berlin, hat letzten Donnerstag ein Brecht-Stück uraufgeführt -- das Fragment "Der Untergang des Egoisten Fatzer". Die Geschichte vom Soldaten, der erkennt, daß der Feind nicht nur vor, sondern vor allem hinter ihm steht, im eigenen, die Schlachten des Kapitalismus schlagenden Volk, hatte den Autor seit 1927 beschäftigt: 500 Seiten im Brecht-Nachlaß zeugen davon. Der Deserteur Fatzer bezahlt seinen Irrtum, er könne als einzelner für sich den Krieg beenden, mit dem Tode, gemeinsam mit drei Kameraden. In der Inszenierung von Frank-Patrick Steckel riskiert die Schaubühne einen finster-didaktischen Realismus. Und sie findet mit "Fatzer", nach der imponierenden "Empedokles"-Eskapade, zurück zum eigentlichen Thema, der Gesellschaftskritik, dem Parabeltheater auf den Spuren des Lehrstückeschreibers Brecht. (DER SPIEGEL 12/1976)

...Auch der (nach der Schaubühne) zweite Versuch mit dem Fragment, in einer Fassung von Heiner Müller, konnte den Verdacht nicht entkräften, daß der „Fatzer“ ein Ereignis nur für die Brecht-Philologie ist, keines für das Theater. (Benjamin Henrichs, DIE ZEIT 10.3.1978)

„...Mir geht dieser FATZER nicht aus dem Kopf, ...den Schumacher zur Vorbereitung seines Brecht-Oberseminars (März 1984! - Anm. St.) als Stücktext in die Runde gegeben hatte: Ein xerographiertes Typoskript ohne Titelseite, sein persönliches Exemplar. ...Viel schwieriger dagegen ist der Umstand, daß das Henschel-Bühnenmanuskript der Müllerschen Fassung erhebliche Unterschiede zu unserem vorliegenden abgetippten Text aufweist und uns auf ein kolossales Mißverständnis stoßen läßt. Es beruhte auf der Annahme, Schumacher hätte damals für die Müller-Veranstaltung seines Brecht-Oberseminars auch die Müllersche Fassung rumgereicht, aber es war die Fassung der Schaubühne, die Wolfgang Storch für eine Inszenierung von Frank-Patrick Steckel 1976 eingerichtet hatte. Während die Schaubühnen- Version eine gewisse Stringenz der Handlung anzielte, ...kehrt die Müllersche Fassung rückhaltlos den Fragment-Charakter heraus... Die Produktionszusage hatte der Hauptabteilungsleiter Dr. Gugisch auf die ihm bisher vorliegende Schaubühnen-Fassung hin erteilt... (Matthias Thalheim, >>Fatzer im Radio)
Fatzer-Tage, Mülheim: Fassungen dokumentiert?
Danke, F-P. Steckel. Bleibt zu fragen: Inwieweit hielt sich die suhrkamp-Ausgabe der Fatzer-Fassung von Müller an die Ausgabe von Henschel und hat das Lektorat von suhrkamp dies alles (siehe Beispiele unter #6) aufgearbeitet und - wenn schon nicht kommentiert in Vor- und oder Nachwort, dokumentiert??? Wenn nein, WARUM nicht??? Das soll kein Vorwurf sein, sondern eine sehr ernst gestellte Frage. Die ebenso einen anderen Verlag in ähnlicher Sache betreffen könnte. Und die eventuell lohnte, prinzipiell diskutiert zu werden. Besonders im Literatur- und Theaterbetrieb.
Fatzer-Tage, Mülheim: Material für jeden einsehbar
Werter Herr Steckel, die Kritiken kenne ich. Das ist keine Antwort auf meine Fragen. Die Anekdote mit dem falschen Typoskript von Ernst Schumacher ist allerdings köstlich, sagt aber noch nichts über die Verbreitung der Schaubühnenversion und den Einfluss auf Heiner Müller. Dass es den gibt, ist allerdings unbestritten. Hier helfen tatsächlich die „Bibliografischen Notizen“ zur Heiner-Müller-Gesamtausgabe, Werke 6, Die Stücke 4 (Suhrkamp, herausgegeben von Frank Hörnigk). „Die Auseinandersetzung mit der Brechtschen Textvorlage reicht weiter zurück als die unmittelbare Arbeit am Text.“ Hörnigk schreibt von einer Erstlektüre in den 50er Jahren. Quelle ist Müllers Autobiografie „Krieg ohne Schlacht“. Müller hatte bereits 1967 eine Fatzer-Inszenierung am BE geplant, zu der es aber nicht kam. Hörnigk weiter: „Für die unmittelbare Arbeit an seiner Fassung benutzte Müller 1978 die (von Hertha Ramthun entzifferten) Manuskripte und die Typoskripte Brechts, zu denen Steinweg 1972 eine ,Genetische Übersicht‘ und eine ,Aufschlüsselung des Archivmaterials‘ vorgelegt hatte.“ - Das waren auch ihre Quellen, wie Sie bereits berichtet haben, Herr Steckel. - Dann erwähnt Hörnigk die „Uraufführung des Textmaterials (…) an der Schaubühne Berlin/West unter der Regie von Frank-Patrick Steckel (…) (unter dem Titel ,Bertolt Brecht: Der Untergang des Egoisten Fatzer. Eine Auswahl der Schaubühne aus dem Fatzer-Fragment‘).“ Hörnigk erwähnt die „stringente Handlungs- und Figurenstruktur“ … usw. Dann kommt‘s: „Eine Kopie dieser Fassung, die sowohl eingeschobene Typoskriptblätter wie auch handschriftliche Notizen Müllers enthält, befindet sich im Nachlaß, so daß anzunehmen ist, daß Müller auch dieses Material für seine Arbeit benutzte.“ Somit ist Ihre Arbeit, Herr Steckel, zumindest nicht unerwähnt, wenn auch nicht in dem Maße gewürdigt, wie Sie das vielleicht erhofften. Den genauen Einfluss auf Müllers Bühnenfassung kann man natürlich nur nach Sichtung allen Materials ziehen. Und das liegt für jeden einsehbar beim Müller-Archiv.
Fatzer-Tage, Mülheim: Würdigung
Vielen Dank für den Einblick in Ihre Lesearbeit, Stefan Bock! - Das ist doch sehr sauber von Hörnigk gearbeitet zu dem Zeitpunkt der Herausgabe. Das darf als Erwähnung von Arbeitsleistung anderer doch gern reichen und ist in vielen ähnlich gelagerten Fällen mehr als andernorts an Genauigkeit der Quellenlagen-Analyse geleistet wurde. Ich finde es sehr gut, dass diese Arbeit durch diesen kleinen, durch aktuelle Inszenierungsbesprechungen angeschobenen Diskurs auch einmal zur Sprache kommt. Und damit zur verdienten, aktualisierten Würdigung von auch Steckels Arbeit. Ebenso wie zu der Würdigung der Mitarbeiter der damaligen Schaubühne. Und zwar auch außerhalb des kleineren Leserkreises der Herausgabe von Hörnigk bei suhrkamp. Auch denke ich, ist das für Hörnigk eine kleine, nachrufende Würdigung, die zeigt: Sie werden als präsentes Beispiel deutschsprachig verfasster literaturwissenschaftlicher Arbeit sehr vermisst, aber wir wissen das nicht immer...
Fatzer-Tage, Mülheim: Ausgangspunkt
"Werter Herr Steckel, würden Sie mir recht geben, wenn ich behaupten würde, das Spielen des "Fatzer-Fragments" "in der Fassung von Heiner Müller" hat erst mit der Veröffentlichung der Müller-Version nach 1994 bei Suhrkamp begonnen?" Verehrter Herr Bock - als ich das las (#3) konnte ich nicht ahnen, daß Sie z.B. die Rezension von Herrn Henrichs zu Karge/Langhoffs Inszenierung (der Müller-Fassung, für die sie angefertigt worden war) von 1978 kennen. Um weitere Fragen zu beantworten: Die Fa. Brecht Erben war derart unangenehm überrascht von Storchs und meinem Erfolg bei dem Versuch, einen spielbaren FATZER-Text zu konstituieren, daß die (westberliner!) Schaubühne absolutes Publikationsverbot erhielt - wir durften die Fassung weder im Programmheft noch anderswo veröffentlichen; auch der Zusatz "Eine Auswahl..." war eine Auflage der Rechteinhaber. Die Schaubühnenfassung von 1975/76 existiert also bis heute nur als xerographierter (d.h. auf eine Matrize getippter und vervielfältigter) Text - und in dieser Form (bezeichnenderweise ohne Titelseite) hat ihn noch 1984 Ernst Schumacher seinen Studenten zu lesen gegeben. Auch mein Buch sah so aus, es liegt jetzt im Archiv der Akademie der Künste. Müller hat dieses "Material" nicht a u c h benutzt, es bildete den Ausgangspunkt und das Fabelgerüst seiner eigenen Version, wie ein Vergleich der beiden Fassungen zweifelsfrei ergibt. Die Beziehungen der Schaubühne zu Müller waren (seit DER LOHNDRÜCKER 1975) recht eng. Vermutlich habe ich ihm unsere Fassung sowie das Konvolut Steinweg selbst gegeben. Aber, wie meine Mutter in ihren letzten Jahren zu sagen pflegte, das weiß ich nicht mehr.
Fatzer-Tage, Mülheim: Hat Müller gelogen?
Werter Herr Steckel, wenn dem so ist, dann bedeutet das, Heiner Müller hätte schon 1978 in seinem Text "Fatzer-Material", in dem er die Arbeit am Fatzer-Fragment reflektiert, gelogen. Der Text steht der Ausgabe seiner Bühnenfassung des Fatzer (Suhrkamp 1994) voran und hat auch Eingang in die schon erwähnte Autobiografie „Krieg ohne Schlacht“ gefunden. Darin heißt es: „Es gibt circa vierhundert Seiten im Brecht-Archiv, diffuses Material, manchmal steht eine Zeile auf dem Blatt, manchmal ist die Seite voll, Ansätze zu verschiedenen Fassungen.
Ich habe in dem Zimmer, in dem ich gearbeitet habe, die vierhundert Seiten ausgebreitet, bin dazwischen herumgelaufen und habe gesucht, was zusammenpasst. Ich habe auch willkürlich Zusammenhänge hergestellt, an die Brecht nicht denken konnte, ein Puzzle-Spiel.“ usw.
Klingt dem, was Sie eingangs erwähnten, sehr ähnlich. Ich war nicht dabei. Es bliebe also nur die erneute Fleißarbeit, beide Fassungen nebeneinander zu halten. Was Sie ja wohl schon getan haben.
Ihr Hinweis zu den Rechten ist dahingehend interessant, weil es ja auch von Müllers Fassung heißt, dass sie aus rechtlichen Gründen nicht an der damaligen Volksbühne inszeniert werden konnte, und Karge/Langhoff deswegen ans Hamburger Schauspielhaus ausgewichen sind. Trotzdem gibt es ein Henschel-Bühnenmanuskript der Müllerschen Fassung, wie Sie unter #6 erwähnen, und die Suhrkamp-Ausgabe von 1994. Wann ist also Müllers Fassung legitimiert worden? Weiß das jemand?
Fatzer-Tage, Mülheim: Doppelrolle Dramaturg
Herr Steckel, mir scheint ein Schlüssel zur Aufklärung wäre Ihr Dramaturg Wolfgang Storch. Wenn ich das richtig lese, hat er an beiden Aufführungen in Berlin und Hamburg (Programmheft) mitgewirkt. Wussten Sie das? Auch war er leitend im Theaterverlag von Suhrkamp beschäftigt.
Fatzer-Tage, Mühlheim: Das vergisst man nicht
Herr Steckel, haben sie nun dem Müller die Fassung gegeben oder nicht? Eine Sache, die derart viel Arbeit gemacht hat und an einen so exponiert gestellten Ost-Dramatiker von einem West-Theatermacher selbst in größter Freundschaft als Vertrauensbeweis durchgereicht wird, vergisst man nicht. Sie schon gar nicht. Fam. Brecht Erben hin oder her. Es gibt außerdem die Möglichkeit, dass die heutige Dramaturgie der Schaubühne sich um die Aufarbeitung ihrer gesamten bisherigen Geschichte selbst kümmert und die entsprechend darstellt. Das täte auch der Darstellung und Einordnung ihrer heutigen Relevanz gut. Sie würden da bestimmt ein hilfreicher Gesprächspartner für die sein können. Ich denke, dass der Chefdramaturg dort einen besonderen Zugang haben könnte zu literaturwissenschaftlichen Fragen, die von theaterwissenschaftlichen und-praktischen Fragen durchaus klugerweise nicht immer zu trennen sein sollten. Im Ürbigen sehe ich es erstmals seit Brechts Tod als Vorteil, dass wir zwischenzeitlich ein deutsches vereinigtes Leseland sind. Da haben die Fam. Brecht Erben es nicht mehr so leicht, nach dem "teile- und herrsche"-Prinzip ideologisch betont mit den Rechten an Brechts Werk umzugehen. Das heißt nicht, sie hätten dies bevorzugt getan. Das heißt, die Verführung dazu dies zu tun, war größer. Jetzt geht vor ihr Erbe der eindeutige Brecht-Satz: "hauptsache, es wird benützt." (Nein, ich sehe jetzt nicht nach, ob das vollkommen korrekt wissenschaftlich zitiert ist.) Dass Müller in/für Krieg ohne Schlacht gelogen hat, ginge mir als Behauptung zu weit. Selbstverständlich ist es das Einfachste soviel Material auf dem Boden auszulegen und sich dazwischen mit Argusaugen und wachesten Instinkten zu bewegen, um Zusammenhänge zu sich durchdringen zu lassen. Das darf für Müller ebenso gegolten haben wie für Storch/Steckel oder für andere mit anderen ebenso umfangreichen, möglicherweise noch umfangreicheren Materialien. Er hat einfach die anderen nicht erwähnt. Nicht einmal im Nebensatz. Das ist möglicherweise kein schöner Zug, aber deshalb noch keine Lüge. Gleichwohl darf man unter Freunden in einem solchen Fall vertraulich sagen: "Meinst Du nicht, dass Du ein bisschen vergesslich bist, was mein Vertrauen und Bereitschaft zur grenzen-losen Zusammenarbeit anlangte?" - Vielleicht aber hat das der Steckel ja getan und nur vergessen...
Fatzer-Tage, Mülheim: ohne Heiner Müller
Sollte Müller Wolfgang Storch und mir nicht getraut haben und daher zu einem "reenacting" unserer Montagearbeit gegriffen haben, so wäre das, so unwahrscheinlich es auch scheinen mag, nachvollziehbar. Ich wollte mit meinen Brief an Günther Heeg, der von Anfang Juni d.J. stammt und nie beantwortet wurde, den wissenschaftlichen Begleittrupp der Mülheimer FATZER-Tage lediglich darauf aufmerksam machen, daß die Uraufführung des Fragments gänzlich ohne Heiner Müller stattfand und die Uraufführungsfassung nur deswegen nicht "bekannt" geworden ist, weil sie 1) von Beginn an mit einem Veröffentlichungsverbot belegt wurde und 2) die Uraufführung selbst (deren Werdegang an der Schaubühne übrigens recht kompliziert verlief) kein sonderliches kulturbetriebliches Interesse an dem Text hevorrief, im Gegenteil - siehe die Rezension von Herrn Henrichs. Meines Wissens hat das Thema keinen Theaterwissenschaftler seither in Bewegung gebracht. Aber das kann sich ja ändern.
Fatzer-Tage, Mülheim: Fragen
Steckel - Sie weichen aus: Haben Sie oder haben Sie ihm nicht vertrauensvoll durchgereicht? Ich tät es gern wissen. Ohne Umschweife ein "Ja, haben wir ihm selbst gegeben" oder "Nein, haben wir nicht." In der Redaktion ist meine E-Mail Adresse bekannt. Wenn Sie sich hier nach Ihren nun einmal gemachten Andeutungen dazu nicht äußern wollen, mögen Sie mir vielleicht privat die Frage beantworten. Ich wüsste außerdem gern: Wie genau formal ist das "Veröffentlichungsverbot" für die Fassung damals ausgesprochen worden? Weiter würde ich gern wissen: Interessiert sich zwischenzeitlich die derzeitige Schaubühne für den einstigen, wie Sie schreiben recht kompliziert verlaufenden, Werdegang Ihrer Uraufführungsfassung? Und bitte: Verzeihen Sie, dass ich das hier so offen frage. Ich täte es gern diskreter. Aber ich habe trotz der kleinen und nicht uninteressanten Disput-chen, die wir hier in den letzten zwei Jahren mitunter unbekannterweise über diese Site geführt haben, Ihre private E-Mail-Adresse nicht und kontaktiere auch keine Verlage oder dergleichen, um an Anschriften ihrer Autoren zu kommen. Auch nicht die sympathische Frau Reschke. Wofür ich zu meinem eigenen großen Bedauern meine Gründe habe.
Fatzer-Tage, Mülheim: Erinnerung
#15: Ich sage doch, ich weiß es nicht mehr - Müller hatte außerdem tausend Möglichkeiten, an einen Text (und das Quellenmaterial) zu kommen, nachdem wir soweit waren. Die "derzeitige Schaubühne" interessiert das alles überhaupt nicht, warum sollte es? Das Publikationsverbot war, wenn ich es recht erinnere, Bestandteil des Aufführungsvertrags mit Frau Barbara.
Interessant ist das Ganze als ein Stück deutsch-deutscher Theatergeschichte im Zusammenhang mit der politischen Prognostik des Fragments selbst.
Fatzer-Tage, Mülheim: romantisch geglotzt
#16: Gut. Danke für die Auskunft. Aber auch Müller hatte gewiss keine 1000 Möglichkeiten an einen Text zu kommen. DieMöglichkeiten, die er hatte, hatte er aber gewiss bei entsprechender Interessenlage zu nutzen gewusst.
Die derzeitige Schaubühne sollte das m.E interessieren, weil einem Theater, gleich welchem, seine eigene Geschichte aus dramaturgischen Gründen immer gegenwärtig sein sollte. Wenn die Schaubühne ein Archiv hat, das einigermaßen lückenlos geführt wurde, müsste sich in dem der Aufführungsvertrag mit Frau Barbara finden. Vielleicht schaut der Wengenroth ja da mal nach. Der ist ja dort, soweit ich das beobachtet habe, der aktuelle Brecht-Experte und da kann er das als Regisseur eventuell einmal einen Sekundenbruchteil einer Darstellung lang verwerten...
In dem Sinne der Prognostik eines inszenierten Textes ist das ganze vergangene Prozedere um seine Inszenierung IMMER als Theatergeschichte interessant. Das ist durchaus nicht nur bei diesem Fragment so, auch wenn ich Ihnen wünsche, dass es so wäre. Das ist eine romantische Vorstellung, auf die Brecht eventuell nicht so romantisch geglotzt gewusst haben wollte... Im Übrigen gilt das gleiche für die vergangenen Prozedere um die Nicht-Inszenierung von zur Inszenierung bereitgestellten Texten.
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