Berliner Triumph

Berlin, 25. August 2016. Die Castorf-Volksbühne und das Maxim Gorki Theater unter der Leitung von Shermin Langhoff und Jens Hillje sind Theater des Jahres. Das ergab die jährliche Umfrage des Fachmagazins Theater heute unter 43 Kritiker*innen, deren Ergebnisse auf kultiversum.de veröffentlicht sind. Jeweils 6 der Kritiker*innen stimmten für die beiden Berliner Häuser. Beide Häuser kamen im letzten Jahr auf drei Stimmen (gewonnen hatte das Wiener Burgtheater). Dem Gorki und der Volksbühne auf den Fersen sind das Theater Basel und das Schauspiel Dortmund.

Die Berliner Volksbühne ist nicht nur eines von zwei Theatern des Jahres, sondern stellt mit dem 2015 überraschend verstorbenen Bert Neumann zudem den Bühnenbildner des Jahres (zum vierten Mal seit 2001). Auch das Gorki kann sich über eine zweite Auszeichnung freuen, so wurde The Situation von Yael Ronen durch fünf Juroren zum Deutschsprachigen Stück des Jahres gewählt und verweist damit Ferdinand Schmalz, Thomas Melle und Elfriede Jelinek auf den zweiten Platz (alle drei haben jeweils vier Stimmen erhalten).

Als Ausländisches Stück des Jahres wurde wiederum sehr eindeutig Geächtet von Ayad Akthar ausgezeichnet (acht Stimmen).

Schauspielerin des Jahres war für die Theater-heute-Jury Caroline Peters, ausgezeichnet für ihrer Darstellung der Ella Rentheim in John Gabriel Borkman von Simon Stone. Auf dem zweiten Platz landete Ursina Lardi, für ihre Darstellung in Milo Raus Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs.

7 Stimmen gab es für Edgar Selge, der für seinen fulminanten Auftritt in Unterwerfung (nach Michel Houellebecq) am Hamburger Schauspielhaus als Schauspieler des Jahres ausgezeichnet wurde. Den zweiten Platz erreichte Martin Wuttke wiederum als John Gabriel Borkman in der Simon Stone-Inszenierung (übrigens eine Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Burgtheater und dem Theater Basel), das außerdem auch als Inszenierung des Jahres ausgezeichnet wurde.

 

Weitere Gewinner:

Zum Nachwuchsschauspieler des Jahres wählten die Kritiker*innen Marcel Kohler, der am Deutschen Theater Berlin den Arkadij in Turgenjews Väter und Söhne (inszeniert von Daniela Löffner) spielte (8 Stimmen).

Nachwuchsregisseur des Jahres wurde Ersan Mondtag (8 Stimmen), dessen Inszenierung Tyrannis auch beim Theatertreffen eingeladen war. Mondtag darf sich darüber hinaus auch über die Auszeichnungen als Nachwuchsbühnenbildner des Jahres (ebenfalls für: Tyrannis) und als Kostümbildner des Jahres freuen. Letztere Auszeichnung teilt er sich allerdings mit Anke Grot, die für ihre Siebziger-Outfits für Effi Briest – aber mit anderem Text und anderer Melodie, eine Inszenierung des Hamburger Schauspielhauses, ausgezeichnet wurde.

Zu guter Letzt: das Ärgernis des Jahres. Dort trumpften gleich meherere auf. Auf Kultiversum werden erwähnt: Die "Selbst-Marginalisierung der Salzburger Festspiele", das Versagen der Kulturpolitik in u.a. Bonn, Augsburg, Karlsruhe, Hagen und Rostock, sowie die Verarbeitung der Flüchtlingskrise am Theater und die Reaktion von Alvis Hermanis darauf.

(Kultiversum /sae)

 

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Kommentare  
Kritiker*innenumfrage Theater heute: Gähn
Was fur eine langweilige PC Wahl. ..
Kritiker*innenumfrage Theater heute: Demokratie
"Gähn." Aha. Das ist also ihre Reaktion: "Gähn." Angesichts einer Liste, die Ihnen nicht zusagt, die sicher auch diskutabel ist, bei der sich allerdings 43 Leute eine ganze Menge Gedanken gemacht haben. Ist nicht wichtig, Mühe anderer Leute, lässt sich wegwischen. "Gähn." Das Gorki ist vorn dabei, ist das der Grund, weswegen Sie hier was von wegen "PC" gähnen? Oder geht es eher darum, weil einiges an dieser Liste vorhersehbar ist? Weil es mehrheitsfähig ist? Ein Hinweis: Diese Liste ist durch eine Mehrheitsentscheidung entstanden. Da findet Ungewohntes, Überraschendes, nicht Mehrheitsfähiges nur schwer seinen Weg ganz nach vorn, tut mir leid, so funktioniert Demokratie. Ist egal. "Gähn."
Kritiker*innenumfrage Theater heute: Gähn II
GÄÄÄÄÄÄÄÄÄHHHHHHHHHHNNNNNNNNNNNNNNN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Kritiker*innenumfrage Theater heute: Widerspruch
Ihre Erklärungsversuche sind ja noch gähniger als die Umfrageergebnisse. "Menge Gedanken gemacht" , "Mehrheitsfähiges" , " so funktioniert Demokratie" .... Das ist der Untergang der Kunstkritik. GÄHN .
Kritiker*innenumfrage Theater heute: Bestätigung der TT-Jury
Herr Schreiber, Herr Schreiber, Herr Schreiber! Machen Sie sich doch nichts vor. Ausser Herr Selge war jeder der "Gewinner" beim Theatertreffen. Die Liste ist lediglich eine Bestätigung der TT-Jury. Angesichts zu hoher Bahn- und Flugpreise.
Kritiker*innenumfrage Theater heute: wie jedes Jahr
Also keine Bestätigung der TT-Jury, sondern eine Wahl die das TT als "shortlist" verwendet. Wie jedes Jahr. Und sicher haben einzelne Kritiker dennoch Zeit und Mühe investiert. Die Kritiker sind in der Regel "auch nur" Menschen, und keine "Überflieger", besonders merkt man das was ihre Stimmen bei der Austtattung betrifft. Finde ich immer ganz rührend - bunt und/oder teuer gewinnt immer. Das Gros ärgert sich über aktuelle Bezüge auf den Bühnen und kürt Stone und Mondtag zum Sieger, und das Gorki! Und Ronen&co als Autorenschaft! Wow. So sieht Konsens eben aus. Diese Tendenz fühlt sich mulmig an... Aber darüber muss man sich nicht ärgern. Kleinere Jurys sind natürlich tatsächlich bisweilen zu Überraschungen fähig, wie #2 sagt.
Kritiker*innenumfrage Theater heute: theaterpolitisch
demokratie und theater?! schließt sich persé aus!!!! Kunst und Demokrtie sind sich spinnefeind... was ich aber wirklich ekelerregend finde: wieso müssen solche "Jurys" eigentlich immer Politik machen??? Warum kann es nicht ein rein künstlerischer Umgang sein?! Nennt mich einen Verschwörungstheoretiker aber: Volksbühne?! Sentimentales Gewäsch und echt peinlich!!!!!! Gorki?! NO COMMENT!!!! Da will wohl die Theaterszene unbedingt, dass die langhoff das theater weiter leitet... Dienstag?! Come on!!! Das sind mindestens drei rein theaterpolitische Entscheidungen... Mit Kunst oder der Liebe zur Kunst hat das nix zu tun... Man muss sich ja mittlerweise als ernst zu nehmender Künstler schämen so einen Preis zu bekommen - wenn man die Kohle halt nicht so dermaßen nötig hätte... PEINLICH!!!!!!!
Kritiker*innenumfrage Theater heute: Entstehungszusamenhang
... ist in jedem Fall, dass hier ein "Kritiker" wie Schreiber eine Herangehensweise fordert, die seine Zunft zutiefst ablehnt: die Berücksichtigung des Entstehungszusamenhangs.
Völlig egal wieviel Gedanken sich Kritiker // Jury machen, völlig egal ob eine Inszenierung an einem Tag oder in monatelanger Versenkung ins Thema entsteht:

Das Ergebnis zählt. Nicht der ganze andere Rest. Auch peinlich genug, dass scheinbar betont werden muss, dass sich ein Kritiker Gedanken macht. Ich dachte das gehört zu seinem Beruf? ...

Das Gorki hat, bis auf einige wenige Abende von Y.Ronen theaterästhetisch nichts nennenswertes gezeigt und beizutragen.
Nur romantische, naive oft unterkomplexe Weltsichten. Dazu schauspielerisch in den vielen Fällen kaum über Laientheaterniveau herausreichende Darstellungen.
Es ist der politische Rahmen und das gesellschaftliche Statement welches hier gewählt wurde.
Von daher schließe ich mich 1 und 3 an.
Kritiker*innenumfrage Theater heute: VB-Argumente
Gibt es eigentlich Argumente, warum die Volksbühne Theater des Jahres sein soll? Vielleicht weil die Regie-Opas Castorf, Fritsch oder Marthaler ein bis zwei halbgare Inszenierungen hinbekommen haben?
Kritiker*innenumfrage Theater heute: vier Argumente
#10

Hier vier Argumente, beliebig zu erweitern:

1. Wegen der Berliner Premiere von Castorfs Brüdern Karamasow samt des Bühnenbilds von Bert Neumann. Ein theatergeschichtliches Ereignis.
2. Wegen Ragnar Kjartanssons tollem "Krieg" und dem besten Konzert, das Berlin m.E. im vergangenen Jahr erlebt hat ("Ich bin ein Bauer und mein Feld brennt")
3. Wegen der grandiosen Experimental-Reihe im Roten Salon, eingerichtet von Henning Nass, improvisiert von den jüngeren, innovativen Köpfen im Team der Volksbühne: Lilith Stangenberg, Max Brauer etc. (Übrigens alle von Dercon entlassen…) Unvergessen vor allem der fantastische Bunuel-Abend.
4. Wegen der Apokalypse von Fritsch, der Tessa Blomstedt von Marthaler und "Service/No Service" von Pollesch. Alle drei Abende gehören zum Besten, was von diesen Altmeistern in den letzten Jahren zu sehen war. Weit besser, als alles, was von ihnen an anderen Häusern lief. Dazu trägt sicher das Team aus den Werkstätten und das Schauspielensemble bei.
Kritiker*innenumfrage Theater heute: Freude auf 2017
Lieber Dessauer,
Tessa Blomstedt ist von 2014! Und wenn man positiv über "Krieg" sprechen will, ist der Abend umstritten. Service/no service kein besonders guter Abend von den hundert anderen in Deutschland zu sehenden Stücken von Pollesch. Allenfalls ist Karamasow außergewöhnlich! Die Schwarze Reihe haben Sie vergessen - ein Flop in mehreren Folgen! Also wie gesagt, die alten Jungs machen einfach ihren Kram weiter - mal mehr, mal weniger gut! Aber deswegen Theater des Jahres 2016? Ich freu mich auf 2017!
Kritiker*innenumfrage Theater heute: jenseits der Überväter
#11 - Ich habe die schwarze Serie (nicht Reihe) nicht vergessen. "Krieg" war Teil davon. "Sommergäste" und "Jona" waren auch sehr gute Produktionen - ersteres wurde zurecht beim Theatertreffen der Schauspielschulen ausgezeichnet. "Troja" und "Locus solus" haben mir auch mißfallen, so what? Flops gibt es überall. Das schreckliche "War and Peace" war ein Gastspiel aus München.
"Service / No service" fand ich - (gemeinsam mit "Keiner findet sich schön", das auch noch im Repertoire ist) - eine herausragend gute Pollesch-Arbeit, weil sie die tobende Debatte Kuratorentheater vs. Theater, in dem die Künstler ihre eigenen Produktionsbedingungen bestimmen, vorweggenommen hat.
Auch Stücke, die noch auf dem Spielplan stehen, machen für mich ein Theater des Jahres aus. Und es sind eben nicht "die alten Jungs", die derzeit das Gesicht der Volksbühne prägen, sondern die Nachwuchsleute wie Zillmann, Brauer, Stangenberg oder P14. Sie rechtfertigen die Auszeichnung! Warum starrt man nur auf die Väter? Um die geplante Musealisierung des Hauses besser plausibilisieren zu können?
Kritiker*innenumfrage von Theater heute: in die Jahre gekommen
Man starrt nur auf die Väter, weil diese an der Volksbühne in 20 Jahren nicht eine(n)! Tochter/Sohn soweit gefördert haben, dass man ernsthaft über eine nachfolgende Castorf Generation an der Volksbühne sprechen kann. Wollen sie mir ihre drei Jungschauspieler als das Licht am Horizont verkaufen? Die mögen ja toll sein, dennoch wurde die Generation Praktika immer mit einem Minimal-Budget im Roten Salon oder auf der Hinterbühne allein gelassen, während auf der großen Bühne Millionen in die Produktionen von Castorf, Marthaler und Fritsch gestopft wurden. Selbstbestimmung funktioniert an der Volksbühne vorbildlich nach dem Prinzip der Selbstausbeutung. Genauso wie es Pollesch in seinen intelligenten Texten jahrelang auf der großen Bühne kritisiert hat. Erzählen sie mir also nicht, dass die Strukturen der Volksbühne und die in die Jahre gekommene Ästhetik irgendwie zukunftsweisend sein soll!
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