Der feuchte Schwamm der Geschichte

von Christoph Fellmann

Zürich, 1. September 2016. Wir sahen in eine piefige Stube in Belgien und in ein armes Büro in Bosnien. Diesmal geht der Blick in eine überstellte Küche in Al-Qamishli, einem Ort in Syrien nahe der türkischen und der irakischen Grenze. Es sind drei kleinbürgerliche Räume, aus denen heraus Milo Rau und sein International Institute of Political Murder (IIPM) in der Trilogie von The Civil Wars (2014), The Dark Ages (2015) und nun "Empire" ihre Geschichte von Europa erzählen. Es ist eine Geschichte von Krieg, Sadismus und Migration, die sich zu reproduzieren scheint. "Und dann? Dann beginnt die Tragödie": Das sind die zwei letzten Sätze der Trilogie, nach rund sechs Stunden Theater in drei Stücken. Sie gehören dem griechischen Schauspieler Akillas Karazissis, nachdem er, schon ausserhalb der Bühne, ein paar Zeilen von Agamemnon gesprochen hat. "Oh dieses Menschenleben! Im Unglück wischt ein feuchter Schwamm darüber, und das Bild, die Schrift, verlöscht."

Fest klebt das Unheil...

Es ist auch eine Geschichte über das Spielen. Auch in "Empire", das jetzt am Zürcher Theater-Spektakel uraufgeführt wurde, entwerfen die vier Schauspieler das europäische Panorama auf der Basis ihrer eigenen Biografie. Da ist der erwähnte Akillas Karazissis, der unter der bleiernen Militärjunta in Thessaloniki lebte, dann in Heidelberg studierte und das Hippieleben ausprobierte, der als Musiker seine "Ästhetik des depressiven Minimalismus" erfand und sie schliesslich im Theater anwenden lernte. Da ist Maia Morgenstern, deren Grosseltern in den Arbeitslagern der Nazis gewesen waren, die selbst in der rumänischen Diktatur von Nicolae Ceausescu aufwuchs, die Revolution erlebte und dann durch ihre Auftritte in Filmen von Theo Angelopoulos ("Der Blick des Odysseus", 1995) oder Mel Gibson ("The Passion of the Christ", 2004) bekannt wurde. Da ist der syrische Schauspieler Rami Khalaf, der 2012 an einer Strassensperre nur durch geschickte Textimprovisation der Verhaftung entging und nach Frankreich flüchtete. Und da ist der Kurde Ramo Ali, dessen Mutter in der Küche, in die wir blicken, für 14 Kinder jeden Tag 15 Kilo Kartoffeln kochte. Inzwischen ist sie tot und Al-Qamishli zerstört.

Empire1 560 ZTS.ChristianAltorfer uKüchengespräche: Ramo Ali, Maia Morgenstern, Akillas Karazisis © Christian Altorfer

Die Inszenierung folgt den ersten beiden Abenden der Trilogie. Die Schauspieler sprechen in ihrer jeweiligen Sprache in die Kamera, welche die Gesichter formatfüllend auf eine grosse Leinwand überträgt, die sich über dem eigentlichen Bühnenbild mit Küche aufspannt. Darunter die Untertitel. Handlung gibt es wenig, die sanft osteuropäisch folklorisierte Musik ist von Eleni Karaindrou, die auch für Theo Angelopoulos gearbeitet hat. Manchmal sehen wir geografische Belegbilder und Familienfotos, später auch Tote aus den syrischen Folterkellern. Das müsste nicht sein, die Erzählung ist eindringlich genug. Umso mehr, als sie von den vier ausgezeichneten Akteuren in einem warmen, empathischen Parlando absolviert wird, das nie aufdringlich wird. Und auch in "Empire" gibt es wieder ein Leitmotiv aus dem Theaterkanon, das die Erzählung lose durchdringt; nach Tschechow ("Kirschgarten") und Hamlet ist es diesmal Medea, die aus dem Herzen der europäischen Finsternis spricht: "Wer schlug, wird geschlagen. / Wer traf, wird getroffen. / Fest klebt das Unheil / An der Menschen Geschlecht."

Europäische Tradition

Wenig erstaunlich, drängen die akuten Fluchterfahrungen aus Syrien die älteren Kriegs- und Migrationsgeschichten von Maia Morgenstern und Akillas Karazissis etwas in den Hintergrund. Das verdankt sich aber nicht einer dramaturgischen Nachlässigkeit, sondern der Erfahrung. Die Geschichte schichtet sich auf, das Alte wird weggedrückt, bis es wieder hervorbricht – sei es in einem neuen Exzess, sei es in den Verwerfungen einer Biografie. Das Private und das Politische verzahnen sich, und man begreift – beispielsweise – mit der Geschichte von Rami Khalaf, wann für einen Syrer der Zeitpunkt gekommen ist, um zu flüchten. Pässe werden eingezogen und Identitäten kassiert. Man zeugt Kinder und ist beruhigt, dass der Vater noch vor Ausbruch der Revolution stirbt – er hätte sich sonst vermutlich auf die Seite des Regimes geschlagen. Man versöhnt sich mit dem Bruder auf der Demo und sucht später sein Gesicht unter den 12.000 Fotos syrischer Folteropfer, die ein Überläufer des Assad-Regimes ins Internet stellte.

Empire3 560 ZTS.ChristianAltorfer uDie Erinnerung in Form des Videobilds © Christian Altorfer

Es ist wieder ein stiller und doch atemloser Abend, den Milo Rau zum Abschluss seiner Trilogie eingerichtet hat. Die neuen Texte verbinden sich mit denen aus den ersten zwei Teilen der Trilogie, mal ganz konkret, mal eher assoziativ. Die europäische Geschichte wird weitergereicht, von Grenze zu Grenze, von Generation zu Generation, vom belgischen Salafisten in Syrien zum syrischen Flüchtling in Frankreich, und von Stück zu Stück. Noch im September erscheint die "Europa-Trilogie" als Buch im Verbrecher Verlag. Sie umfasst jetzt dreizehn Biografien, in denen die Kräfte mahlen, die Zehntausende auslöschen oder auch nur das kleinbürgerliche Glück in einer Stube.

Empire
von Milo Rau
Konzept, Text und Regie: Milo Rau, Dramaturgie und Recherche: Stefan Bläske, Mirjam Knapp, Ausstattung: Anton Lukas, Video: Marc Stephan.
Text und Spiel: Ramo Ali, Akillas Karazissis, Rami Khalaf, Maia Morgenstern.
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.schaubuehne.de
www.international-institute.de

www.theaterspektakel.ch

 

Kritikenrundschau

"Empire" sei der stärkste Part der europäischen Trilogie, findet Daniele Muscionico in der Neuen Zürcher Zeitung (3.9.2016). Die Küchen-Kulisse entlarve sich selbst als kalkulierte Erschütterungsmaschinerie. Die vier Erzähler lasse Rau "auf der Leinwand ins Heldenhafte, Überzeitliche vergrössern und beglaubigen". "Das Stück erzählt von Folter, Flucht, Trauer, Tod – und Rettung durch Kunst. Es kreiert einen Erinnerungsraum, sucht nach den kulturellen Wurzeln Europas, beschwört historische und aktuelle europäische Wenden und zeigt: Vergangene Schuld wirkt weiter als Gespenst in die Gegenwart hinein." Die Frage, ob es eine schuldlose Schuld gibt, gebe Rau an sein Publikum zurück. "'Empire' ist das Theater von Euripides in die Gegenwart gedacht."

Nur Milo Rau könne es so, "so berührend, dass unsere Manipulationsantennen zu zittern beginnen und dann einknicken; so geschichtsprall und geschichtenprall, so singend und stumm, dass man sich geschlagen gibt", schreibt Alexandra Kedves im Tagesanzeiger (3.9.2016). Das ist mehr als eine Repetition des tollen Teil I, "The Civil Wars", der uns in ein Brüsseler Wohnzimmer bugsierte. "Erzählen, Zuhören, Mitschaudern: Darauf läuft Theater hinaus. In der Potenz von 'Empire' ist das schrecklich schön; und klassisch." Rau habe seine Ästhetik des kathartischen Nacherzählens zur Perfektion gebracht. Und dafür die richtigen Leute gewonnen: "Schauspieler, die ihre Storys im Sponti-WG-Groove geben und doch jene Distanz signalisieren, die das Intime als intim inszeniert ausstellt." Im Publikumsstimmen-Video, das der Tagesanzeiger veröffentlicht, sagt Adolf Muschg: "Man weiß, wo die Kunst herkommt, sie kommt aus der Unlösbarkeit unserer Probleme."

"Eine dramatische, grandiose, bewegende, auf ihre Art sogar beglückende Produktion", schreibt Roland Müller in den Stuttgarter Nachrichten (3.9.2016). Vier Schauspieler stellen zwischen Spüle und Esstisch ihre Biografien vor, "es zählt das gesprochene Wort, denn der Regisseur Milo Rau braucht keinen Schnickschnack, um das Publikum zu fesseln". Raus glorios beendete "Europa-Trilogie" besticht durch etwas anderes: "Sie ist eine Schule der Empathie. Die mit Detailfülle ausgebreiteten Leben sind so aufregend und anrührend, so unerwartet in ihren Wendungen, so groß in ihrem Schmerz, so tief in ihrer Menschlichkeit, dass man ihnen als Zuschauer atemlos und gebannt folgt."

Nach der Berlin-Premiere dieser Arbeit an der Schaubühne am Lehniner Platz schreibt Andreas Fanizadeh für die taz (10.9.2016). In seinen Augen sind es die beiden syrischen Schauspieler Ramo Ali und Rami Khalaf, die "mit ihren Familien- und Fluchtgeschichten" dem "nüchternen Sprechstück kaum zu ertragende Brisanz verleihen". Ob "man die Bilder zu Tode gefolterter Assad-Gegner auf die Bühnenleinwand projizieren darf?", fragt der Kritiker. "Vielleicht muss man sogar. Denn es ist keine ferne griechische Tragödie, die sich in Syrien zuträgt und die ohne Bilder kaum wahrgenommen würde."

"Die Kameralinse verfremdet die Präsenz der Darsteller auf der Bühne, macht sie in gewisser Weise zu Unberührbaren, deren Schicksale das Publikum nur sehr vermittelt erreichen", berichtet Irene Bazinger für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.9.2016). Die Darsteller bewältigten ihre Sache zwar gut. "Dessen ungeachtet wird mitunter die Grenze zum Kitsch übertreten und eine existentielle Spannung behauptet, die lediglich in folkloristische Unverbindlichkeit mündet". Als Autor und Regisseur verlasse sich Milo Rau "auf ein selbstverständliches Einverständnis zwischen Stück, Akteuren und Zuschauern". So wirkt der Abend auf die Kritikerin "bei aller Brisanz in seiner rechtschaffenen Betulichkeit durchaus vorhersehbar. Er animiert bloß zum Nicken, nicht zum Denken, nicht einmal zum Mitfühlen (...)."

Milo Rau habe mit "Empire" die "Messlatte" für die neue Theatersaison "gleich erfreulich hoch gelegt", applaudiert Christine Wahl im Tagesspiegel (10.9.2016). Rau ziele nicht nur auf eine Verdichtung biographischer Erzählungen "zu einem europäischen Geschichtspanorama", sondern auch auf eine Reflexion über das Theater. "Wie die Darsteller mit dem Verhältnis zwischen ihrer biografischen und ihrer Bühnenrollen-Identität spielen, das gelingt hier komplexer als an vielen vergleichbaren Theaterabenden; erhellender auch als in den ersten beiden Teilen von Raus Trilogie selbst."

Für das Inforadio des rbb (9.9.2016) berichtet Ute Büsing: "Der Abend der leisen zurückhaltenden manchmal sogar humorvollen Töne wird zum Requiem. Er zerfällt zu Asche, persönlich und metaphorisch. Doch bei Milo Rau entsteht etwas daraus: ein Theater des Mitleidens."

Für Doris Meierhenrich dehnen sich zwei Stunden "auf das gefühlt Doppelte". Die "aufwühlenden, komplexen Geschichten" der Darsteller*innen sprächen "an uns vorbei", schreibt Meierhenrich in der Berliner Zeitung (10.9.2016). "Nicht wir, die Kamera ist ihr Partner, der uns zwar die Großaufnahmen ihrer müden (Rami) oder weinenden (Maia) Gesichter entgegen wirft, doch schaffen diese Bilder keine Nähe, sie sprechen nur zu sich selbst." Die "intimen Gefühlsmasken", die sie aufbliesen, zögen nicht hinein in Erinnerungsräume, so Meierhenrich: "Die Berichtenden tun einem leid und gehen einen doch nichts an. Und das ist sicher das Schlimmste, was passieren kann."

Das strukturelle Problem des Formats liegt für Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (13.9.2016) darin, "dass die autobiografischen Texte in jeder Aufführung reproduziert, also zu Rollen-Texten werden. Diese Scripted Reality von den Betroffenen vortragen zu lassen, schafft einen falschen Authentizismus, zu dem es passt, dass Ramo Ali, der gut Deutsch kann, hier sozusagen als Echtheitstzertifikat Arabisch sprechen muss". Im Programmheft erkläre Milo Rau, was er für den 'Lichtblick am Ende des Tunnels' halte: Das sei der Zuschauer, der interessiert, vielleicht sogar voller Sympathie zuhöre. Mehr an Erlösung könne man Rau zufolge auf dieser Welt nicht kriegen. "Regisseur und Theaterzuschauer als Erlöser traumatisierter Bürgerkriegsflüchtlinge - mehr an Theaternarzissmus dürfte ebenfalls schwer zu finden sein", schreibt Laudenbach.

Christian Baron vom Neuen Deutschland (10.9.2016) schreibt, dank cleverer Dramaturgie kristallisiere sich aus dem Persönlichen so etwas wie eine innere Geschichte Europas heraus. "Und die macht es – ohne die europäischen Bürger moralisch verurteilen zu müssen – dem Zuschauer unmöglich, die eigene Mitverantwortlichkeit für die global sich verheerend auswirkende Gestalt dieses so mächtigen Kontinents zu verdrängen." Und weiter: "Indem sich intensiv fremde Leben präsentieren, fällt der Blick ebenso intensiv zurück – auf den Einzelnen und dessen Beziehung zur Welt. Was kann Theater mehr erreichen wollen als das?"

Kommentare  
Empire, Berlin: düstere Grundstimmung
Berlin-Premiere an der Schaubühne:

Zu sanften Klavierklängen gibt es zunächst eine etwas zähe Exposition des Theaterabends „Empire“: die vier Schauspieler erzählen von ihren Wurzeln, den verästelten Geschichten ihrer Familien und vom Verlassen ihrer Heimat. Sie reden am Küchentisch und filmen sich dabei abwechselnd, so dass sie gleichzeitig auch in Großaufnahme auf der Video-Wand zu sehen sind. Nach einer unfreiwilligen, technisch bedingten Pause, die zum Spielzeitauftakt an der Schaubühne (nach der Panne bei Constanza Macras im vergangenen Jahr) fast schon zur Tradition wird, findet der Abend seinen Rhythmus.

Im Zentrum stehen nun die beiden erschütternden Erlebnisse von Ramo Ali und Rami Khalaf: sie konfrontieren das Publikum mit ihren Berichten von den Haftbedingungen in Palmyra, den Exekutionen an den Straßensperren und ihrer Flucht nach Paris bzw. Süddeutschland, wo sie an Theatern arbeiten. Vorwarnung: Den Zuschauern werden auch die Bilder der von Folter entstellten Opfer nicht erspart.

Empire“ nimmt viele Themen aus den beiden ersten Teile von Milo Raus-Trilogie wieder („Civil Wars“ und „Dark Ages“) auf. Die Grundstimmung des neuen Abends ist noch düsterer, da die Schauspieler diesmal direkt aus der Hölle des syrischen Bürgerkriegs berichten.

Wer nur eines der drei Stücke sehen kann oder will, sollte sich für das mittlere Werk „Dark Ages“ entscheiden, da es Milo Rau in dieser Zusammenarbeit mit dem Münchner Residenztheater am besten gelungen ist, die verschiedenen Erzählstränge zu einem beeindruckenden Ganzen zu verweben.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2016/09/09/empire-letzter-teil-von-milo-raus-europa-trilogie-an-der-schaubuehne-und-david-van-reybroucks-essay-gegen-wahlen/
Empire, Berlin: fließt und trifft
Empire ist der Endpunkt, das Ziel der Trilogie. Hier laufen sie zusammen, die Fäden der ersten beiden Teile, in denen von der Kapitulation des Westens vor heilversprechenden Ideologien, von Flucht und Schuld und beider Unentrinnbarkeit die Rede war. Alles ist ambivalent, zweischneidig, nie nur eines allein. Die Gegenwart ist Vergangenheit, das Private politisch und tödlich, Religion lebenserhaltend und vernichtend. Die Zeit will nicht vorankommen, auch nicht an diesem Abend, der deutlich länger erscheint als seine zwei Stunden und doch keine Längen hat. Immer wieder sehen wir Bilder von Flüssen, keine ganz neue Metapher, aber eine, die diesen Abend trifft. Er fließt dahin, spült alles mit sich, spuckt das eine oder andere aus und kann doch nie zum Stillstand kommen. Die Väter sind die Söhne sind die Töchter sind die Mütter. Und eben auch nicht. Gewalt wird vererbt, aber sie ist nicht ohne Alternative, Schuld wird weitergetragen, aber sie wird auch abgelehnt. Die Hand, die tröstet, schlägt zugleich. Vielleicht ist das Europa, vielleicht liegt hier sein Kern. “Das ist unsere Freiheit”, sagt Maia Morgenstern: “Einsamkeit.” “Und dann”, fragt Akillas Karazissis am Ende? “Und dann?” Die Antwort gibt er selbst: “Dann beginnt die Tragödie.” Und die Geschichte. Oder die Geschichten, die hier erzählt werden. Und die wiederum zu einer gemeinsamen, kollektiven wie zutiefst persönlichen werden, sich vereinen und auseinanderlaufen. Kleine, große, unerträgliche und lächerliche, skurrile gar. Liegt hier der Ausweg? Im Erzählen, Erinnern, Bewahren und Loslassen?

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2016/09/09/dann-beginnt-die-tragodie/
Empire, Berlin: gegen das Loslassen
Nichts kann losgelassen werden, was nicht als für Erzählung und Erinnerung bewahrt empfunden wird. Das macht die allgegenwwärtige Forderung der materiell abgesicherten Verdrängungskünstler gegenüber den Verzweifelten so arrogant, sie solltenbräuchten doch nur "loslassen" und alles würde gut werden. Die Aufforderung zum Loslassen kommt immer von denen, die mehr oder gar alles haben, vor allem die öffentliche Interpretationshoheit über Geschichte.
Empire, Berlin: Opa erzählt vom Krieg
Ich kann es fast nicht schreiben, weil die 4 Schauspieler, die sich mit ihren Erinnerungen öffnen so sympathisch sind und ihre Biografien so erschütternd, aber trotzdem: Der Theaterabend hat mich gelangweilt. Und ich möchte das nicht den Spielern sagen, wohl aber dem Regisseur, an manchen Stellen bekommt der Abend was von: Opa erzählt vom Krieg. Das Erschütternde wird anekdotisch.
Empire, Berlin: Link
Der Regisseur über die Berllin-Premiere seines Stücks: http://sonntagszeitung.ch/read/sz_11_09_2016/fokus/Uebung-in-Demut-72721
Empire, Berlin: leider misslungen
Warum tragen die Schauspieler so betulich und gleichzeitig mitleidlos ihre Biographien vor? Liegt es daran, dass dies alles eine Art 'scrippted reality' ist?
Sie haben ihre eigenen Biographien eingeübt und beginnen sich bei der Erzählung zu langweilen, denn eigentlich werden ihre 'Geschichten' ja schon längst gekannt.
Sie glauben selbst nicht mehr daran, dass sie etwas veranschaulichen, etwas fühlen lassen können, eine Empörung oder einen Aufschrei auslösen können.
Sie haben die Hoffnung, dass sie mit ihrem Beitrag ein Zerbrechen Europas aufhalten können, längst aufgegeben.
Darum war der Abend leider misslungen.
Er erinnerte eher an einen ambitionierten Frontalunterricht für Sitzengebliebene.
Kitschig, betulich und durchtränkt vom Narzissmus des Regisseurs.
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