Presseschau vom 28. September 2016 – Claus Peymann im Interview mit Wolfgang Höbel auf Spiegel online
Aufgeklärte Monarchie
Aufgeklärte Monarchie
28. September 2016. Claus Peymann legt nach seiner jüngsten Pressekonferenz nochmal nach und spricht im Interview mit Wolfgang Höbel auf Spiegel online (27.9.2016) über die Schauspieler des Berliner Enembles, seinen Nachfolger Oliver Reese und Forderungen nach mehr Mitbestimmung oder mehr Schauspieler-Rechten, die er für "völlig absurd" hält.
Die Kulturpolitik versuche im Moment zu leugnen, dass man im Theater Menschen brauche, die Verantwortung übernehmen, sagt Peymann. In der Kunst könne man keine Kompromisse machen. Deswegen wäre es auch eine Katastrophe, wenn die Ensembles und Tänzer, die an einem Theater arbeiten, künftig ihre Chefs selbst wählen könnten. Dennoch hält er es mit Blick auf die jüngsten Diskussionen um die Neubesetzung der Intendanz am Staatsballett Berlin für Quatsch, dass Sasha Waltz ausgerechnet eine klassische Ballett-Compagnie übernehmen soll.
Kunterbunt zusammengekauft
In Sachen seines Nachfolgers Oliver Reese sieht Peymann "einen Zerstörungsschlag, den ich unerträglich und unzulässig finde", weil Reese von den 80 künstlerischen Verträgen 70 nicht verlängern will. (Anmerkung der nachtkritik.de-Redaktion: Davon, dass er die Verträge selbst nur bis 2017 abgeschlossen hat, ist keine Rede). "Reese setzt in dem heute üblichen Jugendwahn, den ich als vollständige Perversität empfinde, nun alle vor die Tür. Er kann das, weil das Theater eine GmbH ist, und zwar seit Anfang der Neunzigerjahre, also schon lange vor Beginn meiner Direktion."
Auf die Nachfrage, warum er in bislang 17 Intendantenjahren an dieser GmbH-Konstruktion nie Anstoß genommen hat, antwortet Peymann: "Ja, weil sie viele Vorteile hat. Nur: Darf man deshalb zum Beispiel einen Schauspieler, der seit 18 Jahren hier ist, dessen Kinder schulpflichtig sind und dessen Frau arbeitslos ist, einfach ins Unglück schicken? Oder alle 65-Jährigen pauschal in den 'wohlverdienten Ruhestand', um zu sparen?" Und weiter: "Ich halte Reese für einen gescheiten, geschickten, klugen Dramaturgen und Manager. Aber es fehlt ihm das Menschliche, um das Familiäre des Theaters zu begreifen. Sein Schauspielerbild ist in Frankfurt zu besichtigen. Und ein Ensemble kann man sich nicht kunterbunt zusammenkaufen, sondern es braucht eine gemeinsame Idee. Die Vision des BE ist mehr als ein Stadttheater."
(sik)
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"Auf die Nachfrage, warum er in bislang 17 Intendantenjahren an dieser GmbH-Konstruktion nie Anstoß genommen hat, antwortet Peymann: "Ja, weil sie viele Vorteile hat. Nur: Darf man deshalb zum Beispiel einen Schauspieler, der seit 18 Jahren hier ist, dessen Kinder schulpflichtig sind und dessen Frau arbeitslos ist, einfach ins Unglück schicken? Oder alle 65-Jährigen pauschal in den 'wohlverdienten Ruhestand', um zu sparen?"
Sagte ich's nicht? Die schulpflichtigen Kinder etc etc sind da natürlich ein absoluter Kündigungsverhinderungsgrund und die ar´beitslose Frau auch. Und was ist mit der Oma, die im örtlichen Altersheim wohnt und Unterstützung braucht? Das ist menschlich alles sehr einsichtig, das muß ein Theater immer berücksichtigen und sich danach richten. Deshalb ist man als Schauspieler ja (man höre und staune: wo auf der Welt gibt's das noch?) nach 15 Jahren an einem Theater normalerweise unkündbar. Aber das ist natürlich völlig unzureichend und total ungerecht - warum erst nach 15 Jahren und nicht schon nach 5 Jahren? Warum werden da Unterschiede gemacht? Nein, das geht gar nicht! Ein Ensemble, das 18 Jahre an einem Haus zusammen ist, darf man nicht mehr auseinanderreißen, das muß einfach bis zur Rente zusammenbleiben dürfen. Das Publikum hat sich der allmählichen Vergreisung der Darsteller abzufinden.
Ab Einstellung absoluter Kündigungsschutz! Unkündbar wie als Finanzbeamter! Damit man zur kreativen künstlerischen Arbeit auf der Planstelle den Kopf von kleinlichen Alltäglichkeiten frei hat. So muß das sein.