Mehr zur Stadt hin öffnen

von Gerhard Preußer

Düsseldorf 12. November 2016. Groß war die Aufregung: Düsseldorfs Oberbürgermeister soll den Abriss des Schauspielhauses in Erwägung gezogen haben. Groß war der Zustrom zur Podiumsdiskussion über den das Heiligtum der Düsseldorfer Bürger schändenden Vorschlag und die Ausweichspielstätte des Düsseldorfer Schauspielhauses, das "Central", konnte die Masse der Empörten kaum bewältigen: 400 im großen Saal, 200 auf der schnell hinzugezogenen Probebühne nebenan.

Resignierendes Zugeständnis

Der Frevler, OB Thomas Geisel (SPD), begann seine Verteidigung mit drei Statements. Erstens: das habe er gar nicht gesagt, zweitens: er habe nur eine Diskussion anregen wollen und drittens: nun sei die Diskussion ja entschieden. Eine klassische Strategie des argumentativen Rückzugs. Geisel behauptete, er habe nur gesagt, dass in ähnlichen Fällen (siehe Köln, das er nicht erwähnte) ein Neubau billiger gewesen wäre als eine Sanierung. Bevor man erhebliche Geldmittel in ein schwer kalkulierbares Projekt von dem Umfang der Sanierung des Schauspielhauses stecke, müsse die Stadtgesellschaft sich vergewissern, dass dies wirklich ein allgemein akzeptierter Wille sei. Die Aussage, man wolle nun das Schauspielhaus im angestammten Gebäude zukunftsfähig machen, kam ihm eher als resignierendes Zugeständnis an die versammelten Düsseldorfer Theatertraditionalisten denn als schon immer angestrebtes Ziel über die Lippen.

podiumsdiskussion duesseldorf 12112016 SebastianHoppeChristoph Ingenhoven, Wilfried Schulz, Michael Köhler, Thomas Geisel, Bernd Neuendorf
© Sebastian Hoppe

 Im Laufe der Diskussion stellte sich folgender Ablauf als wünschenswert und relativ konsensfähig heraus:

Durch die große Umgestaltung des Umfelds des Schauspielhauses, Kö-Bogen II genannt, ist das Schauspielhaus auf längere Zeit nicht bespielbar. Diese Zeit wird zur weiteren technischen Sanierung des Hauses genutzt. Die Kosten für diese bereits beschlossene Sanierung sind durch fehlerhafte Berechnung der Planungsfirma von 9 auf 21 Millionen gestiegen, die je zur Hälfte von Stadt und Land getragen werden müssen.

Weitere Kosten noch nicht kalkuliert

Die Außenfassade des Hauses und das Dach sind reparaturbedürftig. Die Kosten dafür wurden von Christoph Ingenhoven, dem Architekten des Kö-Bogens II, auf zwischen 20 und 30 Millionen geschätzt. Die Finanzierung dieser Reparatur ist aber unklar. Sie müsste von der Stadt, die auf ihre (trickreich fingierte) Schuldenfreiheit stolz ist, alleine getragen werden.

Im Gesamtkonzept des Kö-Bogens II soll nach dem Plan des Architekten Ingenhoven das Schauspielhaus sich mehr zur Stadt hin öffnen. Dazu müsste die zum Gustaf-Gründgens-Platz gewandte Seite, die bisher nur verschämt ein angebautes Kassenhäuschen dem Platz vorzeigt, umgestaltet werden und ein neuer Pavillon errichtet werden. Die Kosten dafür sind noch nicht kalkuliert, müssten aber auch von der Stadt getragen werden. Zu Beginn der Spielzeit 2018/19 soll das Schauspielhaus dann wieder bespielbar sein.

Duesseldorf KoebogenZwei 560 IngenhofenSo soll's mal aussehen: Simulation der Pläne mit Kö-Bogen 2 und Schauspielhaus. Links: das Drei-Scheiben-Haus © ingenhovenarchitects.com

Das kräftigste Plädoyer für die Sanierung kam natürlich vom Intendanten Wilfried Schultz. Der Kö-Bogen II sei eine städtebauliche Großtat. Dazu gehöre auch, dass die Reibung von Konsum und Kunst, von Vollzug des Lebens und Reflexion des Lebens städtebaulich zum Ausdruck gebracht werde: das Schauspielhaus gegenüber dem Kaufhaus, der Kunsttempel gegenüber dem Konsum-tempel. Und dann malte der große Integrator Schultz dem begeisterten Publikum seine Zukunftsidylle aus: er werde 2018 mit OB Geisel auf dem Gustaf-Gründgens-Platz stehen, sich einmal rundum drehen, die Einkaufsmeile betrachten, das frisch renovierte Schauspielhaus betrachten, in dem der Bürgerchor gerade im Foyer probiere und im Großen Haus ein kulturkritisches Stück von Jelinek gespielt werde. Und dann würden sie sagen: das haben wir gut gemacht.

Eine Bürgeranleihe für die Theatersanierung?

Doch so leicht ließ sich Geisel nicht in Wunschträume integrieren. Er verwies auf seine Verantwortung für die Gesamtheit der Bürger und für die anderen Kunstformen. Prompt stellte ein bildender Künstler aus dem Publikum in Frage, dass das Theater einen repräsentativen Raum brauche und dass es ein "bürgerliches Theater" sein müsse. Angesichts des versammelten gutbekleideten, hocherfahrenen, theaterliebenden Publikums eine provokative Frage. Und in der Diskussion zeigte sich, dass das interessierte Düsseldorfer Besitzbürgertum durchaus willens ist, sein Theater mitzufinanzieren. Der Aufruf zu Spenden und Geisels Vorschlag einer Bürgeranleihe stießen auf erhebliche Zustimmung. Da musste Wilfried Schultz sich einschalten und beteuern, dass sein Begriff von "bürgerlich" ein sehr weiter sei. Er stehe für ein Theater, das sich öffnet, das Demokratie diskutieren wolle und Differenzen ertragen müsse.

Der Gefahr, auf dem argumentativen Niveau der Besitzstandswahrung zu verharren (Frage an Geisel: "Wissen Sie eigentlich, dass Düsseldorf eine 450-jährige Theatertradition hat?"), konnte die Veranstaltung trotz der Beteuerungen von Wilfried Schultz nicht ganz entgehen.

 

Die Zukunft des Düsseldorfer Schauspielhaus
Podiumsdiskussion 

Mit: Thomas Geisel, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf, Christoph Ingenhoven, Ingenhoven Architects, Bernd Neuendorf, Staatssekretär im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und Wilfried Schulz, Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses. Moderation: Michael Köhler, Journalist und Moderator bei WDR und Deutschlandfunk. 

www.dhaus.de

mehr porträt & reportage