Wie sich das politische Theater selbst betrügt - Ein Zwischenruf von nachtkritik.de-Redakteur Michael Wolf
Die Schaubühne als moralinsaure Anstalt
von Michael Wolf
16. November 2016. So-tun-als-ob und sich dabei zuschauen lassen – das ist seit Jahrtausenden das Kerngeschäft der Theaterschaffenden. Inzwischen sind sie so gut, dass sie sich sogar selbst betrügen können. Dem Dramaturgen Harald Wolff gelang kürzlich in einem Brief an Kulturpolitiker ein glänzendes Beispiel:
Er beschrieb Theater als "Zukunftswerkstätten" und als "Erfahrungsräume der Demokratie", als "Schule der Offenheit und Freiheit, der angstfreien und spielerischen Begegnung mit Unbekanntem". Kurzum: Wir bräuchten mehr davon, denn weniger führe "unmittelbar zum Aufstieg von Menschen wie Donald Trump, Frauke Petry oder Marie Le Pen". Irre! Unser Stadttheater hätte also Trump verhindert? Theater wird die Gesellschaft einigen? Die Flüchtlingskrise lösen? Krise, welche Krise? "Dies sind goldene Zeiten für Theater", jubelt Wolff – und wer möchte ihm das vorwerfen?
Ein Dramaturg muss tun, was ein Dramaturg tun muss. Im Jahr 2016 dieses Weihnachtsmärchen vom politischen Theater aufzuführen, lässt sich nur mit der Angst vor Etatkürzungen erklären. Kulturpolitiker sehen gern mal über schwache Auslastungszahlen hinweg, wenn der emanzipatorische Anspruch am Haus stimmt. Auch ästhetisch lässt sich so das eine oder andere Level unterbieten. Deutschlands Freiheit wird auch im Trockeneis verteidigt.
Ein Trostpreis für Falk Richter
Falk Richter, einer der Heroen politischen Theaters, analysierte kürzlich, "Hass" sei heute eine "Karrierestrategie", um die "eigene Marke in den Fokus zu rücken". Ein Schelm, der Böses über diesen Satz eines Regisseurs denkt, dessen Karriere durch die Klage der Beatrix von Storch einen ordentlichen Sprung gemacht hat.
Die Bösen, sind das imer die Anderen? "Fear" von Falk Richter an der Schaubühne Berlin
© Arno Declair
Dass die Gerichte im Sinne der Kunstfreiheit und gegen ein Verbot seiner Inszenierung Fear entschieden, war gut, richtig – und sehr erwartbar. Richters Beispiel zeigt, wie leicht und ungefährdet man in Small Town Kulturbetrieb zum Posterboy avanciert. Die AfD hat er zwar vorerst nicht besiegt, als Trostpreis sprang aber immerhin ein Ausflug ins schöne Saarbrücken raus, wo er seine Poetikdozentur zur Lage der Nation hielt:
"(E)inige Teile der Gesellschaft (...) haben Angst, dass sie innerhalb einer ausdifferenzierten Gesellschaft nicht mehr das Zentrum bilden könnten, nicht mehr über die Deutungs- und Zuschreibungshoheit verfügen." Diese derart Verunsicherten seien dankbar, "wenn ihnen eine 'Alternative für ein zu komplexes Deutschland' angeboten wird, ein einfaches, überschaubares Deutschland, in dem alles irgendwie einfach und gut ist und alles Bedrohliche entfernt wird, so dass wieder Ruhe einkehrt".
Das Problem ist nicht, dass Falk Richter so differenziert argumentiert wie eine auf links gedrehte Frauke Petry. Das Problem ist nicht, dass er gar nicht merkt, wie er das Feld seines eigenen Werks absteckt (Vulgärsoziologie, Vorführung der Blödheit des politischen Gegners, Nebelmaschine). Das Problem ist, dass Falk Richter Theater macht. Und zwar nicht auf dem Kornmarkt in Bautzen, nicht montags vor der Semperoper. Sondern am liebsten für Charlottenburger Biomarkt-Kunden.
Die Bösen gehen nicht hin
Was könnten all die engagierten Regisseure in Wirtschaft, Politik oder sogar mit einem im Fernsehen vorgetragenen Gedicht erreichen, müssten sie nicht 48 Stunden pro Woche unterbezahlte Schauspieler anbrüllen? So gehen ihre Heilsbotschaften im Schnarchen des Parketts unter.
Denn – Dilemma! – Theater ist keine Pflichtveranstaltung, die Bösen gehen nicht hin – das dumme Pack! Das ist natürlich nicht die Schuld der Richters der Welt. Oder – hoppla – vielleicht doch? Wenn sich mal einer von ihnen in unsere "Zukunftswerkstatt" verirrt, ist das Geschrei groß.
Erinnern Sie sich an Alvis Hermanis? Vor einem Jahr kündigte der lettische Regisseur die Zusammenarbeit mit dem Thalia Theater auf. Er war nicht einverstanden mit dem sozialen Engagement des Hauses für Geflüchtete. Eklat! Sittenwächter forderten, seine alten Inszenierungen müssten unverzüglich abgesetzt werden, und natürlich sollte #niewieder von deutschem Boden eine Hermanis-Inszenierung ausgehen. Dass keine seiner Arbeiten in Verdacht rechter Gedanken gebracht wurde, war für den Ausschluss aus der Schrifttumkammer übrigens ganz unerheblich.
"Was sind das für Menschen?"
Wie war das noch mal, Harald Wolff? In Theatern wird "exemplarisch durchgespielt, was Demokratie ausmacht: das Aufeinanderprallen extrem unterschiedlicher Ansätze auszuhalten – und diskursiv zu kanalisieren"? Nein, einfach nein. Politisches Theater ist nur so weit pluralistisch, bis es unangenehm werden könnte. Es hat kein Interesse daran, die Bandbreite der Haltungen einer Gesellschaft vorkommen zu lassen, die – wie eklig! – eben nicht nur aus den Guten besteht.
Es verwendet einen Großteil seiner Energie auf die Behauptung einer solchen guten Seite. Hier ist alles noch ganz einfach, hier gibt es noch klare Antworten. In dieser Selbsthilfegruppe kultureller Eliten lassen wir uns unsere moralische Überlegenheit versichern – und sind von jedem brennenden Flüchtlingsheim, jedem Terroranschlag und jeder Stimme pro Brexit unendlich betroffen. Die Reaktion auf diese Nachrichten ist immer gleich. Es ist eine Frage: "Was sind das für Menschen?" Wir kennen sie nicht. Auf Premierenpartys muss man lange nach jemandem suchen, der für Trump, die AfD oder die Scharia ist.
Widerlicher als ein Regisseur ist nur ein Publikum, das aus der Rolle fällt. Das geschah dieses Jahr häufiger, zuletzt im Berliner Maxim Gorki-Theater, wo Identitäre Jakob Augsteins Freitagssalon störten. Viel bedenklicher als ein paar Parolen ist aber die Hilflosigkeit, mit der Theater auf sie reagieren. Anstatt etwas zu entgegnen oder sich wenigstens der Tradition verpflichtet, eine Saalschlacht zu liefern, empört man sich ein bisschen und überdenkt das Sicherheitskonzept. Der Ton wird rauer – und von der Bühne schaut man hilflos zu. Störungen sind hier nicht vorgesehen.
Banner am Berliner Gorki-Theater
© via TwitterWie man absehbar erschüttert wird
Hat man uns etwa betrogen? Was ist mit all den Psalmen, die Erika Fischer-Lichtes Jünger noch im Wachkoma vor sich hin stammeln: Alleinstellungsmerkmal des Theaters ist das Hier und Jetzt im kollektiv geteilten Raum, ist Unkontrollierbarkeit der Situation, ist Veränderung aller beteiligten Menschen? Natürlich stimmt das in Ewigkeit, Amen! Wir gehen alle ausschließlich ins Theater, um uns erschüttern zu lassen – aber bitte auf eine Weise, die wir vorher haben absehen können.
Verändern soll sich nichts, es sei denn, das steht so im Spielzeitmotto. Es geht dem Publikum nicht an den Kragen, sein Kanon wird nur ein bisschen zurechtgerückt. Ach, Othello hat sich das Gesicht nicht schwarz angemalt? Gut, dass uns das mal jemand sagt. Hebbel war kein Feminist? So ein Schuft! Shakespeare war pro Asyl? Endlich eine werktreue Inszenierung!
Nur konsequent hing das Gorki nach dem Vorfall eilig ein Banner auf, auf dem es drohte, von seinem "Hausrecht" (ziemlich deutsches Wort für ein postmigrantisches Theater, oder?) Gebrauch zu machen, sollten Personen um Zutritt bitten, "die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische ... (undsoweiter) Äußerungen in Erscheinung getreten sind". (Übrigens komisch, dass sie Augstein reingelassen haben. Stand der nicht mal auf einer pikanten Liste?)
Der Bauchnabelfussel in der Wohlstandsplauze
Jahrhunderte lang predigten Intellektuelle Kultur als Heilsversprechen für die Massen. Ins Theater soll inzwischen nur noch dürfen, wer seinen Persilschein am Einlass abreißen lässt. Wir machen Theater mit allen und für alle, die im Parkett sitzen und die das Parkett erfreut ("Guck mal, was für eine süße Geflüchtete/Autistin/Kapitalismuskritik!"), nur mit den Schmuddelkindern wollen wir nicht spielen. Man bleibt gern unter sich an diesem Stammtisch bürgerlicher Selbstvergewisserung – wir summen mit, der Mensch ist gut, die Welt ist schlecht, schunkel schunkel, Lisette, noch ein Gläschen Bier!
Politisches Theater ist der flauschige Bauchnabelfussel in der bürgerlichen Wohlstandsplauze. Braucht kein Mensch, nervt ein bisschen, ist aber auch ganz lustig und tut niemandem weh. Die verzweifelte Gier nach Flüchtlingsschicksalen und -fleisch, von Hamburg bis Wien ausgestellt, ist nur ein Indiz für die Fremdartigkeit jedes echten Problems. Man muss in all dem keine Verschwörung sehen, auch wenn Ulrich Matthes der Kanzlerin Faxe schickt.
That's entertainment! Die Zeiten des politischen Theaters sind vergangen oder vielleicht gab es sie nie. Und das ist gut so. Hätte es eine größere Wirkung, würde es die Spaltung der Gesellschaft mit seiner Ignoranz nur noch verschärfen. Wir haben Glück, dass es keine Rolle spielt. So bleibt es der öffentliche Ort, an dem Millionen Menschen am liebsten träumen, nachdenken und einnicken. Lassen wir es doch einfach dabei bewenden. Schluss mit der dramaturgischen Kackscheiße! Lasst uns in Ruhe, lasst uns einfach romantisch glotzen.
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Die Krise ist eine des Zeitgeistes, nicht des Mediums (Theater im Allgemeinen, und politischem Theater im Besonderen)- ob man sich nun in der Höhle des Moralapostels verbarrikadiert, oder sich aufgrund der dort offensichtlich vorhandenen Widersprüche in eine polit-freie Ästhetik steigert.
Denn was ist die Konsequenz? Ihr Kommentar beschreibt letztlich die Wut, dass Theater die Welt nicht ändern kann; Gedanken keine Folgen für das Leben haben.
Ich stimme Ihnen zu, dass ein längst überfälliger Schritt wäre, ungeliebte aber reale Positionen glaubwürdig auf der Bühne zu vertreten. Etwas zu zeigen, das wirklich den Finger auf die Wunde legt, und sei es die eigene Scheinheiligkeit. Vor allem- an diesem Punkt kann ich mich persönlich in Rage reden- etwas, das egal welcher Couleur durchdacht ist, eine Herausforderung stellt. Dahingegen wird wenn überhaupt der kleine Zeh ins Wasser gestippt und bei Widerstand sofort eingezogen. Man habe das ja so gar nicht gemeint. Was hat man denn gemeint? Es bleibt vage.
Als ein Beispiel von vielen mag Dries Verhoeven dienen, der mit „Wanna Play“ eine Anklage versuchte. Er scheiterte an seiner eigenen Unerfahrenheit, das kann passieren. Viel schockierender war für mich die absolute Verwirrtheit des HAU (und des Machers), überhaupt auf Gegenargumente vorbereitet zu sein.
Ohne Diskurs gibt es keinen Fortschritt. Der Diskurs endet, wenn kein Austausch vorhanden ist. Der Austausch endet, wenn keine Argumente formuliert werden.
Zurück zur Konsequenz. Wenn wir alles loslassen gilt das Recht des Stärkeren. War das so gemeint? Es bleibt vage.
Ob er nun wirklich der Stärkere ist, wage ich zu bezweifeln. Es lässt ihn stärker erscheinen, als er wahrscheinlich ist. Ich habe das mit dem Recht des Stärkeren nie richtig verstanden, nehme ich an. Erklären sie es mir.
Wahr aber ist, dass wir uns in einer Krise des Denkens befinden. Offensichtlich braucht man das nicht mehr, um Mehrheiten zu bilden. Eventuell ist es sogar schädlich. Es geht um den Moment, in dem man siegen muss, um zu gewinnen und da ist jedes Mittel Recht, die Unwahrheit, das Vulgäre, der Triumph des Hasses, die grobe Schnauze. Nichts ist in diesem Zustand wörtlich gemeint, sagt man. Das Denken kann nachgeliefert werden, falls nötig. Die Stimmung lenkt die politischen Geschicke.
Und in solchen Zusammenhängen ist politisches Theater enorm wichtig. Da es so oder so immer politisch ist, auch im Unpolitischen, warum dann nicht mit Vorsatz politisch sein. Langweilig und öde wird es immer nur dann, wenn man die Bekenntnisse der Bühne schon weiß und diese in einen Resonanzraum gegeben werden, der sich lediglich in sich selbst rückversichern will. Die Gegner nehmen dort keinen Raum ein und wenn dann nur als Minderbemittelte und Deppen. Die Selbstkritik bleibt narzisstisch und dem Zuschauer, der ja im realen Leben vor große Konflikte gestellt wird, nimmt man das Denken ab, in dem man die Probleme auf einen naiven Konsens des irgendwie Humanen verkürzt. Da fehlt dann jede reale Wucht und man verlässt das Theater mit so einem kleinkrämerischen Gedanken des eigenen Richtig-Sein, mit dem man gerade noch den nächsten Geldautomaten bedienen kann, aber keinen realen Konflikt geistig zu durchdringen vermag.
Dazu Harald Wolff: „Im Theater spüren wir den Wunsch nach öffentlicher kollektiver Selbstvergewisserung (…) offenbar gibt es keine Institution, die sich besser für die Selbst-Verständigung einer Stadtgemeinschaft eignet als das Theater.“ Und da ist die Kritik von Michael Wolf durchaus angebracht.
Harald Wolff weiter: „Der Hunger nach sinnlich begreifbarer politischer Auseinandersetzung ist groß, und offenbar sind dies die Geschichten, die im Moment erzählt werden müssen.“ - z.B. das von ihm erwähnte Stück „Terror“ von Ferdinand von Schirach, oder Falk Richters „Fear“ etc., etc. (Ob das tatsächlich „sinnlich“ ist lassen wir mal außen vor)
Dazu bei Hans-Thies Lehmann:
„Das Politische, dessen Grundkategorie von Carl Schmitt als die Unterscheidung von Freund und Feind bestimmt worden ist, behält in der festgewordenen Rechtsgestalt einen agonalen Charakter, der freilich zunehmend unsichtbarer, gestaltloser, ungreifbarer wird. Auch wenn wir über ein mehr oder weniger exaktes Wissen über die politischen Kräfte verfügen: Sie bleiben für uns zwar höchst real, zugleich aber sinnlich ungreifbar. Ihren „Ort" haben sie irgendwo zwischen Verwaltungs- und Geheimdienstakten, Öl- und Softwareinteressen, Politikerreden, Medienpropaganda einschließlich Menschenrechtspropaganda, politischen Morden, wo nötig, und weiträumigen geopolitischen, imperialen oder auch imperialistischen Strategien. Mit einem Wort: Sie sind gestalt-, geräusch- und gesichtslos, eher Strukturen als Personen, eher Kräfteverhältnisse als Identitäten. Sie bieten einer Repräsentation keinen Inhalt, der politisch wäre, keine Gestalt.“
Umso schöner, dass man das Politische gerade jetzt auch wieder an realen Personen (Petry, von Storch, Trump, Putin etc.) festmachen kann.
Dazu weiter bei Lehmann:
„Erstens: Das Politische kann im Theater nur indirekt erscheinen, in einem schrägen Winkel, modo obliquo. Und zweitens: Das Politische kommt im Theater zum Tragen, wenn und nur wenn es gerade auf keine Weise übersetzbar oder rückübersetzbar ist in die Logik, Syntax und Begrifflichkeit des politischen Diskurses in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Woraus drittens die nur scheinbar paradoxe Formel folgt, dass das Politische des Theaters gerade nicht als Wiedergabe, sondern als Unterbrechung des Politischen zu denken sein muss. Mit Hilfe eines solchen Konzepts kann man versuchen, Versionen oder Aspekte einer theatralen ‚Zäsur‘ des Politischen zu beschreiben."
Meint: Nicht der original auf der Bühne auftretende Geflüchtete ist das Politische, sondern die Reaktionen, Ursachen und Rückschlüsse auf das eigentliche Problem, was nun wiederum zu einem künstlerisch ästhetischen wird, damit das Theater nicht „unter seinen politischen und künstlerischen Möglichkeiten bleiben“ wird. Und nicht alles was politisch ist, kann und muss auch auf der Bühne behandelt werden. Dazu gibt es andere Foren, denen sich das Theater natürlich in Diskussionsrunden öffnen kann und das ja auch macht.
„Wer Demokratie und Zivilgesellschaft stärken möchte, muss die Theater, die Lehranstalten der Pluralität, stärken. Gerade jetzt. Es ist Zeit, dass nicht nur die Gegner einer offenen Gesellschaft erkennen, wie zentral Theater für sie sind; sondern auch ihre Protagonisten.“ Ein schöner Satz von Harald Wolff. Allerdings trennen ihn da vom Nachtkritiker Michael Wolf nicht nur ein f im Nachnamen, sondern anscheinend ganze Theaterwelten.
Was Hans-Thies Lehmann beschreibt, ist die Theorie, das scheinbar einfache, das schwer zu machen ist. Zur „Unterbrechung des Politischen“ kommt die „Praxis der Ausnahme“, der Konflikt, um die Fragwürdigkeit der Regel im Politischen zu verdeutlichen und somit der „Moralischen Falle“ zu entgehen. In besten Falle könnte man dann auch wieder ganz entspannt und „romantisch“ glotzen.
Eigentlich fand ich den Artikel nicht besonders interessant, dass übliche jemand versucht seine eigene Brillianz durch mögliche vernichtende Kritik eines gegenübers herauszustellen Geschreibe, muss man wahrscheinlich heute so machen. Dieser oben zititierte Halbsatz hat mich dann aber doch schockiert, weil er suggeriert, dass Flüchtlinge, Behinderte, Menschenrechte, "keine echten Probleme sind". Mir sind hilflose Ansätze von möglicherweise nicht besonders talentierten Regisseuren immer noch lieber als solcherart geistig heimatlose Menschen, die scheinbar wirklich keine echten Probleme haben.
Kommt's mir nur so vor oder sind das typisch menschenverachtende Gewalt- und Vernichtungsphantasien voller Hass und Hetze, wie man sie doch sonst auf rechten Blogs und Facebook-Einträgen so gern moralisch leidenschaftlich verfolgt? Als politisches "Argument" im öffentlichen Diskurs erstaunlich argumentlos, man könnte zumindest sagen: plump ad hominem. Aber mit edler Absicht, natürlich.
(Sehr geehrte Tucholskaja, Sie kritisieren den Passus zu Recht, wie ich meine. Der Satz in dem Kommentar ist gestrichen. Mit besten Grüßen aus der Redaktion, Christian Rakow)
ich bin einverstanden, wenn sie auch den Satz "Schluss mit der dramaturgischen Kackscheisse." aus dem Text von Wolf streichen. Er ist einfach menschenverachtend und für viele Dramaturgen und Innen mehr als ärgerlich .
(Werter Martin Baucks, eine Polemik muss generalisieren dürfen, zumal die Spitze im Text hinreichend kontextualisiert ist. Michael Wolf steht dafür gerade. Hätte er allerdings geschrieben "Schluss mit der dramaturgischen Kackscheiße, wie sie ein Martin Baucks den lieben langen Tag über verzapft", hätte ich den Kollegen Wolf davon abgehalten. Das wäre nämlich eine konkret gegen die Person gerichtete Diffamierung gewesen, die Diskurs verhindert. Mit besten Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
(Werter Martin Baucks, ich sehe "Fear" in der Tat ähnlich positiv wie Sie - womit wir inmitten der Kritikerschar des Abends ziemlich allein dastehen, fürchte ich, aber nun gut.... Jedenfalls muss man dem Kollegen Michael Wolf seine These schon lassen. Er sagt, das Argumentationsschema von Richter sei genauso simplizifizierend wie das von Petry. Und dieser Standpunkt kann nicht Gegenstand des Redigats sein. Wir suchen bei nachtkritik.de die Vielfalt von Blickwinkeln und die Individualität von Positionen. Mit besten Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
(Lieber Martin Baucks, das war nicht bösartig gemeint. Ich muss allerdings zugeben, dass ich beim Begriff "Kackscheiße" auch nicht zusammenzucke. Der entbehrt in seiner Tautologie ja nun nicht einer betont infantilen Komik. Beste Grüße, Christian Rakow, der sich jetzt in den Dienstschluss verabschiedet)
"Wir behalten uns vor von unserem Hausrecht Gebrauch zu machen und Theaterleuten, die Parteien oder politischen Organisationen angehören, lobbyistischen Vereinigungen zuzuordnen sind oder in der Vergangenheit durch menschenverachtende Äußerungen über reales oder optionales Publikum außerhalb von zweifelsfrei literarischen Texten in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zu unserem Eigentum zu verwehren oder von der Tätigkeit in diesem auszuschließen. - Die Bewohner der Stadt - Ihr als Erscheinung getretenes Publikum."
"Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheit verhüllt oder im Überschwänglichen, außer meinem Gesichtskreise suchen und bloß vermuten; ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein meiner Existenz." (I. Kant)
Sogar über ein bloßes Klavierspiel kann ich sinnlich eine Dissonanz (auch, aber nicht nur im politischen Sinne) wahrnehmen. Dazu brauche ich dann noch nicht einmal die Sprache. Schon Musik kann geistig-emotional umgestalten und mich die Dinge anders wahrnehmen lassen. Das ist (politisches) Theater im Kopf. Oder nicht? Kennt sich hier zufällig eine/r aus in der Hirnforschung?
Apropos:
In Berlin wird nun unter Rot-Rot-Grün Regierung der Linke-Chef Klaus Lederer zum Leiter eines wieder eingeführten Kulturressorts. Wir dürfen also gespannt darauf sein, wie es mit der Volksbühne weitergeht. Denn dort hatte und hat ja ganz besonders die Partei "die Linke" ein gesteigertes Interesse daran, am "politischen Theater" - wie in ihrem Beitrag sehr treffend geschildert - festzuhalten.
1. Der Feind des Guten ist immer noch die eigene Selbstgefälligkeit.
(woraus hervorgeht, dass man das Böse, Hassvolle und "Rechte" immer noch in sich selber finden muss, allerdings nicht, um protestantisch darunter zu darben, sondern ganz im Gegenteil, um die Lust am Bösen in sich selber zu entdecken, denn sonst begreift man seine Faszination nicht; jeder sollte in einer Theateraufführung, die das Böse zum Thema hat, Richard II in sich entdecken).
2. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, mit der Wirklichkeit umzugehen: Man kann sie negieren, oder man kann mit ihr spielen.
(Negieren heißt: man reißt der bösen Wirklichkeit die Maske vom Gesicht, und stellt ihr eine vermeintlich bessere, tolerantere Wirklichkeit (mit lieben und echten Migranten) gegenüber, mit der sich dann alle kuhwarm "identifizieren" können - Ist Identitätstheater nicht auch nur eine Form des Identitären? - Spielen heißt: man stülpt sie nach eigenen künstlerischen Regeln um, ohne Rücksicht auf moralische Implikationen. Wenn man die Wirklichkeit auf ihrem eigenen Feld und mit ihren eigenen Mittel begegnen will, kann man nur verlieren.)
Noch ein drittes Zitat:
3. Kunst ist so neutral wie der Geschmack eines Apfels. (Anthony Burgess zu seinem Roman "A Clockwork Orange").
Der zweite Satz stammt von Egon Friedell aus seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit", seines Zeichens selber Schauspieler.
Falk Richter's Argumente und vor allem seine Kunst sind um ein Vielfaches differenzierter als alles, was Frau Petry hervorbringt. Von daher kann man die beiden nicht gleichsetzen. Zu dem muss man annehmen, dass Frau Storch Herrn Richter auch auf Grund seiner sexuellen Neigungen und der daraus resultierenden Auffassungen beklagte.
Waren seine Neigungen Teil der Klage?
Danke!
"Kackscheiße (immer noch bitte mit ß wie vor 2006)" ist ein äußerst interessanter Begriff aus etymologischer Sicht: Es ist die Zusammenführung von "Kacke" als primär für "Exkrement" verwendetem Begriff und "Scheiße" als mittlerweile sekundär für Exkrement verwendetem Begriff und primär - nahezu weltweit in allen Sprachen - als ethisch wertender verwendeter Begriff. Und zwar optional sowohl abwertend als sogar auch erhöhend verwendbar! Es ist überaus interessant für unsere heutige Zeit über diesen Begriff und seinen heutigen Alltagsgebrauch nachzudenken: Er führt nämlich nicht nur Nahrungs-Einfuhr und -Ausfuhr in ein Wort zusammen, sondern wertet die eingeführte Nahrung in Richtung der Beedeutung "Exkrement"ab und die ausgeschiedene Nahrung in eine neutralere Wertung in Richtung "kann gut, besser, schlecht oder gar nicht verwertet worden sein". Ich nehme an, das ist Ihnen zu kompliziert oder für Theater zu unwichtig oder zu langweilig. Ist es aber nicht. Das Theater lebt aus dem Sprachkörper. Aber das hat es vergessen. Und das finde ich auch eine richtige Kackscheiße. Wie der Herr Wolf. Allerdings: Ob es eine dramaturgische ist, sei aus meiner Sicht dahingestellt. Ein Theater, in dem gedacht wird, es könne allein aus dem sprachlosen oder so lose palavernden aber choreografierten Körper leben, retardiert zum religiösen Ritual.
Wir mögen sehr verschieden sein, Frau oder Herr "Kollegin". Auch in Bezug auf Frustration und ihre Wirkung auf uns. Das ist doch vollkommen in Ordnung! Ich hoffe, Sie "ticken" nicht ernsthaft, sondern leben, lieben, irren, verständigen sich, frönen ihren Leidenschaften. Ich würde jedenfalls für meinen Teil gern für mich beanspruchen, dass ich nicht ticke. Das tut der Wecker, die Uhr, das Metronom, die Bombe mit Zeitzünder...
Das soll also heißen, Sie können sich grundsätzlich sowieso KEINEN Dialog mit Hermanis und mit der AfD vorstellen? Mit so jemandem redet man nicht, da hört man gar nicht zu, da ist die Hölle, da ist Schwefel?
Dann allerdings sagen Sie andererseits:
"Das ist kein Diskursangebot, was da oben steht"
Hm. Erstaunlich. Gerade lehnen Sie einen Diskurs strikt ab und jetzt fordern Sie andererseits einen ein. Was für einen "Diskurs" mit wem wollen Sie denn führen? Was wäre denn ein "Diskurs" für Sie? Einen Diskurs nur mit Gleichgesinnten im Geiste kann's ja nicht sein, das wäre kein "Diskurs", sondern nur die gegenseitige Bestätigung der eh schon Erleuchteten über gemeinsam geteilte Glaubenssätze. Auch schön, aber eher Kommunionsgottesdienst als Politik.
Und genau an dieser Art gegenseitiger Onanie der sich gegenseitig Bestätigenden scheint das "politische Theater" ja ganz prinzipiell meistens zu kranken - als eindimensionale platte Feierstunde des jeweils korrekten Bewußtseins, das von vorneherein keine Widersprüche zuläßt, sie radikal aussperrt aus den eigenen Denkhorizonten. Man weiß ja schon alles. Und vor allem besser. Nix Hermanis, nix AfD, igitt! Das nennt sich dann "politisch klar Haltung zeigen, Kante zeigen" und ist moralisch gut. Schulterklopf!
Besonders irrelevant wird's, wenn es sich einäugig gar noch aus der politischen Arena selbst verabschiedet (wie gerade mit Rauswurfdrohungen Andersdenkender schon vor dem Theater, lol!), wenn es also nur noch Glaubensbrüder und -Schwestern zuläßt und sich für alle Opfergruppen und Minderheiten als abgeschlossener "Safe Space" definiert, in der es sich mit pathetischen Gesten gegen die böse böse Welt verbarrikadiert.
Könnte nicht Falk Richter mal einen richtig politischen Abend inszenieren, z.B. der Abwechslung halber mit Claudia Roth-, KGE- und Margot Käsmann-Figuren als abzuschießende Grusel-Zombies - sozusagen Green-Fear?? Wer nach rechts austeilt, könnte ja der Diskursivität halber auch mal nach links austeilen - politischer Widerspruch zum duckmäuserischen Mainstream? Da käme doch mal wirkliches Leben in die Bude! Diskurse unter Konträrgesinnten! Saalschlacht inbegriffen. Als Hochhut seinerzeit den Papst als Nazimitläufer vorgeführt hat, hatte er die ganze katholische Republik gegen sich, da ging es rund, da flogen die Funken, da veränderte sich ein Denken - das war ja mal wirklich was Politisches für einen historischen Moment.
Als "engagierte Theatermacher*innen" die eigene eindimensionale "Meinung" zum angeblichen "Stachel im Fleisch" machen - in wessen Fleisch? Ja gut, das kann man natürlich machen, aber welchen "Dískurs" wollen Sie denn da noch führen? Das ist dann eben Agitprop, gut, kann man ja machen, nix dagegen, wer mitschunkeln will, bitte - aber warum sollte man sich als Nichtkirchenmitglied für sowas Einschichtiges interessieren? Und wenn's diese Nicht-Mitglieder nicht erreicht - was soll's denn dann, außer zur wohligen Selbstbestätigung zu dienen?
Eine richtig krasse, genauso strunzplatte "Green Fear"-Inszenierung, als diskursives Kontrastprogramm zu "Fear", zum Beispiel an einem Abend gespielt - schöne Idee, finde ich. Aber soviel Diskurs-Liebe geht ja gar nicht, logo! Immer schön im angesagten politisch korrekten Fahrwasser bleiben und sich auf seine kostenlose politbiedermeierliche Haltung was einbilden. Und deswegen ist das mit dem politischen Theater meistens so eine fad eindimensionale und deswegen öd vorhersehbare Angelegenheit.
@ Käthe: Ihr Kommentar ist undifferenziert. "Der Theaterbetrieb in seiner selbstgerechten Blase". Kommen da noch weitere Argumente, warum Sie das hier so formulieren?
Und das Problem des bereits überzeugten Publikums teilt ihr ja mit all den anpolitisierten Biennalen, Romanen und deutschen Filmen. So wirklich eine Lösung wüsste ich da jetzt auch nicht außer Pop zu werden, Kino, den Rahmen zu verlassen, aber das ist dann halt kein Theater mehr und ihr wärt dann was anderes, was man anders nennt. Wahrscheinlich wollt ihr das nicht. So ist die Situation verfahren. Vielleicht einfach trotzig dazu stehen, dass es so ist wie es ist, es hat ja auch wieder viele andere Ebenen und Dimensionen, in denen es gerade gut so ist, wie es ist (Freunde treffen, bestätigt werden, aber auch nachdenken, Horizont erweitern, aber auch toll anziehen und flirten, aber auch sich gemeinsam stark fühlen, gegen das alles da draußen, etc.)
"Das soll also heißen, Sie können sich grundsätzlich sowieso KEINEN Dialog mit Hermanis und mit der AfD vorstellen?"
Nein, das soll es nicht und das steht da auch nicht. Ich frage mich ernsthaft, WIE dieser Dialog aussehen könnte, welcher Art er sein sollte, also frage ich: "was für ein Dialog". Da Sie von Ihrer ersten Unterstellung aus alle weiteren Unterstellungen über meine angebliche Vorstellung von "Diskurs" etc. ableiten, antworte ich auf den Rest Ihres Posts nicht. Auch, weil mich Ihre Polemik ganz ehrlich ziemlich langweilt. Warum machen Sie nicht einfach mal selbst, was Sie da alles so Schönes fordern (Saalschlacht, austeilen gegen links, Claudia-Roth-Bashing...)? Hindert Sie ja niemand. Ich fühle mich von Ihrem Rant nicht wirklich angesprochen, aber ich glaube: das wurde ich in Wirklichkeit auch nicht.
@Mitden Wölfenheulen: Ich glaub, wir belassens mal dabei, ja? Wir sind in der Tat sehr verschieden, aber - auch wenn Sie das für unnötig halten - immerhin haben wir so etwas wie eine Diskussion geschafft. Ihrer Analyse des Wortes "Kackscheiße" (mit ß!) kann ich zwar nicht ganz folgen bzw. finde sie Quatsch, aber das macht nichts. Ich verwende den Begriff übrigens auch gerne, allerdings eher in Kombination mit "sexistisch". Vielleicht deprimiert mich Wolfs Kombination mit "dramaturgisch" deswegen so sehr. Jaja, der Sprachkörper...
Bei Ihnen mag das nicht so sein, aber die meisten Leute ziehen sich doch auch etwas schicker an, wenn sie Theater oder Opern besuchen. Es ist eben auch gesellschaftliches Ereignis, Bühne und Rahmen für eigene Auftritte, Begegnungen und Flirts. Das beißt sich natürlich etwas mit den oben geschilderten moralischen Ansprüchen von Theater, reduziert diese dann fast auf eine Kulissenfunktion für einen tollen Abend oder Auftritt des Publikums. Trotzdem ist es doch auch die Realität, nur eben eine andere Ebene davon, hier mehr die psycho- oder soziologische. Ich finde das aber wie gesagt auch gar nicht so schlimm, nur sollte man es dann auch im Blick haben, reflektieren und damit arbeiten, statt es einfach auszublenden oder abzustreiten, denn erst das lässt es ja den großen Anspruch so lächerlich erscheinen. Da ist man in der bildenden Kunst übrigens schon weiter, die eigene Rolle oder die Rolle von White Cube und Publikum wurde da schon vor Jahrzehnten dekonstruiert. Mit wenig bleibendem Erfolg letztlich, man kommt meistens nicht dagegen an, aber man hat das Problem immerhin gesehen. Die Kluft zwischem dem Anspruch der eigenen Arbeit und der Realität einer Vernissage mit den Häppchen und den schicken Leuten und ihrem Smalltalk. Das ist ja alles ganz ähnlich.
Allerdings würde ich auch sagen, dass genau das vielleicht das Problem von Theater generell ist. Diese Veräußerlichung von Beziehungen zwischen Menschen auf den eigenen Marktwert. Dass es da eben tatsächlich offenbar NUR NOCH um die Selbstinszenierung der Kritiker bzw. des Publikums geht. Und nicht mehr um die Thematik, den eigenen Anspruch der Theatermacher bzw. Performer usw.
Es ist ja auch interessanter, wenn da plötzlich so Sachen gehört und gesehen werden, die widersprüchlich sind. Wenn Sie zum Beispiel einem Kind vorschlagen würden, die Schule abzubrennen, weil dieses Kind da von Lehrern und Mitschülern als "falsch" wahrgenommen wird (so oder so ähnlich formuliert von Tucké Royal in Lola Arias' "Atlas des Kommunismus"), dann sieht man ja, dass das im Grunde ein zutiefst bürgerliches Argument ist (ja, alles abbrennen! Hass rauslassen, RAF und so, mhmh, aber hilft das jetzt eigentlich wirklich?). Und so fängt sich doch auch Trump populistisch die Frustrierten ein, indem er ihren Hass (und/oder Selbsthass?) kanalisiert. Bringt bloß nichts, aber es war von Tucké Royal wohl wahrscheinlich auch eher zum Weiter-Nachdenken gemeint. Peace. Du bist richtig.
Den gleichen irrationalen und emotionalisierten Stil des Verächtlichmachens des politischen Gegners findet man bei neurechten Autoren im Umkreis des faschistoiden Instituts für Staatspolitik und der Identitären Bewegung. Die vulgäre Sprache, die politische Unerschrockenheit zeigen soll, ist ihr Markenzeichen. Wo steht Michael Wolf, fragt man sich da. Sicher ist er kein Rechtsextremer, aber das behaupten die Leute von der IB und vom Institut für Staatspolitik auch, und letztlich geht es auch nicht um dieses Label sondern um das, was sie sagen. Der Text von Michael Wolf steht symptomatisch wie so viele für ein verändertes gesellschaftliches Klima, in dem der Tonfall, in dem man miteinander spricht, immer respektloser wird.
Es ist an der Zeit, dass wir über die konservativen Sehnsüchte in diesem Land sprechen. „Romantisch glotzen“ zu wollen, sagt schonmal viel – gerade in dieser Wortverbidung, wo das aufdringlich aggressive Glotzen mit einer libidinösen Reinheit assoziiert wird. Es ist an der Zeit, dass wir mehr über die neokoservativen Ansprüche in diesem Land sprechen, über den Anspruch, eine weiße und männliche Norm kraftmeierisch durchzusetzen und den Gestus der Überlegenheit wie auch immer durch protzige Gesten zu legitimieren. Mit rationaler Kritik hat das alles nichts mehr zu tun.
(Liebe*r arne, die Redaktion hat Tine Rahel Völckers Kommentar anders gelesen als Sie, und zwar nicht ad personam Michael Wolf, sondern gegen einen Kontext gerichtet, in den sie den Text eingeordnet. Das dürfen Sie natürlich wiederum Quatsch finden. Dafür gibt's ja dieses Kommentarforum. Aber bitte vergreifen (auch) Sie sich nicht im Ton. Mit freundlichem Gruß, sd)
ich kann sie gut verstehen, bis auf wenige Details, aber ich finde, sie adeln den Text von Wolf zu sehr. Ich mache jetzt mal nach guter, alter Dramaturgenmanier einen großen Strich in dem Text, denn dann steht da:
Das Problem ist nicht, dass Falk Richter so differenziert argumentiert wie eine auf links gedrehte Frauke Petry. Das Problem ist, dass Falk Richter Theater macht. Und zwar nicht auf dem Kornmarkt in Bautzen, nicht montags vor der Semperoper. Sondern am liebsten für Charlottenburger Biomarkt-Kunden. Die Zeiten des politischen Theaters sind vergangen oder vielleicht gab es sie nie. Und das ist gut so. Schluss mit der dramaturgischen Kackscheiße! Lasst uns in Ruhe, lasst uns einfach romantisch glotzen.
Solche Striche verkürzen den Inhalt auf seinen Kern und zeigen den drastischen Hass einer handfesten, persönlichen Beleidigung, um die es hier wirklich geht. Dieser Text ist ein Hass-Post, nichts weiter.
#46: Welche konkrete Beleidigung meint martin baucks jetzt noch mal wörtlich zitiert und dramaturgisch ungekürzt?
Wieso hat die Redaktion "ihre Anmerkungen zu Brecht" gemacht? Ich dachte, ich habe? - Da hat einer Schwierigkeiten mit den Flexionen, weil er so ungerne "Sie" schreibt, wenn er Personen direkt meint... - das führt dann zu sachlichen Fehlern beim Benutzen von Schriftsprache. Das ist wie mit den Kavaliersdelikten, wo auch immer jeder denkt, die können als Lappalien für ein friedliches Zusammenleben und Verständigung bis hin zur Völkerverständigung keine Rolle spielen. Ich jedenfalls fände es sehr schön, wenn hier jemand also einmal darauf eingehen würde, was genau Michael Wolf wohl mit dem Bedürfnis zum "romantischen Glotzen" alles gemeint haben könnte, wenn er das in diesem speziellen Medium hier schreibt und nicht auf einem Partnersuche-Portal oder bei einer Mediamarkt-Werbung oder in einer Frauen unterschätzenden sogenannten Frauenzeitschrift zum Beispiel.
Zitat:"Den gleichen irrationalen und emotionalisierten Stil des Verächtlichmachens des politischen Gegners findet man bei neurechten Autoren im Umkreis des faschistoiden Instituts für Staatspolitik und der Identitären Bewegung. Die vulgäre Sprache, die politische Unerschrockenheit zeigen soll, ist ihr Markenzeichen. Wo steht Michael Wolf, fragt man sich da. Sicher ist er kein Rechtsextremer, aber... "
Bezaubernd. Haben Sie schon eine anonyme Meldung gegen Michael Wolf wegen rechtsradikaler Haßpolemiken bei Anette Kahane von der Antonio-Amadeu-Stiftung oder beim Justizministerium von Herrn Maas eingeschickt? Ich meine, wenn schon diffamieren und in die rechte Ecke stellen, dann doch bitte gleich richtig!
Es wäre zum Brüllen komisch, wenn es nicht so gruselig wäre: Bösartig von "Den gleichen irrationalen und emotionalisierten Stil des Verächtlichmachens des politischen Gegners findet man bei neurechten Autoren im Umkreis des faschistoiden Instituts für Staatspolitik und der Identitären" angesichts einer schön bissigen und treffenden Polemik schwadronieren und das im exakt gleichen "irrationalen Stil des Verächtlichmachens des politischen Gegners", den man angreift.
Die Blockwartsmentalität der moralisch aufrechten Deutschen ab 33 ist ersichtlich auch heute noch bei den aufrechten Deutschen virulent - nur unter anderen Vorzeichen.
es ist doch nicht der Text, der gefährlich ist, sondern die Haltung, die dahinter steht, dass politisches Theater erst dann wieder relevant sei, wenn man auf Premieren auch Anhänger von Trump, der AFD und der Scharia findet. Eine Haltung, die alles lächerlich findet, was nicht zu einer maximalen realen Konfrontation führt und meint, echte Politik wäre nur auf der Straße in Bautzen verhandelbar und Theaterleute müssten sich mindestens dort eine blutige Nase holen, um ernstgenommen zu werden oder zumindestens zur Saalschlacht einladen. Das ist der vulgäre Begriff des Politischen, der hier von Wolf verhandelt wird und alle Feingeister wie Waschlappen aussehen lassen möchte. Eine sinnlose Kraftmeierei eines Gelangweilten.
Was genau ist eigentlich der wesentliche Unterschied? Gibt es überhaupt einen?
Zwischen maximaler Konfrontation und gar keiner ist aber doch ein weites Feld zu beackern, wenn man denn will. Es ist ja oft die Rede davon, dass auf der Bühne etwas "verhandelt" wird. Audiatur et altera pars? Ich versuche mich da gerade reinzudenken, dass man auch ganz ohne diese Konfrontation auszukommen meint, Kunst verhandelt Sachen ja auch symbolisch und nicht 1:1. Dann ist man also ganz unabhängig vom jeweiligen konkreten Publikum zufrieden damit, dass etwas in die Welt gesetzt ist mit der Aufführung? Als Statement, Positionierung, Reaktion. Und dass das die auch mitbekommen, von denen man annehmen sollte, dass es sie am meisten anginge, weil es ja vielleicht um sie geht, also jetzt zum Beispiel mal ganz platt die Bautzener, das ist gar nicht so der Punkt? Will man bewusst eher über sie reden und keinesfalls mit ihnen? Ich glaube, dass ich das selber unbefriedigend fände, weil "die rechten Bautzener" das so gepflegt ignorieren und ausblenden können, bzw. eben gar nicht erst mitbekommen. Als Provokation, Herausforderung, oder Diskursangebot. Wenn ich mir andererseits so einen Fake-Pegida-Prediger in Bautzen vorstelle, der irgendwann aber ins Dadaistische kippt und sein Publikum damit völlig verstört. Dann fände ich das eben interessanter als das selbe im Theater vor Leuten, die bereits überzeugt sind. Auf so einer rohen direkten Ebene. Ich bin jetzt ja kein großer Theaterexperte, aber Dario Fo hat doch auch sowas gemacht.
Ganz aktuell: hier war gestern Afd-Demo. Kamen 60, 70 Leute, 1000 zur Gegendemo. Das Schauspielhaus hat ein Banner aufgehängt: "Kein Platz für Nazis". Mal davon abgesehen, dass Rechtspopulismus noch was anderes ist als Neonazis und NPD, auch wenn da die Übergänge natürlich fließend sind: an wen richtet sich das Banner? An Nazis? "Wir müssen leider draußen bleiben"? An Afd-Wähler? Die aber auch sonst gar nicht kämen? An das Schauspielhauspublikum? "Keine Sorge, es wird hier sicher kein Neonazi neben Ihnen Platz nehmen"? An die Gegendemo als Solidarisierung?
Wie kontrolliert man das dann überhaupt und setzt es durch? "Sie sehen mir aber bisschen nach einem Nazi aus! Raus!"? Ist das Banner eine mutige Geste? Ist das gute Kunst? Oder eher Statement der Geschäftsleitung? Ist es effektiv? Solche Fragen würde ich denen gern stellen, die das aufgehängt haben. Was, wenn da stattdessen gestanden hätte "Traut ihr euch rein, Nazis?" Und drinnen was auf sie warten würde, was ihnen den Boden wegzieht, sie total verspult. Findet ihr das zu naiv?
Und habt ihr diese Pence-Hamilton-Geschichte gestern in den USA verfolgt? Kurzfassung: Neuer Vizepräsi Pence sitzt im Publikum der sehr angesagten multikulturellen Broadway-Hiphop-Gründerväter-Oper. Schauspieler richtet am Ende freundliches Statement an ihn, Ängste, dass es für Minderheiten jetzt rauer wird und Trump/Pence sie nicht schützen. Pence geht empört raus. Trump twittert hinterher empört, Pence sei von der Bühne lectured und harassed worden, das sei unmöglich. Liberale auch empört: das sei doch ganz freundlich und harmlos gewesen. Trumpanhänger twittern unter #boycotthamilton. Clintonanhänger machen sich lustig darüber, dass die eh nicht gekommen wären.
(Hallo "Ich Trump gut böse", Ja, haben wir.. Siehe unsere Meldungen. Freundliche Grüsse aus der Redaktion, sle)
Zuerst sei gesagt, daß ich beim Text von Herrn Wolf andere Akzente setze. Zweitens sind in diesem Thread doch von allen Seiten Positionen erarbeitet und findet trotz vermeindlicher „Kraftmeierei“ ein Austausch statt.
Kontext und Absicht sind sicherlich neben dem Inhalt Werte, die man in Betracht ziehen sollte. Herr Wolf hat kein Manifest geschrieben, er steht auch nicht montags vor der Semperoper. Er hat auf einer linken Theatersite eine überspitzte Polemik zur Diskussion freigestellt- und einen Nerv getroffen.
Ich lese aus Wolfs Text vor allem eine Kritik an der selbstaufgelegten Filterblase. Es ist mir nicht daran gelegen, jemandem den „Safespace“ wegzunehmen. Die Zeiten sind zu düster als nicht davon auszugehen, daß dieser benötigt wird. Persönlich fühle ich mich dort allerdings nicht zuhause.
Die Realität setzt sich aus Menschen zusammen, die meist themengebunden entscheiden wieviel Akzeptanz sie einer anderen Personengruppe entgegenbringen.
Das Beispiel mit dem Theater in Bautzen ist für mich (auch in Wolfs Text) insofern nebensächlich, da im Publikum schon immer Menschen saßen, die xenophob, islamophob, homophob, misogyn etc sind- und Schockschwerenot sich vielleicht sogar als politisch links bezeichnen.
Theatermacher kenne ich nicht so persönlich, von einigen zeitgenössischen Künstlern - unter anderem sogenannt „politisch korrekten“- weiß ich es definitiv. Es ist auch kaum Geheimnis.
Die Welt hat sich nicht geändert. Was sich also geändert hat, ist das Verständnis von Gesellschaft und das der eigenen Rolle in dieser.
Jeder muß selber wissen wo die eigenen Grenzen liegen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, daß die Gründe für eine Gesprächs- oder sogar Kontaktverweigerung immer nichtiger werden. In dieser Bewusstwerdung liegt meines Erachtens der Knackpunkt. Hier kann doch Theater prima ansetzen.
Link: www.deutschlandradiokultur.de/inszenierungen-in-der-kritik-wo-ist-das-theater-der-kraft.2159.de.html?dram:article_id=372403
Und alle sagen mehr oder weniger Kluges dazu, aber der absolute Gipfel an Blindheit für die eigene Zeit und die eigene Motivation hier an diesem Ort und in diesem Moment Theater zu machen, ist für mich die Schlussantwort von Frau Kiyak an diese sich empörende, das Podium - inszeniert oder nicht - störende Zuschauer-Frau: "Diese Poesie finden Sie unter einer S-Bahn-Brücke, auf dem Pappschuild eines Obdachlosen, in den Doppelstockbetten im Geflüster der Geflüchteten, die in Turnhallen schlafen. Auf dem Schulhof wo Jugendliche sich schlüpfrig amüsieren." - DAS finde ich empörend! Ich finde es empörend, weil dem Satz mit einem solch selbstgefälligen Selbstverständnis ein Partikel fehlt. Sprache kommt immer woher. Bis in die Grammatik! Es fehlt das Partikel AUCH. Sie finden es AUCH unter der S-Bahn-Brücke usw. - Hier zeigt sich mir die Haltung eines Theaters das Frau Kiyak repräsentiert nach außen im ästhetischen Diskurs, das sich äthetisch BEDIENT beim Elend unter S-Bahnbrücken, der Obdachlosen, an der Erfahrung, bei den Ängsten und Hoffnungen der eingepfercht Angekommenen, die auch vor unserem langen Arm der Macht aus ihrem Zuhause fliehen mussten. Und bei den ersten, noch so erfrischend unschuldigen sexuellen Erfahrungen und kommunizierten Erlebnissen von Jugendlichen auf dem Schulhof, die sich Witze über ihre sexuellen Bedürfnisse, Unsicherheiten und unauslöschbare Triebe noch gestatten, bevor sie lernen müssen, dass die grundsätzlich geschmacklos sind - Da kann man doch nur sagen: Wehrt euch! Wehrt euch auf den Schulhöfen, unter den S-Bahn-Brücken und in den Turnhallen gegen so ein EURE Gefühle umsetzendes Theater, das euch belauscht, und beobachtet und herablassend auf die Hormonspiegel jugendlicher Sexualität, die als schlüpfrig abgetan wird, schaut und sich daran heimnlich berauscht, um daraus emotionales Kapital zu schlagen, das sich für sie in bezahlte Kunst umwandeln lässt. Und das außer einen Guten-Tanten-Ton, der selbstzufriedene Bürgerlichkeit um sich versammelt, nicht einmal drauf hat, an sich selbst diese Art eigeneTheatermacher-Motive zu sehen geschweige denn, und sei es stotternd, suchend, zu äußern - Das Partikel AUCH fehlt. Und zwar exakt selbstverständlich, denn ansonsten laufen ja diese Sätze auch wie geschmiert - Das ist für mich ein aus Grammatik erhebbarer Theater-Zeitbefund, wenn diese DF-Befragung repräsentativ sein soll... Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so geekelt habe vor proklamiertem Künstlertum... - Wenn man mich fragt. Was man nicht tut. Und was auch besser so ist vermutlich...
Ich möchte Sie dann auch fragen, inwiefern Sie meinen, dass sich das Theater "des Elends" bedient. Das ist ja irgendwie so "Pollesch-Sprech". Und so, wie das Theater sich immer auf Wirklichkeit bezieht, bedient sich im Grunde jedes Theater "des Elends", nicht nur das Gorki. Bei Ihnen klingt das im Weiteren aber so, dass das Theater damit auch für das Elend verantwortlich wäre. Und das stimmt nicht. Vor allem die Politik ist dafür verantwortlich. Das Theater kann, und es ist auch nicht seine Aufgabe, das ausbügeln, was die Politik versäumt hat. Jede/r Regisseur benutzt also "das Elend", auch und gerade Volker Lösch, liebe Wutbürgerin. Bei Lösch ist es leider zudem noch irgendwie so platt, wo geht. Im Sinne von "Ich will auch deinen Bildungsabschluss!" usw. Na ja, man kann und muss für sowas vielleicht AUCH ein bisschen was tun. Lernen wollen und so. Neben der - sicher AUCH vorhandenen - Frage nach der politischen Chancenungleichheit.
Vorher werden Sie gar nicht in der Lage sein, nähere Erörterungen zu dem, was Sie fragen "möchten", zu verstehen.
Warum auch "möchten" Sie fragen? Tun Sie es doch einfach! Wenn Sie es nicht tun, sondern vorerst nur möchten, können Sie vielleicht noch nicht fragen in dieser Sache? Fragen können, kann durchaus eine gwisse Kunstfertigkeit voraussetzen. Nach meiner Erfahrung. Ihre mag eine andere sein.
(Lieber Kirillov,
ich denke, solange die Kritiker der Kritiker darauf verzichten, Argumente und Belege für ihre Behauptungen anzuführen, sind Sie in Richtung Trumpworld immer einen Schritt voraus.
Mit freundlichem Gruß
nikolaus merck)
Die Art, wie sie sich immer als Redaktion selbst verteidigen wirkt auf mich wenig souverän und selbstkritisch.
(Lieber Baucks,
Danke für diese direkte Adresse. Ich glaube, wir sind ziemlich selbstkritisch. Jedenfalls aber total cool. Und natürlich auch ultra-souverän. Okay ... wir antworten auf Kommentare, wenn wir es schaffen, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass es weniger Stunk und gegenseitiges Hochschaukeln gibt, wenn wir mitreden.
Herzlich
jnm)
(Oh, sehr geehrtes AlptraumTeam, bitte nicht fluten, bitte nicht. Wir haben echt vollauf mit den Kritikenrundschauen zu tun, haben überdies Liebeskummer, Schnupfen und dem Kollegen tut das Knie vom Fußball weh. Wir sparen uns die Minuten, die wir für's Mitreden bei den Kommentaren benötigen, wirklich vom Seelenschmalz und vom Gleitzeitkonto ab.
Herzlich
jnm)
ja, die hirnforschung/biochemie+quantenforschung sind soweit wissenschaftlich zu beweisen, dass die denkstrukturen der menschen sehr unterschiedlich arbeiten >>> konkret bedeutet dies für JEDEN diskurs, was schon lessing in seinen fabeln erzählte: es ist keine bösartigkeit, wenn ANDERE geschmack und meinung (oder politik/ideologie) nicht teilen
solange die aufklärung vor solchem wissen halt macht, hat die propaganda + ketzerei hochkonjunktur - auch wenn es heute um andere probleme als zu zeiten von galileii geht. das muster ist das gleiche.
ich lese den artikel von michael wolf als beitrag zur aufklärung - zumindest als diskursangebot in diesem sinne - doch außer @tucholkskaya bemüht sich kaum einer INHALTLICH die aufgezeigten widersprüche aus sich selbst heraus weiter zu entwickeln - fast alle tragen brav zur polarisierung bei, die sie gleichzeitig beklagen
auf diesem niveau - was von wolf ja kritisiert wurde - hat es wirklich keinen sinn.
wer das aufgestellte schild vor dem gorki-theater gut findet hat nichts aus der geschichte gelernt - auch wenn sie jetzt ganz andere konstellationen hat >>> ausgrenzung/sanktionen >>> und dies alles, weil man die exclusive "deutungshoheit" hat
mich erinnert das an "kauf nicht beim juden" ... und DAMALS glaubte wohl die mehrheit, dass er WIRKLICH "SCHULD" an was auch immer war ... heute sollten wir ALLE die ausgrenzen wollen ganz genau HINTERFRAGEN!!! >>> das ist politik ... und nicht daumen rauf oder runter ... so habe ich den text verstanden ... keine soll dem gerade modischen mainstream der politiker folgen ... naja, aus karrieregründen würde es schon sinn machen ... kunst ist liebe und revolution ... und nicht seligmachende selbstbestätigung ...
übrigens: WER??? sieht einen unterschied in der asylpolitik zwischen cdu/csu und afd?
Habe ich irgendwo gesagt, dass es Bösartigkeit ist, wenn andere "Geschmack und Meinung (oder Politik/Ideologie)" nicht teilen? Aus welchem meiner Kommentare entnehmen Sie das?
Genau wie auf der Bühne die unterschiedlichsten Menschen stehen dürfen, dürfen auch im Publikum die unterschiedlichsten Menschen sitzen. Ich habe das Gorki-Schild ganz anders wahrgenommen, und zwar als Selbstprüfung der eigenen Authentizität/Integrität. Lehrer und Erzieher (die auch, oder?, wäre meines Erachtens schon wichtig) sollten nicht arbeiten dürfen, wenn sie das, was sie lehren, nicht differenziert vermitteln, sondern einseitig politisch-ideologisch. Künstler dagegen dürfen alles, solange es nicht ins Strafrecht fällt, sie dürfen auch Hardcorechristen oder Schariaverteidiger oder Biosupermarktkunden oder die bürgerliche Familie oder Mondsüchtige oder Kiffer oder Kuchensüchtige usw. hinterfragen und sogar mit (Neo-)Nazis arbeiten. Letzteres hat z.B. auch Schlingensief getan (Hamlet in Zürich). Siehe auch hier:
www.schlingensief.com/projekt.php?id=t034
"Kennt sich hier zufällig eine/r aus in der Hirnforschung?" schrieben sie unter #17
ich habe jedoch diesen artikel erst jetzt gelesen, weil er von der redaktion neu eingestellt wurde
außerdem habe ich eine andere meinung als sie: ein lehrer ist ein angestellter des staates und hat NATÜRLICH seine private haltung nur für seinen privatbereich und ist der neutralität in seiner arbeit verpflichtet!
ein "künstler" konnte sich z.b. in deutschland NIEMALS frei entfalten - weder unter den nazis, noch in der ddr - und auch heute nicht (xavier naidoo) - die ideologiche deutungsmacht des staates und der medien mischt sich da unterschiedlich stark immer mit ein - nicht zuletzt auch auf der "besetzungschouch" oder bei der produktion von filmen, dem zerriß und der bewerbung von büchern u.s.w. - und nicht zuletzt bei der berufugung von intendanten ...
hätte ich nicht ihre frage aufgegriffen, weil ich mich mit hirnforschung und dem wissenschaftlichen umfeld beschäftigt habe, hätte ich hier nicht mehr kommentiert - doch ich bin der nachtkritik dankbar, diesen beitrag (im sommerloch?) nochmals zur diskussion zu stellen und fand auch ihre frage zielführend, sich tiefer mit gesellschaftlichen erscheinungen zu beschäftigen, besonders im bereich von kunst besteht da ein bedarf, der nicht(!) mit dem fokus auf wirtschaftlichkeit und politik verdrängt werden darf, denn dort gibt es KEINE antwort auf die emotionale befindlichkeit der gesellschaft - gefühle lassen sich nicht verbieten, nur verbiegen und mißbrauchen - ohne emanzipatorische kunst (als waffe) noch viel leichter und mehr
grüße marie
Aber gleich Xavier Naidoo? Geht für mich nicht. Abgesehen davon, dass ich seine Musik und Songtexte von meinem persönlichen Musikgeschmack her nicht teile, lehne ich seine Aussagen zur Reichsbürgerbewegung ab. Und ob nun die CIA hinter den Anschlägen von 09/11 steckt? Nun ja, ich las auch mal etwas davon, dass es, physikalisch betrachtet, eigentlich gar nicht geht, dass Türme so einstürzen. Ich empfinde es aber als schwierig, dass sich solche wissenschaftlichen Begründungszusammenhänge mit problematischen Ideologien, Menschenbildern bzw. Welterklärungszusammenhängen mischen. Dazu sage ich persönlich dann: Lieber nicht.
danke für deine schnelle antwort. das berufsverbot der brd hatte jedenfalls klar entschieden, wer NICHT als lehrer arbeiten darf (ohne sich darum zu kümmern, wer als richter oder im außenministerium in gehobener position tätig sein kann.) soweit zu den FAKTEN in der politischen praxis. ein weiter FAKT sind die inzwischen nicht mehr vorhandenen unterschiede in der asylpoltik zwischen afd und cdu/csu - wobei die cdu/csu schon lange jahre in regierungsverantwortung ist und somit auch verantwortung für diese entwicklung trägt. doch wir kommen von der kunst/kultur hier zu sehr zur parteienpolitik, aber dies war ja auch deine frage. die bigotterie und ungleichbehandlung ist von gg nicht gedeckt!!!
1. entweder dürfen ALLE "demokratisch legitimierten parteien" sich auf den schutz des gg berufen - oder das bverfg verbietet (endlich mal!!) die npd - doch daran hat der staat scheinbar kein interesse
2. oder wir leben in einer art willkür, die sich nach belieben instrumentalisieren läßt
zur religion: jeder mensch kann ganz allein zu seinem "gott" beten und sollte dies auch meiner meinung nach NICHT öffentlich tun - jedoch sind nun mal die religiösen institutionen erlaubt - werden sogar nicht zu knapp vom staat finanziert (das thema religions-/ glaubenskriege und verstrickungen kennen sie ja bestimmt selbst)
können sie mir bitte mal eine KONKRETE aussage von naidoo zur "reichsbürgerbewegung" nennen? danke. natürlich ist er eine öffentliche person und muß sich somit der öffentlichen kritik aussetzen. schön (oder "gerecht) wäre es jedoch, würden dies auch die öffentlich-rechtlichen medienanstalten tun (MÜSSEN) - und über ihren bildungs- und kulturauftrag rechenschaft ablegen.
ps. und damit rede ich NICHT über MEINEN persönlichen geschmack - sondern über tendenzen in der gesellschaftlichen entwicklungen, die mich mehr als nachdenklich machen ... wo ist die balance - wenn ich nur "extreme" wahrnehme ... die ständig mit nach unten offener skala produziert werden und deren gesellschaftlichen (psychoLOGISCHEN) folgen dann zu verurteilen sind?
Zu Naidoo. Dass er bei der Reichsbürgerbewegung aufgetreten ist, ist ja nun erstmal Fakt. Ein Musiker, der sich seiner Rolle in der Öffentlichkeit bewusst ist, würde nicht bei solchen Veranstaltungen auftreten. Dass er auf die Reichsbürger "zugehen will", wie er sagt, weil sie "Systemkritiker" seien wie er, heisst ja noch lange nicht, dass er bei deren Veranstaltungen auftreten muss. Oder? Siehe hier:
www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/xavier-naidoos-auftritt-vor-reichsbuergern-13210732.html
@ pardon: Nein, natürlich sitzt die Bundeswehr nicht in allen Kindergärten. Ich habe nur davon gehört, dass ein Kitageschäftsführer angeblich vorher bei der Bundeswehr angestellt war. Wie auch immer, als Geschäftsführer ist es ja auch erstmal egal. Wenn ein Erzieher vorher Berufssoldat war und dann zum Erzieher umschult, wäre es schon schön, wenn er vom Befehl-Gehorsam-Prinzip der Bundeswehr wegkommt. Denn so erzieht man bekanntlich keine Kinder. Auch die anderen von Ihnen genannten Gruppen dürfen natürlich als Erzieher arbeiten. Warum denn auch nicht? Wenn sie fähig sind, neben ihrer eigenen Lebensweise auch andere Lebensformen als gleichwürdig und gleichwertig anzuerkennen? Ihre Bezeichnung der "Kampfgendergestalter" ist ja nun auch nicht ganz neutral.
Und daher frage ich jetzt, ist es überhaupt möglich, politisch neutral zu agieren? Oder ist es nicht vielleicht sogar besser, wenn man sagt, ich selbst denke bzw. meine und mache es so und so, aber das ist nicht der einzige und auch nicht der einzig richtige Weg. Überlegt mal mit mir zusammen, wie es auch noch geht. Zum Beispiel als Chef eingreifen und vermitteln, zwischen Erziehern, zwischen Erziehern und Eltern usw. Übertragen auf die Theater wäre das auch eine schöne Möglichkeit, Konflikte auszutragen. Offen, und nicht "das Problem" ausgrenzend.
nur kurz ein link - so als gegenrecherche zu naidoo:
kress.de/news/detail/beitrag/134967-dokumentarfilmer-antwortet-xavier-naidoo-kritikern-harold-woetzels-plaedoyer-fuer-journalismus-ohne-vorurteile.html
Und in Ausnahmefällen - Bundeswehrhintergrund hin oder her - erzieht man Kinder auch in einfacher Befehlskette: ich PapaMamatemporärverantwortlichfürdich - du gehorchst. Wenn das nur in Ausnahmefällen angewandt wird, klappt das ganz wunderbar ohne auch nur Androhung von Restriktionen. Es ist aber notwendig, dass es klappt, wenn es um den Schutz von Leib und Leben des Kindes geht.
Das wäre alles auch auf Theater übertragen eine gute Möglichkeit Konflikte auszutragen, allein hat man es dort mit Männern und Frauen und nicht mit Kindern zu tun und "das Problem" ist, dass sich darüber die wenigsten Leute dort darüber im Klaren sind. Theaterleute begreifen ja oft nicht einmal, dass die Zuschauer zwar alle gewesene Kinder, aber eben doch keine Kinder sind, hach ja...