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Geldstrafe für Theater Neumarkt wegen der Aktion "Schweiz entköppeln"
Wer aneckt, soll löhnen
24. November 2016. Der Zürcher Regierungsrat kürzt dem Theater Neumarkt vorübergehend die Zuschüsse um 50.000 Franken als Strafe für die Aktion "Schweiz entköppeln" vom Zentrum für politische Schönheit. Das berichtet Ruedi Baumann im Tages-Anzeiger (online 23.11.2016). In der Absenkung der Unterstützung von bisher 330.000 Franken auf 280.000 Franken seien "die Aufwendungen der kantonalen Stellen im Zusammenhang mit der umstrittenen Vorstellung im Programm 2016 berücksichtigt", wird die Begründung des Regierungsbeschlusses zitiert. Ab 2018 liegt die Förderung durch den Kanton wieder bei 330.000 Franken.
Der Regierungsrat habe auf "eine dringliche SVP-Anfrage im Kantonsrat zu dieser Aktion" zwischen Zensur und kultureller Freiheit abwägen müssen, berichtet der Tages-Anzeiger weiter: "Eine wichtige Aufgabe der Kultur sei es, 'sich ohne thematische Einschränkungen mit sämtlichen Belangen und Aspekten des Lebens zu befassen und kritisch auseinanderzusetzen, mithin auch mit politischen, religiösen und anderen gesellschaftlich relevanten Fragen'", heißt es über die eine Seite der Debatte. "Die künstlerische Freiheit gelte aber nicht unbeschränkt und finde ihre Grenze dort, wo 'dem Recht anderer auf Achtung ihrer Persönlichkeit und ihres Privatlebens sowie ihrer Meinungsfreiheit nicht genügend oder keine Beachtung zukommt'", so die Gegenposition.
Nach Ansicht der Regierung habe die Köppel-Aktion "die Grenzen des Hinnehmbaren klar überschritten", schreibt der Tages-Anzeiger weiter. "Eine Kürzung des Betriebsbeitrages sei dann denkbar, so die Regierung, 'wenn die Qualität des Gesamtprogramms und die Nachfrage – auch wegen fragwürdiger politischer Aktionen – nicht mehr gegeben wären'".
Im Zürcher Gemeinderat war ein SVP-Antrag auf Subventionskürzungen am Neumarkt jüngst zurückgewiesen worden. Gegen die politischen Sanktionsbestrebungen hatten sich Schweizer Theatermacher*innen in einem Offenen Brief im März 2016 für das Theater am Neumarkt stark gemacht.
Update 24.11.2016 15 Uhr: Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) kritisiert die Kürzung scharf. In einer eigenen Pressemitteilung der Gruppe heißt es: "Das weltoffene und kulturaffine Zürich hat sich heute früh in einen Hort der politischen Hässlichkeit verwandelt, in dem Politiker sich anmassen, Kulturinstitutionen wie kleine Kinder zu behandeln, die man für vermeintliches Fehlverhalten ‚bestraft’. Wenn diese Auffassung Schule macht, wird es bald gar keine missliebige politische Kunst mehr in der Schweiz geben."
Es sei nicht die Aufgabe der Politik, die ‚Qualität des Gesamtprogramms’ zu bewerten. Diese Aufgabe übernehme die Öffentlichkeit und im Falle des Theaters sein Publikum. Ihre Aktion "Schweiz enköppeln“ verteidigt das Kollektiv: "13 % Zuschauerplus im laufenden Jahr beim Neumarkt, 800.000 Flüche gegen Roger Köppel im Internet, aber auch Millionen medial vermittelte Zuschauer bei ‚Schweiz entköppeln’, sprechen eine eigene Sprache in Sachen Qualität." Politik habe in der Sphäre der Kunst nichts verloren. Schon gar nicht hat sie politisch missliebige Projekte zu strafen.
Das ZPS kritisiert auch die Medien dafür, "sich bislang eher unreflektiert auf die Seite der ersten drei Gewalten stellte, statt die fünfte Gewalt – Kunst und Theater – gegen einen kindischen, unreifen und überflüssigen Missbrauch der Macht in Schutz zu nehmen".
Ferner kündigen die Künstler an, ihre Aktion fortzühlen: "Wir werden die Hunderttausenden von Flüche gegen Roger Köppel in einer neuen Aktion exekutieren. Denn die Schweiz muss entköppelt werden und die Politik an der Kunst reifen."
(chr / miwo)
Hier geht's zur Nachtkritik der Aktion Schweiz entköppeln.
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Man kann ja zu der ZPS-Aktion stehen wie man will, aber ... ich verstehe diese politische Entscheidung nicht. Vielleicht kann mir jemand (aus der Schweiz) helfen?
#christophhilf!
#mancherpolitikerfreutsichgeradediebisch
#ichverstehsimmernochnicht
missglückte Kunst.
Strafe muss sein.
Das Theater soll sich ruhig verhalten und wenn es laut wird und auch noch unglücklich laut, dann aber; zack!! Eins auf die Finger,
oder am liebsten ganz abschaffen.
In einer Kolumne im 'Tagi' ist Andreas Tobler sich nassforsch ganz sicher, dass sich Theaterleut, welche jüngst bei "Hamilton" in New York den designierten Trump Vice angingen, oder neulich in Salzburg mit der Internationalen HC Strache provozierten nur sich selber und dem Theater schaden.
Und ist von Straches Antwort "die Linke hätte die Arbeiterschaft eben an die FPÖ verloren" rhetorisch ganz angetan.
(Er hat natürlich seinen Didier Eribon gelesen, aber leider missverstanden)