Presseschau vom 10. Dezember – Die Süddeutsche Zeitung porträtiert Chris Dercon

"Diese Aggressivität habe ich noch nie erlebt"

"Diese Aggressivität habe ich noch nie erlebt"

10. Dezember 2016. Lange schwieg Chris Dercon, nun, kurz nachdem sein Auftritt in der belgischen Botschaft hohe Wellen schlug, porträtiert Jörg Häntzschel in der Süddeutschen Zeitung (10.12.2016) den designierten Castorf-Nachfolger.

"Da bekomme ich wirklich Angst", sagt Dercon und meint die Schmähungen und Beleidigungen, die er in den letzten Wochen in der Hauptstadt habe erdulden müssen: "Du Hund", "Herr Dercon, Sie sind kein Mensch!" Die Attacken seien nicht verbal geblieben. "Neulich goss ihm einer ein Glas Bier über den Kopf."

Wie aus der Schrotflinte

Nichtsdestotrotz hält Chris Dercon an seinem Plan fest, im nächsten Sommer die Berliner Volksbühne zu übernehmen: "Es gibt keinen Plan B." Allerdings wirke er "allmählich mürbe", so Häntzschel. Von dem Zeitpunkt an, an dem er René Pollesch mit dem vielzitierten Satz "Ich mach dich weltberühmt" auf seine Seite ziehen wollte, sei "alles falsch" gelaufen. "Was immer er nun sagt, wird als weiteres Indiz für seine angebliche Ahnungslosigkeit ausgelegt." Die Vorwürfe versuche Dercon im persönlichen Gespräch zu entkräften, indem er "wie aus der Schrotflinte" mit Referenzen um sich schieße. 

Dercon erwähnt seine Vorliebe für Beckett "wegen seiner Nähe zu Bruce Nauman" und "diese Art von Sprachmaschine". Dercon: "Es gibt viele bildende Künstler, die mit theatralischen Mitteln arbeiten, und jedes Mal bin ich frustriert und denke: Ich habe schon viel Besseres gesehen: im Theater."

"Man muss die Maschine ausnützen"

Theaterhandwerk finde er wichtig. Er habe sich gerade Robert Wilson's Endspiel im Berliner Ensemble angesehen. "Da ist dieser uralte Schauspieler, Jürgen Holtz. Wie der spricht, das können nur ganz wenige. Anne Teresa de Kersmaeker oder Boris Charmatz, das sind phänomenale Tänzer und weil sie das Handwerk beherrschen, können sie das Handwerk auch wieder wegschmeißen."

Die Sorge der Volksbühnen-Gewerke, sie würden unter Decon nicht mehr gebraucht sei unbegründet. "Es gibt genug zu tun. Man muss die Maschine ausnützen, die ist wunderbar."

Was Dercon allerdings konkret vorhat, das wird auch für Häntzschel nicht deutlich. "Sie müssen das Programm abwarten", sagt Dercon. Die deutsche Kultur kritisiert er als "beschränkt". "Nicht nur im Theater, auch in der Literatur. Die Neugier auf das, was draußen passiert, die Neugier auf andere Disziplinen, das fällt den Deutschen sehr schwer."

(Süddeutsche Zeitung / sae) 

Kommentare  
Porträt Dercon: Unwissenheit
"Die deutsche Kultur kritisiert er als "beschränkt". "Nicht nur im Theater, auch in der Literatur. Die Neugier auf das, was draußen passiert, die Neugier auf andere Disziplinen, das fällt den Deutschen sehr schwer."

Auch diese Zitate entlarven die Unwissenheit und das Desinteresse von Chris Dercon. Er ist persönlich und fachlich einfach nicht geeignet.

In relevanten internationalen Kreisen im Kultur und Kunstbereich würde kein Mensch je darauf kommen die Kultur in Deutschland als "beschränkt" zu bezeichnen.
Porträt Dercon: Jürgen Holtz
Ich hatte hier übrigens gestern Nachmittag auch was gepostet. Ist das im postfaktischen Kommentarnirwana verschwunden? Ich wiederhole mich so ungern. Es ging um bildende Kunst, Theater und eine Torte. Übrigens ist Jürgen Holtz kein "uralter Schauspieler", sondern einfach ein ziemlich guter. Dercon muss sich nicht wundern, wenn man ihn in Berlin nicht mag. Seine Äußerungen wirken nicht gerade so, als wäre er besonders neugierig auf diese Stadt.


(Lieber Stefan B.,
dass Jürgen Holtz ein guter Schauspieler ist, findet Chris Dercon offenbar auch. Er muss ihn deswegen nicht uralt nennen, da haben Sie recht. Das ist mindestens unsachlich. Ähnlich wie ihre Äußerungen bezüglich der Torte gestern. Deswegen haben wir den Kommentar faktisch im Nirwana verschwinden lassen.
Viele Grüße
Redaktion/miwo)
Porträt Dercon: Jahrzehnte zu spät
Liebe Redaktion, ich habe nichts dagegen, dass mein Tortenscherz als vielleicht unsachlich der Zensur zum Opfer fällt. Allerdings finde ich das davor zum Zusammenhang von bildender Kunst und Theater Geschriebene völlig sachlich und für eine nachweisbare Tatsache, die man angesichts der Äußerungen von Chris Dercon in der SZ über die deutsche Kultur nicht unterdrücken sollte. In früheren Interviews zur bildenden Kunst hat er sich ja schon oft als von ihr gelangweilt bezeichnet. Wenn er nun die Rettung in der interdisziplinären Verbindung von bildender Kunst, Musik und Theater sieht, dann ist er einfach mal ein paar Jahrzehnte zu spät. Und ich wiederhole noch einmal. Es gibt nichts, was nicht schon auf der Bühne probiert wurde. Da ist auch Berlin schon lange interdisziplinär. (...).

(Lieber Stefan B., die Zusammenhänge mit kühlem Kopf zu benennen, hat dem Kommentaraustausch auf NK noch immer gut getan. Gegen das Argument war auch nichts einzuwenden, sondern gegen den Vortragston. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Porträt Dercon: Blutdruck normal
Lieber Christan Rakow, mein Ton und mein Blutdruck sind völlig normal. Ich gehöre eigentlich nicht zu der Sorte Mensch, die anderen Leuten Bier über den Kopf gießt. Da bleib ich ganz kühl im Köpfchen.

(...)

Die Pünktchen in meinem Kommentar vermitteln leider wieder den Eindruck, ich würde Chris Dercon ungebührlich zu nahe treten wollen. Das ist nie meine Absicht gewesen. Allerdings verwundert es mich dann doch, wie der Mann sich nun in der SZ als Opfer darstellt. Tut mir leid, dafür reicht dann mein Mitgefühl nicht mehr aus.

(Sehr geehrter Stefan B., die Vermutung - die ich wiederum hier rausgekürzt habe -, ein einzelner Redakteur hätte den Kommentar einkassiert, ist falsch. Solche Entscheidungen werden von mehreren Kolleg*innen getragen. Auch ich stehe für diese Nichtveröffentlichung im Speziellen gerade. Davon ab stelle ich mir Diskutant*innen auf Nachtkritik überhaupt nicht als handgreifliche Personen vor (Bier über den Kopf und dergleichen). Wir sollten dennoch, gerade weil die Schriftform so viele Missverständnisse zulässt und soziale Komponenten der Kommunikation abschneidet, gemeinsam schauen, wann ein Ton verletzend wird, wann sich ein Einwand zum Schrei auswächst, der die Stimme des Gegenüber nicht mehr einrechnet. Mit besten Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Porträt Dercon: das Haus war voll
Anne Teresa de Kersmaeker ist wirklich fabelhaft, aber warum soll das irgendein interessierter in Deutschland nicht wissen.Ich hab "Rosas"von ihr vor zwanzig Jahren in Dresden gesehen.Seitdem könnte ich meines bescheidenen Wissens sämtliche ihrer Arbeiten an diversen Gastspielorten in Deutschland sehen.Wo ist jetzt das neue das unserer bornierten Kultur fehlt?Ich lerne gern was.Aber man muss mir halt auch was anbieten.
Und bei aller Bewunderung für de Kersmaeker,die riesige Volksbühne kriegt man damit leider nicht voll.Der Lärm von Castorf könnte ja immer auch ganz schön nerven,aber das Haus hat er damit vollgekriegt.Natürlich absolut unter Niveau.
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