Gemeinsamer Entscheidungsprozess

29. Dezember 2016 / 5. Januar 2017. Der Vertrag des Intendanten des Hans Otto Theaters Potsdam Tobias Wellemeyer wird nicht noch einmal verlängert. Das teilt das Theater mit. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs und Wellemeyer hätten "in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess vereinbart, dass es ab der Spielzeit 2018/2019 am Hans Otto Theater einen Wechsel der künstlerischen Leitung geben wird".

Jakobs wird mit den Worten zitiert: "Das Theater ist gut aufgestellt. Jetzt ist es aber an der Zeit, neue Impulse zu setzen. Der frühe Zeitpunkt der Entscheidung gibt beiden Seiten Planungssicherheit."

Wellemeyer 560 HLBoehmeTobias Wellemeyer © H.L. Böhme

Wellemeyer, Regieführender Intendant und auch Vorstandsmitglied der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein, ist seit 2009 Intendant des Hans Otto Theaters. Sein Vertrag wurde 2013 verlängert und läuft zu Ende Juli 2018 regulär aus. Im Oktober 2016 stieß ein Artikel in der Märkischen Allgemeinen Zeitung eine Diskussion über Wellemeyers Führung- und Kommunikationsstil an

Update: In einer eigenen Pressemitteilung, die das Hans Otto Theater (HOT) am 5. Januar 2017 weiterleitet, bedauert der Freundeskreis des HOT den geplanten Abschied von Tobias Wellemeyer – "wir hätten uns das anders gewünscht", schreiben Lea Rosh und Hinrich Enderlein im Namen des Vorstands des Freundeskreises.

Wellemeyer habe dafür gesorgt, dass das Theater aktiv auf die Stadtgesellschaft zugehe und auf ein Netzwerk kultureller und sozialer Partnerschaften setze. Gelobt wird auch die "intensive, kontinuierliche und erfolgreiche Jugendarbeit".

"Insbesondere" sei es Wellemeyer jedoch gelungen, "ein glänzendes Ensemble zusammen zu bringen, das er immer wieder zu Höchstleistungen zu motivieren imstande ist", so die Freundeskreis-Pressemitteilung: "Das Hans Otto Theater kann insgesamt den Vergleich mit den Berliner Bühnen bestehen."

(Hans Otto Theater / sd)

Nachtkritiken zu Inszenierungen von Tobias Wellemeyer in unserem Lexikon.

 

Presseschau

"Während halb Berlin – zumindest der Teil, der ins Theater geht – schon jetzt Staatstrauer trägt und um Castorf weint, gibt es in Potsdam erstmal keinen Aufschrei. Nicht beim Publikum. Das hat mit Wellemeyer gefremdelt, seit er 2009 Uwe Eric Laufenberg als Intendant des Stadttheaters ablöste. Später ging das Fremdeln über in ein allgemeines Nörgeln", stellt Ariane Lemme in den Potsdamer Neuesten Nachrichten (2.1.2016) fest und findet bei den verschiedenen Menschen, die sie dazu befragt – eine Schauspielerin, ein ehemaliges Ensemblemitglied, ein Kulturpolitiker aus dem Beirat des Hans Otto Theaters – dann aber vor allem Wohlwollen Wellemeyer gegenüber, dessen Intendanz sie noch einmal Revue passieren lässt mit dem Fazit: Vielleicht werde das soziale Engagement (u.a. im Kinder- und Jugendtheater und mit dem "Refugees Club") Wellemeyers größtes Vermächtnis, "ungeachtet der Tatsache, dass er großartige junge Talente wie etwa Alexander Nerlich und Wolfgang Menardi ans Haus geholt und ein wunderbares Ensemble zusammengehalten hat".

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (4.1.2016) vermeldet Simon Strauss in der Seitenspalte, dass Wellemeyer seinen Posten abgeben wird und mutmaßt: "Im vergangenen Herbst wurde ein Brief aus dem Ensemble öffentlich, der mehr Mitspracherecht auf Spielplanentscheidungen und Besetzungspläne anmahnte. Die daraufhin von einer Lokalzeitung initiierte Debatte über den Führungs- und Kommunikationsstil des Intendanten nahm zwischenzeitlich regelrecht diffamierende Züge an. Das Ziel, einen Wechsel der künstlerischen Leitung durchzusetzen, ist nun jedenfalls erreicht. Dass sich der Oberbürgermeister und der von ihm geschasste Intendant wirklich 'in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess' auf den Rausschmiss geeinigt haben, wie es jetzt aus dem Potsdamer Rathaus heißt, wäre überraschend. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Politik vom Lokaljournalismus hat in Zugzwang versetzen lassen. Nach einer besonnenen Kulturpolitik sieht das nicht aus."

 

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