Presseschau vom 20. Januar 2017 – Christian Holtzhauer verteidigt in der Süddeutschen Zeitung das Performer-Theater gegen Bernd Stegemanns Kritik
Berührungsängste abgebaut
20. Januar 2017. In Reaktion auf eine von Bernd Stegemann angestoßene Debatte zur Schauspielkunst (Presseschau vom 3. Januar 2017) verteidigt der künstlerische Leiter des Kunstfests Weimar und Vorsitzende der Dramaturgischen Gesellschaft Christian Holtzhauer in der Süddeutschen Zeitung (20.1.2017) das Performer-Theater gegen Stegemanns Kritik.
Unter dem Einfluss performativer Formen sei die Theaterlandschaft "pluralistischer geworden", so Holtzhauer. "Eine vielfältige Gesellschaft braucht ein vielfältiges Theater. Dazu gehören das mimetische Theater ebenso wie die verschiedenen Spielarten des performativen Theaters und sicherlich auch Theaterformen, die wir noch gar nicht kennen können."
Stegemanns Vorwurf, Performer würden behaupten, "identisch mit sich selbst" zu sein, hält Holtzhauer entgegen: Die Darsteller "werden auf der Bühne zwangsläufig zu Stellvertretern und sind sich dessen bewusst. Zwar sind die Zuschauer geneigt und zuweilen auch dazu angehalten, den Darstellern zu glauben, dass es sich bei ihren Berichten um persönliche Erfahrungen handelt. Wirklich sicher sein können sie sich jedoch nicht. In einer Zeit, in der zwischen Fakt und Fiktion kaum noch zu unterscheiden ist, kommt es den Künstlern oftmals auf das Spiel mit genau dieser Ambivalenz an."
In einer an Eva Behrendts Text im "Merkur" (Presseschau vom 5. Januar 2017) anschließenden Überlegung unterstreicht Holtzhauer die Produktivität der performativen Theaterformen auf dem Weg, Zugangsschwellen des Theaters abzusenken: Internationalisierung des Theaterbetriebs, ästhetische Experimente über künstlerische Genregrenzen hinweg, Allianzen zwischen Theatern und anderen Institutionen oder die Entwicklung der "Bürgerbühnen" – "all diese Entwicklungen und Theaterformate sind ohne den Einfluss und die Expertise des freien performativen Theaters kaum vorstellbar". Gleiches gelte für Stadtraumprojekte. "Nun mag man darüber streiten, ob solche Projekte zu den Kernaufgaben eines Schauspielhauses gehören. Immerhin haben viele Theater es mithilfe dieser Bespielungen des öffentlichen Raums aber vermocht, Schwellen- und Berührungsängste abzubauen und neue Publikumsschichten zu erschließen."
(Süddeutsche Zeitung / chr)
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