Presseschau vom 29. März 2017 – Stimmen zur New Yorker Lesung aus Elfriede Jelineks Stück über Donald Trump

Die Dichterin und der einsame Twitterkönig

Die Dichterin und der einsame Twitterkönig

29. März 2017. Elfriede Jelineks Stück über Donald Trump "Auf dem Königsweg", das im Oktober 2017 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg zur Uraufführung kommen soll, wurde in New York in einer ersten Lesung vorgestellt, gekürzt auf 16 von 92 Seiten, vor knapp 70 Zuschauern, wie der NDR schätzt. Trump werde in dem Stück aus diversen Perspektiven gespiegelt, berichtet die Presse, u.a. mithilfe der Muppet-Figur Miss Piggy.

Für Johanna Bruckner von der Süddeutsche Zeitung wird klar: "Jelinek verachtet Trump, angefangen von seiner Frisur über seine Gier  nach mehr Häusern, nach mehr Macht  bis hin zu seinen intellektuellen Defiziten."

In der Welt berichtet Hannes Stein: "Das Stück ist ein wüster Galimathias: Es geht um Schulden bei der Deutschen Bank, um die geplante Mauer an der Grenze zu Mexiko, um Rassismus, irgendwie auch um klassische Mythologie. Das Ganze läuft – zumindest in dieser Strichfassung – auf die Geschichte von Abraham und Isaak hinaus."

Michael Watzka hebt in der Presse auf die Widersprüche dieser Unternehmung ab: "Jelineks neuer Text 'Auf dem Königsweg' versucht sich etwas zu nähern, was es eigentlich gar nicht gibt: Der Tiefenstruktur des omnipräsenten Oberflächenphänomens Trump." Und: "Mit Jelinek, ihrerseits Meisterin der Selbstinszenierung, hat sich eine Person des einsamen Twitterkönigs angenommen, deren eigener Medienkonsum wohl als fast so merkwürdig zu bezeichnen ist wie der des Mannes hinter dem orangenen Teint."

"Die Lesung am Abend ist verstörend und liefert mehr Fragen als Antworten", berichtet Georg Schwarte im NDR. Worum es geht, hat sich der Korrespondent von der Jelinek-Übersetzerin Gitta Honegger erklären lassen: "Trump und die Frauen. Trump und Ödipus. Trump auf dem Königsweg europäischer Geschichte gespiegelt. Eine Nobelpreisträgerin arbeitet sich ab an einem Mann, den Jelinek durchaus als intellektuelle Beleidigung für die Welt verstehe, so Honegger."

Shant Shahrigian war für die Deutsche Welle bei der New Yorker Lesung: "Dank der vielen Perspektiven gelingt es Elfriede Jelinek, innerhalb eines Stücks so verschiedene Themen wie das Alte Testament, deutsche Geistesgeschichte, Freuds Psychoanalyse, die US-Immobilienblase oder das Bankensterben zu berühren. Und in einem Seitenhieb suggeriert sie Trumps Impotenz."

(chr)

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