Presseschau vom 12. April 2017 – Klaus Wowereit im FAZ-Interview über Berliner Kulturpolitik

"Hochproblematisch und einfallslos"

"Hochproblematisch und einfallslos"

12. Apri 2017. "Ich möchte gut unterhalten und gepackt werden, so dass ich mich noch lange über das Stück unterhalten und streiten kann. Außerdem erwarte ich gutes Handwerk", sagt der ehemalige Berliner Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit im Interview mit Simon Strauß von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über seine Erwartungen ans Theater. Und zu den Berliner kulturpolitischen Entscheidungen seiner Nachfolger:

Volksbühne: "Die jetzt getroffene Entscheidung, mit der Berufung von Chris Dercon aus dem Haus etwas ganz anderes zu machen, finde ich jedenfalls nicht gut. Das sage ich ganz offen. Die Volksbühne zu einem Eventhaus zu machen, finde ich hochproblematisch und auch einfallslos. Denn davon gibt es in Berlin ja schon mehr als genug."

Berliner Ensemble: "Peymann ist Peymann, da kann man eh nichts weiter zu sagen. Jemand, der genauso ist wie er, den wird es nicht geben." Peymanns designierter Nachfolger Oliver Reese habe aber sowohl in Berlin wie in Frankfurt gezeigt, dass er ein großes Haus führen und prägen kann. "Deshalb mache ich mir bei ihm keine Sorgen. Das wird gut werden."

Generell wünsche er sich für die Berliner Stadttheater ein bisschen mehr Barrie Kosky-Spirit: "Am Beispiel der Komischen Oper und Barrie Kosky hat man ja gesehen, wie man einen Spielplan mit Wiederentdeckungen vergessener Komponisten inspiriert gestalten kann. Das zusammen mit einem überraschenden Inszenierungsstil führt dazu, dass man neue Akzente in alten Räumen setzen kann."

Mit Blick nach München zu der umstrittenen Intendanz Lilienthal an den Kammerspielen sagt Wowereit: "Wenn man Lilienthal an ein Haus holt, dann muss man auch wissen, dass er von seiner Seite aus eine bestimmte Anspruchshaltung hat. Und so wie er bisher mit Theater umgegangen ist, hätte man sich doch gewundert, wenn das jetzt in München alles reibungslos über die Bühne gehen würde."

Und zur Honorar-Debatte: Über die soziale Existenzgrundlage von Schauspielern müsse man auf jeden Fall diskutieren. "Wir sehen ja meist nur die absoluten Spitzen, die gut beschäftigt sind und sich die Rollen aussuchen können. Aber die Realität besteht leider auch darin, dass viele Schauspielerinnen und Schauspieler mehr Tage im Jahr arbeitslos sind als sie Aufträge haben." Da stelle sich schon die "soziale Frage", so Wowereit: "Ob man dann wieder das Modell des Staatsschauspielers einführen sollte, der unkündbar ist, weiß ich nicht."

(sd)

Mehr dazu: "Warum bekommt Chris Dercon keine faire Chance?" fragt Rüdiger Schaper in seinem Kommentar zu dem Interview im Berliner Tagesspiegel, auch Ulrich Seidler kommentiert es in der Berliner Zeitung.

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