An den
ehemaligen Regierenden Bürgermeister
und Kultursenator der Stadt Berlin
Herrn Klaus Wowereit

 

Berlin, den 22.4.2017

Sehr geehrter Klaus Wowereit,

Vor einigen Tagen las ich Ihr Interview mit der FAZ zu Fragen der Berliner Kulturpolitik, des traurigen Schicksals der Volksbühne, zu Claus Peymanns Ausscheiden als Direktor des Berliner Ensembles usw.

juergen holtz 280 theresa becherer uJürgen Holtz  © Theresa Becherer Ich habe Ihre Antworten mit Interesse gelesen. Was Sie als ehemaliger Bürgermeister und Kultursenator der Stadt Berlin zu sagen haben, klingt vernünftig. Sie zeigen Verständnis für die sozialen Härten, die sich aus der Auflösung des Castorf-Ensembles an der Berliner Volksbühne ergeben.

Die gängige Praxis

Zyniker zucken die Achseln und sagen: "Wo gehobelt wird, fallen Späne." Es ist die Praxis bundesdeutscher Theater, mit dem Vertrags-Ende eines Theaterleiters oder seines Spartendirektor wie im alten Indien eine Witwenverbrennung vorzunehmen, d.h. mit ihm seine Leitung, seine Regisseure, Dramaturgen und Künstler zu entlassen, oft in die Wüste zu schicken. Manchmal wird der ehemalige Intendant oder Direktor der Sparte zur Bienenkönigin, fliegt mit seiner Truppe davon, zu einem neuen Ort, wo dann mit anderen Leitern mitsamt Ihrer Crew das gleiche geschieht wie vorher mit ihm. Diese Verfahrensweise gilt im Bundesgebiet allgemein als normal.
Jedes Mal entstehen natürlich soziale Härten, wie jetzt in Berlin durch die Entlassung zweier Ensembles, d.h. in der Folge Arbeitslosigkeit, oft genug sozialer Abstieg. Die Künstler fliegen aus dem System, indem die Theater seit den neunziger Jahren so angestrengt ausgedünnt und ihr Personal verkleinert wurde, oft auf ein Drittel ihrer vorherigen Ausstattung. Den Verantwortlichen gilt der Verlust für das Stadttheater-Publikum gegenüber ihren Einsparungen für "vernachlässigbar". Sie sind davon überzeugt, dass für sie dadurch bessere und preiswertere Lösungen entstehen, die dem Platz, den das Theater in der Finanzplanung der Stadt einnehmen soll, besser entsprechen.
Es gibt zahllose Beispiele, nicht nur aus den neuen Bundesländern, und nicht nur aus der Kultur, für solche Rechnungen, die durch erzwungene Einsparungen instabile Verhältnisse schaffen.
Das Ende der Ära Dorn im Münchner Residenz-Theater und die Schwierigkeiten Lilienthals in den Münchner Kammerspielen weisen exemplarisch auf eine tiefere Problematik.

Die Praxis im geteilten Deutschland

Früher, bevor der deutsche Staat das neoliberale Modell für sich entdeckt hatte, Deutschland noch gespalten war und seine beiden Teile kulturell eifersüchtig konkurrierten, gab es längere Intendanzen in sichereren und ruhigeren Verhältnissen, von großen Intendanten geführt, die große Programme hatten. Auch die Praxis im Theaterland DDR war ruhig und für die Städte verlässlich. Die Ensembles, dort wo es sie wirklich gab, blieben am Ort und lange Zeit stabil. Seit den Neunzigern sind im wiedervereinigten Deutschland dagegen Fluktuationen und Unruhe zu bemerken, als wolle man auf irgendeine Weise einem Druck entfliehen, der allerdings überall herrscht.

Die Darstellende Kunst, wo sie nicht TV ist, hat seit der Wiedervereinigung Bedeutung und Wirkmächtigkeit eingebüßt. Dies hat sie ihrer verordneten Verschlankung nicht allein zu verdanken.

Stadttheater bergen Oper, Ballett, Musicals und Schauspiel unter einem Dach als Mehrsparten-Häuser und arbeiten für die Städte als deren kulturelle Versorgungsbetriebe. Wird eine Sparte ausgetauscht, meist bei Wechsel der Intendanz oder des Chefs einer Sparte, bleibt das Theater als Ganzes und seine Funktion in der Stadt bestehen. Anders verhält es sich, wenn Länder und Städte Sparten oder ganze Theater aus Sparzwang völlig schließen wollen. Dann rebellieren die Bürger, neuerdings. Sie tun es zu Recht. Man nimmt ihnen etwas, das ihre Identität als Bürger ihrer Stadt und ihrer Landschaft betrifft. Sie verhalten sich so auch, wenn man ihre Museen für unwichtig erklärt und deren Bestand plündert, um die Stadt- und Länderkassen aufzubessern. In den modern times, die ohne Gnade auch über sie hereinbrechen, wollen sie die Reste ihrer Identität verteidigen, die in der sog. Provinz mehr bedeuten als dort, wo die Provinz Provinz genannt und verachtet wird, nämlich in ihrer sehr provinziellen Metropole!

Berliner Theaterlandschaft

In Berlin ist, begonnen vor bald einhundertvierzig Jahren, eine ganze Theaterlandschaft entstanden, die sich auch über den Neubeginn 1945 und in zwei Deutschen Staaten, bis zur Wiedervereinigung Deutschlands und den Beginn der neunziger Jahre erhalten hat.
Die Schauspielhäuser Berlins haben, zusammenwirkend und jedes für sich, Ensembles und Traditionen ihrer Kunst entwickelt, die nicht zu übersehen waren. Und sie haben, in ihrer künstlerischen Eigenheit und Besonderheit, die Zeiten und Umstände bis gestern überdauert, (obwohl auch sie Tendenzen der Ermüdung erlagen, in denen ihre Besonderheit verwässert und abgelenkt wurde). Und sie hatten dies ihren langjährigen künstlerischen Leitern, Schauspieler- und Regisseurintendanten zu verdanken.
Jetzt ist, erst durch die hektische und instinktlose Schließung von Schillertheater und Freier Volksbühne Anfang der Neunziger Jahre, später durch den ebenfalls instinktlosen, sukzessiven Austausch erst des Ensembles des Deutschen Theaters Berlin und den Einzug des Thalia-Theaters Hamburg in das Deutsche Theater, dann durch die schon bösartige Entkernung des Ensembles der Volksbühne und durch den Austausch des Ensembles des Berliner Ensembles durch das Schauspiel Frankfurt, diese einmalige Theaterlandschaft substanziell verschieden definierter Schauspiel-Ensembles vernichtet worden. Und mit ihr eine große Zahl von bedeutenden und guten Theaterkünstlern, die nicht nur ihren Ensembles ihr Unverwechselbares gaben, die ohne ihre Ensembles ihre Beliebtheit, ihr Können, ihr Unverwechselbares so nicht entwickelt hätten. Sie sind für Berlin verloren. Es ist kein Platz für sie da. Sie fehlen ihrem Publikum als Träger und Objekte ihrer Identifikationen. Weder Thomas Langhoff, als scheidender Intendant des Deutschen Theaters, noch Claus Peymann als scheidender Direktor des Berliner Ensembles und auch der Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz haben beizeiten an einen Nachfolger gedacht, der ihr Werk, ihr Ensemble fortsetzen könnte. Sie haben vielmehr das Geschick ihrer Häuser dem Kultursenat der Stadt Berlin in die Hände gelegt. Und man könnte fast meinen, sie wollten die Verantwortung für Nachfolge und Erbe nicht.
Nun sind zwei Ensembles zweier wichtiger Städte Deutschlands für gut genug befunden worden, um ihnen mit ihren Intendanten den Weg in die Metropole und zwei gewichtige Schauspielhäuser zu eröffnen. Ein doppelter Verlust! Diese Städte verlieren ihre guten Ensembles und die Metropole kann sie als Implantat nicht gebrauchen.
Wenn Ensembles auf Reisen gehen, feiern sie Triumphe. Als Einkauf für die Stadt sind sie gut gemeint, aber inkompatibel. Sie und ihre Nachfolger bestätigen dem Publikum für lange Zeit ein Gefühl von Gleich-Gültigkeit, ehe es den Neuen gelingt, ihr Format und das Publikum für sich zu gewinnen. In diesem Format erst unterscheidet sich Ensemble von kultureller Stadtversorgung.
Die implantierten Ensembles, wie intakt sie zuhause waren, verlieren als das Ganze, als das sie nach Berlin berufen wurden, in Berlin ihren Charakter und zerfallen. Nur die einzelnen Künstler werden entweder nach einiger Vergeblichkeit weiterziehen oder Fuß fassen. So groß ist keiner mehr, dass er irgendwo erwartet wird.
So ist es den Hamburgern bereits in Berlin geschehen. Niemandem außer Claus Peymann ist es gelungen, sein Ensemble von Stuttgart nach Bochum, von Bochum nach Wien umzupflanzen. Von Wien nach Berlin ist ihm fast niemand mehr gefolgt. Er hat dort das klügste getan, indem er mit den vorhandenen Kräften vorlieb nahm und dann das Ensemble baute.
Steins Schaubühnen-Ensemble ist über die eigenen utopischen Beine seiner Mitbestimmung gestolpert, musste schließlich neu errichtet werden, weil es außer seinem Direktor niemanden mehr gab.

Ein Trümmerhaufen, den niemand sieht

Die hundertdreißigjährige Tradition des DT ist gebrochen, die für Berlin bedeutende politische Tradition der Volksbühne ist, nach Bruch durch die Nazis, nun endgültig Schrott, nachdem die Berliner SPD statt eines politischen Theaters lieber einen Gemischtwaren-Laden gehabt hätte. Ob es gelingt, am Berliner Ensemble die Linie Büchner/Brecht/Müller mit Intendant und Regisseuren fortzuführen, die aus der Linie Maxim-Gorki-Theater, DT und Schauspiel Frankfurt kommen, steht in den Sternen.
Ein Trümmerhaufen, den niemand zu bemerken scheint! Drei, vier der fünf noch bestehenden staatlichen Schauspiel-Bühnen (von ehemals sieben!) der Hauptstadt Deutschlands firmieren noch unter ihren alt- bekannten berühmten Namen, sie sind jedoch damit nicht mehr identisch. Sie folgen anderen Idealen, Vorbildern oder Zielen, oder vielleicht überhaupt keinen. Sie sind jetzt Stadttheater, kulturelle Versorgungseinrichtungen, die alle mit der gleichen mehr oder weniger glücklichen bunten Mischung mehr oder weniger glücklich um die Gunst des Publikums konkurrieren. Die Charakter-Losigkeit ist ihr Programm, ihr gemeinsamer Nenner und ihr gemeinsamer Charakter. Jeder will den anderen überbieten und ihm sein Publikum abjagen.

Gleichviel. Städte- und Länderverwaltungen schwärmen gerne vom Wettbewerb ihrer Stadt-Angebote. Und es wird ihnen fast alles zur Shopping-Mall zwischen McDonalds & Douglas rauf und runter. Vielleicht ist das genau auch gemeint. Und was kulturelle und Bildungsarbeit ist, weiß keiner mehr. Was in dem Theater-Land Deutschland seit den frühen Neunzigern geschehen ist, die maßlose finanzielle und personelle Einschränkung kultureller Einrichtungen und Prozesse, betrifft genau so die Bildung. Und beides ist eine Europa-weite Erscheinung seit dieser Zeit. Sie ist seitdem, wenn auch für die Verwaltungen und politischen Entscheidungsträger nicht so lautlos, wie sie es gewollt hätten, so doch sukzessive vonstatten gegangen, verteilt jedoch über fünfundzwanzig Jahre. Mit durchschlagendem Erfolg für die Privatisierung der öffentlichen Kultur, das Absinken des allgemeinen Bildungsniveaus und die Vereinzelung der künstlerischen Leistung. Anders als früher werden die daraus entstehenden Probleme eben mit der Keule gelöst! Nicht drei (oder vier) Schauspiel-Intendanten Berlins wurden durch Nachfolger für die Entwicklung ihrer Ensembles ersetzt. Nicht die drei (oder vier) Schauspielensembles wurden durch drei (oder vier) neue Ensembles ersetzt. Nein. Die einmalige Theater-Ensemble- Landschaft Berlins wurde durch die Landschaft beliebigen bunten Angebots ersetzt.

Niemand hat die Axt bemerkt

Die Stadt Berlin und ihre politischen Repräsentanten haben vergessen oder nie gewusst, dass ein Ensemble, das die Berliner staatlichen Schauspielhäuser waren, ein fließend sich verändernder, lebender Organismus ist, zu dem auch das Publikum, die Zuschauer, die Öffentlichkeit zwingend gehört. Sie haben vergessen, dass dieses Zusammenspiel ohne Publikum, ohne Zuschauer, ohne wirkliche politische Öffentlichkeit nicht existiert.
Drei Intendanten wussten sehr genau, was vom Neo-Liberalismus für die öffentliche Kultur, für die Schau-spiel- und Ensemblekunst zu erwarten ist und dachten trotzdem, sie hätten genug getan und bräuchten ihre Nachfolge nicht zu regeln, für ihre Ensembles nicht zu sorgen. Die Folge war, dass die Stadt, von Moment-Aufnahmen und Spekulation geblendet, die Axt an diese ihre Identität gelegt hat. Und niemand hat irgendwann etwas gemerkt und die Bremse gezogen!

Es war mir wichtig, dies zu Ihren Antworten auf die Fragen der FAZ zur Berliner Kulturpolitik und während Ihrer Zeit als Regierender Bürgermeister und Kultursenator ergänzend einzuwenden.

Mit freundlichem Gruß

Jürgen Holtz, Schauspieler des Berliner Ensembles

PS: Ich gebe diesen Brief als öffentlichen Brief an die Feuilletonredaktion der FAZ
und an den Senator für Kultur Herrn Dr. Klaus Lederer


juergen holtz ausschnitt 140 theresa becherer uDer Schauspieler Jürgen Holtz, geboren 1932 in Berlin, kam nach ersten Engagements in Erfurt, Brandenburg/Havel und Greifswald 1964 an die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. In Berlin spielte er in den siebziger Jahren auch in den Ensembles des Deutschen Theaters und des Berliner Ensembles. Nach Gastspielen in Hamburg und Bochum verließ er 1983 die DDR. Es folgten Engagements an den Münchner Kammerspielen, am Schauspiel Frankfurt, am Deutschen Theater Berlin, am Nationaltheater Mannheim und am Berliner Ensemble. Daneben war Jürgen Holtz auch regelmäßig in Film und Fernsehen zu sehen. 1993  erhielt er den Gertrud-Eysoldt-Ring, 2004 den Hessischen Kulturpreis, 2013 den Theaterpreis Berlin und 2014 den Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste.

 

Wir danken Jürgen Holtz für die Genehmigung, seinen Text im Wortlaut zu veröffentlichen. Die Hervorhebungen folgen dem Original, offensichtliche Schreibfehler wurden stillschweigend korrigiert. Aus Gründen der Lesbarkeit haben wir Zwischenüberschriften eingefügt.

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Kommentare  
Offener Brief Jürgen Holtz: Es gab Menschen, die versuchten
Lieber, hochverehrter Jürgen Holtz -
haben Sie vielen Dank für Ihren offenen Brief, aus dem so viel Enttäuschung spricht neben all den rekapitulierten Wahrheiten über einen Ist-Zustand der Berliner Nach-Wende-Theaterlandschaft, der ihre ideologisierten Eifersüchteleien nach dem Mauerfall abhanden kamen. Es mischen sich viel zu wenige Schauspieler und Schauspielerinnen Ihrer Generation durch ein ernst gesprochenes Wort, das sich nicht in allseits ge- und beliebten Anekdoten und altersweiser Selbstironie verliert.
Ich denke, dass Sie sich an wirklich kaum einer theaterpolitisch relevanten Stelle irren. Aber an einer irren Sie sich doch, weil Sie von ihr nichts wissen können: Es gab Menschen, die versucht haben so weit es in ihrer Macht stand, die recht zeitig etwas von alldem gespürt und vor ihrem geistigen Auge gesehen haben. Und die von Ihnen schmerzlich vermisste Bremse zu ziehen einiges Vernünftige und vielleicht auch Unvernünftige unternahmen. Die bereit waren Verantwortung zu übernehmen. Die Castorf an Nachfolgesuche gemahnt haben und Peymann für seine mitunter verantwortungslos effekthascherischen Pressenörgeleien und die eitle öffentliche Koketterie mit seiner Autorität, die auch kulturpolitische Folgen zeitigten, persönlich kritisiert haben. Es gab den Versuch, das Ensemble des DT zu schützen vor einer Verhamburgisierung. Nur ist niemals etwas davon an die Öffentlichkeit gedrungen und die Verantortung dafür liegt auch bei Theaterleuten, die es lieber bequem haben wollten, als sich auseinanderzusetzen. Und auch bei (Kultur)Politikern, die es lieber bequem haben wollten mit den sie unterstützenden Medien und lieber nichts sagen und tun wollten gegen deren Verteibung des teuren Feuilletons aus den Redaktionen... Diese Hoffnung des Theaters als i m m e r auch im Ganzen wirkenden Ensemble; als Prinzip eines durch jede Art politischer Resistance hindurch wirkenden Zusammenhalt von zum Narren Berufenen, möchte ich Ihnen gern erwecken. Das Theater als Ensemble gewordenes Prinzip ist nicht totzukriegen! Von nix und niemands. Bleiben Sie uns bitte noch lange erhalten mit Ihrem klaren Blick und Ihrer Fähigkeit, klare, wahre Worte zu sprechen. Ich bin sicher, es gibt sogar noch die ein oder andere n e u geschriebene Rolle für Sie.

Es grüßt Sie herzlich durch Kommentar d.o.
Offener Brief Jürgen Holtz: Früher war alles besser?
Ja, es ist ärgerlich, wenn Herr Wowereit unter Auslassung seiner direkten Verantwortung für ebenfalls fragwürdige Entscheidungen, über die Kulturpolitik seiner Nachfolger herzieht.
Dieser offene Brief allerdings ist nur wieder ein weiterer Beitrag im Lamento "Wir wollen unser'n alten Kaiser Wilhelm wiederham, mit'm Bart...". Dem "früher war alles besser" steht ja nun mal die Empirie entgegen, die für so ziemlich alle Bereiche - zumindest in unserem Land - sagt: früher war alles schlechter. Bei aller Ehrfurcht vor der Weisheit und der Erfahrung des Verfassers: es steht zu hoffen, daß dies nicht als satisfaktionsfähiger Beitrag zur Kulturpolitik gesehen wird.
Theater hat seine besten Zeiten noch vor sich, trotz TV und Teufelszeug wie dem Internet, dafür muß man sich aber von seinen historischen Gewissheiten lösen.
Offener Brief Jürgen Holtz: Langhoffs Nachfolge war geplant
Lieber Jürgen Holtz,

ich verbeuge mich nochmals vor Ihrer Leistung in "Katarakt", jedoch was Thomas Langhoff betrifft haben Sie Unrecht. Er hatte durchaus für einen Nachfolger Sorge getragen und der hieß Thomas Ostermeier. Jedoch wurde der, oder ließ sich abwerben. Über das "warum" ließe sich streiten. Und wenn man die Linie über Hilje weiter verfolgte, käme man bei Frau Langhoff an.
Offener Brief Jürgen Holtz: Verhamburgisierung?
Guten Tag !
Entschuldigung , können Sie mir den Begriff " Verhamburgisierung “ mal genau erklären , Herr " Rust " ? Ich wüsste gerne, was genau Sie darunter verstehen. Ich kenne nur gutes und schlechtes Theater und das kommt überall vor . In allen Städten und auch ganz viel in Berlin. Auch an Häusern, an denen keine Hamburger arbeiten. Oder meinen sie eine Strömung? Die "Hamburger Dramaturgie", oder sowas ? Dann habe ich nicht aufgepasst . Also das Thalia Theater und das Schauspielhaus in Hamburg sind dann Ihrer Meinung nach etwas negatives? Zumindest keine guten Theater? Ist das so? nur eine Frage .
Gruss
Offener Brief Jürgen Holtz: alte Hasen nehmen sich zu wichtig
Sicherlich. Man kann sich unzufrieden zeigen mit den Entscheidungen über die Intendantenwechsel. Aber man wird auch keinen finden, den sich alle wünschen. Es ist auch sehr typisch für uns Berliner, dass wir jedem neuen Intendanten immer das Schlimmste unterstellen. Es gab nie jemanden, der in Berlin mit offenen Armen empfangen wurde. In der Rückschau wirkt jetzt immer alles so glorreich. Denn damals waren alle jung und alle dabei und die Wutreden und Untergangsszenarien der Alten, haben die Jungen vereint und geadelt. Ein Bernd Wilms wurde in den ersten Jahren ausgebuht, dann wurde geflennt ohne Ende, als er ging und für Ulrich Khon Platz machte, der wiederum angeblich den Untergang des Deutschen Theaters einläutete. Peymann in eine Reihe zu stellen mit Brecht und Müller, finde ich z.B. gewagt. Das Berliner Ensemble ist schon lange ein Museum. Hat aber offenbar seine Berechtigung, denn die Auslastung stimmt und außer dem vielen Schulklassen wird wohl niemand hineingezwungen. Die Vielfalt der Berliner Theaterlandschaft ist doch entscheidend und das, worum uns viele beneiden. Mich selbst beschleicht auch manchmal das Gefühl, ach, da läuft doch heute nichts mehr, das ist doch alles langweilig. Aber wenn ich im Gorki Theater sitze und lauter junge Leute jubeln und toben, denke ich: die finden was, die sehen etwas, was sie berührt und darauf kommt es an. Die alten Berliner Hasen nehmen sich allesamt zu wichtig, aus Angst, sie könnten genauso unbedeutend sein, wie wir alle. Die Frage der sozialen Absicherung aber ist eine andere: einerseits ja, wir müssen, wie überall in der Gesellschaft aufeinander achten und uns um einander kümmern. Aber andererseits verstehe ich die Aufregung nicht. Die Volksbühne ist sicherlich das Berliner Theater mit den allermeisten unkündbaren Verträgen. Es wird also eine ganze Reihe Mitarbeiter geben, die am Haus bleiben können, wenn sie wollen. Auch kommt dieser Intendantenwechsel nicht über Nacht. Alle hatten ausreichend Zeit sich zu bewerben und sich umzusehen. Ich wünsche allen, dass sie unterkommen und neue Häuser oder Aufträge finden, aber ich kann den Wechsel an sich nicht anprangern. Wir alle haben dieses unstete Leben gewählt, das uns einerseits nicht viele Sicherheiten gibt, andererseits aber sehr viel Freiheit ermöglicht. Und für alles andere gilt: seid füreinander da, unterstützt euch gegenseitig. Es werden neue Künstler in die Stadt kommen und das wird spannend werden. Ob's gefällt oder nicht.
Offener Brief Jürgen Holtz: Fähigkeit, mit vorhandenem Ensemble zu arbeiten
Ich finde großartig, was Jürgen Holtz da geschrieben hat. Diesem Brief muß in fast jeder Hinischt zugestimmt werden. Ich habe u. a. auch noch nie verstanden, warum bei Intendantenwechseln die Ensembles weitestgehend ausgetauscht werden: Die künstlerischen Gründe, die dafür ins Feld geführt werden, finde ich eher schwach und vermute, dass es in Wahrheit vor allem um die Etablierung und symbolische Demonstration von (neuer) Macht geht. Man sieht das z. B. auch daran, dass meist die gesamte öffentliche Selbstdarstellung bis hin zum Logo für viel Geld ausgetauscht wird. Daß die Fähigkeit, mit vorhandenen Menschen arbeiten zu können, deren Stärken und Schwächen berücksichtigend, zu den wichtigsten Tugenden eines Leiters/einer Leiterin zählt, soll am Theater - bei aller Spezifik - nicht gelten?
Offener Brief Jürgen Holtz: fragen Sie, warum das BE voll ist!
#5 Ja, ALTER HASE, vielleicht nehmen Sie sich auch zu wichtig und heute haben Sie mit Ihrer Behauptung, die Schüler würden zum Besuch des BE gezwungen, obendrein Pech gehabt. Das BE war voll (Prinz von Homburg)und weit und breit keine Schulklasse. Statt sich zu fragen, warum das BE seit 1999 ein beim Berliner Publikum akzeptiertes und außerdem weltweit eingeladenes Theater ist, praktizieren Sie die Methode: Es kann nicht sein, was nicht sein soll! Gruß!
Offener Brief Jürgen Holtz: zur Hamburgisierung #4
#4. Lieber "Peter", Entschuldigung auch - könnte ich erklären, will ich aber nicht.
Ich kenne nur Theater und Nicht-Theater. Es gibt gutes und schlechtes Theater und gutes und schlechtes Nicht-Theater. Ich bin für gutes und schlechtes Theater und da natürlich immer für besseres als schlechtes! - Aber es kommt nun einmal vor und sofern es wirklich Theater ist, lernt das gute auf Kosten des schlechten besser zu werden. Und das schlechte Theater lernt vom guten auch besser zu werden! Das ist das, so glaube ich, was Herr Holtz mit Theater-Landschaft eines Ortes gemeint hat. Ich finde es großartig, dass er sich berührend offen geäußert hat und seine Enttäuschung auch Raum gefunden hat in der FAZ wie auch hier. Ich finde es überaus bemerkenswert, wenn so ein betagter Schauspieler noch seiner Enttäuschung Luft macht! Weil das nämlich heißt, dass er noch immer etwas erwartet: Von sich, seinem Beruf, vom Theater - Ich finde diese Kraft vorbildlich! Für ein Schauspielerleben, für Theaterleben, für überhaupt ein Leben. Und ja - er hat nicht in allem recht vielleicht. Z.B. was Thomas Langhoff betrifft und den eventuell von ihm angedachten Nachfolger Ostermeier. Den ich im übrigen auch heute innerhalb Berlins aufgrund seiner Ästhetik sowohl als Regisseur wie auch aufgrund seiner Programmatik als Künstlerischen Leiter der Schaubühne mit Verlaub als den seit Langhoff fehlenden, wirklich würdigen Nachfolger eines DT sehe. Einen, der in der Lage ist, es seinem einstigen Ruf zu DDR-Zeiten entsprechend als Hochleistungstheater einer damals ja kleinen aber theaterstarken Republik zu führen ohne Nostalgie. Hier ist einer als selbst starker Regisseur in der Lage als Intendant neben sich starke Regieleistungen zu dulden und dadurch auch zu fördern. In der Lage, Internationalistät und Diversität als Selbstverständlichkeit zu begreifen und ohne jedes in einer METROPOLE lächerliches Aufhebens davon zu machen. Hier werden kreativ Textbearbeitungen umstandlos neu gemacht wie es das zu inszenierende Stück erfordert und die Dramaturgen, wenn sie denn etwas sagen, HABEN etwas zu sagen auf Höhe der Zeit und müssen nicht nur die regieseitige Dramaturgie des Künstlerischen Leiters in Programmheften, politischen Manifesten oder Matinees übersetzen. Weil die mämlich kommentarlos in den Inszenierungen rüberkommt... Und da muss der Ostermeier dafür auch nicht in der Presse den Stachel-Kasper geben, damit die Leute auch zuverlässig kommen, weil er wieder so grandios provoziert hat... (Ich hoffe, der hat keine Zeit, das hier zu lesen, sonst denkt er, ich würde ihn gern persönlich kennenlernen.) - Es wäre auch so schön, wenn da ein paar von den reisegeschlauchten Leuten der Schaubühne auch einmal ins DT kämen, schon weil es da die besseren Duschen gibt!
Ich weiß nicht, ob Wilms irgendwer namentlich hinterhergeweint hat. Ich jedenfalls habe niemanden persönlich getroffen, der das tat, auch wenn das zum Ende seiner Intendanz dann endlich ins Laufen kam mit seinem Gefühl für die Stadt, wie sie im Moment war - nu is sie aber schon wieder ander, nicht wahr - Außerdem: Wenn die Langhoff-Linie so stimmte wie unser trolliger mmmmhmhmhmmh behauptet, wäre ja Shermin Langhoff jetzt am DT und nicht am Gorki und Jens Hillje noch immer bei Ostermeier.
Und ich denke ganz gewiss, dass Holtz sich niemals anmaßen würde Peymann in die Büchner/Brecht/Müller-Linie einarbeiten zu wollen - schon allein weil dieser Mann weiß, dass das Dichter waren und keine Regisseure, die wie Peymann auch ganz gerne Schriftsteller geworden wären vielleicht- Ulrich Khuon hat bestimmt seine großen (Führungs-)Qualitäten - aber ich finde nicht, dass er ein würdiger DT-Nachfolger ist. War das offen genug?- Danke. Eingedenk, dass die "Hamburgische Dramaturgie" durch einen entfesselten Ausbund an Kritikkraft entstand, was Sie gewiss wissen und weshalb ich es schön finde, dass sie hier an sie erinnern, grüße ich freundlich zurück - unbekannterweise ganz die Ihre.
Offener Brief Jürgen Holtz: natürlich völlig falsch
Und was Reese betrifft, liegen Sie natürlich auch völlig falsch, lieber Holtz, er ist ein Ziehkind von Bernd Wilms, und in dem Sinne nur ein Berliner Heimkehrer. So gesehen: Das ganze Leben eine einzige Regieübung!
Offener Brief Jürgen Holtz: da kommt doch noch was
Ich suche, bei all dem, was ich über Theater/Intendanten/Ensemble lesen, die NEUGIER auf das, was eventl.TOLLES kommen könnte. Mir scheint es so, als wäre Theater der Ort auf der Welt und besonders in Berlin wo nur die "glorreiche Vergangenheit" zählt. Fragt jemals einer der DISKUTIERER was die jungen Leute sehen wollen und wie die jungen Schauspieler "ihr" Theater sehen. Ich denke, das Jammern nach der Vergangenheit reicht nun - ich warte interessiertest was KOMMT !
Offener Brief Jürgen Holtz: in derselben Stadt
@9 Lieber Herr Baucks
worauf ich mich vor allem freue an der Intendanz von Oliver Reese am BE, ist, dass Sie und Reese dann endlich wieder in derselben Stadt sind.
Da freue ich mich schon jetzt auf einen angeregten Dialog.
Herzlich, Ihr Gunnar
Offener Brief Jürgen Holtz: Ahndung
Lieber trolliger Rust!

Und wenn Shermin Langhoff schon längst im Gespräch wäre für das DT?! Was wäre dann?! Ich werde sie zu gegebener Zeit erinnern!
Offener Brief Jürgen Holtz: Ablenkung
Lieber trolliger baucks - das ist dann auch ok. Immer wenn Leute die auf welche Weise immer Theater machen, bei der Politik im Gespräch sind, ist das doch okay! Die Linie Langhoff ist ja nicht nur indirekt wie bei Shermin Langhoff, sondern auch direkt gut verzweigt, warum sollte da der Name Langhoff nicht wieder einmal eine Gesprächs-Rolle spielen am DT? Ich fänds auch okay, wenn Sie auch noch einmal für irgendwas im Gespräch wären am DT! Ich fände es es voll in Ordnung, wenn ich da noch einmal in wenigstens einem zarten Gesprächspflänzchen wäre, selbst wenn ich Sie dann nochmal treffen müsste so gesprächsweise, oder Shermin Langhof oder Thomas Ostermeier dafür persönlich kennenlernen müsste. - Ich fände es sogar mehr als okay, wenn ich dafür Herrrn Lederer persönlich kennenlernen müsste. Das wäre eine gute Gelegenheit, ihm zu sagen, dass er sich- wenns nach mir geht, bitte nüscht aus der Kritik an ihm wegen der Brönner-Abschmettrei für die Münze machen soll- ich find seine entscheidung das betreffend nämlich sehr gut. In seine Idee für die Münze mit ihren vielel kleinteiligen Proberaum- und Atelier-Kapazitäten bei gleichzeitig großräumigen Präsentationsmöglicheiten passen nämlich auch die Brönners und u.a. Jazz - umgekehrt wage ich zu bezweifeln, dass in das Brönner-Konzept die frischen Jazz-Ausprobierer oder Bildenden Künstler, Aktionisten und Installatoren gepasst hätten - trotz der reingeschobenen Mio. nicht - oder gerade wegen dieser nicht... - Sehn Sie - schon bin ich abgelenkt vom Thema DT - so gehts mir immer: Wenn ich ganz harmlos mit Theater anfange - bin ich schon gleich vom tickigen 100tel ins politische 1000tel-:)
Offener Brief Jürgen Holtz: nicht immer Klüngel
Zu 12:
Dann wäre sie es wohl deshalb, weil sie an einem kleineren Haus der selben Stadt herausragende Arbeit geleistet hat und etwaige Gedanken in der Folge nicht sehr abwegig erscheinen. Auch ohne aluhuthafte Prämissen. Manchmal entscheiden verantwortliche Kultursenatoren respektive Dezernenten sicherlich mit Blick auf das Wohl eines Theaters und nicht ausschließlich aus klüngelspezifischen Gründen.
Offener Brief Jürgen Holtz: keine voreilige Wertung
Lieber Dr. Weiß,
eine voreilige Wertung hatte ich eigentlich nicht vornehmen wollen, nur eine genauere Sichtung....
Offener Brief Jürgen Holtz: andere Routine
In Berlin wurden nicht nur die genannten Theater geschlossen, sondern auch das Metropoltheater. Es war auf das heitere Musiktheater spezialisiert. Jetzt existieren mit der Musikalischen Komödie in Leipzig und der Staatsoperette in Dresden nur noch zwei Häuser mit dieser Ausrichtung in Deutschland.
Im Kern geht es Jürgen Holtz doch um eine Frage: Ist bei einem Intendantenwechsel der Austausch eines Ensembles notwendig, weil nur so angeblich neue Impulse möglich sind? Meist kommt der Neue mit einer Truppe, mit der er schon lange zusammenarbeitet, man ist eingespielt, was auch Routine mit sich bringt. Neues ist da genau so viel oder wenig zu erwarten, wie bei der Zusammenarbeit mit einem bestehenden Ensemble.
Offener Brief Jürgen Holtz: klar und klug
danke lieber jürgen holtz, sie sprechen mir aus dem herzen und zeigen in ihren worten eine klare und kluge sicht auf die kulturlandschaft in berlin+deutschland - und auch schon die ersten bedenklichen folgen, wenn bildung und theater vernachlässigt werden und dies als tendenz-signal in die gesellschaft hinein geschickt wird:

eine kulturlose und bildungsferne gesellschaft ist dann am horizont zu sehen ... aber vielleicht hat die politik einfach zuviel mit sicherheit und überwachung zu tun ... und merkt nicht, was sie tut.

jeder der ein interesse an bildung und kultur hat, sollte der politik genau diese fragen stellen - seine sicht schildern und antworten einfordern - bevor alle substanz jenseits von wirtschaft und konsum plattgemacht ist ...und roboter für roboter theater oder schule spielen ... denn das ist ja die "zukunft" ... die künstliche intelligenz ... hmmm ... menschen? wer interessiert sich denn noch dafür???
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