Untergang im Glitzerkleid

von Sabine Leucht

München, 7. Mai 2017. Für den Bruchteil einer Sekunde schiebt sie sich rückwärts ins Bild. Ganz weit hinten, bevor die Türrahmenflucht dem Zuschauerblick entschwindet, hat man Phädra kurz gesehen. Dann flackert im mittleren Rahmen ein Schatten auf. Und schließlich ist sie da – in dem dunklen Raum voller offener Ausgänge, den Annette Murschetz auf die Bühne des Münchner Residenztheaters gebaut hat: Bibiana Beglau, sich ein mächtiges Stück Stoff vor ihre ölglänzende Nacktheit haltend, während sich ihre goldenen Stiefel geräuschvoll durch ein Meer von Eisschollen und -Splittern pflügen.

Auf den Lippen trägt sie weder die Worte Euripides' oder Senecas noch die von Jean Racine oder Sarah Kane, sondern die wuchtigen Verse des Münchner Theaterdichters Albert Ostermaier. Der hat den Stoff um die in ihren Stiefsohn Hippolyt verliebte und von ihm verschmähte Frau neu bearbeitet, mit einer Sprache von archaischer Kraft, die allerdings auch ausgiebig in der Gosse gebadet und sich unter den Geiferern unserer Tage umgehört hat – chorisch brüllt der "Mob": "Anheizen wollen wir sie mit ihm, die Öfen, damit sie unwertes Leben wieder vernichten. Komm heraus, Hippolyt, die Haut werden wir dir abziehen, bis wir dein Affen-Herz sehen! Denn du tötest unsere Kinder, vergewaltigst unsere Frauen, vergiftest unsere Flüsse, möchtest unsere Mädchen ficken, wir haben es gesehen ..."

Geschäfte gegen Gefühle

Da ist alles drin: NS-Kampfbegriffe, Nazi-Praktiken, rassistische Parolen, die brennenden Flüchtlingsheime von heute und die für alle Zu-kurz-Gekommenen so nützliche Sündenbockfunktion. Denn Hippolyt ist hier ein "Fremder", den der Soldat Theseus als Boten aus Afghanistan geschickt hat, damit ihn Frau (Phädra) und Tochter (Aricia) wie einen Sohn und Bruder lieben. Die denken aber nicht dran, es dabei zu belassen. Und daher endet "Phädras Nacht" wie all ihre literarischen Vorgängerinnen sehr finster, mit lauter Toten.

Phadras Nacht4 560 Matthias Horn uBibiana Beglau (Phädra), Nils Strunk (Hippolyt) © Matthias Horn

Das "Projekt", das Ostermaier und Resi-Intendant und Regisseur Martin Kušej gemeinsam geschultert haben, versucht am Puls der Gegenwart politisch zu sein. Dafür entwirft es eine postapokalyptische Gesellschaft, in der der nationalistische Mob die Zügel in der Hand hat und Liebe und Hass erschreckend ähnliche Folgen zeitigen. Wütet Phädra zu Beginn über ihren lange abwesenden Mann, der seinen "Krieg zwischen die Schenkel von Huren pumpt", taucht sie verbal tief hinab in die Gemengelage von Feuer und Eis: "Ich friere, Theseus, weil ich verbrannt bin." Und da bleibt der Text, metaphernsatt – und reichlich überladen.

Der Flüchtling wird per se zur erotischen Zielscheibe ("Ich mag ihn", schmettert Pauline Fusbans Aricia trotzig gen Bühnendecke, weil er "anders, wild ist")  und als Drogenkurier missbraucht, denn Theseus ist hier nicht nur gegen die Taliban, sondern auch in Sachen Heroin unterwegs, mit dem der Arzt Asklepios seinen multipel süchtigen Schützlingen Träume injiziert, die er sie für die Wahrheit halten lässt. Seine, des Intriganten Version von Brot und Spielen heißt Heroin und "Asylantenschweine"-Lynchen. Sein Credo, mit dem er als einziger nicht Opfer seiner Gefühle wird: Geschäftemacherei.

Tod durch Hass oder Liebe

Thomas Grässle spielt den Asklepios als schamanischen Zeremonienmeister, der mit aufreizend ausgestellter Lässigkeit in leeren Türrahmen klebt. Aurel Manthei ist ein schwacher, da von inneren und äußeren Kriegen gebeutelter Theseus, der den letzten Zuckungen seiner Familie derart steif beiwohnt, dass man sich fragt, ob das so gedacht war oder nur so gespielt wird. Und Nils Strunk geht als Hippolyt sehr selbstverständlich und erfreulich undevot durchs menschliche Ruinenfeld, auch wenn ihm viele altkluge Bescheidwissersätze in den Mund gelegt worden sind: "Töten die Rechten mich nicht mit ihrem Fremdenhass, töten mich die anderen mit ihrer Liebe ... Sie berühren mich, diese guten Menschen, wann immer sie können. Nehmen mich in den Arm, drücken mich an ihre Brust, halten mich. Dabei wollen sie, dass ich sie halte, dass ich der Sinn bin, der ihrem Leben fehlt."

Phadras Nacht1 560 Matthias Horn uBibiana Beglau (Phädra), Pauline Fusban (Aricia) © Matthias Horn

Und schließlich Bibiana Beglau: Ein Spektakel, das klagt, röhrt und die schwarz und schließlich rot gefärbte Scham wie eine Waffe herzeigt. Ihre Phädra ist ein Paradiesvogel mit geknickten Schwingen, eine ganzkörpergekrümmte Schwarze Witwe, deren Liebe Gift verspritzt. Beglau ist in all ihren Aktionen Feuer und Eis zugleich; wie sie die Worte und den Körper dehnt und spreizt, ist aber zuweilen auch von unfreiwilliger Komik.

Wenn Kušej Flammen aufflackern oder Rauchwolken aufsteigen lässt, wirkt das ebenso exquisit und erlesen wie die Lichtbrechungen in Beglaus schmalem Glitzerkleid oder die Idee mit dem langsam schmelzenden und die Bewegungen der Akteure behindernden Eis. Aber es wirkt eben auch arg manieriert – und das Ganze viel weniger brisant als vermutlich gewollt.

Phädras Nacht
Ein Projekt von Albert Ostermaier und Martin Kušej
Regie: Martin Kušej, Bühne: Annette Murschetz, Kostüme: Heidi Hackl, Musik: Mitja Vrhovnik-Smrekar, Licht: Tobias Löffler, Dramaturgie: Laura Olivi.
Mit: Bibiana Beglau, Aurel Manthei, Pauline Fusban, Nils Strunk, Thomas Grässle, Gunther Eckes.
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.residenztheater.de

 

Kritikenrundschau

Eine "kraftlose Kraftmeierei" hat Robert Braunmüller gesehen, die "im Irgendwo hipper Phrasendrescherei" stecken bleibe, "aufgeschrieben wie von einem Rainer Maria Rilke im Kampfanzug – aus dem sicheren Abstand einer Schwabinger Altbauwohnung". Das Projekt sei "der großmäulige Versuch, Euripides, Seneca, Racine und Sarah Kane zu überbieten", schreibt Braunmüller in der Abendzeitung München (9.5.2017). "Die Schauspieler straucheln über die mit knackenden Eissplittern bedeckte Bühne." Im Großen Haus des Residenztheaters habe das "längst nicht die Wucht, die es im kleinen Marstall hätte". Bibiana Beglau hingegen spiele ihre Phädra "mit lange nicht gesehener Kraft und einer ungeheueren Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst", so Braunmüller. "Sie orgelt Ostermaiers Poesie mit dunklem Alt und schreit ihre Tragödie hochdramatisch aus sich heraus, als sei der Geist von Gisela Stein in sie gefahren – mit allen Licht- und Schattenseiten eines Theaterextremismus, den Manier und dem Kunstgewerbe bedrohen."

"Kušej forscht als Regisseur ja seit geraumer Zeit an den Dimensionen völlig fettfreien Theaters, Dry aged sozusagen, nur noch Sehnen und Fleisch", schreibt Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung (9.5.2017). "In der Hinsicht dürfte er mit 'Phädras Nacht' einen gewissen Höhepunkt erreicht haben. Das Ergebnis ist absolut freudlos." Aber woher solle die Freude bei dem Stoff auch kommen? "Es ist verstörend, stark, ohne Zugeständnisse, ohne Hoffnung." Bibiana Beglau sei "noch mehr als sonst (…) Skulptur, ihr Körper ein fast surreal wirkendes Gebilde aus Sehnen und Muskeln", so Tholl. "Man muss sie nicht mögen, man muss kein Mitleid mit ihr haben, man kann aber sehr wohl fassungslos vor dieser Schmerzensfigur sitzen." "Bei aller knochentrockenen Härte" habe der Abend "durchaus ein schrundiges Pathos", wird von Tholl aber insgesamt als "bemerkenswert" eingestuft.

Albert Ostermaier habe "den alten Phädra-Stoff in eine kraftvolle, gleissend schöne, antikisierende Sprache gegossen, mit ein bisschen Pathos und viel Raunen, gewürzt mit kalkuliert Anstössigem – und hat ihm, gedanklich kühn konstruiert, einen aktuellen Sinn untergeschoben", schreibt Bernd Noack in der Neuen Zürcher Zeitung (13.5.2017). Die behauptete Tragik entwickle sich jedoch in der Regie von Martin Kušej "in Hochglanz-Qualität. Alles stimmt auf extrem künstliche und somit falsche Weise: das punktgenaue Licht-und-Schatten-Spiel, der dräuende Sound, das im schlimmsten Moment wohlfeil gesetzte Wort." Was man gesehen habe, sei "die ästhetisch geschminkte Katastrophe, der Untergang in gediegener Wucht, der Schmerz in glitzernder Schönheit und die Wut in regulierter Choreografie. Alles nur gespielt. Zwar gut und manchmal wunderbar, aber auch unterkühlt, ausgestellt wie kostbare Ware in den Schaufenstern der Maximilianstrasse gleich vor der Tür."

Kommentare  
Phädras Nacht, München: Beglaufestival
Maniriert trifft voll zu. Der Wucht der Phädra können Hippolyt und Phädras Tochter we ig dagegensetzen. Es bleibt ein Beglaufestival mit bemühtem Gegenwartsbezug.
Phädras Nacht, München: düster und oberflächlich
Diesen Abend hätte ich mir gerne erspart. Das war das erste Stück seit langem, das mir im Resi nicht gefallen hat. Das war einfach nur depressiv, obszön, gewalttätig, düster und zugleich sehr oberflächlich, da es den vielen Themen, die behandelt wurden nicht gerecht werden konnte. Bezeichnend der Satz von Phaedra zum Publikum, "ich will euch anstecken mit meiner Krankheit". Man war in der Tat etwas angesteckt und verstört nach diesem Stück.
PhädrasNacht, München: angemacht und verschaukelt
Die ersten Kritiken in Welt und Hamburger Abendblatt leben aus dem Text des Programmhefts. Ohne diesen Text bleibt das Stück ohne jede Aussage, die Bezüge zu heute, Afghanistan, oder politischer Kontext, sind aus den gesprochenen Texten kaum darstellbar, zwei Stunden viel zu lang, und die Fähigkeiten der Schauspieler(innen) verschenkt. Als Zuschauer fühle ich mich angemacht und verschaukelt durch einen absolut unpassenden "Fellatio". Sex sells? Der antike Chor als Mob? Was für ein Quatsch! "Bejubelte" Uraufführung, ja, aus Verzweiflung? Warum bejubelt, lieber weggejubelt? Die dunkle Zwischenmusik, Eis oder Glas auf der Bühne, viele Türen als Kulisse, fällt euch nichts Neues ein? Das hat man am Resi alles schon öfter gesehen, bei Faust, oder Virginia Wolff, oder Antonius und Cleopatra. Ich hätte noch früher gehen sollen.
Phädras Nacht, München: frostig, obszön
Neurotischer Unfug oder zynischer Wahn? Ohne Hoffnung, ohne Trost wurde ich aus diesem Stück expediert. Ein kluges Maß an Bescheidenheit, Liebe, Mitgefühl, Vorsicht, Verdichtung, Klarheit oder Vision sind in diesem Stück nicht zu finden. Ein frostig, obszönes Spektakel, im Grunde auch schäbig und schamlos gegenüber allen Menschen, die den Krieg erfahren oder davor flüchten müssen. Frau Beglau gibt den Ton an. Irgendwo zwischen Mephisto und der bitteren Petra, diesmal nicht zwischen sinnentleerten Flaschen sondern zerbrochenen Eisplatten staksend, zückt sie aus der Palette ihrer angesammelten Tricks und Attitüden die Posen, klimpert auf einer eingefahrenen Klaviatur bekannte Ton- und Anfälle. So überschwemmt diese ständige Angeberei teilweise auch das weitaus feinere, klarere Spiel ihrer Kollegen. Hervorzuheben ist die ehrliche Gratwanderung Aurel Mantheis, der mit seiner ungetrübten Direktheit und Haltung überzeugt. Warum wächst der Schauspieler nicht an seinen Rollen, an der geistigen Struktur der Texte? Insgesamt ist die ganze Anlage des Stücks nicht stimmig, das Eis ist von vornherein zerbrochen, also das heißt…das Theater ist eben kein Mysterienspiel. Und vielleicht prägen natürlich auch Schauspieler die neurotische Verwirrtheit nochmal aus, die sowieso jeden Menschen mehr und mehr packt, auch sogar den Bescheidenen, auch sogar den Unerfahrenen, den nicht Intellektuellen, wie man diesen nennen mag, der ist sonst ganz gut von Neurosen und diesen ganzen Weltwahnvorstellungen und diesen seelischen Exzessen, die von Außen auf Einen einschlagen geschützt, war geschützt durch ein kluges Maß an Bestimmtheit …wir reden nichts mehr ab, wir ziehen alles rein, Verdammnis, spucken es wütend aus oder lassen uns infizieren, und…das ist zuviel. Das ist eine Hydra im Grunde. Hydras Nacht.
Phädras Nacht, München: nachgespielt?
Ist eigentlich mal ein Stück von Albert Ostermaier an einem anderen Haus als dem der Uraufführung nachgespielt worden?
Phädras Nacht, München: was sagt das aus?
Liebe(r) Rana Rani, die gleiche Frage können Sie in Hinblick auf fast alle jüngeren deutschen Dramatiker(innen) stellen. Und was wäre damit bewiesen? Sagt es etwas über die Autoren aus oder über die Theater, die neue Stücke nicht nachspielen?
Phädras Nacht, München: alles ging schief
Nach langem Zögern haben wir wieder einmal einen Versuch gewagt, ein Münchner Theater zu besuchen. Was kann schon schiefgehen, wenn Kusej Regie führt und die Beglau die Hauptrolle spielt? Da konnten uns auch einige negative Kritiken nicht abschrecken. Leider ging aber so gut wie alles schief. Das beginnt mit dem Text, der oft völlig unmotiviert vom antikisierenden Pathos zur platten, klischeehaften Alltagssprache wechselt.Ständig dabei den Zeigefinger erhoben, um plump auf die in Deutschland bestehenden rechtsextremen Strömungen hinzuweisen.
Weiter geht es mit der Regie, die es nicht schafft, so etwas wie eine Entwicklung oder Erklärung aufzuzeigen. Zugegeben ist das bei dieser Textvorlage schwierig. Aber da Kusej dieses "Projekt" mit erarbeitet hat, muss er auch dafür geradestehen. Wenn schon am Beginn Bibiana Beglau die große griechische, rasende, Tragödin gibt, dem Wahnsinn verfallen (warum auch immer) ist eine Steigerung nicht mehr möglich. Sie bleibt dann auch während des gesamten Stücks das Schmerzensweib, ohne dass plausibel erklärt wird, warum sie so ist bzw. warum das alles mit dem bestehenden Rechtsradikalismus verknüpft werden muss.
Wirklich erschreckend aber ist die schauspielerische Qualität. Die Akteure handeln entweder an der Grenze zur Parodie oder sind von ihren Rollen überfordert. Das kann natürlich auch an der fehlenden Regie und dem unsäglichen Text liegen. Dass München Besseres zu bieten hat, zeigte am nächsten Abend übrigens erstaunlicherweise das Volkstheater ("Das Schloss").
Insgesamt besteht leider offensichtlich die Gefahr, dass sich München (nach dem Totalausfall der Kammerspiele) aus der ersten Reihe des deutschsprachigen Theaters verabschiedet.
Phädras Nacht, München: wie Ketamin
Theater muss Begegnungs- und Denkräume schaffen, dass ist seine Chance. Wo bleibt die Empathie, zu welchem Theater verpflichtet sich diese Inszenierung?
Es liegt zum Teil am Text, dass diese Aufführung so reaktionär, arrogant und manieriert daher kommt. Ein guter Text muss Auschwitz aber er muss auch einer Drohne über Syrien standhalten, er muss sehr vielem standhalten. Aber letztendlich muss man selbst, also der, der es gemacht hat, seiner Vision oder seinem Irrsinn standhalten. Und auch das, kann man glaubhaft machen. Und dafür ist die Kunst meines Erachtens da.
Diese Aufführung ist weder gegenwärtig noch besonders klug. Hier scheitert Theater als Mittel, Verständnis und Empathie zu lernen und sich im Anderen wieder zu spiegeln.
Einzig was sich in einem Teich dahin schmelzenden Eises sich spiegelt - und das wiederrum macht das Stück zu einem symptomatischen Zeitdokument - ist eine narzisstische bürgerliche Kunstübung, verkörpert von einer Schauspielerin, die sich auf ihre Leidensfähigkeit auf der Bühne sehr viel einbildet und ihren Narzissmus austoben darf.
Diese abgehoben angebende Schauspielerei, die aus keinem Erfahrungsschatz mehr schöpft und nur an die Extreme geht, in die Schärfen, in die Vernichtung, bis hin zur Bereitschaft sich selbst zu vernichten, damit man nicht gleich irgendwie zum Mörder wird, oder aber sich eingestehen muss, daß man zu feig ist zum Mörder zu werden, das heißt: dieses unaufhörliche Kippen führt zu nichts, es führt absolut zu nichts. Das ist tatsächlich neurotischer Unfug. Der einen zerstört, der auch ein schwächeres Publikum braucht, was daran begeistert sein kann. Und Begeisterung heißt nichts anderes als: es ist dein Geist besetzt. Dass es in dich reinfährt. Zum Glück relativ kurz. Es ist wie Ketamin  auf das jetzt alle abfahren. Sie fahren deshalb drauf ab, weil der Kick nach 20 Minuten vorbei ist, sonst würden sie verrückt werden. Oder sonst würden sie abwegig werden auf eine ganz andere Art. Der Witz an der Sache ist, dass es nach ein paar Minuten wieder vorbei ist. Niemand würde aufsteigen, wenn er nicht wüsste, wann es aufhört. Ketamin ist das neue Heroin, auch in solchen Einzelheiten verfehlt das "Projekt" die präzisen Metaphern.
Warum Schauspieler an ihrem Text und an ihren Rollen selbst nicht wachsen?  Eine gute Frage. Ich würde sagen, da gibt es nur zwei Möglichkeiten, entweder der Schauspieler kann es nicht, er ist per se dazu verdammt, das nicht zu können, weil er möglicherweise, was er selbst nicht weiß - er müsste ja zutiefst in seine Psyche gucken - prädestiniert ist, Schauspieler zu sein, oder ein guter Schauspieler, weil er das verweigern muss, weil er das nicht kann, weil er genau deswegen sich in der Form mit Texten oder mit Körpersprache auseinandersetzt, weil es sonst keinen Weg gäbe für ihn, an irgendetwas zu wachsen, an einer äußeren Struktur, sprich an einem Text oder einer geistigen Struktur. Das wäre eine Möglichkeit. Und die andere wäre, weil er nicht wachsen darf. Weil die Beschränkung für ein gutes Schauspiel, da es sich oft im Zuschauer überträgt, genau die sein muss, dass hier jemand völlig zurücktritt. Von jeder Art, von jeder Form von Identifikation, damit auch bei jeder Form von geistiger oder seelischer Reifung anhand seiner Rolle, seines Textes oder der Überzeugung, daß er das irgendwie darstellen soll und muss. Und vielleicht kommt dann auch noch der Regisseur, vielleicht kommt auch dann das Bühnenbild, vielleicht kommt dann auch die ganze Anlage des Stückes wieder ins Spiel. Ich glaube für einen Schauspieler haben andere Vorbilder wichtig zu sein. Und zwar die aus ihrem Beruf. Nach irgendjemand, sei es aus dem hintersten China oder sei es nur ein einziges Bild, wo eine Haltung von irgendeinem Schauspieler, der das ausstrahlt würde ich suchen und sagen: was ist das, was mir da entgegenkommt, wo ich, mein Fundament, angerührt, worauf ich eigentlich aus bin als Schauspieler? Das muss ich benennen können und dann es zelebrieren
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